⑤
Fuqboi
Nichts ahnend und Gott sei Dank einmal an nichts denkend – wobei nichts auch nicht gerade der Wahrheit entsprach, schlendert Sam den Parkplatz entlang. Er ist nervös, Himmel noch mal, ihm droht das Herz vor lauter Aufregung aus der Brust zu springen.
Im Endeffekt denkt er nämlich doch, wieder nach. So wie er es immer tut. Haar genau so, wie immer macht er sich Sorgen um die kommenden Stunden. Er könnte sich blamieren, ihm könnten die Wörter im Halse stecken bleiben. Was, wenn sie ihn nicht respektierten? Wenn sie ihn verarschten oder gar verletzen?
Auf der anderen Seite: Wie sollten sie ihn respektieren, wenn er sich schon in die Hose machte, bevor er überhaupt das Gebäude betreten hatte?
Sicherheitshalber, wirklich nur, um auf Nummer sicher zu gehen, holt er noch einmal seine Notizen hervor. Eigentlich kennt er die Französische Revolution in und auswendig. Weckte man ihn mitten in der Nacht könnte er die französische Nationalhymne singen und vom Sturm der Bastille, bis zu Napoleons Tod alle Daten rückwärts beten.
Trotzdem zieht er die Notizen hervor und so ist er abgelenkt. Seine Zigarette raucht sich fast schon von alleine und er bemerkt die dämlichen Brüllaffen nicht, die lachend aus der Sporthalle rennen.
Im Arm halten sie BH, Leggings, Hoodie und schwere schwarze Stiefel mit geschätzten sieben Zentimeter Haken, damit sie größer wirkt, als es ihre zarten 1.56m zulassen.
Während all das passiert, während er sich sein Geschmiere zum dreihundert und fünfundzwanzigsten Mal durchliest, genießt sie das warme Wasser auf ihrer Haut.
Warum genau, sie die einzige ist, die durch das Basketballspiel schwitzt, wie eine Horde mexikanischer Bergziegen, ist ihr ein Rätsel. Sonst bringt sie auch nichts so schnell außer Puste. Trotzdem ist sie immer die letzte.
Was nicht zuletzt auch daran liegt, dass Jade es sich nicht verkneifen kann ihr Handy auf die Fensterbank zu legen und ihr Spotify-Premium Abo in vollen Zügen zu genießen. Dabei ist von Stormzy über Elvis, Queen, Michael Bublé und Alice Cooper nun wirklich alles dabei. Es ist ihr völlig egal, wer sie dabei hört. Voller Inbrunst rappt, singt, pfeift und Luft-Gittarrt sie, was das Zeug hält. Wer sollte sie schon dabei sehen? Hören – ja vielleicht. Aber in ihrer leichten Paranoia schaltet Jade das Wasser nicht an, bis sie sich nicht sieben Mal versichert hat, dass die Tür auch wirklich verschlossen ist. Also ist es doch egal, wie sie tanzt.
Was ihr aber nicht egal ist, ist die leere Umkleidekabine, die sie nach ihrem kleinen Konzert vorfindet. Perrie war so nett ihre Tasche mit in die Cafeteria zu nehmen. Ihre Kleidung wird die Blondine wohl kaum auf dem Sandwich liegen haben und das Handtuch gab's sicherlich auch nicht als Snack.
„Fuck." Sam hört sofort, es ist ein sanfter Geordie Akzent und nur deshalb schiebt er seine Notizen zurück in die Hosentasche. Naja, vielleicht auch ein bisschen, weil er nicht allzu uncool erscheinen will, denn bei dem trockenen ‚Fuck' handelt es sich offensichtlich um eine Maid in Nöten. Wie viel Not, sieht er ziemlich früh. „Shit", rutscht es über seine Lippen, denn er muss feststellen, dass er dem schönen Mädchen nicht in die Augen gesehen, sondern seinen Blick auf zwei andere, wohlgeformte...Argumente fallen gelassen hat.
„Was ist denn hier los?" fragt er verwirrt und ein bisschen zu frustriert für einen Single in seinem Alter.
„Tja, den Jungs hat wohl nicht gefallen, wie ich gerappt habe", meint Jade trocken und macht Anstalten nach draußen zu gehen. In der Stillen Hoffnung nicht ihre Brüste zu berühren und gleich am ersten Tag eine Klage an den Backen zu haben, schnellt sein Arm gegen den Türrahmen und versperrt ihr so den Weg. Während sich langsam kleine Schweißperlen auf Sams Stirn bilden, versucht Jade gar nicht erst zu verdecken, was der gutaussehende Mann ihr gegenüber so an ihr hätte.
„Aber das wegen klaut man doch keine Kleidung?" Etwas Sinnvolleres verlässt seinen Mund leider nicht und Jade kommt nicht darum herum, ihn zu mustern und ein kleines bisschen auszulachen. Es ist aber auch wirklich süß, wie er versucht sich zu beherrschen.
„Anscheinend doch. Aber damit kann ich leben", meint sie beifällig, als unterhielten sie sich gerade über den angekündigten Regen. Und dann beschließt sie, innerhalb einer Sekunde, ihn so richtig ins Schwitzen zu bringen. Leise räuspert sie sich, bevor sie ihren Bauch unmerklich einzieht. Positiver Nebeneffekt: Ihr zartes B-Körbchen wird ein wenig größer. „Aber gefällt dir denn wenigstens, was du siehst? Dann haben wir beide etwas von dieser Situation." Ihre Stimme ist anzüglich, ihre Wimpern lang, ihre Sommersprossen niedlich.
Und oh boy, ihm gefällt, was er sieht und allem voran seinem doch stattlichen Freund eine Etage tiefer.
Nichtsdestotrotz räuspert er sich und sagt: „Nimm meine Jacke, dann suchen wir deine Klamotten."
Sie ist frustriert. Die Pause ist noch lang, eigentlich hätten sie Spaß haben können, denn wenn der junge Herr so freundlich ist, wie er wirkt, wäre es sicher ein interessanter Vormittag geworden. Aber so nimmt sie lieber seine Jacke an, stellt fest, dass der Kerl riesig ist und geht.
Auf den ersten Metern hinterlassen ihre Füße Abdrücke auf dem grauen Beton und wüsste er es nicht besser, würde er sagen, ihr sei das Taschentuch absichtlich aus der Tasche gefallen. Er muss sich aber auch eingestehen, dass es nett anzusehen ist, wie sich seine ihr viel zu große Jacke gerade soweit anhebt, dass er erahnen kann, welcher Spaß ihm entgangen ist.
Dies alles gehört aber nur zu den kleineren seiner Probleme, denn er muss peinlich berührt feststellen, dass ‚nett anzusehen' die Untertreibung des Jahrhunderts war.
Während er sich also auf der Toilette versteckt und wartet, bis sein Freund weniger angespannt ist, schlendert sie seelenruhig auf Spind Nummer 69 zu. Ein gezielter Tritt in die Weichteile des Proleten und er rückt die Nummer des Schlosses heraus.
Sams Problem ist noch immer nicht gelöst, als sie – angezogen – in der Cafeteria einläuft, um ihren besten Freundinnen von ihrem frustrierenden Duscherlebnis zu erzählen.
„Und er hat sich echt nicht aufreißen lassen?" fragt Perrie ungläubig. „Und das obwohl er alles gesehen hat?" schließt sich Leigh Anne an.
„Ach, du weißt doch, wie die Oberstüfler sind. Die glauben immer in unserem Alter ist man anstrengend. Schätze er hat sich eh nur in unseren Teil der Schule verirrt, ich habe eine Karte in seiner Jacke gefunden." Als müsse sie ihre Beweisführung abschließen, nickt sie ihren Freundinnen besserwisserisch zu, bevor die Schulglocke sie von ihrer geliebten Mittagspause trennt.
Mit Perrie im Schlepptau verabschiedet sich Jade von Leigh und Jesy. Zwei der vier Freundinnen haben weise gehandelt und Geschichte sofort abgewählt, als sie die Chance dazu hatten. Die einzigen Geordie-Mädchen der Gruppe hingegen, mussten sich nun mit einer Vertretung für ihren eigentlichen Menschenquäler herumschlagen.
„Ich wette mit dir, wir haben wieder diese alte Hexe, die mal für Gunnars eingesprungen ist, erinnerst du dich noch?" kicherte Perrie und zog gemein ihr Bein hinterher. Was konnte die Mitte 80-jährige bitte dafür, dass ihr linkes Bein ein bisschen zu kurz und ihr rechtes Auge ein bisschen zu schief war?
„Natürlich erinnere ich mich", lachte Jade und setzt gerade zu einem fiesen Spruch an, bis sie sieht, wer hier wirklich die Vertretung führt.
„Guten Tag, mein Name ist Sam Palladio. Ich bin Ihr neuer Vertretungslehrer im Fach Geschichte und wir beschäftigen uns heute mit der französischen Revolution."
Noch hat Sam sie nicht bemerkt und Jade ist mehr als froh darüber.
„Perrie, wir haben ein Problem?" „Huh?"
Eigentlich könnte Jade nun ganz beruhigt und sachlich erklären, um wen es sich hier handelte. Aber eigentlich wäre das sogar nicht Jades Art und so sagt sie: „Ich habe unserem neuen Geschichtsgollum meine Brüste unter die Nase gehalten."
© horansuniverse 2018
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