Kapitel 22 - Sieh in die Nacht hinein
Ich weigerte mich auch nur noch eine Minute länger in der Eiseskälte auf einer verlassenen Rasenfläche zu bleiben und bekam große Zustimmung von Ino.
"Wenn ihr beide noch mehr zu besprechen", sie sah meinen bitterbösen Blick, "oder zu bestreiten habt, sollten wir wohl lieber irgendwohin gehen, wo es warm und hell ist."
Ich drehte mich nicht nochmal zu Sasuke um, doch ich wusste, dass er uns zurück zur Straße folgte. "Einverstanden.", stimmte ich Ino trotzig zu. "Wie wäre es diesmal mit Sasukes Wohnung? Dann schießen deine wütenden Gangfreunde wenigstens nicht uns die Scheiben ein."
Ich konnte das Augen verdrehen fast hören, als er genervt antwortete. "Sakura..."
"Fahren sie voraus, Mr Uchiha. Oder haben sie etwa Angst, man könnte sie auf dem Weg tatsächlich erschießen?", forderte ich ihn heraus und öffnete schwungvoll seine Beifahrertür. Sein schwarzes Auto auf einer dunklen Straße zu finden war nicht besonders leicht gewesen, doch ich hatte den Fahrer erkannt, der nun mit hochgezogenen Augenbrauen ausstieg.
Sasuke beschwichtigte ihn mit einer kurzen Handbewegung und wand sich dann wieder an mich. "Steig ein.", wies er mich an und nickte auf die hintere Tür.
"Wir sind mit Inos Auto hier."
"Ino kommt mit?" Er sah sie nicht an, aber das brauchte er auch gar nicht, um Inos Entschlossenheit zu spüren. Sasuke wusste, dass er uns beide nur mit Gewalt trennen konnte, vor allen Dingen in einer kalten, dunklen Nacht, und er war nicht so dumm, es zu versuchen. Sie war schon den ganzen Weg hierhergefahren und kannte seine Kleinstadtkriminellen beim Vornamen, also würde es nur zu seinem Nachteil sein, wenn er mich und Ino noch mehr verärgerte.
"Nachdem du mir den Typen vorgestellt hast, gehe ich nirgendwo mehr allein mit dir hin." Ich drehte mich wieder um und ging zurück zu Inos Wagen.
"Ich wusste, dass das kommen würde.", murmelte Sasuke. Als ich mich wieder umdrehte, stand er immer noch neben dem Auto und hatte sich keinen Zentimeter bewegt. Er wollte mich also provozieren, doch ich wusste längst, worauf dieses Gespräch und das Treffen mit den beiden Männern hinauslief.
"Warum hast du ihn mir dann vorgestellt?", fragte ich also in sarkastischem Ton.
Ino trat neben mich und antwortete für ihn. "Ich glaube, du warst der Köder, Schätzchen."
"Richtig.", bestätigte ich.
Sasuke lehnte sich an die Beifahrertür und seufzte. "Oh, man."
Fast wäre ich auf ihn losgegangen, weil ihn das alles so kalt zu lassen schien, doch in so einer Gegend eine Szene zu machen würde um diese Uhrzeit niemandem helfen. Ich riss mich also zusammen und stritt mich zischend weiter mit ihm, anstatt ihn anzuschreien. "Du willst ehrlich sein und aus dem... dem allen aussteigen und trotzdem verbindest du dich mit solchen Typen! Ich will gar nicht wissen mit wie vielen Leuten die schon angestoßen haben 'und so weiter' die dann tot oder verletzt in irgendeinem Graben gelandet sind." Dieser Blick von dem einen Mann... ich konnte mir nicht vorstellen wie diese Augen jemals Reue zeigen könnten. Plötzlich wurde die Bedrohung viel realer, weil sie nun ein Gesicht hatte und ich versuchte den Kloß runterzuschlucken, der sich in meinem Hals bildete. Meine Gedanken gingen zu Hinata und Naruto, denen hoffentlich nichts mehr in den Weg für ihre Hochzeit kommen würde, zu Ino und Sai, die in ständiger Gefahr schwebten, weil ich Ino irgendwie in die Sache mit reinzog und natürlich mich und meine Zukunft. Ich wollte nicht als Opfer von irgendwelchen zwielichtigen Kriminellen enden, dass irgendwann in einem True-Crime-Podcast die Hauptrolle spielen würde. Ich wollte nicht sterben und vor allen Dingen nicht ermordet werden.
Sasuke strich sich über die Augen und drehte ich dann zu uns um. "Okay, er ist kein rechtschaffensener Bürger, aber dafür bezahle ich ihn auch nicht. Er soll die verdammte Halle bauen und dann sind wir ihn los."
Wenn uns das beruhigen sollte, hatte Sasuke kläglich versagt. "Das hoffe ich sehr für dich, Sasuke Uchiha! Seit ich dich kenne machst du mir nur Ärger.", murmelte ich während ich zurück zu Inos Auto lief.
"Fahrt mir einfach hinterher.", rief er uns nach.
"Das werden wir!", rief ich zurück.
"Schön."
"Gut."
"Seid beide still und steigt endlich ein!" Ich drehte mich nicht nochmal zu Sasuke um, sondern befolgte Inos Befehl und knallte die Autotür hinter mir zu.
"Fahren wir denen jetzt wirklich nach?" Ino klopfte ihre Finger auf das Lenkrad und sah Sasukes Auto fokussiert dabei zu, wie es gestartet wurde.
Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte sie mit hierher geschleppt und uns hätte sonst was passieren können. Jetzt entschied ich auch noch, dass sie mich zu Sasuke fahren würde. Hatte ich sie überhaupt gefragt? Ich erinnerte mich nicht einmal mehr. "Wenn du nach Hause willst, dann musst du natürlich nicht mitkommen.", sagte ich schnell.
"Oh", erwiderte Ino konzentriert und parkte aus, "ich lasse dich ganz sicher nicht mit dem allein."
Ich lehnte mich gegen den Sitz und sah in die dunkle Nacht hinein. Je länger die Brems- und Blinklichter mich blendeten, desto mehr kräuselte sich meine Stirn. "Warum kann bei ihm auch nichts einfach sein?", fragte ich wütend. "Wie schwer kann es sein, eine legale und saubere Baufirma zu engagieren?"
"Na ja, du darfst nicht vergessen, dass er sich das Grundstück schon erschwindelt hat.", antwortete Ino und hob eine Augenbraue.
Ich seufzte. "Unser Grundstück...", murmelte ich.
Ino sah kurz zu mir rüber und fing an zu kichern. Es war so absurd, ich konnte mein Schnauben selbst nicht unterdrücken. "Sakura, du bist Ärztin!", lachte Ino. "Das einzige, was du über Sport weißt, sind Sportverletzungen!"
Daraufhin musste ich dann doch mitlachen. Wir lachten und lachten, bis wir schlussendlich einen tiefen Atemzug nahmen und ins Schweigen verfielen.
"Ich wünschte, ich hätte an dem Abend frei gehabt." Natürlich sprach ich von dem Abend, als Sasukes Mitarbeiter oder Freund oder was auch immer er war, in die Notaufnahme kam und ich ihm wohl oder übel das Leben gerettet hatte. Wäre ich an diesem Abend nicht im Krankenhaus gewesen, wäre nichts von alledem passiert. Vielleicht würde ich jetzt mit Ino in einem Restaurant oder im Kino sitzen, statt einem Berufskriminellen über die Autobahn zu folgen.
"Vielleicht wäre der Mann gestorben.", sagte Ino ruhig.
"Ich bin nicht die einzige Ärztin im gesamten Krankenhaus.", erwiderte ich gähnend. "Der hätte sicher auch ohne mich überlebt."
"Das Schicksal ist undurchschaubar.", sagte Ino.
"Genau wie Sasuke Uchiha.", murmelte ich.
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