Du hast es versprochen

Emily hielt inne. Was von gerade eben hatte Relevanz? Der Weg wie sie zur Lissas Oma gehen würden und sich auf den See freuten. Jeder Tag am See war Gold wert, hatte Überraschungen und offene Wendungen in ihren Beziehungsdramen gehabt, über die jeder Erwachsene wohl nur die Augen verdrehen könnte. Dann erzählte sie weiter und hatte jetzt schon das Gefühl, Kleinigkeiten zu erwähnen, die keine Relevanz hatten.

,,Nun der Ampelkopf blinkte immer wieder mit "bitte warten" auf und wie die meisten Leute achteten wir darauf, wann die Ampel der Autofahrer rot wird. Besonders dort sind die Ampelphasen ja bekanntlich lang. Lukas warf gelangweilte den Frisbee in die Luft und Till griff mit seiner Hand dazwischen. Fing den Frisbee nicht ganz, so dass er abprallte und Lukas ihn gerade noch ungeschickt fing. Die beiden fingen an neckische Kommentare zu machen, während die Ampel der Autos auf gelb sprang und schließlich auf rot. Jene Fußgängerampel braucht in der Regel noch etliche Sekunden bis sie auf grün sprang. Die Kiddis vor uns sind bei rot für die Autofahrer gleich los gelaufen, wie man es machen würde, wenn man spät dran ist. Max wollte irgendetwas dazu sagen, da merkte ich, dass Chris Blick nach rechts ging, aber vor allem, dass Lissa zu meiner Linken den Kindern hinter her lief. Ich sah dort im Hintergrund, wie die Autos an der Haltelinie hielten. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis ich bemerkte, dass das Auto von der Rechten nicht bremsen wollte.
Lissa, die den Kindern hinter her gelaufen war, schleuderte zuerst das Mädchen, welches am langsamsten war zurück auf den Sichereren Fahrstreifen. Das ,,Achtung" von Chris ließ den einen jungen Mitten auf der Fahrbahn stehen bleiben um sich umzudrehen. In diesem Moment hatte Lissa ihn dann noch vorne geschupst. 
Da hatte das Auto sie auch schon erfasst."

Emily sah nur noch wie Lissa weg geschleudert wurde, das Auto erst dann zu bremsen begann. Das Auto war schon vorbei gefahren als Lissa noch in der Luft war. Einen Moment trafen sich ihre Blicke. Lissa bewegte ihre Lippen, dann knallte mit dem Kopf voran auf die Bürgersteinkante. Emily rannte oder vielleicht ging sie nur oder schlich gar zu Lissa an dem jungen Mädchen vorbei, welches Lukas vor dem Hinfallen gerettet hatte und nun fest hielt,  dann vorbei an den hingefallene Junge, der noch fast bei der Ampelüberquerung lag. Seine Hüfte und Beine zusammen gestaucht und verdreht. Zu Lissa, die sieben Meter weit geschleudert worden war. Till war vor ihr da, bedeckte ihre Wunden, zog sie in eine genehmere Position und redete auf sie ein.

Dann brach die Geräuschkulisse wieder über Emily ein, fahrende Autos, Hilfegeschrei, weinende Kinder, das Schmerzerfüllte Schreien des Junges, über dessen Hüfte das Auto gefahren war. Ein lautes Durcheinander, dass Emilys Wahrnehmung bis an den Rand trübte und sie fest hielten. Aus ihrer Stase kam sie, als sie begriff, dass Lissa die einzige Stille war. Emily kniete sich zu ihr runter. Till griff abwechselnd mit seiner Hand an ihren Hals und ihr Handgelenk. 
Emilys Ohren hörten nur gedämpft, dass Lissa laut Till keinen Puls mehr hatte. Max zog sie noch oben und einen Meter weg von Lissa. Die Straßenspur wurde abgesichert und die Autos fuhren mit weitmöglichst Bogen an der Szenerie vorbei. Selbst einige Fahrradfahrer fuhren vorbei. Sprachlos schaute Emily zur Ampel. Es war anscheinend genug Zeit vergangen, dass die Fußgängerampel erneut für die Fußgänger grün gewährte. Ein Fahrradfahre mogelt sich an der Menge schnell vorbei, nur um dann auf der Straße stehen zu bleiben und sein Fahrrad zu Seite zu schleudern. 
Lissas jüngerer Bruder Jonas hatte das Fahrrad auf den anderen Bürgersteig geschleudert und war zu ihr gerannt. Till hat ihm genügend Platz gegen.

Jonas rüttelte an ihr viel zu stark. ,,Lissa", sagte er noch in Zimmerlautstärke. ,,Hey Lissa, komm zu dir. Verarsch mich nicht. Lissa!" Mit jedem Satz wurde seine Stimme lauter. ,,Lissa, wach auf! Komm schon, wir wollten zu deinem Geburtstag noch so viel machen." Nun ging seine Stimme in die Brüche und man hörte, dass er weinte. Er legte sich über ihr und presste sich an ihr. Seine Stimme war nun ganz leise geworden.
,,Du hast mir versprochen, dass wir das neue Spiel zu deinem Geburtstag spielen.Du wolltest mir doch zeigen, dass du mich locker abziehst. Lissa, steh auf." Er schluchzte auf. ,,Beweiß mir noch, dass du besser bist. Antworte mir! Lissa!" Er schrie ihren Namen. Nur um sich dann wieder hinzu knien und an ihr zu rüttelnd. ,,Lissa, du willst doch zu Oma. Es gibt dort heute dein Lieblingsessen. Oma wird sauer sein, wenn du nicht mit uns isst. Es muss doch alles aufgegessen werden." Till stand planlos neben Jonas und starrte ihn bedeppert an. Er legte die Hand auf Jonas' Schulter, der sie wegrüttelte. Jonas starrte Till böse an. ,,Sie hat mir versprochen, dass wir morgen gemeinsam Mario spielen." Till wich seinem Blick aus uns schaute zu Boden. Dann schaute er hilfesuchend zu Emily. Sie schüttelte hilflos den Kopf. 
Die Krankenwagensierene wurde lauter und der Wagen hielt knapp abseits von ihnen. Max führte Emily zur Seite. Er schaute genauso betrübt rein wie Till, aber dann sah Emily Lukas neben den jungen Mädchen. Er war absolut in Tränen aufgegangen, während er schluchzend das Mädchen beruhigte und viel mehr sich selbst.

Die Sanitäter liefen zu Lissa. Jonas umarmte sie wieder. ,,Helfen sie ihr", flehte er sich an . ,,Sie antwortete nicht mehr." Er gab den Sanitätern nur geringfügig Platz und beobachtete sie genau, ohne von Lissa weg zu weichen. Sie überprüften sie schnell und schüttelten entschieden den Kopf, der eine redete nun leise mit Jonas, der den Kopf schüttelte. Emily hörte wie ein Sanitäter bestätigte, dass der überfahrene Junge es schafft, aber höchstwahrscheinlich Querschnittgelähmt ist. 
Lissa wurde auf einer Liege weggetragen. Jonas schritt neben her. Der eine Sanitäter hielt ihn auf. ,,Lassen sie mich mit ihr fahren", schrie Jonas ihn wütend an.
Emily wandte den Blick ab und drehte sich wieder zu Lukas. Knapp hinter ihm lag das Frisbee auf dem Boden.
,,Lissa, ruf mich an, wenn es dir besser geht", schrie Jonas ihr hinter her. ,,Ich habe dir viel zu erzählen", erklärte er weiter. ,,Nicht vergessen, wir spielen morgen das neue Spiel zusammen. Du hast es versprochen." 
Mit diesen Worten fing Emily an zu weinen. Sie starte auf das Frisbee vor sich, während von hinten immer wieder und immer verzweifelter der gleiche Satz zu hören war. ,,Du hast es versprochen!" ,,Du hast es versprochen!" ,,Du hast es versprochen, Lissa!"

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