Sie oder Du

Die Schmerzen seiner Schläge sitzen tief in ihr. Jeder einzelne hat sie nur leicht verletzt, so das sie nicht in Lebensgefahr schwebt, dennoch fühlt sie sich wie Tod.
Ein leichter und kühler Luftzug an ihren Beinen holt sie aus ihren starren Zustand. Das Katana liegt noch immer im zertretenen Gras neben ihr. Langsam schaut sie sich auf der Lichtung nach ihrem Gegner um, doch er ist schon in den Schatten der Bäume verschwunden.
Sie hebt langsam ihre Hände und schaut auf ihre Handflächen. „Wie konnte ich ihn nur so unterschätzen?" heult sie schon fast heraus und eine einsame Träne läuft über ihre rote Wange.
Langsam beginnt sie zu realisieren, was für Folgen ihre Niederlage hat. Sie greift nach dem Griff des Katanas und drückt sich mit seiner Hilfe hoch, die Beine noch immer wacklig. „Wenn ich mich bedeckt halte, dann könnte es sein..." hofft sie und begibt sich langsam auf den Rückweg in das Dorf, das Katana als Gehstock zweckentfremdet.
Der Mondschein kommt nur ab und zu durch das Gewirr aus Blättern hindurch. In der Ferne sind Wölfe zu hören, die ihn anheulen. Mit jedem neuen Schritt durch den Wald kommt ihr dieses Spiel mehr und mehr wie eine zweite Realität vor. „Wieso aber musste ich ihn nur töten?" hinterfragt in sich selber. „Es ist doch nur ein Spiel, also wieso fühle ich mich nur so Schuldig?" mit jeder neuen Frage die in ihr aufkommt entstehen weitere neue.
„Ist es wirklich richtig, dass ich jemanden Töten muss nur um zu ihnen zu gehören?" fragt sie schließlich in die Dunkelheit des Waldes hinein und stützt sich auf ihren Katana ab um nicht um zu fallen.
Wie aus dem nichts wird von hinten das Katana aus der Hand gerissen und sie fällt auf die Knie. Nicht mal ein paar Sekunden bekommt sie einen Tritt gegen die Seite und sie fällt wehrlos zu Boden.
Als sie versucht sich wieder auf zu rappeln wird sie jedoch von einem Bein auf ihrem Rücken davon abgehalten.
„Du warst wirklich vielversprechend, kleine." sagt eine tiefe Männerstimme mit einem bedauernden Unterton. Als sie aufschaut hockt vor ihre ein in braun vermummte Person, das Katana in seinen Händen. „Und jetzt liegst du schon zum zweiten mal im Dreck. Muss wohl eine Angewohnheit von Verlierern sein." spottet die zweite Person, die sie am Boden hält. „Lassen wir ihr wenigstens die Ehre sich ein wenig aufzurichten." befiehlt die erste Person der Zweite, welche murrend den Fuß von ihr nimmt und sie wieder auf ihre Knie zieht.
Ohne das es ausgesprochen wurde weiß sie, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt.
„Du wolltest unbedingt Rache nehmen an ein paar Personen und deshalb wolltest du zu uns." fängt die erste Person wieder an zu erklären, dreht ihr dabei aber nur den Rücken zu. Vor ihm liegt die scheinbar schier Endlosigkeit des Waldes. Er macht ein paar Probeschwünge mit dem Katana, bevor er fort fährt: „Wir hätten dich auch dabei unterstützt, nur mit der Bedingung eine andere Person deiner Wahl zu Töten. Doch nicht mal das schaffst du."
Aufeinmal wird ihr klar, dass sie den ganzen Tag lang von ihnen beobachtet worden war, so wie sie es bei ihrem scheinbar schwachen Ziel gemacht hat.
Erneut fährt ihr eine Träne übers Gesicht und sie senkt ihren Blick, die blassen Hände auf die Oberschenkel gelegt. Ein paar weiße Strähnen fallen in ihre Sicht. Sie hört wie die erste Person auf sie zu kommt. „Letztendlich hast du den Kampf verloren und wir werden dir nicht helfen. Doch da du uns kennst, können wir dich auch nicht so einfach gehen lassen."
Die erste Person erhebt die Waffe, während die Zweite leise anfängt zu lachen. „Es ist nichts Persönliches." wird ihr noch versichert, bevor sie die Augen schließt.
In der Ferne hört sie die Laute der Tiere, welche ihr aber nur noch mehr Angst bereiten. Jede Sekunde wird ihr Leben vorbei sein. Die letzten ihrer Atemzüge wurden immer schwerer für sie. Ihr kommt es vor, als hört sie eine traurige Melodie, die sie erst vor kurzem wahrgenommen hat. Diese weicht dann aber den Geräusch des herabsausenden Katanas. Eine Kurze Ewigkeit ist nur dieses eine Geräusch zu hören, bis schließlich ein Klirren von Metall ertönt, gefolgt von dem Schleifen des selben Materials. Es saust knapp an ihrem Ohr vorbei. Ein dumpfer Aufschlag neben ihr lässt sie wieder die Augen öffnen.
Die Personen haben sich ein paar Schritte von ihr entfernt. Die erste hat sogar das Katana neben ihr fallen gelassen. Jemand in schwarz steht neben ihr und hat seinen rechten Arm über sie gestreckt um sie zu Schützen. Am ende seines Armes erscheinen drei lange Krallen, an deren Ende ihr Katana liegt. Beim genaueren betrachten ihres Retters, erkennt sie an seinem anderen Arm ebenfalls eine krallenartige Waffe, die seinen kompletten Unterarm bedeckt. Mit jeder Musterung kommt ihr die Person bekannter vor, bis sie schließlich seinen Mundwinkel etwas genauer betrachtet. Wie ein schock trifft es sie beim erblicken des Wurfspießes und den blutroten Haaren unter der Kapuze.
Als ihr vorheriger Gegner seinen Arm wieder von ihr weg nimmt klingt er sehr ernst: „Es gibt Sachen, die tolerier ich, zum Beispiel Attentate auf mich." Er schaut mit einem Lächeln auf sie herab wodurch sein Spieß ein wenig nach oben zeigt. Dieses Lächeln verwirrt sie aber auch. „Allerdings" fährt ihr Retter fort, „ich akzeptiere nicht, wenn man jemanden Tötet, der nicht einmal die Chance hat sich zu währen. Und erst garnicht wenn es auch noch zwei Gegner sind."
„Unsere Angelegenheiten können doch dir Egal sein!" schreit der Zweite ihn an.
Ohne auch nur die Person hinter ihm zu beachten geht ihr Retter um sie herum, bringt das Katana dazu aufzuspringen und fängt es in der Luft. Mit den Worten „Jetzt heißt es Sie oder du, du hast die Wahl." hält er ihr den Griff ihrer Waffe hin. Zögernd erhebt sie sich aus ihrer Position und greift nach ihrer Waffe, dabei bedacht nicht in seine langen Krallen zu fassen.
Erneut formt sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Ich überlasse ihn dir zum Kampf." er nickt in Richtung der ersten Person, die mittlerweile ein Breitschwert hervorgeholt hat. „Mit dem anderen werde ich spielen." Langsam beugt er sich ein wenig vor und lässt die Arme baumeln, während ein leises aber kaltes Lachen seinen Lippen entfleucht.
Wortlos dreht sie sich zu ihrem Gegner und streckt das Katana von ihr weg. Als hätte das Lächeln ihres Verbündeten sie angesteckt, verändern sich auch ihre Lippen. Die Metallplatte auf ihrer Brust funkelt, genau so wie ihre Augen unter den wenigen Mondlicht auf. Ein wenig Freude ist in ihr zu spüren.
„Aber warum freue ich mich?" hinterfragt sie sich.
Mit jedem Schritt, den sie auf ihren Gegner macht, weicht dieser ein wenig zurück. Leise knirscht dabei der Dreck unter ihren Absätzen.
„Ich vertraue ihm blind, aber nicht, weil er mich gerettet hat. Aber er hat doch keinen Grund mir zu vertrauen? Wieso hilft er mir dann?"
Sie bleibt einige Meter vor ihrem Feind stehen.
„Er weiß, das dies die Realität ist. Das man hier stirbt. Dies hat er mir gezeigt, deshalb vertraue ich ihm."
Sie nimmt ihre zweite Hand an den Schwertgriff, schließt kurz die Augen und Atmet durch.
„Deshalb vertraut er mir."
Ruckartig öffnet sie ihre Augen. Ihr Gegenüber hat den kurzen Moment ihrer Unachtsamkeit ausgenutzt und zum Angriff angesetzt, das Schwert hoch erhoben. Mit einer schnellen Bewegung pariert sie den Schlag über ihren Kopf.
Sie spürt die Energie, die wie aus dem nichts kommt, durch ihre Adern fließen.
Das Breitschwert fliegt ein wenig zurück. Sofort nutzt sie die Situation aus um mit einem Streich den Kampf zu entscheiden. Ihr Angriff fällt mit einer starken Präzision über die linke Schulter des Gegners bis hin zum Bauch. Dieser wiederum hat schon den Angriff vorhergesehen und ist zurück gesprungen, wodurch nur ein roter Streifen durch die Spitze des Katanas auf ihn erscheint.
Hinter ihr hört sie wildes Aufschreien von Angriffen, Schmerzensschreie und ein kaltes Lachen. Sie kann sich aber keinen neuen Moment erlauben, in dem sie unachtsam ist.
Schlagartig setzt sie schon zum nächsten Angriff an, diesmal als Ziel die Hüfte. Sie sticht mit einem Sprung an ihm vorbei zu. Diesen Angriff hat ihr Gegner nicht kommen sehen, als er vor Schmerz aufschreit. An der Stelle des Treffers erscheint eine Färbung aus mehreren unterschiedlichen Rottönen.
Ohne weiteres Zögern packt sich der Gegner wieder und schlägt mit einer Drehung zu. Diesmal schreit sie vor Schmerzen auf, als einmal Quer über ihren Rücken das Schwert entlang geführt wird und sie einige Meter weg geschleudert wird. Im Augenwinkel sieht sie, wie ihr Lebensbalken fast komplett ausgelöscht wird, nur noch ein paar Leben im roten Bereich bleiben über.
Das Katana als Stütze nutzend steht sie wieder auf.
„Wenn ich jetzt eine Schwäche zeige, greift er wieder an." fährt ihr durch den Kopf, als sie das Lächeln auf dem Gesicht ihres Gegners sieht.
Ohne Vorwarnung knickt ihr rechtes Knie nach vorne weg und ihr Katana schwingt sie zur Seite. Hinter ein paar weißen Strähnen, die ihr Gesicht verdecken, erscheint Panik. Nicht mal Sekunden danach holt ihr Gegner mit einem Lächeln seitlich von sich aus, um ihr den Rest zu geben. Ihr Schwert beginnt zu Leuchten und auf dem Gesicht des Feindes bricht nun die Angst aus. „Erwischt!" lacht sie leise.
Sie macht einen Satz vor, duckt sich unter dem Breitschwert hinweg und verpasst ihrem Gegner einen letzten Schlag.
Mit einem dumpfen Aufschlag landet dieser im Staub.
Ein Geräusch von zersplitterndem Glas durchfährt die neue Stille, als der leblose Körper sich im ein paar weiße Splitter auflöst.
Sie holt ein mal tief Luft und steckt ihr Katana zurück in ihren Gürtel. Vor ihr steht der rothaarige Junge, sich mit dem Handrücken über den Mund fahrend. Seine Krallen hat er auf seinen Rücken gepackt und die Kapuze des Mantels abgesetzt. Über seinem Kopf schwebt ein knallrotes Prisma, das sie aber schnell wieder ausblendet.
„Du hast noch nicht realisiert, was du getan hast, oder?" fragt er sie.
Ohne auch nur nachgedacht zu haben, hat sie soeben jemanden getötet. Aber anders als erwartet erfüllt es sie nicht mit Angst oder Verzweiflung, sondern mit einem befreienden Gefühl.
„Doch." gibt sie ihn als Antwort und schaut ihm dabei in die Augen. Sie fasst sich an die Brust. „Ich habe dir zu danken. Du hast mich gerettet." Vor allem der letzte Satz fällt ihr schwer.
Als er sich auf dem Absatz umdreht flattert sein Mantel etwas. „Keine Ursache. Ich hatte es sowieso auf die beiden Playerkiller abgesehen." meldet er sich.
Er hebt ein wenig seine rechte Hand, als er in Richtung des Bossdungeons geht. „An deinen Kampfkünsten können Wir aber noch ein wenig Arbeiten." Sie wirft ihm nur einen verwirrten Blick hinterher, als er verschwinden will.
Es dauert auch einige Sekunden bis sie bemerkt was er gerade zu ihr gesagt hat.
Die Verwunderung weicht einem Lächeln, als sie mit wehendem Haar ihm hinterher Eilt. „Mein Name ist White." begrüßt sie ihn mit einem tiefen Grinsen, welches er, nicht ganz so deutlich wie sie, erwidert.

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