Gründung
„Nun mach schon!" brüllt Lucifer White an, die ein gutes Stück hinter ihm ist. Mit einigen großen Sprüngen holt sie ihn auf, während er mitten auf der Steppe der zweiten Ebene wartet. Er schaut in Richtung des nächsten Dorfes als sie gerade an ihm vorbei huscht. Innerhalb kürzester Zeit holt er sie wieder auf.
Die Steppensonne brennt heiß auf beide herab, wodurch sie stark ins Schwitzen kommen. „Nur noch zehn Minuten, dann sollten wir endlich angekommen sein." meint Lucifer mit einem leichten Keuchen. „Na endlich." kommt es erleichtert von White zurück, als sie gegen die Sonne blickt. „Die ist auch unerträglich."
„Ich wollte ja schon früher los gehen, doch du meintest ja, länger schlafen zu müssen!" beschwert sich Lucifer und bekommt nur ein murren als Antwort zurück.
Den ganzen restlichen Weg beschweren sie sich immer wieder über den anderen. Seit dem sie sich vor fast mehr als eine Woche zum ersten mal getroffen haben, geht das schon zwischen ihnen so. Dennoch beruhen ihre Gespräche und Handlungen auf einer freundschaftlichen Basis. Nach ein paar Tagen haben beide die Ziele des jeweiligen anderen kennen gelernt, wobei Lucifer nicht alles erzählt hat. Und sie haben eine Gilde erstellt: Hunter. Gemeinsam haben sie sich das Ziel gesetzt so viele Red-Player auszuschalten wie möglich, entweder ins Gefängnis bringen oder, wenn es sein muss, zu töten.
Lucifer lehnt sich im Schatten eines Hauses gegen dessen Wand und holt eine Flasche Wasser heraus. Direkt neben ihn sank White zu Boden und greift ebenfalls nach einer Flasche, um sich herab zu kühlen. Keiner von beiden sagt in dieser kurzen Pause auch nur ein Wort.
„Also" fängt Lucifer an und dreht sich zu White, „wir machen es wie letztes mal: Du suchst uns ein Platzt um zu Übernachten für die nächste Zeit, während ich mich um die andere Angelegenheit kümmere." Lucifer stößt sich von der Wand ab und lässt die noch leicht keuchende White zurück. Kurz bevor er gemächlich um die nächste Häuserecke biegt und seine Kapuze aufzieht sagt er aber noch zu White, wie solle nicht wieder die teuerste Bleibe aussuchen.
Das Dorf ist größtenteils von Spielern unberührt geblieben, auch, wenn es direkt am Bossdungeon liegt. Ab und zu begegnet Lucifer ein paar Spielern, welche allerdings für die zweite Ebene schwer bewaffnet sind.
Auf dem kleinen Markt verkauft er ein paar Monsterdrops und alte Ausrüstung, die er nicht mehr benötigt.
Gerade als er an einem schäbigen Stand auf dem Schwarzmarkt ein paar Gifte kauft, mit denen er seine Wurfspieße tränken will, wird ihm gegen das Bein getreten. Der Tritt schmerzt ihm nicht, dennoch dreht er sich mit einem wütenden „Spinnst du!" um. Keine Sekunde danach schlägt er sich auf die Stirn als hinter ihm die grinsende Argo steht.
Ihr Aussehen hat sich seit ihrem letzten Treffen auch ein wenig verändert. Sie trägt nun eine braunen Ganzkörperrüstung aus Stoff und Leder. Um ihren Hals hat sie zudem einen frischen, hellbraunen Mantel geknüpft, der ihre neuen katzenähnliche Schnurrhaare an ihren Wangen unterstreicht, die aber nur mit Make-Up aufgezeichnet sind.
„Du hast dir aber Zeit gelassen hier her zu kommen, Lucifer." Er macht nur eine abwinkende Handbewegung „Was kann ich dafür, dass meine Kumpanin meint ausschlafen zu wollen, obwohl der Plan fest steht." „Sie weiß nichts davon oder?" kommt die Frage mit einem bedachten Unterton. Lucifer dreht sich auf den Fersen um weiter in den Ort rein zu gehen. „Als Beta-Tester könntest du es dir wenigstens erlauben zu erzählen wer du bist." gibt er die emotionslose Antwort und geht weiter seinen Besorgungen nach, wobei Argo ihn mal wieder auf Schritt und Tritt verfolgt.
Sie passieren ein paar andere Spieler auf dem Weg zu einem Stand mit lang haltbaren Nahrungsmitteln.
„Es haben bisher nur wenige Spieler mitbekommen, das man nun auf die zweite Ebene kann." bemerkt Lucifer als er sich ein wenig Pökelfleisch ins Inventar legt. Argo stimmt ihn mit einem leisen „Mhm" zu. „Die Nachrichten verbreiten sich zu langsam. Deshalb habe ich vor, ab dem neuen Jahr, welches bald beginnt, eine Zeitung zu machen, die für jeden gegen einen kleinen Preis von einhundert COL zu erwerben ist." „Du bist wie immer, Ratte, nur Kohle im Kopf." Lucifer rückt seinen Spieß im Mund zurecht und zahlt seine Einkäufe.
„Wohin geht es zur Kneipe des Treffens?" fragt Lucifer sie. „Das macht dann dreitausend COL." Mit einem frechen Grinsen hält sie ihm die Hand offen.
Beide sitzen auf der Bank unter einem halb vertrockneten Baum, dessen Schatten dennoch angenehm ist. Während Argo die Beine baumeln lässt und den Spielern beim Betreten der Kneipe zusieht hat Lucifer seinen Kopf zurück gelehnt und starrt die braunen Blätter des Baumes an, als sie beide auf White warten. „Wie läuft es eigentlich mit den hoch Leveln?" fragt Argo unschuldig nach. „Round about lvl. 30." kommt es als Antwort zurück. „Dann sehe ich es richtig, das du größtenteils in der Nacht Monster jagst? Ich selber bin gerade mal auf Level 13." „Monster und Red-Player. Umsonst ist mein eigenes Zeichen nicht rot." Er deutet mit seiner rechten Hand über seinen Kopf. „Die meisten Spieler meiden mich deshalb als Informant." „Denkst du nicht, dass es auch mit an deinem Aussehen liegt? Spitze Zähne und so meine ich." Lucifer schnaubt einmal belustigt. „So oder so tut mir die Ruhe irgendwie gut. White raubt mir mit ihrer Art auch irgendwie den letzten Nerv."
Fast Augenblicklich taucht über ihn ein Schwertgriff auf und schlägt gegen seine Schläfe. Lucifer lässt einen kurzen Scherzensaufschrei los, bevor er sich die Stelle des Aufpralls reibt.
„Ich schätze mal das ist White." Argos Stimme hat sich von einer persönlichen Freude zu einer geschäftlich Ernsten verändert. „Argo,White. White, Argo." stellt er die Beiden stöhnend vor, aber ohne auch nur auf einen der beiden zu schauen. Dennoch wusste er, wo wer von den beiden steht.
„Hast du alles?" kommt es beleidigt von White, die ihr Katana wieder zurück steckt. „Ja." Lucifer steht auf und zieht sich seine Kapuze wieder über den Kopf. Sobald er sich dann an die beiden Mädchen wendet, fällt ihm wieder mal auf, das Argo eine der kleinsten Mädchen in seinem Alter ist, die er kennt. „Gehen wir nun rein." Wütend folgt White ihm, während Argo keine Mine mehr verzieht, wie sie es noch einige Sekunden zuvor getan hat.
Die Kneipe ist in einem rustikalen Look gehalten. An den großen Runden Tischen haben sich ein paar der größeren und stärkeren Gilden hingesetzt, was man gut an der nahezu identischen Kleidung der einzelnen Tische erkennen kann. An den kleineren Tischen, sowie an denen bei Wänden sitzen kleinere Gilden und Einzelgänger.
Beim betreten lässt Lucifer kurz seinen Blick durch den Raum schweifen. Er steckt seine Hände in die Taschen seines Mantels und begibt sich mit einem gelangweilten Gesicht zu einen der letzten freien Tische, wortlos gefolgt von White. Beim hinsetzen folgt Lucifer neugierig mit seinem Blick Argo, welche sich an einen anderen Tisch setzt. Ihr Tisch gehört zu einer Gilde aus mindestens fünfzehn Mann und einem anderen Mädchen, welchem Lucifer aber keine Beachtung schenkt, alle samt in einer rot-weißen Uniform. Lucifer mustert lieber zwei der Männer die direkt nebeneinander sitzen, einer von beiden mit einem Bierkrug in der Hand.
Lucifer ist zudem auch froh, das er seinen Spionage-Skill sehr weit voran gebracht hat, da er jedes der Gespräche in der Kneipe somit belauschen kann.
Nach einiger Zeit kehrt Argo schließlich zu ihnen zurück. „Entschuldige, das ich kurz gegangen war, es war etwas Geschäftliches." Lucifer nickt kurz. „Ich habe dem Gespräch zugehört." Mit einem kurzen Lächeln auf dem Gesicht fügt White hinzu: „Er ist wie immer ein unmöglicher Schmarotzer."
Einer der beiden Männer, die Lucifer beobachtet hat, stellt sich auf den Tisch. „Sie wollen jetzt mit der Besprechung beginnen." meint Argo, mit dem Rücken zum Geschehen gedreht.
Der Mann auf dem Tisch trägt über seinem muskulösen Oberbau eine blutrot stählende brustplatte, die nur mäßigen Schutz bietet. An seiner Strahlend weißen Hose trägt er ein Gürtel mit einem Einhänder. Das Gesicht zeigt leichte Spuren von einer Abmagerung auf, welche von der einen leicht grauen Strähne die ihm ins Gesicht fällt unterstrichen wird. Dennoch weißt er ein kühnes Auftreten auf. „Ich bitte um ruhe!" ruft er alle auf, ohne wirklich zu schreien. Dennoch lässt seine Stimme das Gewirr aus Gesprächen verstummen.
Mit seiner Lippe wippt Lucifer leicht sein Spieß hin und her.
„Ich danke euch." Der Sprecher schaut einmal von seiner Position über die Runde der Anwesenden. „Ebenfalls danke ich euch, das ihr auf mein geheißen gekommen seit. Mein Name ist Heathcliff." Sein Name hallt in Lucifers Kopf immer wieder von der einen Hälfte in die andere, ohne auch nur ein Ende zu finden. „Der Weg auf diese Ebene wurde uns von ein Paar tapferen Kämpfern geöffnet. Einige von ihnen haben sogar ihr Leben dafür gelassen, nur damit wir jetzt hier sitzen können." Durch die menge fahren zustimmende Rufe. „Dennoch sollten wir uns jetzt nicht zurücklehnen, nur weil wir es weiter geschafft haben. Wir sollten uns gemeinsam vorbereiten in die nächste Ebene vor zu dringen." Heathcliffs Stimme hallt von mal zu mal penetranter durch den Raum, obwohl sie nicht lauter wird. „Dafür müssen alle Gilden die hier anwesend sind zusammenarbeiten. Wir müssen eine Front bilden, die den Boss der zweiten Ebene besiegt! Danach dürfen wir aber nicht aufhören. Wir müssen weiter kämpfen und den nächsten Boss dann besiegen! Und den Nächsten! Und den darauf folgenden! Wir dürfen nicht aufhören zu kämpfen und jedem ein Vorbild sein, der Aincrad verlassen will. Also wer wird uns, den Rittern des Blutschwurs' dabei unterstützen!" Zum Schluss breitet er seine Arme wie ein Willkommensgruß aus und erhält eine menge Jubel für seine Rede. Auch White hat ihren Groll gegenüber Lucifer schon vergessen und beginnt zu pfeifen. Lediglich Lucifer und ein paar andere bleiben in der Kneipe ruhig.
„EINEN MOMENT!" ruft schließlich ein kleiner Typ von seinen Tisch aus und steigt ebenfalls auf einen.
Alle Blicke richten sich auf ihn. Lucifer fällt sofort sein stachliger Haarschnitt auf und seine weiten Stoffhosen, sowie der Kettenpanzer und das Schwert an seinem Rücken.
„Mein Name ist Kibaou" er zeigt mit dem Daumen auf sich um sich selber noch einmal hervor zu heben. „und ich bin dagegen, dass einige andere hier an diesem Unterfangen teilhaben sollen!" Ein leises Gemurmel bricht aus. „Unter dieses Personen wären einmal der Beater dort," er zeigt in die Ecke, die von Lucifer aus am anderen Ende des Raumes ist, „und die beiden Red-Player dort!" diesesmal zeigt Kibaou auf Lucifers Tisch. Alle Blicke richten sich auf White und Lucifer.
Nach anfänglicher Verwirrung schlägt White auf den Tisch und schmeißt ihren Stuhl um, als sie ruckartig aufsteht. „Das ist doch unerhört! Nur weil wir zur Selbstverteidigung vor kurzem töten mussten sollen wir jetzt ausgegrenzt werden!?" „Komm runter White." fordert Lucifer sie auf und steht selber gemächlich auf, wobei sein Stuhl leicht auf dem Boden kratzt. „Warum soll ich da ruhig bleiben! Er will, das wir ausgegrenzt werden. Und wenn wir hier schon anfangen, werden später andere nachziehen und dann sind wir nur noch auf uns gestellt." Lucifer beugt sich runter und stellt ihren Stuhl auf. „Setzt dich." befielt er ihr, was sie auch widerwillig tut.
Jeder Blick wendet sich nun auf Lucifer der seine Kapuze absetzt, wodurch seine blutroten und zerzausten Haare zum Vorschein kommen.
Auf seinem Weg zu Kibaou treffen sich die Blicke von Lucifer und dem, in schwarz gekleideten Jungen, der als Beater beschuldigt wurde. Lucifer schenkt ihm ein kurzes gelangweiltes Lächeln, bevor er vor Kibaous Tisch stehen bleibt. Direkt neben Kibaou sitzt ein sehr großer dunkelhäutiger Mann mit einen starken Körperbau. Der Griff seiner Axt, die er auf dem Rücken hat, reicht ihm bis zu seinem kahlen Kopf.
Lucifer schaut Kibaou direkt in die Augen, ohne der Menge, die ihn verfolgt, zu beachten. Wortlos starren sich beide gegenseitig an und niemand wollte die Stille im Raum durchbrechen. Das Anstarren nimmt kein Ende. Die Blicke das Publikums wechseln immer zwischen den beiden Kontrahenten.
Nach kurzer Zeit beginnt Kibaou schließlich vor Lucifers kaltem Blick zurückzuweichen. Ein siegessichres Lächeln breitet sich auf Lucifers Gesicht aus. „Dachte ich es mir." beim sprechen Wackelt Lucifers Wurfspieß zwischen den Lippen hin und her. „Du hast Angst vor uns." Lucifer macht auf dem Absatz kehrt und fügt seinem Satz noch hinzu: „Wir töten aber nicht grundlos. Es sterben lediglich Red-Player, die sich einer Überführung in ein Gefängnis widersetzten." Lucifer kehrt schließlich wieder wortlos zu seinem Platzt zurück, alle Blicke ihm folgend.
„Also," unterbricht Heathcliff die Stille als Lucifer wieder sitzt, „nach diesem kurzen aber prägnanten kalten Kampf sollten wir wieder zum wesentlichen kommen." Alle Blicke wandern wieder zu Heathcliff. „Der Raid des Bossdungeons wird in drei Tagen stattfinden. Bis dahin werdet ihr Zeit haben euch auszurüsten und vorzubereiten.
Zuletzt werden ein paar meiner Gildenmitglieder eine Liste mit den Namen der, an der Front teilnehmenden Spieler und Gilden zusammenstellen, die dann in der ‚Weekly Argo' zu Beginn des neuen Jahres erscheinen wird. Solang bitte ich euch noch hier zu bleiben.
Ich wünsche euch allen noch einen schönen Nachmittag und ein paar sorgenfreie Tage, bis wir zum Raid aufbrechen." Bei den letzten Worten macht Heathcliff ein freundliches Gesicht das er zu Lucifer wendet, welcher nur mit einem Lächeln antwortet und sich kurz darauf in ein Gespräch mit Argo vertieft.
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