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Jiwoo | Zwei Tage später
Ja, ich gebe zu. Gestern bin einfach zu Hause geblieben. Ich hätte mich gestern nicht getraut, zur Schule zu gehen, weil mir es sonst zu viel wäre. Am nächsten Tag direkt Sooyoung zu sehen hätte mir im Inneren wehgetan. Heute wäre ich ebenso gerne alleine zu Hause geblieben, allerdings kann ich es mir nicht immer erlauben, zu Hause zu bleiben, nur weil es mir mental nicht gut geht. Der ganze Stress. Der ganze Druck. Und dann auch noch der Liebeskummer.
Meine Mutter hat mir vorgeschlagen, mich in eine Tagesklinik zu schicken oder mir einfach einen Therapeuten aufzusuchen, aus Hoffnung, dass es mir besser gehen könnte, doch ich glaube nicht, dass mir so etwas helfen würde. Es gibt Menschen, die solche Behandlungen dringender bräuchten als ich! Ich denke, dass ich einfach nur Zeit brauche, dann eines Tages wird alles besser, sagt man so schön. Ich zweifele nicht einmal dran. Es sind einfach schlechte Zeiten, in denen ich mich befinde. Immerhin hat man es als Teenager nicht immer leicht.
Es ist Pause und ich habe mir vorgenommen, nur bei Heejin und Hyunjin zu bleiben. Die beiden und Chaewon sind diejenigen, die als erstes von diesem Vorfall erfahren haben. Und auch die einzigen. Nachdem ich mit Hyunjin und Heejin vorgestern telefoniert habe, ist Chaewon zu mir ins Zimmer gekommen und mir wäre es viel zu schwer gefallen, sie einfach anzulügen. Immerhin ist Chaewon meine Vertrauensperson Nummer eins. Zu ihr kann ich immer gehen, wenn ich traurig, enttäuscht, frustriert, oder was auch immer, bin.
,,Wollen wir uns auf die Bank setzen?" schlägt Heejin vor, die sowohl meine Hand, als auch Hyunjins Hand hält, was Hyunjin wohl nichts ausmacht, da sie ebenso weiß, in was für einer Situation ich bin. Wir nähern uns der Bank immer mehr und als ich mich in die Mitte hinsetze, setzt sich Heejin links von mir, ehe es sich Hyunjin auf dem Platz rechts neben mir gemütlich macht. Die beiden Mädels lehnen sich plötzlich an meine Schulter, um sich an mich zu kuscheln. Oh man, die beiden sind so niedlich. Wirklich jetzt, ich verdiene die beiden einfach nicht.
Vorsichtig schließe ich meine Augen, während sich auf meinen Lippen ein leicht angedeutetes Schmunzeln bildet. Wann habe ich das letzte mal gelächelt? Nach der Sache mit Sooyoung haben sich meine Lippen kein stück bewegt. Wieso denn auch, wenn es keinen Grund gibt, um glücklich zu sein? Wie wichtigste Person in meinem ganzen Leben hat mich sehr wahrscheinlich für ihren Spaß ausgenutzt. Nichts läuft so, wie es will. Und wenn das schon nicht alles ist: Meine Periode habe ich ebenso bekommen.
Wenn ich die nächsten Tage starke Stimmungsschwankungen haben sollte, dann weiß ich sofort, wem ich es zu verdanken habe. Durch Sooyoungs böse Absichten könnten meine Stimmungsschwankungen Grenzen überschreiben. Sagen wir es so: Die nächsten Tage könnte ich mir alles zutrauen, da ich nicht mehr weiß, was ich will und was nicht?
,,Wie fühlst du dich, Jiwooming.." kommt von Heejin, sie sich etwas mehr an mich drückt. Meine Augen bleiben weiterhin geschlossen und es ist auch der Grund, wieso ich mich auf Heejins Worte recht gut konzentrieren kann. Ich muss nicht die schreckliche Umgebung im Visier haben, die mich durchgängig an den ganzen Schmerz erinnert, an welchem ich nahezu ertrinken könnte, da dieser schneller als der Meeresspiegel steigt.
,,Ich wünschte, dass ich euch sagen könnte, wie es mir geht, aber... gerade fühle ich mich ziemlich verloren. Ich muss meine Gedanken sortieren und erst dann kann ich eine richtige Antwort auf diese Frage geben, denke ich." erkläre ich recht ehrlich und drücke dabei Hyunjin etwas mehr an mich, da sie nicht so schüchtern sein muss. Auch sie kommt zu Wort. ,,Alles gut, Ming. Du brauchst erstmal die Zeit, um alles darüber nachzudenken und das ganze zu verarbeiten. Wir erwarten keine sofortigen Antworten." will mir Hyunjin klarmachen und dabei hätte ich mir gewünscht, dass sie einen längeren Vortrag darüber gehalten hätte.
Ihre Stimme hat einen sehr sanften und beruhigenden Klang. Ihr Stimmklang erinnert an ein unschuldiges, kleines Mädchen, welches gerne mit Leidenschaft Blumen pflücken geht. Was habe ich denn wieder für Gedanken? Aber sie stimmen. Hyunjin ist wirklich ein liebevolles und fürsorgliches Mädchen. Jedes mal, wenn wir all die positiven Affirmationen über das Mädchen in meinem Kopf herumschwirren, bin ich erleichtert darüber, dass Heejin und Hyunjin sich gefunden haben, da sie sich gegenseitig ergänzen. Sie haben Puzzlestücke getauscht, damit sie ihr fast fertiges Puzzle vervollständigen können. Das fehlende Stück ist bei der jeweils anderen gewesen und als sie sich zusammen getan haben, haben sie sich gegenseitig geholfen, damit sie sich anschließend ergänzen. Sie sind ein wundervolles Paar.
,,Du bist ziemlich in Gedanken, Jiwoo. Vergiss sie einfach fürs Erste. Du weißt selbst, dass du es nicht verdienst!" will mich Heejin ermutigen, da sie weiß, dass ich wieder zu viel über alles nachdenke. Zwar habe ich grade nicht einmal an meine beste Freundin gedacht, aber ich habe wieder an etwas gedacht, wodurch ich rasend schnell von der Realität weggerissen werden kann. ,,Sie hat recht! Du verdienst es wirklich nicht." kommt von Hyunjin und meine Augen öffnen sich. Erst drehe ich mit zu Heejin mit ihren langen, schwarzen Haaren um, die mich mit einem warmen und ermutigenden Lächeln anschaut. Nun wende ich meinen Blick zu Hyunjin und betrachte das sanft und elegant lächelnde Mädchen namens Hyunjin, welches ebenso langes, prächtiges und schwarzes Haar hat, was sogar an den vorderen Stränen geflochten ist. Beide sind wunderschön. Sowohl vom Äußeren als auch ganz tief im Kern.
Liebend gerne möchte ich auf meine Tage wieder zurückgreifen, da ich Angst habe, gleich auszulaufen. So teile ich ihnen mit: ,,Danke für eure ermutigenden Worte, allerdings muss ich jetzt schnell auf die Toilette, da ich meine Tage habe und ich ganz große Angst habe, auszulaufen." Es ist mir schon mindestens zweimal passiert und ein drittes Mal kann ich es mir nicht erlauben. ,,Ja alles gut! Aber kannst du mir erstmal sagen, von wo du dein gut riechendes Parfum hast? Du musst es mir unbedingt empfehlen!" kommt plötzlich von Hyunjin, die mich süß und unschuldig anlächelt. ,,Danke, Hyunnie. Ich werde dir später ein Bild davon schicken ja?" von mir, ehe ich mich von ihnen verabschiede und mich endgültig zurückziehe.
Danke für das Kompliment Hyunjin. Das Parfum habe ich von Sooyoung letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt bekommen und dann habe ich es mir nachgekauft. Da fällt mir ein, dass ich auch bald Geburtstag habe. Heute ist der zweite Oktober, also habe ich in achtzehn Tagen Geburtstag. Am zwanzigsten Oktober. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich über meinen Geburtstag dieses Jahr nicht freuen kann.
Ich gehe weiter, doch ich bin so stark in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich meine Umgebung gar nicht mehr wahrgenommen habe. Ich renne gegen eine Person und ich bin diejenige, dessen Hintern erneuten Kontakt mit dem Boden macht. So tollpatschig ich auch bin. Da kann es möglicherweise öfters passieren. ,,Es tut mir Leid.." nuschele ich vor mich hin. Ich blicke nach oben und realisiere, gegen welche Person ich gelaufen bin. Jede Person wäre mir lieb, doch wieso muss es ausgerechnet Ha Sooyoung sein?
Sie streckt ihre Hand zu mir, während sie mich mit einem verzweifelten Lächeln auf den Lippen ansieht. Fass mich nicht an, denke ich mir. Nach dem Kuss würde es mich nur anekeln, wenn sie mich an einer Stelle nur ganz kurz berührt. ,,Jiwoo... ich habe dich überall gesucht." behauptet sie. In der Zwischenzeit stehe ich auf und schaue mich ein wenig um. Am liebsten will ich wieder abhauen, aber diesmal nicht der zurückkommen.
,,Was willst du?" frage ich ein wenig angespannt, ehe ich meine Arme vor meinem Körper verschränke, um die Desinteresse in den Vordergrund zu stellen. ,,Ich wollte mit dir reden.. es geht um das, was vorgestern passiert ist. Ich glaube, dass es wichtig ist, darüber zu reden." erwähnt sie, doch ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob ich es mental schaffe, mit ihr darüber zu reden. Ich will möglichst wenig reden und aus diesem Grund fordere ich auf: ,,Dann sage das, was du sagen ist."
Ich schaue sie ganz kurz an, doch dann lasse ich wieder meinen Kopf hängen. Es tut weh, ihr in die Augen zu schauen. Ich wünschte, es wäre alles um einiges einfacher, damit umzugehen, doch dies ist nicht der Fall. Es tut weh und es ist nicht einmal übertrieben.
,,Also.. der Kuss... ich will mich für den entschuldigen. Die Wahrheit ist... du hast mich sehr wahrscheinlich mit Jungeun und Jinsoul gesehen. Wir sind ein wenig spazieren gegangen und wir haben Wahrheit oder Pflicht gespielt. Wir haben dein Haus erreicht und ich war dran. Da hat mir Jinsoul als Pflichtaufgabe gegeben, mir eine Ausrede auszudenken, um dich küssen zu können. Ich wusste nicht, dass es dich so stark verletzt hat. So, wie du dich die letzten Tagen oder Wochen gegenüber mir verhalten hast, hatte ich den Schein, dass du über mich hinweggekommen bist. Es war einfach falsch von mir. Es tut mir Leid." beichtet mir meine beste Freundin, während sie nervös mit ihren Haaren spielt. Das ist ebenso eine Gewohnheit von ihr gewesen, wenn sie aufgeregt oder nervös ist.
Aber wie kann ich ihr verzeihen? Sie hätte sich doch denken können, dass meine Gefühle für sie nicht so schnell verschwinden. Sorry Sooyoung, aber eine gute und überzeugende Entschuldigung ist das nicht. Ich bin stinksauer und ich kann nicht anders, als den ganzen Schmerz mit Wut zu verdrängen. Ich will ihr zeigen, was eine Standpauke ist.
Einmal hole ich ganz tief Luft, ehe ich anfange, sie hemmungslos anzubrüllen: ,,HA SOOYOUNG! ICH FRAGE MICH... WAS IST BEI DIR SCHIEF GELAUFEN? ICH HABE DICH IMMER FÜR EIN EXTREM INTELIGENTES MÄDCHEN GEHALTEN, DOCH NACH DIESER SCHEISS AKTION FANGE ICH AN ZU ZWEIFELN! MEINE FRESSE... IST DIR NICHT BEWUSST, WAS DU IN MIR AUSLÖST, WENN DU SO STARK MIT MIR SPIELST? JEDES MAL DIESE ANDEUTUNGEN, BEI DENEN ICH DIE VERMUTUNGEN HABE, DASS DU DOCH ETWAS VON MIR WILLST. DAS MACHT MICH KRANK! IM ERNST, WAS HABE ICH DIR SO SCHLIMMES GETAN, DASS DU MIT MIR SO DERMASSEN SPIELEN MUSST?
HA SOOYOUNG... ICH DACHTE, ICH KÖNNTE IN DER ZEIT, NACHDEM DU MICH ABGEWIESEN HAST, ÜBER DICH HINWEGKOMMEN. ICH DACHTE, MEINE GEFÜHLE FÜR DICH KÖNNTEN IMMER WENIGER WERDEN.. NACHDEM ICH DIR MEINE GEFÜHLE OFFENBARE. DOCH WAS PASSIERT? DAS KOMPLETTE GEGENTEIL.
MEINE GEFÜHLE FÜR DICH WERDEN VON TAG ZU TAG IMMER STÄRKER: ES IST ZUFRIEFST NAIV, WENN MAN BEHAUPTET, DASS MEINE GEFÜHLE FÜR DICH SCHNELL VERSCHWINDEN... dies habe ich zumindest auch gedacht, allerdings war dies nicht der Fall." Vom ganzen Brüllen verliere ich die Kraft. Inzwischen habe ich gemerkt, wie uns alle Schüler im Flur anschauen, doch das interessiert mich nicht. Sollen sie doch erfahren, wie sehr Sooyoung mit mir gespielt hat.
,,Jiwoo.." nuschelt Sooyoung sprachlos, als hätte sie keine Ahnung, was sie noch zu sagen hätte. Dann muss es wohl heißen, dass meine Worte für sie nichts zu bedeuten haben. Stimmt's?
Ich rede weiter, da ich mich so gesehen wieder aufgeladen habe. ,,JA WAS? HAST DU NICHTS ZU SAGEN? IST DOCH SO! DU HAST NICHTS ZU SAGEN, WEIL ICH RECHT HABE! DU HAST SELBST EINGESEHEN, DASS DU MIT MIR GEPSPIELT HAT. EINE GANZE WEILE LIEBE ICH DICH SCHON UND VON TAG ZU TAG LIEBE ICH DICH IMMER MEHR. WEISST DU EIGENTLICH, WIE SEHR ES EINEN MENSCHEN KAPUTT MACHEN KANN?" brülle ich sie an, doch sie äußert sich dazu nicht. Lieber will sie auf mich zugehen und nach meiner Hand greifen. Vielleicht, um mich zu beruhigen? Was auch immer ihre Intention ist: Sie soll es sein lassen.
,,FASS MICH NICHT AN!" fauche ich, während ich paar Schritte nach hinten zulege, indem ich mich rückwärts fortbewege.
In meinen Augenwinkeln bilden sich die ersten Tränen und ich spüre, wie die warmen, aber recht angenehmen Tränen über meine Wangen rollen. Es werden immer mehr, wodurch sich mein Sichtfeld verschlechtert.
,,VERSTEHE ES DOCH, SOOYOUNG: DU HAST MIR DAS HERZ GEBROCHEN. ICH BRAUCHTE DICH SO SEHR.. ICH HABE ALLES VERSUCHT, DASS UNSERE FREUNDSCHAFT TROTZ MEINER GEFÜHLE VORHANDEN BLEIBT... doch du... du hast mit meinen Gefühlen etwas anderes angefangen, dass definitiv die falsche Entscheidung ist." will ich ihr klarmachen, allerdings werde ich durch die Tränen davon abgehalten, lauter zu reden. Ich werde immer leiser und meinen Kopf lasse ich wieder hängen. Dies wäre jetzt die perfekte Gelegenheit, um abzuhauen, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich noch abschließende Worte zu sagen habe.
Da fällt mir ein, dass ich folgendes loswerden möchte: ,,Ha Sooyoung... das ist etwas, was etwas skurril für dich erscheinen wird, allerdings hatte ich seit unserer ersten Begegnung Gefühle für dich.. du fragst dich jetzt wahrscheinlich, was die ganzen Crushes und Beziehungen dazwischen sein sollten? Hmm.. keine Ahnung, es war etwas zwischen Ausprobieren und Vergessen. Ich dachte, ich könnte dich vergessen, wenn ich mir einrede, jemand anderen zu lieben.. doch so einfach ist es nicht. Noch nie habe ich etwas für meine Gefühle gekonnt. Dies habe ich durch dich gelernt.. man kann über seine Gefühle nicht entscheiden. Man kann nur entscheiden, wie man mit seinen Gefühlen umgeht. Du hast mir das beigebracht.
Naja... ich bin etwas vom Thema abgekommen- was ich eigentlich sagen möchte, ist dass du mich von Tag eins schon fasziniert hast.. und deswegen tut es umso mehr weh, wenn du solche Dinge mit mir anstellst, ohne etwas von mir zu wollen. Sooyoung, ich brauche dich, aber jetzt will ich lieber weg von dir. Mir tuen diese Gefühle für dich nicht gut. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Ich liebe dich viel zu sehr. Es tut mir Leid... dass du mit so etwas konfrontiert wirst."
Das sind meine abschließende Worte gewesen, ehe ich aus dem Schulgebäude rausflitze, ohne nur einmal nach hinten zu schauen. Es gibt kein Zurück. Wir bewegen uns nur noch vorne. Wir wollen der Zeit nicht entgegen laufen, sondern dieser hinterherrennen. Das tue ich. Ich fliehe von der Vergangenheit. Die Standpauke ist Vergangenheit.
Jetzt will ich mich bei mir zu Hause in mein Zimmer zurückziehen und am besten nie wieder aus diesem herausgekrochen kommen.
Ich hasse mein Leben so sehr. Wieso kann ich nicht einmal einen guten Tag haben?
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