Was denke ich über Schule?
Ach ja. Schule.
Ein leidiges Thema. Viele Schüler verteufeln die Schule, ohne einen konkreten Grund zu nennen. Ich habe schon häufig mit Leuten Gespräche geführt und habe mir folgende Meinung gebildet.
Schule ist toll. Universitäten sind toll. Colleges sind toll. Das sind alles Bildungseinrichtungen, die jungen Leuten Wissen fürs Leben beibringen, daran ist nichts auszusetzen.
Aber...
Mir fehlt der „fürs Leben" Part gewaltig.
Wisst ihr, wir sind in einer Zeit angekommen, in der wir die Möglichkeit haben, ständig auf dem neuesten Stand zu sein. Jede Nachricht ist übers Handy abrufbar. Ein Hurricane, die Präsidentschaftswahl, ein Sarkophag, den nächsten Skandal, den sich Herzogin Meghan erlaubt, was weiß ich. Die Technik entwickelt sich stetig. Wir wollen bessere, effizientere Geräte und Methoden für alles entwickeln.
Warum ist unser Schulsystem dann gefühlt fünfzig Jahre zurückgeblieben?
Wann immer ich mit Leuten über dieses Thema rede, mache ich ein kleines Experiment. Ich sage ihnen: „Gib mal die Worte Schule macht mich in Google ein, und schau dir die Vorschläge an." Gebt euch mal, was da abgeht. Und dann sagt mir noch einer, dass sich nichts ändern muss. Mir kann keiner erzählen, dass das normal ist und der Schulstress an der Faulheit der Jugend heutzutage liegt. Ich will das nicht auf alle Schüler projizieren, es gibt einige, die faul sind und einige, die gar keine Probleme haben, aber ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine.
Schule muss nicht immer Spaß machen, aber meiner Meinung nach, verwenden wir zu konservative Methoden, Schülern Wissen einzutrichtern.
Einschub: Klar könnte man jetzt das Argument einwerfen: „Es gibt ja verschiedene Schulen, an denen sich Schüler auf ihre Talente konzentrieren können." Da stimme ich zu. Und ich glaube, wenn mehr auf die Talente, Begabungen und Interessen geachtet werden würde, es auch weniger Probleme geben würde, aber dazu komm ich gleich noch.
Aus meiner Sicht macht unser Schulsystem viele Kinder kaputt. Und damit meine ich nicht zwangsläufig, dass Schulen Kinder depressiv machen, oder in den Selbstmord treiben, oder sonst was. Das sind natürlich Extremfälle und sind meiner Erfahrung nach (ja, leider bestehende Erfahrungen aus meinem Umfeld) nicht nur auf Schulstress und den Druck zurückzuführen.
Was ich viel mehr meine, ist, dass die Schule Kindern perfekt beibringt inkompetent fürs wahre Leben zu werden.
In der Theorie ist alles da. Hey, ich kann auf Knopfdruck alle Phasen der Mitose aufzählen, bekomme es aber nicht hin, eine Pizza zu bestellen, oder einen Arzttermin ausmachen, ohne zu stottern. Versteht ihr, was ich meine?
Klar, Allgemeinwissen ist bis zu einem gewissen Grad wichtig, da stimme ich jedem zu. Aber warum fällt unter Allgemeinwissen, wie die Zellteilung einer Pflanze funktioniert, wenn man kein Biologe werden will? Warum ist es wichtig, zu wissen, wie man eine Textinterpretation oder Sachtextanalyse schreibt? Ist es nicht zum Beispiel wichtiger, sich die Reden von Politikern anzukören, um zu verstehen, welch gute Rhetoriker (manche) von ihnen sind? Warum lernen wir nicht, zu hinterfragen? Ist es nicht wichtiger, etwas über Steuern zu erfahren? Warum lerne ich nichts über Mietverträge? Was ist mit Versicherungen? Warum muss ich eine spezielle Schule besuchen, um sowas zu lernen?
Ich komme aus Österreich und weiß von Bekannten, dass es in Deutschland Schulen gibt, die sowas unterrichten. Hier in Österreich bestimmt auch, allerdings höre ich nichts von denen.
Ein weiterer Punkt, der mich mächtig stört, ist: „Du bist scheiße in Mathe, mach mehr für Mathe." Anstatt „Du bist gut in Sprachen, mach mehr für Sprachen."
Ein beliebiges Beispiel, das durch alle Fächer ausgetauscht werden kann, aber versteht ihr, was ich meine? Wenn ich schlecht in Mathe bin, warum soll ich dann verzweifelt versuchen, meine Defizite, was Winkelberechnungen oder Vektoren anbelangt, aufzuholen, wenn ich es nie im Leben brauchen werde? Ich werde keine Mathematikerin und Sinus, Cosinus und Tangens zähle ich nicht zu Alltagsmathematik.
Warum werde ich nicht ermutigt, mich auf Sprachen zu konzentrieren? Etwas, das mir liegt, das mir Spaß macht, mit dem ich in Zukunft vielleicht arbeiten will. Ich bin mir sicher, dass ich mittlerweile locker vier Sprachen fließend sprechen könnte, wenn ich die Energie, die ich jahrelang in Mathe, Physik, Chemie und sonst was investiert habe, in Sprachen hätte stecken können. Etwas, das in meiner Zukunft vielleicht eine Rolle spielt. Etwas, womit ich vielleicht einmal mein Geld verdienen möchte.
Wie gesagt: Allgemeinwissen –schön und gut. Ich kann Prozentrechnen, Multiplizieren, Addieren, Subtrahieren, Dividieren, kenne die Rechenregeln, kann mit Brüchen rechnen. Aber... das ist auch schon so ziemlich alles, was ich in der Praxis jemals brauchen werde, sofern ich keine Mathematikerin werden will. Oder Häuser bauen möchte. Oder Astronomin werden will. Will ich alles nicht, und das weiß ich. Es kommt immer auf den Beruf an, aber ich hoffe, mir werden nicht gleich die Worte im Mund umgedreht.
Und oftmals liegen die Defizite in einem oder zwei Fächer.
Generell finde ich, dass sich unser Schulsystem zu sehr auf die Schwächen eines Schülers fixiert, anstatt auf seine Stärken. Und hier in Österreich schrauben sie den Schwierigkeitsgrad der Matura (die Abschlussprüfung auf dem Gymnasium; ist so ähnlich, wie das Abitur in Deutschland) von Jahr zu Jahr runter, damit es auch ja alle schaffen. Um Gottes Willen. Es gibt einen Grund für diese Matura. Man sollte nicht beim Niveau der Matura beginnen, sondern schon viel früher.
Ich musste mich mit vierzehn Jahren entscheiden, ob ich die Schule wechseln will, oder auf meiner Schule bleibe. Hab mich für meine Schule entschieden (mittlerweile bereue ich es, aber was will man von einem vierzehnjährigen Kind denn bitteschön erwarten?). Dann musste ich mich zwischen Gymnasium und Realgymnasium entscheiden. Damals war ich noch gut in Mathe und schlecht in Sprachen und habe daher den realistischen Zweig genommen. Tja. Was ist passiert? Kaum ein Jahr später haben sich meine Talente gewendet. Plötzlich kamen in Sprachen die Einser und in Mathe die Vierer.
Es wird einfach zu früh erwartet, dass Kinder eine Entscheidung für ihre weitere Bildung treffen. Einige wissen es, andere aber nicht.
Schulen achten meiner Meinung nach generell zu wenig auf individuelle Förderung. Mir ist sehr wohl bewusst, dass unmöglich auf jeden Schüler einzeln eingegangen wird. Eine Lösung für dieses Problem habe ich auch nicht, aber es muss eine geben.
Und dann ist man mit der Schule fertig. Steht mit seinem Abschlusszeugnis in der Hand da, und die Menschen sagen dir: „Und jetzt leb mal. Mach deinen Scheiß selber."
Toll. Zwölf Jahre „Allgemeinwissen", was ich mittlerweile als „gefährliches Halbwissen" bezeichnen würde. Ich hatte nie die Chance, mich auf ein Gebiet, oder mehrere zu spezialisieren und meine Energie in Bereiche zu stecken, die mich wirklich interessieren und jetzt soll ich von heute auf morgen entschieden, was mich interessiert? Worin ich meine Stärken sehe? Ich habe Glück und weiß, worin meine Stärken liegen, weil ich mich außerhalb der Schule sehr viel mit meinen Talenten und Interessen beschäftigt habe. Aber ich habe Freunde, die total überfordert sind, nicht wissen, wohin mit sich, und wirklich Existenzängste haben.
Und dafür haben wir zwölf Jahre unseres Lebens verschwendet? Seiten über Seiten auswendig lernen, aber wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch gehe, bin ich total eingeschüchtert und kann nicht mal hallo sagen? (Wieder ein extremes Beispiel, ich entschuldige mich, aber es gibt Leuten, denen geht es so.) Ganz ehrlich, wie viel wisst ihr noch, von all den Dingen, die euch in der Schule beigebracht wurden? Wenn ihr noch eure alten Schulbücher habt, schaut doch mal rein.
Bei mir gibt es vielleicht vier Fächer, die mich so brennend interessiert haben, dass ich wirklich nichts vergessen habe. Englisch, Spanisch, Philosophie, Psychologie. Vom Rest kenne ich mich in bestimmten Themenbereichen noch ganz gut aus, aber das war's. Und große Verluste habe ich dadurch auch nicht erlitten, wenn ich ehrlich bin.
In den letzten Monaten habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Es war auch in meinem Deutschunterricht immer ein sehr präsentes Thema. Mir fallen immer wieder neue Probleme, Makel, Konflikte, was auch immer, an unserem Schulsystem auf. Und was macht der Staat? Der sagt: „Hey, was haltet ihr von gleichgeschlechtlichen Ampeln?" (Nein, ich bin nicht homophob). Oder: „Die Bodenmarkierungen müssen weiß sein, nicht gelb."
Sie lösen die kleinen „Probleme", weil sie die großen nicht lösen können. Hammer!
Ich sag es immer wieder und gerne noch einmal: Es gibt wichtigere Dinge, über die man sich auslassen kann. Das gibt es immer. Aber ich glaube auch, dass das eine sehr wohl mit dem anderen zusammen hängt. Dass alles immer zusammenhängt. Und wir verbringen mindestens neun Jahre in der Schule. Mindestens. Viele verbringen zwölf Jahre dort oder länger. Aus der Zeit kann man doch wohl mehr raus holen, als Schüler kaputt zu machen. Auf unterschiedlichen Ebenen.
Ich hätte noch so unfassbar viel zu diesem Thema zu sagen, aber so viele „negative vibes" will ich keinem zumuten. Außerdem hab ich auch noch was zu tun, wer hätte das gedacht ^^. Ich kann meinen Standpunkt natürlich nicht so deutlich rüberbringen, wie bei einem „Face to Face" Gespräch, aber ich hoffe, dass mich keiner falsch versteht.
Was denkt ihr darüber?
Habt ihr euch schon mal so stark Gedanken darüber gemacht?
Teilt ihr meine Meinung, oder seht ihr das ganz anders?
Habt noch einen schönen Tag, eignet euch Wissen an, das euch interessiert.
Ciao, Bitchachos.
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