15 ~ Der Weihnachtsball (2)

Als wir endlich vor der großen Halle ankamen, waren alle Blicke auf uns gerichtet. Ich schluckte hörbar und versucht, so würdevoll wie möglich, bis vor die schweren Türen zu schreiten, ohne zu stolpern und von allen Anwesenden begafft.

Sogar die älteren Schüler, die bereits versammelt waren, ließen uns respektvoll den Vortritt. Aber nicht, ohne einen kurzen Blick auf mich zu werfen, oder zu tuscheln. Ich versuchte mir allerdings nichts von der Nervosität anmerken zu lassen. Die anstarrenden Augen, sowie die flüsternden Stimmen probierte ich, soweit es ging, auszublenden. Meine Atmung ging schnell, während mein Herz mir bei der Vorstellung des riesigen, geschmückten Saales hinter den hölzernen Toren, in dem Louis, ich und drei weitere Paare gleich den Ball eröffnen würden, in die Hose rutschte. Zur Beruhigung atmete ich den herben Duft der Tannenzweige ein und stellte mir einfach vor, welch wundervolles Erlebnis uns erwarten würde. Wie Louis und ich Arm in Arm durch den Raum wirbelten. Im Gleichschritt mit der Musik. Während mein Kleid wild umherflattert.

Tatsächlich gelang es mir für wenige, wertvolle Sekunden, das Geschehen um mich herum auszublenden, aber dann scheuchte Louis mich aus meinen Gedanken indem er mir kurz auf die Schulter tippte. "Bist du bereit?", flüsterte er mir in mein Ohr, sodass nur ich es verstehen konnte. Doch ich schüttelte nur kaum merkbar den Kopf.

"Dann wird es aber höchste Zeit", meinte er und wies mit seinem Kinn auf die Türen, die sich zu meinem Schrecken dramatisch langsam öffneten. "Also - bereit?" Ich wusste nicht so recht, was ich antworten sollte. Einerseits war ein Teil von mir furchtbar aufgeregt und freute sich auf den Abend, aber andererseits fürchtete ich mich auch davor. Ich wusste nicht so recht, was ich denken, geschweige denn sagen sollte. Deshalb blickte ich ihn erstmals nur stumm an, begann dann verunsichert an meiner Unterlippe zu knabbern und nickte anschließend zögerlich.

"Warum nicht gleich so?", meinte Louis erfreut. "Na dann ... auf geht's!"

Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, legte er einen Arm um meine Taille und führte mich in den geräumigen Saal hinein. Die anderen drei Paare folgen, dann die restlichen Schüler sowie die Lehrer, die sich ebenfalls in Schale geworfen hatten. Eine Frau die besonders herausstach, war unsere, etwas pummelige Ancae-Lehrerin, die passend zu ihrem rosafarbenen Teint und neonpinkes Kleid trug. Bei ihrem Anblick musste ich schmunzeln.

In der Mitte der Tanzfläche angekommen, blieben wir stehen, während alle anderen sich auf die Seiten verdrückten und uns neugierig anstarrten.

"Du schaffst das", murmelte Louis mir zu, während wir uns für den ersten Tanz aufstellten. "Wir schaffen das", war meine Antwort. Ich legte meine rechte Hand auf seine Schulter und verschränkte die andere mit seiner rechten.

Kaum standen wir so, begannen die Musiker, die am anderen Ende des Raumes auch schon mit ihrem Spielen. Sanfte Geigentöne wirbelten zu uns rüber. Sie umfassten uns. Sie hoben uns hoch, bis wir über dem Boden schwebten. Dann setzten wir acht, wie auf Kommando, den ersten Schritt. Der zweite folgte sogleich. Die Musik riss uns mit. Es war ein magischer Moment. Die ganze Schule sah uns bewundernd zu.

Ich tanzte, als hätte ich mein ganzes Leben nichts anderes gemacht, und nur auf diesen besonderen Ball gewartet. Mein Herz schlug im Einklang mit der Musik, während meine Füße sich im Rhythmus bewegten. Mit einer Leichtigkeit tanzten wir durch den Raum, sodass mein Kleid elegant um mich herumflatterte. Obwohl Hannahs Frisur echt stabil war, lösten sich langsam ein paar Strähnen, die mein leicht rosiges Gesicht umschmeichelten.

Als das Lied endete, knickste ich vor Louis, während er sich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen vorschriftsgemäß verbeugte.

"Das war wundervoll", schwärmte ich mit leuchtenden Augen. "Einfach traumhaft!" "Wie in einem Märchenfilm", fügte er hinzu. "Nochmal?" Mit einem Nicken stellten wir uns für das nächste Lied auf. Diesmal gesellten sich auch andere Schüler - sowie Lehrer - hinzu, sodass die Tanzfläche sich langsam füllte.

Wir bewegten uns zu dem Klang der leichten, nicht allzu schnellen Töne. Bald schon hatte ich wieder alles um mich herum vergessen und ich war eins mit der Musik. Rhythmussicher führte Louis uns auch dieses Mal durch das Lied, doch dann zog er mich schnell von der Tanzfläche, bevor ich ihm um noch einen Tanz anbetteln konnte.

Ohne lang zu diskutieren, zerrte er mich zu dem Büffet, das entlang einer Seite des Saales angerichtet war. "Sieh mal", meinte er zu mir, als wir unmittelbar vor den unzähligen Tellern mit kleinen Häppchen standen. "All das gute Essen - wird Zeit, dass es mal jemand kostet, nicht wahr?" "Du meinst, wir essen, während die anderen tanzen?" Verwundert sah ich ihn an. "Das ist genial! Warum bin ich nicht selbst schon darauf gekommen?"

"Mh", gab er halb sabbernd von sich, den Blick immer noch auf die kleinen Schnittchen vor seiner Nase fixiert. Er blickte kurz um sich, und als er sicher war, dass gerade niemand guckte, schnappte er sich eine der Delikatessen und stopfte sie in meinen Mund.

Da ich aber genug Manieren besaß, um zu wissen, dass man dies nicht tut, nahm ich mir einen, der bereitstehenden Teller, um mein Essen darauf zu legen. "Danke!", sagte Louis abwesend und riss mir das Porzellan aus den Händen. Schockiert blickte ich ihn an.

Das hatte er doch jetzt nicht wirklich getan, oder? Empört schnappte ich nach Luft.

Doch genau in dem Moment, als ich meinem Ärger frei Luft lassen wollte, tauchte Tim wie aus dem Nichts vor uns auf. Von einem Fuß auf dem anderen tretend fragte er mich nervös, ob ich mit ihm tanzen wolle. Stinksauer, wie ich auf Louis war, gab ich nach und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche entführen, wo wir uns ein freies Plätzchen zwischen den anderen, schwitzenden Körpern suchen mussten. Er jedoch war mit seinem Essen so abgelenkt, dass er mein Verschwinden nicht einmal bemerkt zu haben schien. Schnaubend konzentrierte ich mich lieber darauf, Tims trampelnden Füßen auszuweichen.

Nach einer Weile wagte ich es, aufzusehen. Neben uns tanzte Herr Wagner so vergnügt mit seiner kleinen Tochter, dass mit bei dem Anblick das Herz förmlich schmolz. Luana hüpfte mehr oder weniger im Takt, während ihr rotes Tüllkleid anmutig auf und ab wippte. Ihr Vater, der eine farblich passende Krawatte trug, lachte von ganzem Herzen. Es gab wirklich kein besseres Paar im ganzen Saal - da war ich mir sicher!

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