3. Gewindigkeitsbegrenzung

"Hey, Wölkchen, bist du heute wieder dabei?", fragte mich Light am nächsten Tag nach der Therapie. Wir befanden uns noch im Zimmer 264.

Gestern als ich eindeutig zu spät nach Hause kam, hatte meine Mutter genug von mir und stellte klar, dass ich ab sofort zu Fuß gehen soll. Ich nahm es ihr wirklich nicht übel und hatte ganz ehrlich Nichts gegen diese Bestrafung, alles Mögliche war besser als diese beharrlichen Autofahren. Mein Vater dagegen war außer sich. Seine herausragende Wut lies er auf ungemütliche Weise an mir aus oder besser gesagt meinem Rücken, setzte mich dabei mental und physisch schachmatt.

Als Antwort nickte ich. Mir waren die Konsequenzen bewusst, jedoch war meine Angst viel zu groß und das warme Gefühl, welches ich gestern empfand war definitiv verlockend.

Somit verließen wir zu fünft den Raum, stiegen in das Auto und fuhren los. Dieses Mal lief keine Musik. Alles was zu hören war, war Ethans intensives Gespräch mit einem nur für ihn sichtbaren Monster. Das Schweigen war spürbar, anscheinend genau sowie meine abwesende Stimmung.

"Ist alles in Ordnung bei dir?", wollte Light wissen. Ethan verstummte.

Der Klos in meinem Hals war zu kräftig. Würde ich jetzt ein Wort heraus zwingen, würde ich die Tränen nicht zurückhalten können. Also schüttelte ich bloß den Kopf, meine Augen musterten dabei den dunklen Himmel.

Der Junge am Steuer fragte nicht weiter nach und für den Rest der Fahrt war komplette Stille angesagt. Es war nicht unangenehm, eher das Gegenteil. Die Anderen verstanden, dass ich noch etwas Zeit für mich brauchte. Es herrschte eine Art Harmonie zwischen uns.

Schlussendlich kamen wir am Strand an, den exakten Ort wie am Tag zuvor und Light entfachte entschlossen das Lagerfeuer.

Viktor und Danielle, die offensichtlich ein Paar waren, ließen sich im weichen Sand nieder, nah am Feuer.

Light und meine Wenigkeit saßen am Ende des Wagens. Meine Beine baumelten heraus, während der Andere seine angewinkelt hatte.

"Ich werde eine super tolle Sandburg bauen!", kündigte Ethan laut an.

Ein Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht als ich beobachtete, wie er sofort mit seinen bloßen Händen anfing zu buddeln.

Light flüsterte mir in's Ohr: "Findest du nicht auch, dass der mehr Welpe ist als Mensch?"

Dies brachte mich zum Lachen: "Wo du Recht hast."

Schmunzelnd hielt er mir eine Bierflasche hin, die entzückenden Grübchen traten charmant hervor, doch ich lehnte dankend ab, Alkohol war einfach nichts für mich. Daraufhin zuckte Light mit den Schultern und öffnete eine für sich Selbst.

Wir lauschten den sanften Gesang von Viktor, welcher echt talentiert war, vereint mit den wild rauschenden Wellen.

"Die See ist wirklich unruhig heut'.", stellte Light nachdenklich fest, "Genau sowie deine Gedanken Wölkchen, huh?"

Ich seufzte tief. Wenn ich ihnen nicht vertrauen konnte, wem dann?

"Es ist- Ich verstehe meine Eltern einfach nicht!", meine Hände griffen reflexartig nach meinen Haaren, "Nur weil ich homosexuell bin verletzten sie mich, nicht nur geistig sondern auch körperlich, wie kann man sowas bloß seinem eigenen Kind antun?", die Tränen fingen nach einander an zu entfliehen, "Noch nie waren sie zufrieden mit mir! Am Anfang hieß es noch 'Warum bist du kein Mädchen geworden? Wir wollten doch immer eine Tochter haben, keinen Sohn' das wurde dann zu 'Du hast Alles ruiniert, wegen dir ist unser Leben kaputt!' könnt ihr euch vorstellen, wie erniedrigend und verstörend das für ein Kleinkind sein kann? Jetzt habe ich pure Paranoia vor ihnen, ihren Worten und auch Taten. Wie widerlich ist das denn?"

"Meine Eltern haben mich raus geschmissen, ich wohne bei Vik.", erzählte Danielle dann, nahm dabei die Hand von ihrem festen Freund.

Dieser sprach dann auch auf: "Mein Vater ist seid einigen Jahren im Knast, dadurch hat meine Mom echte Probleme gezogen. Wir passen mehr auf sie auf, als sie auf uns. Einen älteren Bruder habe ich auch aber der ist von zu Hause abgehauen."

Gerade als ich mitfühlend darauf eingehen wollte, ertönte Ethans Stimme.

"Meinen Dad kenne ich nicht. Meine Mommy hat mich selbstständig aufgezogen bis das Jugendamt von ihrer Drogenabhängigkeit Wind bekam. Sie nahmen mich von ihr weg, da war ich noch 5 oder so.", seine grauen Augen wurden mit jeder tragischen Erinnerung an der harten Trennung kälter, "Von dem Tag an lebte ich in einem Heim und tue es immernoch."

Mein Herz zog sich zusammen: "Das tut mir so Leid, keiner von euch hat so Etwas schreckliches verdient."

"Das geschieht wenn Problemkinder plötzlich zu Eltern werden.", auf einmal hämmerte Light seine Bierflasche gegen den Wagen und sie zerbrach in hunderte Scherben, einige zerschnitten sogar seine Handfläche, weil er so fest zudrückte, "Denen kannst du nicht vertrauen, sie sind nicht deine Familie!"

Der Junge sprang vom Verkehrsmittel hinunter und warf mir einen aufgelösten Blick zu: "Meine Eltern wollten mir nicht glauben. Sie dachten ich denke mir alles nur aus, für Aufmerksamkeit!"

Ich zog meine Augenbrauen zusammen: "Was genau meinst du?"

"Als ich 16 war wurde ich von meiner Lehrerin sexuell misbraucht.", ein entsetztes Gelächter entfloh seinem Mund und lies meinen Körper erfrieren, "Meine Eltern nahmen mich nicht ernst, meine Freunde meinten es sei doch total geil und die Schulleitung wollte unbedingt Beweise, denn es sei unwahrscheinlich, dass eine Frau einen jungen Teenager vergewaltigt."

Mir wurde auf Anhieb übel. Wie grausam war diese Welt eigentlich?

"Monate lang musste ich das ertragen, bis wir endlich umzogen. Der Grund war noch nicht mal der Missbrauch, die glauben mir bis zum heutigen Tage nicht, sondern meine schlechte schulische Leistung. Ich bin wegen all den Fehlstunden und miesen Noten geflogen.", erklärte Light monoton, die Bitterkeit schwebte wortwörtlich in der Luft, "Hier verbesserte sich meine Psyche nicht unbedingt aber meine Noten, also steckten sie mich einfach in die Therapie, als währe ich noch zu retten."

"Es ist nicht deine Schuld, du bist unschuldig.", brachte ich stotternd heraus.

"Ich weis, Cloud, das ist es ja, ich habe nichts Falsch gemacht aber muss trotzdem diese Scheiße ausbaden!", brüllte er drauf los, wobei die Adern an seinem Nacken pochten. Das Feuer warf ein schmeichelndes Licht auf ihn, ein vollkommener Kontrast zu seinem aufgewühlten Verhalten, "Sie haben die Wolken vor meine Sonne gezwängt und ich habe keine andere Wahl als zu pusten, doch mein Pusten allein reicht einfach nicht aus! Ich versuche es, glaub mir! Ich will meine Sonne wieder! Aber alles was sich ergibt sind verfluchte Niederlagen!"

Stille Tränen strömten aus meinen braunen Augen. Niemand anderes weinte, nur ich.

"Verloren, so fühle ich mich.", sagte er nun leiser, "Jenen Rettungsversuch habe ich aufgegeben, es würde sowieso keinen Sinn mehr machen."

Ich wollte antworten, wusste aber beim besten Willen nicht womit. Es war außerordentlich viel zu verarbeiten.

"Deswegen haben wir diese kleine Familie hier, wir halten zu Einander, akzeptieren und vertrauen.", betonte der Junge liebevoll.

Mein Herz machte bei dieser Aussage einen Sprung. Es klang wunderbar.

"Okay, das reicht. Ich bringe euch nach Hause.", bestimmte Light und Jeder gehorchte, auch meine Wenigkeit.

Die Rückfahr war bei Weitem stiller als die Hinfahrt und nachdem wir erstmal Ethan, dann die anderen Beiden abliesen, fuhr Light wieder in Richtung Strand, nicht zu mir.

"Uhm, hast du villeicht vergessen wo ich wohne?", mein Blick glitt zu ihm.

Er sah stumpf geradeaus und meinte mit fester Stimme: "Wenn du denkst, dass ich dich alleine mit den Leuten lasse, die dir weh tuen, hast du gewaltig einen an der Waffel."

Brennende Hitze stieg mir in die Wangen: "Aber was wenn-"

"Hast du mir eben nicht zu gehört?", Light drückte etwas fester auf das Gaspedal, "Wir halten zusammen und du bist jetzt ein Teil unserer Familie, verstanden?!"

Mit jeder Sekunde nahm das Auto an Geschwindigkeit zu.

"Light, fahr bitte wieder langsamer. Das hier könnte Böse enden.", bat ich zitternd und umfasste mit meinen Händen den Sitz.

Anstatt zu tun was ich wollte, tat er das Gegenteil und fuhr noch schneller, dabei rief er aufgebracht: "Sag mir, dass du es verstanden hast! Sag mir, du wirst mich niemals verlassen!"

"Wie bitte?", mein Puls raste, jeder einzelne Muskel in meinem Körper spannte sich an.

"Verlass mich nicht, Cloud!"

"Ich werde dich nicht verlassen, ich bin ab sofort ein Teil von dir! Ich gehöre zu dir, okay? Bitte, bitte, bring dich nicht um!", schrie ich laut und deutlich.

Das Fahrzeug wurde langsamer, dann hielt es am Rande der leeren Straße an.

Erleichtert atmete ich aus und versuchte meinen brutalen Herzschlag zu beruhigen.
Doch dann zerriss ein Schluchzen das Szenario.

Direkt drehte ich mich zu ihm.
Light fing unkontrolierbar an zu schluchzen und weinen.

Nach einem kurzen Moment der Realisation, warf ich meine Arme um ihn und streichelte zärtlich seinen bebenden Körper: "Alles wird gut, du bist in Sicherheit. Wir schaffen das, Light, zusammen. Das verspreche ich dir, hoch und heilig."

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