New York.
The best and most beautiful things in this world
cannot be seen or even heard,
but must be felt with the heart.
— Helen Keller
„Das Shooting ist in zwei Stunden, davor musst du noch eine Kleinigkeit essen und viel trinken, weil es anstrengend werden kann. Ich habe dir schon ein passendes Outfit heraus gesucht. In einer Stunde fahren wir zu dem Ort wo es stattfindet. Dort wirst du dann geschminkt und in die vorgesehenen Klamotten gesteckt. Wenn der Fotograf zufrieden ist, sollte es nicht länger als eine Stunde dauern", ratterte Park Hyori, meine Assistentin herunter. Sie sah die ganze Zeit über auf das iPad, in welchem meine Termine eingetragen waren.
Ich nickte und sah wieder aus dem Fenster des Hotelzimmers.
Heute Morgen war das Flugzeug hier in New York gelandet. Es war jetzt Mittag. Ich war angespannt und nervös. Das Fotoshooting war für das Magazin InStyle. Ich musste mein Bestes geben und so seriös wie möglich wirken. Keine Fehler dürfte ich mir erlauben. Wenn alles gut verlief, würde ich vielleicht sogar noch ein bisschen öfter gebucht werden. Um ehrlich zu sein, wollte ich das eigentlich nicht, aber ich hatte mir diesen Job und dieses Leben ausgesucht.
Nervös nestelte ich an den Bund meiner Jogginghose herum. Ich spürte das Hyori mich beobachtete. Mein Blick wanderte zu ihr, senkte sich aber dann.
„Was schaust du mich so an?", fragte ich schüchtern. Auch wenn ich sie schon ein paar Jahre jetzt kannte und sie eigentlich eine gute Freundin von mir war, war ich doch immer noch schüchtern ihr gegenüber. Nun gut, ich war jedem gegenüber schüchtern.
Hyori legte mir eine Hand auf die Schulter. Überrascht sah ich zu ihr hoch. „Du schaffst das. Es nur ein Shooting und ich verspreche dir, sie werden begeistert von dir sein." Ermutigend lächelte mich die Koreanerin an und nickte mir zu. Ihre braunen Augen strahlten so viel Wärme aus. Sie hatte lange schwarze seidige Haare und besaß den perfekten Körper.
Ganz anders als ich.
Ich war nicht zufrieden mit meinen Körper. Die Leute starrten mich immer an, das verunsicherte mich. Meine Augen waren braun, aber nichts Besonderes im Gegensatz zu denen meiner Assistentin. Mit der Zunge befeuchtete ich meine Lippen, strich mir dabei meine störrischen dunkelbraunen Haare zurück. Meine Haare waren wohl das Einzige an mir, womit ich so halbwegs zufrieden war. Hyori hatte schon oft zu mir gesagt, dass ich sehr schön wäre, aber ich glaubte ihr das nicht. Es gab so viele Mädchen die schöner als ich waren.
„Was haben wir zu Essen da?", fragte ich die Schwarzhaarige leise, aber doch laut genug, dass sie mich verstand. Sofort sprang sie auf. „Ich lass dir was bestellen", rief sie aus und verschwand in den Flur. Kurz sah ich ihr hinterher, dann musterte ich wieder meine abgekauten Nägel. Das mochte ich auch nicht an mir. Eigentlich wollte ich nicht meine Nägel abbeißen, doch ich konnte nicht aufhören. Es war wie eine Sucht.
Beim Shooting würde wohl wieder eine Stylistin entsetzt darüber sein und mir Nägel ankleben. So war es eigentlich schon seit ein paar Jahren. Ab und zu hatte mir auch Hyori oder auch meine Schwester, falls sie mich mal besucht hatte, die Nägel gemacht.
Ich biss mir auf die Unterlippe.
Meine Hände zitterten leicht. Wieder mal war ich sehr nervös. Heute war es zum Glück nicht so schlimm. Vor so gut wie jedem Job, den ich bekam, war ich nervös. Ich konnte das einfach nicht abstellen und auch Atemübungen halfen nicht. Es war ehrlich gesagt die Hölle.
Über das Shooting hatte man mir so gut wie gar nichts gesagt, außer dass ich wohl mit einem ziemlich bekannten Rapper posieren musste. Ob er auch aus Seoul kam?
Ich zuckte zusammen, als es laut im Flur klapperte. Kurz darauf betrat Hyori wieder den Raum. In der Hand hielt sie einen Teller, welchen sie vor mir abstellte. Sie strich mir sanft über den Kopf, wie eine Mutter bei ihrem Kind.
Hyori sorgte sich immer sehr um mich, weil ich so schüchtern und nervös war. Sie verstand trotzdem nicht, wieso ich eigentlich Model war. Ich scheute das Rampenlicht und Interviews. Normalerweise würde eine so schüchterne Person wie ich nicht Model werden.
Ich wusste ja selber nicht genau, wie ich darauf gekommen war.
Mit der Hand griff ich nach den Stäbchen und dem Teller. Die Schwarzhaarige hatte mir Sushi geholt. Sushi war mein Lieblingsessen. Wahrscheinlich hoffte sie, dass ich mich so etwas beruhigen konnte. Doch ich glaubte daran nicht. Ich würde wahrscheinlich bis zum Ende des Shootings nervös sein.
Ich steckte mir etwas zu Essen in den Mund und kaute langsam darauf rum. Als ich es heruntergeschluckt hatte, wollte ich es am liebsten wieder hoch würgen.
Ich war einfach zu nervös um jetzt auch noch was zu essen.
Mit einem lauten Knall schlug ich die Stäbchen auf den Tisch und stand ruckartig auf. Erschrocken sah Hyori mich an. Sie stand immer noch neben den Tisch und hatte eine Wasserflasche in der Hand.
„Lass uns fahren. Ich glaube, es kommt alles wieder hoch, wenn ich noch mehr davon esse", murmelte leise und ging zur Tür. Die Schwarzhaarige folgte mir sofort, sagte nichts dazu. Sie kannte mich eben und wusste daher, dass ich die Wahrheit sagte.
Es war mir wirklich schon mal passiert. Seit dem mied ich es eigentlich vor einem Shooting etwas zu essen. Nur ab und zu gönnte ich mir etwas. Heute war einer der falschen Tage gewesen, an welchen ich es lieber hätte lassen sollen.
Stumm stand ich neben Hyori im Aufzug. Wir waren direkt vor Ort. Den Weg hier her hatten wir leicht gefunden, dank Hyoris unglaublichem Orientierungssinn und der Hilfe von einem der Angestellten.
Wir posierten in einer luxuriösen Wohnung. Immer noch war ich nervös, aber auch ein bisschen neugierig. Ich hielt den Kopf gesenkt, als ich hinter meiner Assistentin ging. Meine Haare fielen mir ins Gesicht. Mit den Händen nestelte ich nervös an meinem Cardigan herum. Ich war normal, unauffällig gekleidet. Blaue Jeans, einfache Turnschuhe, weißes Top und einen rosafarbenden Cardigan. Geschminkt hatte ich mich nicht, das würde eine Stylistin eh nachher machen. Es würde nur länger dauern, wenn ich mich auch noch abschminken müsste.
Schließlich wanderten meine Hände wieder zu der kleinen rosafarbenen Tasche. Dort hatte ich mein Handy und sonstige Sachen hinein getan.
Hyori betrat zuerst das große Apartment. Sie wurde von vielen Leuten begrüßt. Schüchtern trat ich hinter ihr ein und hob leicht die Hand. Ein nervöses Lächeln hatte sich auf meine Lippen gelegt, als ich die Leute leise begrüßte. Die meisten lächelten uns zu, andere wiederum ignorierten uns vollkommen.
„Ah! Du bist Miss Zhao oder?", rief eine blonde Amerikanerin mir zu. Sie war ein bisschen kleiner als ich und lächelte mich freundlich an. Zögernd nickte ich, sah zu meiner Assistentin, welche mich aufmunternd ansah.
„Ich bin Chloe Adams, deine Stylistin. Du kannst gleich mit mir mitkommen, ich werde dich soweit herrichten und dir die verschiedenen Klamotten zeigen, die du tragen wirst", redete sie auf einmal los. Ich sah sie nur an, musste mich sehr konzentrieren, dass ich ihr folgen konnte. Mein Englisch war gut, sogar sehr gut. Ich konnte fließend sprechen, trotzdem war es schwer jemanden zu folgen, der ohne Punkt und Komma auf einen einredete.
Kurz sah ich noch zu Hyori, doch diese schien mit dem Fotograf über irgendwas zu diskutieren. Mit langsamen Schritten folgte ich Chloe, welche mir anwies mich auf einen Stuhl zu setzten vor einem Spiegel. Ich tat was sie sagte.
Fast schon sofort fiel sie über mich her. Zuerst band sie meine Haare zurück, dann trug sie Makeup auf, schminkte meine Augen und meine Lippen. Es dauerte circa zehn Minuten bis sie fertig war. Dann öffnete sie wieder meine Haare und kämmte diese durch.
„Du kannst echt von Glück reden, dass du mit Mister Park posieren darfst. Er ist schon ziemlich heiß, muss ich zugeben", grinste die Blonde mich plötzlich breit an. Erschrocken sah ich sie durch den Spiegel an. Es war mir unangenehm, dass sie so offen über jemanden sprach. Ich hatte das noch nie getan. Mir war das immer peinlich.
„Wer?", fragte ich sie noch einmal. Ich wusste ja immer noch nicht mit wem ich vor der Kamera posieren musste. Verwirrt hielt die Stylistin inne und sah mich an. Ich senkte meine Augenlieder, da ihr Blick mir unangenehm war.
„Jaebeom Park oder auch Jay Park. Er ist ein koreanischer Rapper, aber das weißt du doch bestimmt, oder?", fragte sie vorsichtshalber nach. Ich saß da wie erstarrt, war gerade noch dazu fähig als Antwort zu nicken. Natürlich kannte ich Jay Park. Wer kannte ihn denn bitteschön nicht in Korea? Na gut, wir waren in New York, aber ich kam schließlich aus Seoul hier her.
Ich spürte wie ich noch nervöser wurde und ich war mir sicher, dass wirklich nicht mehr viel fehlte zum Umkippen. Wieso hatte man mir nicht Bescheid gegeben? Ich hätte mich darauf vorbereiten können. Zu mindestens ein bisschen.
„So fertig", riss mich Chloe aus meinen Gedanken. Ich sah in den Spiegel. Sie hatte mir die Haare leicht wellig gemacht. Es war wirklich schön. Mein Gesicht war nicht zu dunkel geschminkt, aber auch nicht zu hell. Es war gut so.
„Zeig mir mal bitte deine Nägel", sagte sie, kramte dabei in einen Kosmetikkoffer herum. Ich biss mir auf die Unterlippe und hielt ihr zögernd meine Hände hin. Chloe drehte sich um und ließ einen leisen Schrei entkommen.
„Oh Gott! Kaust du etwa an deinen Nägeln?" Entsetzt sah sie mich an. Ich wich ihrem Blick aus. Was sollte ich auch schon groß sagen? Ich war schon vollkommen nervös, ihr entsetztes Gesicht half da nicht wirklich.
Ich sah wieder zu ihr, als sie meine Hände in ihre nahm.
„Das wird jetzt etwas länger dauern, aber wir kriegen das schon hin", sagte sie. Sie war voll und ganz in ihrem Element.
Ich sagte nichts mehr. Fünfzehn Minuten später war sich schließlich fertig. Sie hatte mir unechte Nägel angeklebt. Diese waren nicht wirklich lang, gingen ein paar Millimeter über meine Fingerkuppe hinaus.
„Kommst du mit? Ich zeig dir noch schnell die ganzen Outfits." Lächelnd nickte ich und folgte ihr schnell. Wir gingen in einen anderen Raum. Der Schminktisch war fast neben dem Fotograf gewesen.
Ich betrat hinter den Blonden einen mittelgroßen Raum. In diesem standen ein paar Kleiderständer mit Klamotten. Ich sah mich um. Wir waren nicht die einzigen im Raum. Nicht weit von uns entfernt, stand eine weitere Frau mit einem jungen Mann. Sofort erkannte ich, dass es sich um Park Jaebeom handelte. Hart schluckte ich, versuchte ihn nicht weiter zu beachten und folgte Chloe.
Dabei spürte ich neugierige Blicke im Rücken. Ein Schauder lief über meinen Rücken.
Leicht zuckte ich zurück als die Stylistin mir plötzlich ein Kleid vor die Nase hielt.
„Das wirst du als erstes tragen. Es ist ein bisschen kurz, aber man wird auf dem Foto wahrscheinlich eh nur deine Beine sehen. Die Schuhe gehören zu dem Kleid. Danach wirst du das hier tragen", sagte sie, zeigte dabei auf ein ziemlich freizügiges Kleid. Wieder schluckte ich, krallte meine Finger in den Cardigan.
Das erste Kleid war golden. Es sah aus, als wäre es aus Perlen zusammen gestickt worden. Außerdem sollte ich goldene High Heels dazu tragen. Es war verdammt kurz. Das zweite Kleid ließ mich noch nervöser werden. Es war zwar länger, aber am Oberkörper eindeutig freizügiger. Um den Brustbereich war es aus Leder. Es hatte lange Ärmel, welche aus einem durchsichtigen schwarzen Stoff bestanden. Bis zur Hüfte bestand es aus dem gleichen Stoff. Es ging mir wahrscheinlich bis zu den Knien. Ab der Hüfte glich es einem Rock. Es war schwarz und hatte ein golden-weißes Muster. Ich sollte dazu ebenfalls die goldenen High Heels tragen.
Dann zeigte mir Chloe das letzte Kleid, welches mir persönlich am besten gefiel. Es war enganliegend, würde meinen Körper perfekt betonen - was mir wiederum so gar nicht gefiel - und war schwarz. Es würde mir bis zu den Knien gehen. Dazu würde ich wieder die goldenen High Heels anziehen.
„Ok, da ich dir jetzt alle Kleider gezeigt habe, wäre es am besten wenn du schon mal das Erste anziehst. Die Schuhe bitte auch", grinste die Amerikanerin mich an und drückte mir die Sachen in die Hände. Ich sah nervös auf die Klamotten und nickte stumm.
„Christina?", rief die Blonde plötzlich laut. Erschrocken zuckte ich ein weiteres Mal zusammen und sah sie verschreckt an. Ich war so nervös, dass ich wegen jeder Kleinigkeit erschrak.
„Ja?", rief die andere Frau, bei welcher der Rapper stand. Ich musterte ihn kurz, sah aber sofort weg, als er mich direkt ansah. Aus den Augenwinkeln sah ich wie er spitzbübisch grinste und mich genau beobachtete. Mir war das mittlerweile so unangenehm, dass mir schon schlecht wurde. Ich kam gerade überhaupt nicht mit der Situation klar. Wieso hatte mich Hyori eigentlich alleine gelassen? Ich brauchte sie jetzt gerade dringend. Wäre sie bei mir, wäre ich nicht so ganz schrecklich nervös. Sie war die letzen Jahre schon wie ein Fels in der Brandung für mich gewesen.
„Kannst du Miss Zhao bitte die Umkleiden zeigen? Ich muss noch schnell ein paar Kleider hier ordnen für das Shooting danach", erklärte die Blonde ihrer Kollegin. Diese lachte kurz auf und meinte dann: „Mister Park wird sie sicherlich mitnehmen. Er muss sich jetzt auch umziehen und weiß schon wo die Umkleiden sind. Geh doch bitte mit ihm mit", sprach diese Christina mich dann direkt an.
Ich nickte und sah schüchtern zu dem Koreaner, welcher mir deutete ihm zu folgen. Mit den Klamotten in den Händen ging ich schnell zu ihm. Schweigend verließen wir den Raum und gingen einen kurzen Gang entlang.
„Kommst du aus Korea?", fragte Jaebeom mich plötzlich direkt, sah mich dabei interessiert an.
„Ja, aus Seoul. Ich bin heute Morgen hier angekommen", gab ich leise von mir, sah dabei stur auf den Boden. So bekam ich auch nicht mit, dass der Schwarzhaarige kurz die Stirn runzelte.
„Heute Morgen erst? Hast du denn keinen Jetlag? Ich bin gestern Nachmittag angekommen und bin jetzt immer noch total müde", sagte er leicht amüsiert. Ich schüttelte den Kopf, sah kurz zu ihm hoch und dann schnell gerade aus. Er sah mich so intensiv an, dass wieder ein Schauer über meinen Rücken wanderte. Dieses Mal aber nicht ganz so unangenehm.
„Ich bin das mittlerweile gewohnt. Mir hat das noch nie viel ausgemacht", erklärte ich ihm, fummelte an dem Kleid herum.
Jaebeom war eigentlich ganz nett. Ich fühlte mich nicht ganz so unwohl in seiner Gegenwart. Trotzdem war ich angespannt. Ein bisschen ängstlich war ich schon wegen des Shootings. Die knappen Kleider halfen nicht gerade zur Beruhigung.
„Also da wären wir", sagte er schließlich, als wir vor einem offenen Raum Halt machten. Zwei umkleiden standen nebeneinander, konnten mit einem langen Vorhang zu und aufgemacht werden. Sie ähnelten den Umkleiden in Klamottenläden.
„Ich bin übrigens Park Jaebeom. Freut mich dich kennen zu lernen Xiaomeng", grinste mich der Koreaner an und verschwand gleich danach in einer Umkleide. Wie erstarrt sah ich auf den Vorhang hinter welchem er gerade verschwunden war.
Einige Sekunden später kam wieder Leben in meinen Körper und ich stolperte nervös zu der anderen umkleide, um mich umzuziehen.
Jaebeom war wirklich nett, doch auch das konnte mir beim Posieren nicht helfen.
Mit zitternden Fingern fing ich schließlich an, mich umzuziehen.
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