Kapitel 21 - Ein nächtlicher Ausflug

Die Tage nach dem ‚Skandal', wie Ino ihn betitelt hatte, waren den Umständen entsprechend ruhig.
Natürlich hatte ich nach dem Telefonat mit Sasuke auf der Stelle bei ihr angerufen, um ihr von seinem wunderbaren Plan zu berichten, der uns als Fischfutter für die dicken Haie beinhaltete. Erst war sie komplett ausgerastet und hatte in der ganzen Wohnung alle Rollos heruntergelassen, falls ein Scharfschütze auf einem der naheliegenden Dächer platziert war, doch dann hatte sie natürlich mal wieder das Abenteuer geschnuppert. Sie war doch tatsächlich aufgeregt und fühlte sich wie in einer Folge ihrer Lieblings Krimiserie. Ich hatte versucht ihr den Ernst der Lage zu schildern, aber wenn Ino einmal in eine Rolle gefunden hatte, bekam sie da so schnell keiner mehr raus.
Schließlich gab ich auf und fuhr zum Krankenhaus.
Ich hatte recht gehabt. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer auf allen Etagen verbreitet und obwohl das Foto eins der schlechtesten Bilder des Jahrhunderts sein mussten, überhäuften sich die Fragen doch.
Es war anstrengend, doch immer noch besser als von irgendwelchen Gangstern verfolgt und eventuell erschossen zu werden.
Sasukes Männer bewegten sich tagtäglich unauffällig mit mir durch die ganze Stadt und dann das Krankenhaus. Es war nervig, keine Frage, aber sie gaben mir auch ein Gefühl von Sicherheit, also blieben sie.
Sasuke selbst sah oder sprach ich seit dem Telefonat nicht mehr, bis ich eines Abends eine Mail beim Kochen empfing, die ich nur mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.

Sasuke: Da du jetzt Teilhaberin bist, solltest du auch die Baupläne sehen. Komm um 20 Uhr.

Unter der Nachricht war die Adresse angegeben, die ich nun noch misstrauischer beäugte. Ich kannte die Gegend natürlich. Jeder dritte Fall in der Notaufnahmen kam aus diesem Stadtteil.
Wenn die Gangtypen mich schon nicht vor der Haustür erschossen, hatte Sasuke anscheinend vor es selbst in die Hand zu nehmen.
Ich rief sofort Ino an. Zwar waren wir dann immer noch zwei Frauen ohne Waffen, doch unsere Überlebenschancen stiegen natürlich, wenn wir zu zweit waren.
"Ich hole dich um halb ab.", schloss Ino das Telefonat und ich machte mich direkt auf den Weg in mein Schlafzimmer, um mir etwas angemessenere Sachen anzuziehen.
Kurz überlegte ich meine Besteckschublade zu öffnen, um mir das Brotmesser in die Jackentasche zu stecken, als ich an der Küche vorbeikam, doch irgendwie überkam mich die Angst, dass ich es tatsächlich würde benutzen müssen, also ließ ich es lieber hier. Am Ende würde ich noch wegen Körperverletzung oder sogar fahrlässiger Tötung vor Gericht landen, weil ich die einzige mit Messer war oder so. Was wusste ich schon?
Zum Glück hielt mich die Klingel davon ab, mir noch mehr Gedanken über Messer, Pistolen oder andere sehr gefährliche Waffen zu machen.
Unten vor der Tür stand Ino schon mit ihrem unauffälligen schwarzen Wagen bereit und wank mich mit der Hand ins Auto.
"Ist das sein Ernst? Er schickt dich wirklich in dieses Viertel?", fragte sie fassungslos.
Ich schnallte mich an und sie fuhr sofort los. "Na, wenigstens fährt der Wachmann hinter uns her.", murmelte ich.
"Ich wäre mir da nicht so sicher, wie gut das ist. Was wenn er den Auftrag hat uns auf dem Weg zu seiner Sporthalle loszuwerden?" Ich verharrte für den Bruchteil einer Sekunde in meiner Bewegung, um diese Möglichkeit wenigstens in Erwägung zu ziehen, doch dann kam ich zurück in der Wirklichkeit an. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass manche Menschen abfärbten wie eine neue Jeans in der Waschmaschine.
"Ino, er wird uns schon nicht in einen Graben drängen.", versuchte ich sie zu beruhigen. Oder mich selbst. Oder uns beide.
Ino fuhr schweigend weiter, bis wir an einer Ampel anhielten, dann drehte sie sich zu mir. "Ich hab Sai trotzdem Bescheid gesagt, dass er die Polizei rufen und nach uns suchen soll, wenn ich mich in eine Stunde nicht melde."
Ich nickte. "Sicher ist sicher.", sagte ich überzeugt.
"Sehe ich genauso." Sie fuhr schweigend weiter und folgte der blauen Linie des Navis, bis wir nur noch ein paar Blocks von unserem Ziel entfernt waren. "Warum müssen diese zwielichtigen Treffen auch immer im Dunkeln stattfinden?", murmelte Ino und versuchte gerade irgendwie die schlecht belichteten Straßenschilder in diesem Viertel zu entziffern.
"Muss ich dir das jetzt wirklich erklären?", erwiderte ich und versuchte ebenfalls einen guten Blick auf die Straßennamen zu erhaschen.
"Natürlich nicht, ich weiß schon.", sagte Ino und fuhr weiter. "Wegen der Spannung und so."
Keine zwei Minuten später parkten wir an einem Bürgersteig und Ino drückte vier mal auf ihre Autoschlüssel, damit das Auto auch wirklich abgeschlossen war. Ich sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch sie zuckte nur mit den Schultern. "Das Fluchtauto muss schon noch hier stehen, wenn wir schnell weg müssen." Und leider hatte sie ja recht.
Es wäre töricht Sasuke einfach so zu vertrauen und dann möglicherweise in eine Falle zu tappen. Wer wusste schon, wann er mich das nächste mal als Köder missbrauchen wollte? Es könnte jetzt gerade geschehen und ich würde es nicht hundertprozentig wissen.
Zum Glück war auf dem Bürgersteig und dem Gehweg, der uns zu unserem Treffpunkt führen sollte, alle paar Meter flackernde Straßenlaternen, die uns einen gewissen Schutz vor der kompletten Schwärze der Nacht boten. Ino ging so nah neben mir, dass sie mir in die Hacken trat und sich dann nur kleinlaut entschuldigte. Ich konnte ihre Angst gut nachvollziehen, es war absolut dunkel und still auf dem Weg und wir wussten nicht, auf was wir uns hier überhaupt eingelassen hatten. Trotzdem half es nichts. Ich musste zeigen, dass ich die Sporthalle mit durchziehen konnte. Dass man sich auf mich verlassen konnte und ich den Männern sicher nicht den Vortritt lassen würde.
Schließlich bogen wir in einen mit einer Hecke abgegrenzten Bereich ein, der besser ausgeleuchtet war als die Straßen hier.
Es war furchtbar kalt und mir schlotterten die Knie, doch als ich die drei Männern dort in der Mitte stehen sah, entfachte sich ein Feuer in meinem Inneren.
Wir gingen erhobene Hauptes auf sie zu und ich hörte sie nur noch über irgendetwas lachen, dann standen wir mit entschlossenen Gesichtern vor Sasuke und den beiden anderen Anzugträgern und nickten einmal in die Runde.
"Darf ich vorstellen", begann Sasuke, "Sakura Haruno, Teilhaberin und Ino-"
"Ino Yamanaka, sehr erfreut." Ino streckte beiden Männern ihre behandschuhte Hand entgegen und zeigte ihnen ihr süßestes Lächeln. Entweder versuchte sie gerade die beiden davon abzubringen uns umzubringen oder präsentierte sich ihnen als leichtes Opfer. Ich hatte eigentlich geplant, dass wir nur als stille Teilhaber daneben stehen würden, doch was hätte ich von Ino Yamanaka anderes erwarten können? Man konnte einen Fisch schließlich auch nicht vom Schwimmen abbringen.
Sasuke stellte uns den größeren, breiteren Mann als den Abgeordneten vor, der die ganze Sporthallensache von Anfang an unterstützt hatte. Er erzählte davon, wie froh er als Teenager gewesen wäre, wenn man ihm und seinen Freunden die Möglichkeit gegeben hätte, in einem richtigen Verein Sport zu machen. Der Abgeordnete schien mir der Vertrauenswürdigste der drei Männer. So schlecht stand es um Sasuke und den zweiten Mann. Ich vertraute doch tatsächlich einen Politiker mehr.
Der kleine, schmierige Typ war ein Bauunternehmer, den Sasuke schon von anderen Projekten kannte. Er hatte so ein ekeliges Grinsen auf dem Gesicht, das es mich immer wieder die Luft anhalten ließ. Der war eindeutig noch zwielichtiger als Mr Uchiha selbst. Ich würde Sasuke den Hals umdrehen.
Nach einem fünfzehn minütigen Gespräch, in dem die drei Männer nur um den heißen Brei redeten und sich schließlich darauf einigten, nächsten Montag mit dem Bau zu beginnen, klatschte der kleine in die Hände und verabschiedete sich laut lachend. "Na, das wird doch eine interessante Zusammenarbeit. Ich schicke meine Leute morgen gleich wegen der Materialien los. Sag mir nur Bescheid, wenn die beiden Damen das nächste mal auf der Baustelle auftauchen, ja, Sasuke." Sasuke lachte gekünstelt mit und schüttelte seinem alten Freund die Hand. "Sie können auch gleich mitkommen.", sagte der Bauunternehmer an mich und Ino gerichtet. "Auf die Partnerschaft anstoßen und so weiter."
Da war für Sasuke anscheinend das Fass zu voll gelaufen. Er griff die beiden Männer, die beide etwas kleiner waren als er, um die Schultern und führte sie mit einem charmanten Lächeln zurück zum Ausgang. "Danke, aber darum werde ich mich kümmern.", sagte er zwinkernd und ließ Ino und mich hier stehen. Ich war ihm kurz dankbar, dass er alle weiteren Anspielungen unterband, doch seine Methode stieß mir bitter auf. Man musste nun wirklich kein Genie sein, um die Anspielungen zu verstehen.
Ino brummte neben mir und rümpfte bei dem Anblick der Männer die Nase. "Ekelhaft. Sein 'und so weiter' will ich ganz sicher nicht sehen."
Ich schnaufte und antwortete erst, als Sasuke wieder zu uns zurückkam. "Keine Sorge, Sasuke kümmert sich schon drum.", wiederholte ich und ließ ihn mein Missfallen deutlich spüren.
Sasuke seufzte nur und breitete dann lustlos die Arme aus. "Dr Haruno, willkommen auf ihrem Grundstück. Zu zehn Prozent."

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