11 ~ Das Höllen-Schmusekätzchen (1)

,,Sehr schön, Vera", drang die Stimme meines Manipulations-Lehrers zu mir durch. "Du schaffst das ... nur noch etwas mehr Konzentration." Ohne viel auf das Gesagte zu achten, holte ich erneut tief Luft und versuchte an nichts Weiteres außer an meine Verwandlung zu denken. Nach und nach bemerkte ich, wie all meine Gedanken, meine Sorgen von mir abwichen. Bis mein Kopf wie leergefegt war. Aber es tat gut, an nichts denken zu müssen, geschweige denn ein Bild eines leblosen Mädchens - Louis Schwester - vor Augen zu haben. Ich genoss es.

Die Luft, die ich in mich hineinsog war angenehm war und roch leicht nach Staub. Mein Brustkorb hob und senkte sich immer wieder, während ich auf dem gepolsterten Boden des Trainingssaals hockte und meditierte. Meine Beine hatte ich verschränkt und die Hände ohne Druck auf die Knie gelegt, denn laut Herr Wagner war dies die beste Position, um sich zu verwandeln.

Ein erneuter Luftzug brachte ein Gefühl des Friedens über mich. Dann, auf einmal, leuchtete es vor meinem inneren Auge hell auf. Es war wie ein Blitz. Ich konnte erkennen, wie das weiße sich etwas ausbreitete. Es pulsierte. Nach und nach nahm das weiße etwas Form an. Eine Kugel. Eine weiß leuchtende, pulsierende Kugel, die in der Dunkelheit schwebte. Wie hypnotisiert folgte ich der Kugel, konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Aus irgendeinem Grund zog sie mich wie magisch an. Ich musste sie berühren. Jetzt!

Zaghaft streckte ich einen Finger nach der Lichtquelle aus. Je näher ich der Kugel kam, desto wärmer wurde mir. Es war, als würde sie Hitze ausstrahlen. Was es war, wusste ich nicht, doch ich wollte es anfassen. Alles in mir sehnte sich nach einer Berührung. Es war so nah. Ich hatte es fast geschafft. Nur noch wenige Millimeter.

Verwundert beobachtete ich, wie das Licht begann, in mich hineinzufließen. Zuerst spürte ich ein Kribbeln in meinem Zeigefinger, dann im Arm und schließlich im ganzen Körper. Das Licht floss durch mich hindurch. Mir wurde kuschelig warm, und ich wünschte mir, dieses Gefühl würde niemals aufhören. Doch als ich erneut vor mich guckte, war die Kugel bemerkbar geschrumpft. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde sie kleiner. Bis sie schließlich ganz verschwunden war. Auch das Gefühl der Geborgenheit verschwand. Mir wurde übel.

Dann, verschwand auf einmal alle Belastung. Das grelle Licht drang aus mir heraus und flutete mein gesamtes Bewusstsein. Alles war hell. Einen kurzen Moment ging es mir besser, dann jedoch wurde alles schwarz. Ich fiel, obwohl ich auf dem Boden lag.

Als ich meine Augen wieder aufschlug, lag ich gekrümmt auf dem Teppichboden. Der Geruch von Staub kitzelte in meiner Nase. Ich genoss den Frieden, der in mir herrschte und schloss meine Augen, als plötzlich ein scharfer Schmerz durch mich hindurchzuckte. Was war das? Die Verwandlung? Tat es etwa so weh, sich zu verwandeln? Bevor ich noch mehr darüber nachdenken konnte, überrollte eine erneute eine Welle der Qual mich. Ich wollte dass es aufhörte! Tränen bildeten sich in meinen Augen, während ich mich stumm ich in den Teppich krallte. Meine Unterlippe hatte ich längst blutig gebissen.

Immer häufiger und immer stärker überkam mich diese Pein, sodass ich begann, leise vor mich hin zu jammern. Verzweifelt rollte ich mich zu einer kleinen Kugel, als plötzlich eine beruhigende Stimme in meinem Kopf auftauchte. "Ganz ruhig.", sagte sie mir beruhigend zu, "Du hast es fast geschafft. Gleich ist alles vorüber."

Dann, ohne dass ich es bemerkt hatte, war der Druck, der auf meinen gesamten Körper ausgeübt worden war, verschwunden. Es war wieder alles wie vorher. Wie in Trance hob ich langsam den Kopf und blickte meinem Lehrer geradewegs in die Augen. Er schien mir zuzulächeln. In dem Moment hörte ich die Stimme wieder. "Jetzt kommt Phase Zwei der Verwandlung." Die Stimme klang männlich. Meine Augen immer noch auf den Lehrer gerichtet, verstand ich endlich, wer da in meinem Kopf redete. Obwohl es mir nicht logisch erschien, Stimmen zu hören, wurde mir bewusst, dass er es war. Bloß wie? Meines Wissens war dies nicht möglich. Bildete ich mir die Stimme also nur ein, oder war dies alles real und eine Gabe, die man als Magesti besaß? Zumindest war mir nichts darüber bekannt, dass normale Menschen auch so miteinander kommunizieren konnten. Einen Moment überlegte ich, bevor ich den Kopf leicht schüttelte und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Stattdessen machte ich mich lieber dran, aufzustehen.

Nachdem ich mich vom Teppich aufgerappelt hatte, und etwas bedröppelt umherstand, wurde mir erstmals bewusst, wie ich aussehen musste. Hastig drehte ich mich vom Lehrer weg und wischte mir mehrmals mit dem Handrücken über die Augen, wobei ich einen kurzen Blick auf meine Hand erhaschte. Ich erstarrte. Die feinen Härchen auf meiner Hand waren nicht länger durchsichtig, sondern blendend weiß. Erschrocken steckte ich die andere Hand auch nach vorne. Alle Haare waren weiß, nur mit dem Unterschied, dass sie mir etwas länger als sonst schienen. Etwas geschockt trat ich einen Schritt nach hinten. Was passierte hier? Warum wurden die Härchen vor meinen Augen immer länger?

Plötzlich begannen auch meine Fingernägel sich zu verändern. Sie wuchsen. Sie wurden stärker - und das obwohl meine Nägel normalerweise bei der geringsten Belastung abbrachen. Irritiert beobachte ich den Vorgang. Wie in Zeitraffer veränderte meine Hand langsam ihre Form. Dann knackte es laut in meinem Rücken und ich spürte ein unangenehmes Ziehen. Es schien, als würde mein ganzer Körper - nein das ganze Skelett - sich verändern. Was war das? Ich hörte ein leises Rauschen in meinen Ohren, bevor mir schwindelig wurde und ich hart auf den Boden fiel. "Die Verwandlung", hallten die Worte meines Lehrers in meinem Kopf herum. "Phase Zwei."

Auf einmal wurde mir alles klar. Die Verwandlung ... meine Verwandlung. Sie hatte begonnen. Die Verwandlung zum Killerkaninchen. Vor Erleichterung hätte ich beinahe gelacht. Ich hatte es tatsächlich geschafft! Beruhigt schloss, ich für eine Sekunde - vielleicht auch eine Minute, vielleicht auch zwei - die Augen. Es fühlte sich gut an. Zu gut. Gerne hätte ich diese Gefühl noch länger gespürt, doch die sanfte Stimme meines Lehrers ließ es nicht zu. "Es ist vorbei, Vera", meinte er beruhigend zu mir. "Du kannst die Augen jetzt öffnen."

Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, hob ich die bleichschweren Lider und besah den Teppich. Aus irgendeinem Grund erschien er so viel größer als vorher. Dann ließ ich meinen Blick suchend im Raum umherschweifen. Die Wände, sowie die Türen waren viel weiter entfernt. Ich ließ meinen Blick wieder nach unten sinken. Das war ich von meinem Körper erkennen konnte, waren zwei schneeweiße Pfoten und einen langen, weißen Schnurrbart, der vor meinen Augen auf und ab tanzte und dabei fürchterlich kitzelte. Ich war ein Synaax! Stolz erfüllte mich. Und trotzdem fühle ich mich winzig und verletzlich. War das so als Magesti? Musste man erst Lernen, mit seiner magestischen Form zurechtzukommen?

Suchend sah ich mich um, während mir hunderte von Fragen durch den Kopf schossen, die ich Herr Wagner am Liebsten alle gleichzeitig stellen würde. Allerdings konnte ich ihn zu meinem Erstaunen nicht entdecken. Egal wie oft ich mich im Kreis drehte, er bleib verschwunden Hatte er etwa den Raum verlassen und mich alleine zurückgelassen? Ängstlich kugelte ich mich auf dem Teppich zusammen. Ich wusste gar nichts über mein Wesen. Ohne ihn war ich restlos überfordert. Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Mich zurückverwandeln? Aber wie? Verzweifelt legte ich meine Schnauze auf meine Vorderpfoten, als ich plötzlich die Stimme meines verschwundenen Lehrers vernahm.
"Vera", schien er zu lachen "Hast du ernsthaft geglaubt, ich lasse dich alleine? Du Dummerchen ... schau nächstes Mal doch einfach nach oben!"

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