🦋Kapitel 27🦋

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Völlig perplex stehe ich mit pochendem Herzen da und schaue Matt hinterher. Ich muss mich selber kneifen, um wirklich zu realisieren, dass das, was er gerade zu mir gesagt hat, auch echt ist.

Er liebt mich. Diese drei Worte habe ich nie und nimmer erwartet, so schnell beziehungsweise jemals von ihm zu hören, und nun ist es passiert. Es rührt mich sehr, dass er mich in den ganzen letzten zehn Jahren, seit wir getrennt waren, laut seiner Aussage auch schon geliebt hat, und das bedeutet, dass er ständig an mich denken musste. Wie ich an ihn auch, gestehe ich mir nun ein. Auch wenn es danach Sean gab, schwirrte trotzdem auch noch Matt in meinen Gedanken herum. Schade, dass er nun so schnell gegangen ist, somit habe ich gar keine Möglichkeit gehabt, ihm noch etwas zu erwidern. Aber was hätte ich erwidert? Mit diesem Gedanken begebe ich mich mit Nuala zu dem Taxistand und fahre mit ihr zusammen nach Dublin zurück.

Heute ist Dienstag und Matt ist schon seit zwei Tagen weg. In dieser Zeit haben wir, so oft es ging, miteinander geschrieben und gestern sogar kurz telefoniert. Das ist durch die Zeitverschiebung von fünf Stunden zum Teil nicht ganz so einfach. Aber wir haben es gestern trotzdem kurz hinbekommen. Matt geht es so weit ganz gut, obwohl er einen Jetlag hat und immer wieder gesagt hat, dass er mich sehr vermisst. Mir geht es aber nicht anders, auch ich vermisse ihn ganz schrecklich. Aber wir werden das schon schaffen, irgendwie.

Da heute der erste Arbeitstag ist, seit Ben wegen Seans Todestag bei seinen Eltern war und ich ihn, auch seit ein paar Tagen weder gesehen noch gesprochen habe, weiß er noch gar  nicht, was bei mir in den letzten Tagen so los war und dass Matt und ich uns wieder nähergekommen sind. Deshalb bin ich heute sogar überpünktlich und betrete mit dem Kaffee, den ich jeden Morgen für uns hole, das Fotostudio und leine erstmal Nuala ab. Diese läuft sofort zur Küchenzeile, wo ich ihr direkt eine kleine Schüssel mit frischem Wasser auf den Boden stelle, worauf sie sich auch sofort stürzt und daraus trinkt. Gerade als ich mich herumdrehe und mit dem Kaffee nach hinten zu Bens Büro gehen möchte, vibriert plötzlich mein Handy in meiner Tasche. Ich fische es heraus und als ich sehe, wer mir geschrieben hat, beginne ich von einem Ohr zum anderen zu grinsen. Sofort öffne ich die Nachricht, um zu sehen, was Matt geschrieben hat.
*Hi, mo féileacán, ich bin gerade aufgestanden, um ins Gym zu gehen, und musste gleich an dich denken. Ich wünsche dir einen schönen Arbeitstag. Grüße an Ben und Chris. Du fehlst mir. Bis später.*

Noch immer lächelnd schreibe ich ihm sofort zurück. *Hi, ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Tag. Und gleich viel Spaß im Gym. Meine Gedanken sind genauso bei dir und du fehlst mir auch. Ich richte die Grüße aus. Bis später.*

Danach stecke ich mein Handy wieder in meine Tasche und gehe schließlich Richtung Bens Büro. Bevor ich dieses betrete, klopfe ich allerdings an, nicht, dass ich ihn und Chris wieder in einer eindeutigen Situation erwische, weil ich heute früher als sonst da bin und sie mich noch nicht erwarten.

»Herein«, ertönt nach ein paar Sekunden Bens Stimme, und ich öffne langsam die Tür.

»Hi Ben«, begrüße ich ihn, trete ein und stelle ihm seinen Kaffee auf den Tisch. Er schaut von seinem Laptop, an dem er gerade arbeitet, auf, zieht seine rechte Augenbraue hoch und mustert mich eindringlich. Gerade als ich wieder auf dem Absatz kehrtmachen möchte, ertönt jedoch seine Stimme. »Cataleya Walsh, was lässt dich so strahlen? Eigentlich habe ich erwartet, dass du eher traurig bist«, spricht er mich an. Er verwendet wirklich selten meinen vollen Namen und wenn er es tut, dann meistens, weil man mir wohl an der Nasenspitze ansieht, dass  ich ein Geheimnis habe, das ich vor ihm zu verbergen versuche. Das ist schon, seit wir uns kennen, so und wird sich wohl auch nie ändern.

»Wie, was?«, tue ich so, als ob ich nicht wüsste, wovon er redet, kann mir ein Grinsen aber nicht verkneifen.

»Cataleya Walsh, verarschen kann ich mich selber. Los, sag schon«, erwidert er, klappt seinen Laptop, ohne mich aus den Augen zu lassen, zu und zeigt auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch steht.

Ich lasse mich aufseufzend hineinsinken und schaue Ben nun direkt an.

»Also?«, fragt er und deutet mit einer Handbewegung an, dass ich mit dem Erzählen beginnen soll.

Ich hole tief Luft. »Also, es könnte sein, dass ich aufgrund von Seans Todestag völlig vergessen habe, dass Matt Nuala am Samstag vorbeibringen wollte, und dass ich ihm deshalb mit verheulten Augen die Tür aufgemacht habe.«

Ben lehnt sich nun in seinen Stuhl zurück. »Mich hat es eh schon gewundert, dass du zugestimmt hast, dass er dir an diesem einen Tag Nuala vorbeibringt, aber ich habe dazu nichts gesagt, weil ich dachte, das wird schon klargehen. Da er dich dann aber verheult vorgefunden hat, hat er das doch dann sicher nicht so stehen lassen, oder?«

»Nein, hat er nicht. Er hat darauf bestanden, dass ich ihm erzähle, was los ist, und dann habe  ich ihm die ganze Geschichte wegen Sean erzählt«, rede ich weiter.

Er deutet mit seiner Hand an, dass ich weitererzählen soll.

»Er hat sehr verständnisvoll reagiert und hat gesagt, dass er für mich da ist«, sage ich und  lächle nun, weil es doch nicht so schlimm war, wie ich immer dachte, und es auf alle Fälle eine gute Entscheidung war, es ihm zu sagen.

»Na, was habe ich dir gesagt? Ich wusste, dass er Verständnis für deine Situation haben würde. Und es hätte mich ehrlich gesagt auch gewundert, wenn er nun nicht für dich da wäre. So sehr, wie er dich offensichtlich mag. Dass du es ihm nun quasi durch einen Zufall erzählt hast, musste wohl so kommen. Denn sonst würde er es wohl heute noch nicht wissen«, erwidert er, und er hat so recht damit, gestehe ich mir ein.

Mir auf die Unterlippe beißend nicke ich und senke meinen Blick. Ich weiß nicht, ob ich ihm davon erzählen soll, dass wir uns geküsst haben und dass er mir seine Liebe gestanden hat. Ben und ich erzählen uns zwar nahezu alles, aber vielleicht behalte ich das doch lieber erstmal für mich. Doch er kennt mich einfach zu gut.

»Cat, so wie du aber nun, dir auf die Unterlippe beißend, dasitzt, war das doch noch nicht alles, oder?«, vermutet er genau richtig.

Deshalb schaue ich ihm wieder ins Gesicht. »Nein, war es nicht. Es wäre möglich, dass wir uns geküsst haben«, erwidere ich leise und ihn anlächelnd, mir weiter auf der Unterlippe kauend.

»Nur geküsst oder war da noch mehr?«, fragt Ben nun neugierig und ebenso grinsend nach.

»Ja, nur geküsst. Allerdings...« Ich stocke, da ich es noch nie laut ausgesprochen habe, dass Matt mich liebt.

»Allerdings? Komm schon, Cat, nun lasse dir doch nicht alles aus der Nase ziehen«, fordert mich Ben nun wieder mit einer Handbewegung auf, weiterzusprechen.

»Nun, es könnte sein, dass er, nachdem wir uns mit einer Umarmung vor den Sicherheitskontrollen verabschiedet haben und ich mit Nuala weggegangen bin, erneut zu uns zurückgelaufen ist. Um mich zum Abschied nochmal zu küssen...«, erwidere ich und hole nochmal tief Luft. »...Und um mir dann seine Liebe zu gestehen«, flüstere ich die letzten Worte und merke, wie mir eine Hitze in die Wangen steigt, und ich beginne nervös meine Finger zu kneten.

Ben schaut mich nun aufgrund meiner letzten Worte sprachlos und mit offenem Mund an, und ich merke, wie mir noch wärmer wird.

»Oh mein Gott, Cat, das, das ist ja wirklich ganz wundervoll. Ich habe echt mit allem gerechnet, aber nicht damit. Was hast du ihm erwidert?«, fragt er aufgeregt, als er seine Stimme wiedergefunden hat.

»Ich habe ihm nichts darauf erwidert, weil ich, wenn ich ehrlich bin, nicht gewusst habe, was ich erwidern soll. Zudem musste er schnell zu seinem Flieger«, gebe ich leicht unsicher als Antwort. »Jedenfalls kann ich es selber auch nicht fassen und bin selber noch etwas perplex deshalb.«

»Nun, was fühlst du für ihn? Da ist doch ein Gefühl da, oder?«, schaut mich Ben nun fragend an.

»Ich mag ihn sehr. Und natürlich ist da ein Gefühl. Ein sehr starkes Gefühl. Ich muss es mir nur noch selber eingestehen, dass ich genauso fühle wie er, glaube ich«, erwidere ich und erinnere mich dabei daran zurück, was für ein warmes Kribbeln ich im Bauch hatte, als Matt es zu mir sagte.

Er nickt. »Ja, ich denke auch. Lass dir Zeit und überstürze nichts. Immerhin gestehst du dir endlich ein, dass du etwas für ihn fühlst.«

»Nein, das werde ich ganz bestimmt nicht. Aber nun genug von mir. Wie war das Wochenende bei deinen Eltern?«, frage ich ihn nun, um das Thema hier erstmal für beendet zu erklären. Es  ist mir noch ein wenig zu viel, wieder über mein Liebesleben zu reden.

Ben versteht den Wink zum Glück. »Es war sehr emotional. Wir waren alle gemeinsam bei seiner Urne auf dem Friedhof. Ich soll dich übrigens von allen recht herzlich grüßen und sie hoffen, dass du bald mal wieder zu Besuch kommst. Sie haben es erst nicht verstanden, warum du nicht mitgekommen bist, aber ich konnte es ihnen dann gut erklären, dass du lieber alleine sein möchtest. Sie konnten sich dann damit arrangieren. Deine Eltern haben wir übrigens auf dem Friedhof getroffen, da sie auch zu Seans Grab wollten. Sie wollten sich die Tage noch bei dir melden«, berichtet er mir.

»Danke, dass du es deinen Eltern erklärt hast«, erwidere ich, weil ich darüber wirklich froh bin, zumal ich natürlich trotzdem ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich nicht mitgefahren bin. »Ist dein Tattoo eigentlich fertig? Du wolltest es doch dieses Wochenende endgültig fertig stechen lassen«, wechsle ich neugierig das Thema, da er mir davon erzählt hatte und ich lieber darüber reden möchte.

»Ja, ist es, möchtest du es sehen?«, fragt er mich und erhebt sich schon, um sich sein Shirt, das er heute trägt, auszuziehen.

Ich nicke. »Natürlich, da fragst du noch?«

Langsam dreht er sich um und präsentiert mir schließlich sein großes Tattoo auf seinem Rücken, weshalb ich augenblicklich meine rechte Hand vor meinen Mund schlage und mir Tränen in die Augen schießen.

»Ben, das ist wundervoll«, bringe ich stockend hervor, stehe auf und streiche ehrfürchtig über das große Tattoo, das einen weißen und einen schwarzen Wolfskopf zeigt. Die Hälse der beiden sind aus Federn, sodass zwei Flügel dargestellt werden. Gemeinsam heulen die Wölfe nach oben in den Himmel.  Als Ben vor einem knappen Jahr die Idee für das Tattoo hatte und mir damals die Vorlage dafür gezeigt hat, da war ich schon sehr gerührt, aber es nun letztendlich zu sehen, ist natürlich nochmal etwas ganz anderes. Vor allem, da die beiden Wölfe ihn  und Sean symbolisieren sollen, da Wölfe die Lieblingstiere der beiden sind. Unter dem weißen Wolf steht Phelan, was im Irisch-Gälischen so viel wie kleiner Wolf bedeutet. Den Spitznamen hat Ben Sean verpasst, als sie noch Kinder waren. Unter dem schwarzen Wolf steht Faolchú, was im Irisch-Gälischen so viel wie Wolf bedeutet, und das war der Spitzname für Ben von Sean. Die Flügel an den Wölfen symbolisieren, dass Sean nun ein Engel ist und dass sie irgendwann wieder vereint sind.

»Danke, ich denke, Sean würde es gefallen«, erwidert er, dreht sich um und zieht sich wieder sein Shirt über.

»Oh ja, das würde es ganz sicher. Nun gut, ich sollte mal wieder nach vorne ins Studio  gehen«, sage ich und wende mich schon zum Gehen um, auch weil ich kurz frische Luft brauche. Das Ganze hat mich mehr aufgewühlt, als ich annahm.

»Moment, Cat, da gibt es noch etwas, das ich dir gerne sagen möchte«, hält Ben mich aber auf, und ich schaue ihn nun fragend an.

»Also, ich habe Chris ja am Wochenende meinen Eltern vorgestellt und natürlich haben sie ihn sofort in ihr Herz geschlossen. Nun, bei einem gemeinsamen Spaziergang am Sonntag, da ist Chris, als wir an einer kleinen Kirche vorbeigekommen sind, plötzlich vor mir auf die Knie gegangen und er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte. Ich habe natürlich überglücklich Ja gesagt.« Dabei schaut er lächelnd auf seinen linken Ringfinger, wo mir erst jetzt ein kleiner zierlicher, silberner Ring auffällt.

»Oh, Ben, das ist nun echt überraschend. Auch weil es bei euch echt schnell geht. Aber ich weiß, dass du dir sehr sicher bist, sonst hättest du nicht Ja gesagt. Ich finde es ganz wundervoll, wohin euer gemeinsamer Weg nun hinführt, und freue mich sehr für euch«, erwidere ich  und falle ihm um den Hals, um ihn zu drücken.

Nach einer Weile löst er sich wieder von mir. »Danke. Ja, ich muss mich selber öfters kneifen,  ob das nun Wirklichkeit ist. Und ja, ich bin mir sehr sicher, was Chris und mich angeht. Solche Gefühle wie bei ihm hatte ich noch nie. Was ich dich aber eigentlich fragen wollte, das ist, ob du meine Trauzeugin sein möchtest?«

»Aber natürlich möchte ich das«, rufe ich freudig aus und drücke Ben wieder an mich.

Als ich im Anschluss Bens Büro verlasse, hole ich mein Handy aus meiner Tasche und öffne den Chat mit Matt. *Es gibt wundervolle Neuigkeiten*, tippe ich ein und als ich Chris mit Nuala reden höre, stecke ich es wieder ein, um auch ihm zu gratulieren.

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