Öffentliches Eigentum: Mein Körper

Worüber ich heute reden/schreiben möchte, hat nichts mit Schreiben, Büchern, Wattpad oder Sonstigem in der Art zu tun.

Vorweg: Was ich in den Kommentaren sicher nicht dulde, sind „Du bist selber schuld" oder „Mach kein Drama draus". Nur weil du diese Erfahrungen nicht mit mir teilst, heißt das leider nicht, dass es anderen nicht auch so geht.

Ich hätte den Titel auch „Respektlos" oder „Ein unschönes Thema" nennen können, habe mich aber für den vorhandenen entschieden. No kidding. Und so würde ich das Thema auch gerne einleiten:

Wann ist mein Körper öffentliches Eigentum geworden?

Vielleicht merkt der eine oder andere wohin dieses Thema führt. Vielleicht meint der eine oder andere, dass es nicht hier auf Wattpad gehört, aber ich finde, es gehört überall hin. Wer nichts über sexuelle Belästigung lesen möchte, sollte an der Stelle wohl besser aufhören.

Bevor ich mich in dieses Thema stürze, möchte ich aber noch zwei Sachen klar stellen. Ja, ich bin eine Frau, und nein, ich lasse nicht außer Acht, dass es auch Jungs und Männer gibt, die mit sowas Erfahrung machen oder gemacht haben. Aber wer den Satz „Jungs werden auch sexuell belästigt" verwendet, nur um Frauen den Mund zu verbieten, wenn sie über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen, der ist ein Drecksack. „Jungs werden sexuell belästigt" sollte ein eigenständiger Satz sein. Punkt.

Fangen wir vielleicht mit der kleinen Story an, warum ich das hier überhaupt schreibe, denn ich bin verdammt wütend. Heute ist Samstag, mein Kühlschrank war leer. Und was macht man in so einer Situation? Man geht einkaufen. Das Geschäft, in dem ich immer einkaufen gehe, ist praktisch gegenüber von meiner Haustüre. Ich gehe also runter und muss bei der Ampel warten. Auf der anderen Straßenseite steht ein Mann (ich lasse bewusst alle Details zu dieser Person weg, um keine Diskussionen dazu aufkommen zu lassen). Der hat mich schon ein bisschen komisch angesehen, mit einem Blick der... ich kann es nicht beschreiben, aber wenn man ihn oft genug gesehen hat, weiß man ihn zu deuten. Jedenfalls holte der sein Handy raus, und es sah wirklich sehr danach aus, dass er mich fotografiert hat. Aber gut, es hätte ja auch sein können, dass er sein Telefon aus Gewohnheit so komisch hochhält –wer weiß. Aber als die Ampel dann grün wurde und wir aneinander vorbeigegangen sind, hat er mich eindeutig gefilmt oder fotografiert, weil mir kann keiner erzählen, dass man was an seinem Handy macht, während man es seitlich auf eine Person richtet. Ich hab mich schon lange nicht mehr so ekelhaft und grindig gefühlt. Ein Gefühl, das man leider nicht, wie in Büchern gerne geschrieben, abwaschen kann. Am liebsten hätte ich hinterhergerufen „Hol dir deinen Porno wo anders" oder „Ich bin nicht deine verfickte Wichsvorlage". Entschuldigt diese Wortwahl, aber ich will meine Gedanken nicht zensieren. Nicht bei einem so wichtigen Thema. 

Eigentlich bin ich nicht auf den Mund gefallen. Ich mag den Umgang mit Fremden zwar nicht, aber in solchen Situationen gewinnt oft meine Wut. Aber leider nicht immer, gerade dann nicht, wenn ich alleine unterwegs bin.

Ich muss wohl dazu sagen, dass ich in einer Großstadt lebe, und ich noch nie in irgendeiner Art und Weise sexuell belästigt wurde, wenn ich auf meinem Landsitz war. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass dort primär ältere Menschen leben, oder einfach mehr Respekt haben –keine Ahnung. Was meint ihr?

Könnt ihr euch vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn man fünf Meter von der eigenen Haustüre fotografiert oder gefilmt wird? "Heimlich"? Uaghh. Ekelhaft.

Was ich neben dem ganzen Hinterhergerufe auf den Straßen wirklich schlimm finde, sind diese ganzen widerlichen Blicke, die ich definitiv zu oft erlebe.

Und wer jetzt sagt: Du ziehst dich bestimmt wie eine Nutte an, dem kann ich nur herzallerliebst meinen Mittelfinger zeigen. Nein, das tu ich nicht, aber selbst wenn. Warum gibt dir die Art wie ich mich anziehe das Recht, mir hinterherzupfeifen, oder anzügliche Dinge zu sagen?

Storytime: Meine VWA-Präsentation (ein Teil der Abschlussprüfung in Österreich) war irgendwann im Frühling. Es war kalt, aber man sollte sich natürlich ein bisschen hübscher anziehen, wegen gutem Eindruck bei der Direktorin und der Vorsitzenden und so, bla bla bla. Jedenfalls hatte ich ein Kleid an, Stiefel mit Absatz, EINE FETTE JACKE und für den Weg zur Schule sogar noch Leg Warmers, also kann mir keiner sagen, dass es wegen meinem nackten Arsch war, oder meinen halbheraushängenden Titten. (Sprache, Mariella, arghh). Jedenfalls kam mir eine Gruppe von Typen entgegen und einer meinte: „Ist dir nicht kalt, Schnecke? Soll ich dich erwärmen?" Ja. Erwärmen. Seine Deutschnote hinterfragen wir jetzt mal nicht. Und seine Physiknote besser auch nicht. 

Noch eine nette kleine Story: Neben dem Hausblock, in dem ich wohne, ist ein Männerfrisör. Und da ist diese eine kleine, miese Ratte, die jedes Mal draußen steht, wenn ich vorbeigehe und „schöne Augen" zu mir sagt. Nettes Kompliment, denkt ihr? Nicht wenn es mit anzüglichen Blicken und Schnalzen oder Luftküsschen begleitet wird.

Ich hab in meinem Freundeskreis leider (oder sollte ich zum Glück sagen?) nur drei Freundinnen, die mich wirklich verstehen, weil ihnen sowas auch passiert. Die anderen verstehen nicht, warum ich nicht gerne alleine raus gehe, warum ich joggen hasse, oder warum ich mich im Sommer mit Kleidern und kurzen Hosen mega unwohl fühle.

Sogar im eigenen Freundeskreis hab ich sexuelle Belästigung erfahren dürfen. Merke: Lass dich nie von einem Kerl nach Hause fahren, wenn du ein bisschen angetrunken bist –egal wie gut du ihn zu kennen glaubst. Es sei denn, du willst irgendwann eine Hand auf deinem Bein, die da nicht hingehört und auch nicht verschwindest, wenn du ihn darauf hinweist, dass du das nicht möchtest. Lesson learned. Nachher ist man immer schlauer, was?

Oder diese ganzen anzüglichen Textnachrichten auf Whatsapp, da war auch schon alles dabei. In solchen Momenten kommt der Blockieren-Button sehr gelegen.

Ich sag mal so: Mein erster Kuss war weder gewollt, noch freiwillig. Und mein zweiter auch nicht. Yey. Aber was soll man auch anderes machen, als diese Personen wegzuschubsen, oder "Ich will nicht" zu sagen? Ich will mit Leuten gerne respektvoll umgehen, aber nur, wenn sie mir auch Respekt entgegenbringen. Selten erlebt.

All das ist natürlich nicht mit einer Vergewaltigung gleichzusetzen, und das ist mir zum Glück auch erspart geblieben, ich hab mit sowas keine Erfahrung. Aber diese Erfahrungen schränken mich in meinem eigenen Leben ein. Ich will nachts nicht raus gehen –nicht mal zu zweit. Ich will nicht alleine einkaufen gehen. Ich will mein Haus eigentlich gar nicht verlassen, wenn ich ehrlich bin. Ich kann nicht bedenkenlos anziehen, was ich möchte, wenn ich keine schmutzigen Blicke oder Wörter kassieren möchte.

Das Traurige ist: Ich fühle mich sicher in Jogginghosen und Schlabberpulli, aber nicht in einem hübschen Kleid, in dem ich mich eigentlich wohler fühlen würde. Macht das Sinn? Ich bin eigentlich sehr selbstbewusst. Aber sobald ich auch nur anzüglich angesehen werde, schrumpft mein Selbstwertgefühl auf die Größe einer Erbse.

Die Mutter einer guten Freundin von mir kann mich und meine Freundinnen nachvollziehen, weil ihr das selber passiert ist und passiert. Sie meinte, dass man das irgendwann ausblendet, oder mit dem Alter an sich abprallen lässt. All diese Kommentare und Blicke. Ich wünschte, mich würde das auch kalt lassen, aber das tut es nicht. Unter anderem aus Gründen, die ich hier nicht erwähnen möchte.

Kommen wir jetzt zu dem Part, an dem ich sage: „Was zur Hölle ist mit den Menschen los?" Woran liegt es, dass so viele an Respektlosigkeit nicht mehr zu überbieten sind? Ich finde das wirklich, richtig traurig. 

Und ich weiß auch leider keine Lösung. Wie will man sich vor sowas schützen? Warum besteht überhaupt Schutzbedarf, verdammt noch mal? Darf ich nur noch mit fettigen Haar, ungeschminkt und farblosen Gammelsachen rumlaufen, damit ich nicht angemacht werde? Herzlichen Dank! Die Gesellschaft, in der wir leben, entwickelt sich in eine völlig falsche Richtung. Und wenn man den Aspekt mit sexueller Belästigung zur Sprache bringt, bekommt man gesagt, dass dieses Thema kalter Kaffee ist. In solchen Momenten frage ich mich wirklich, wie wir Menschen ticken. Es scheint so viele zu stören, aber es ändert sich nichts. 

Wir sind eine so intelligente Spezies, warum machen wir denn nichts daraus?

Ich finde mich eigentlich wirklich hübsch, ohne jetzt (zu) eingebildet rüberzukommen, aber diese Situationen lassen mich wünschen, ich wäre einfach eine kleine, graue Maus, wisst ihr? Ich hab eigentlich keine Komplexe, aber in solchen Momenten will ich nicht in meiner Haut stecken. Und wenn ich mich umhöre, passiert das ja nicht nur mir. Und ich frage mich, woran das liegt. Zum Großteil ist es sicher auch ein Einfluss, den die Medien mit sich bringen.

Ich glaube nicht, dass sexuelle Belästigung ein Religionsproblem, ein Herkunftsproblem oder ein Bildungsproblem ist. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Man findet sexuelle Belästigung ja wirklich überall. Überall. Egal wo. Und trotzdem schauen noch so viele Menschen weg.

Ich frag mich auch immer so ein bisschen, ob diese Menschen, die sowas machen, denken, dass ich „Komplimente" zu meinem Körper bekommen will. Wissen die, dass sie einfach nur dafür sorgen, dass ich mich mega unwohl fühle? Komplimente sind ja schön und gut, aber nicht von wildfremden, die in mein Dekolleté starren. Das ist einfach ekelhaft, unangebracht und respektlos.

Irgendwann kommt wohl der Tag, an dem ich an Mord denke, wenn wieder so ein Vollpfosten meint, seinen Kommentar abgeben zu müssen.

Beim Schreiben dieses Kapitels habe ich mir oft die Frage gestellt, warum ich das schreibe. Inwieweit es sinnvoll ist. Es ist insofern sinnvoll, dass ich mich jetzt definitiv nicht mehr so geladen wegen dem Spannertypen an der Ampel fühle. Und es hat mir noch mal die Frage vor Augen geführt, wann Respektlosigkeit gar nicht mehr so schlimm geworden ist. Wann ist das passiert? Kam das durchs Internet? Haben Leute ihr Schamgefühl verloren? Denken sie wirklich, wegen der ganzen Hip-Hop Songs, dass alle Menschen solche anzüglichen Dinge von Wildfremden hören wollen? Gerade die Musikindustrie steuert ja eine Richtung an, die mir gar nicht gefällt. Klar, ich mag diese Lieder, sogar sehr, aber der Unterschied zwischen Vorstellung und Realität ist dann doch ziemlich gewaltig.

Ich frage mich wirklich, was in den Köpfen solcher Menschen vorgeht. Oh, die sieht heiß aus, ich schildere der mal meine Vorstellungen mit ihr, vielleicht bekomm' ich sie ins Bett. Oder wie muss ich mir das vorstellen?

Huiuiui, genug aufgeregt. 

Was ist die Kernaussage dieses Teils? Einerseits wollte ich, wie schon viele Vorgänger, auf den sexuellen-Belästigungs-Aspekt eingehen. Andererseits auf den In-unserer-Gesellschaft-fehlt-Respekt-Part. 

Das nächste Kapitel wird hoffentlich wieder ein bisschen fröhlicher, aber heute hat es sich nicht danach angefühlt, über Charakterentwicklung in einem Buch zu schreiben. An alle, die es bis hierher geschafft haben: Ich hoffe, ihr versteht die Message, die ich übermitteln will. Ich will mit diesem Kapitel kein Mitleid einsacken, das hol ich mir von meinen Freundinnen xD. (Okay, ein kleiner Witz zum Schluss musste sein. Ha ha. Wie witzig). Überlegt euch einfach, wie ihr mit anderen Menschen umgeht, wie ihr auf sie zugeht. Was für Komplimente ihr ihnen macht, weil es einfach Menschen gibt, die sehr empfindlich auf sowas reagieren, weil sie einfach so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Habt noch einen schönen Tag, passt auf euch auf.

Bis irgendwann!   

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