32 Das Ende des Sommers.
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【 B O N N I E 】
„Bernadette, du gefällst mir gar nicht."
Die Worte meiner Granny sorgten dafür, dass ich aufsah. Ich war erneut bei ihr im Büro mit Essen aufgetaucht. Irgendwie hatte ich angefangen es zu mögen sie regelmäßig zu sehen. Es wurde unser kleines Ritual. Auch wenn die Sommerferien um waren wollte ich das weiter machen. Zumindest einmal die Woche.
Statt zu antworten, schwieg ich und biss wortlos in mein Pizzastück. Sie schmeckte fad und ich merkte, dass ich den Nachtisch vergessen hatte.
„Was ist los?", horchte Granny. „Ich dachte du würdest dich freuen, zu wissen, dass dein Versuch beim Probetraining gut ankam und zwei Angebote von Vereinen vorliegen."
„Ja", sprach ich knapp. „Ziemlich cool." Meine Mom würde am Wochenende mit mir neue Ausrüstung zum Skaten kaufen, sie kam endlich zurück nach LA. Obwohl mir ihre Abwesenheit viel Freiheit verschaffte, so war ich froh, wenn sie wieder da war.
Ich hatte keine Ahnung, was Granny ihr am Telefon erzählte, aber sie schien damit einverstanden zu sein, dass ich einem Verein beitrat und das Collage vielleicht nicht die richtige Wahl für mich war. Ich musste ihr lediglich versprechen in der Schule alles zu geben und wenn Jason nächstes Jahr mit der Universität fertig war, dann würde er ein Auge auf mich und das Skate-Universum haben. Ich verstand nicht, was genau er damit meinte und zuckte nur mit den Schultern.
„Früher wärst du drauf gebrannt dich mit neuen Rollen für dein Board eindecken zu können oder gar ein Neues zu bekommen", fand Granny und ich grinste schwach: „Vielleicht ist auch ein neuer Helm drin? Mein Alter drückt etwas."
Granny nickte und ich sah auf meine Pizza. Demotiviert schob ich sie von mir und murmelte: „Ich bin satt."
Prompt schienen bei ihr sämtliche Alarmglocken zu klingeln, schließlich runzelte die Stirn, musterte mich und sprach: „Du hast Liebeskummer."
Pah. Wenn es nur das wäre. Aber das konnte ich ihr nicht sagen. Fakt war, seit meinem Gespräch vor drei Tagen mit Niall, dachte ich ständig an ihn. Ich wollte noch einmal seine Stimme hören, ihn anrufen, ihn sehen. Mich noch einmal von ihm küssen lassen, ihn lachen hören. Stattdessen hatte ich versucht diesen Drang mit Youtube-Videos von ihm zu kompensieren.
Aber das hatte es nur noch schlimmer gemacht.
„Verstehe", schlussfolgerte Granny von sich aus. „Die Sache mit deinem Jungen hat sich nicht so entwickelt, wie du das wolltest."
„Das ist vorbei", sprach ich. „Braucht man nicht mehr aufzuwärmen oder einen weiteren Gedanken dran verschwenden." Ich war gerade Meister darin Gedanken an Niall zu verballern.
Meine Granny lächelte, dann erklärte sie: „Liebeskummer ist wie ein Diamant; man sollte ihn mit Fassung tragen."
Verblüfft hob ich den Kopf: „Ist das ein Zitat?"
„Eines, von Millionen Zitaten, die mir dein Grandpa in einem Einmachglas hinterließ", ich hörte Granny so selten von Grandpa reden, dass mir nie in den Sinn gekommen war mit ihr über ihn zu sprechen. Richtig zu sprechen. „Er würde dir wohl sagen, Tränen reinigen das Herz."
„Von Fjodor Michailowitsch Dostojewski", entwich es mir automatisch. Granny erhob sich und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm sie mich fest in den Arm. Sie roch nach Chanel no 5 und ganz leicht nach einer Zigarette. Obwohl ich einen Kloß im Hals hatte, sprach ich: „Wenn Mom dich beim Rauchen erwischt, dann kriegt nicht nur Jason die Predigt seines Lebens."
Ich hörte Granny lachen und plötzlich, so umarmt und festgehalten, hatte ich das erste Mal nach der Wahrheit wieder das Gefühl, dass doch irgendwie alles gut werden könnte.
Niall zu versprechen, dass ich niemanden je etwas darüber erzählte, was zwischen uns passiert war, das machte mir schwer zu schaffen. Das Geheimnis nagte an mir. Aber wichtiger als diese Last loszuwerden, war die Gewissheit, dass dieses Geheimnis ihn schütze. Es war, als könnte ich ihm so beweisen, wie ernst mir die Gefühle ihm gegenüber waren.
Es war dumm. Denn was sollte solch ein Beweis überhaupt bringen?
Gar nichts.
Die Rückkehr meiner Mom feierten Granny, Jason und ich zu Hause mit Kuchen. Sie wieder in der Nähe zu haben, zu wissen, dass sie mich nervig im Auge behielt, katapultierte mich zurück in die Zeit vor den Ferien.
Ganz, wie sie es versprochen hatte, musste ich ein paar extra Fahrstunden nehmen und als Dad von seinem Fall zurückkam, sich ausgeschlafen hatte, da wollte er sich mit mir ganz locker, ohne falschen Hoffnungen ein paar Autos ansehen.
In einem hatten meine Eltern recht, die extra Fahrstunden waren richtig und wichtig. Etwas, was ich vorher niemals zugebenen hätte. Durch diese ganzen Übungen und Wiederholungen ohne Druck lernte ich sicherer zu fahren und stopfte alle Lücken punkto eigener Fahrweise. Es war gut zu wissen, dass man keine Gefahr mehr für sich und andere war. Ich hatte mich einfach überschätzt. Nur weil man durch eine Prüfung kam, hieß das nicht, dass man den Stoff beherrschte.
Dad und ich schlenderten durch das Autohaus und blieben an einem weißen kleinen Jeep hängen. Während Dad die Details musterte und ich um das Auto herumschritt, da empfand ich absolut keinen Funken Begeisterung. Und als Dad mir die Autofahrertür öffnete und meinte: „Husch mal rein", da kam ich dem nicht nach. Stattdessen sprach ich: „Können wir zum Strand fahren und uns ein paar Surfbretter leihen?"
Irritiert blinzelte er mich an: „Kein Interesse daran so zu tun, als würdest du vielleicht ganz bald ein Auto kriegen?"
„Nein", ich ließ lustlos den Blick schweifen. „Libby hat einen Hummer H3, sie fährt besser als ich und wird mich bestimmt hin und wieder zur Schule mitnehmen. Ich brauche kein Auto."
Er zögerte, schließlich schloss er die Autotür wieder und nickte: „Okay, ab zum Strand. Vielleicht erwischen wir noch ein paar gute Wellen."
Ein eigenes Auto zu haben war mir vor den Sommerferien so wichtig gewesen. Jetzt war es mir egal, denn ich brauchte es nicht. Was war schon so eine blöde Karre, wenn ich auch zur Schule skaten konnte.
In der Schule selbst strich ich die Flure fertig. Manchmal blieb ich dabei allein und es war mir ganz recht so. Dann setzte ich mir Kopfhörer auf und ließ zuerst die alten 1D Alben laufen. Ich wünschte, die Musik würde mich trösten, aber das tat sie nicht.
„Bernadette, ich bin so überrascht, dass mir fast die Worte fehlen", sprach Mrs Yáng, als sie mich dabei erwischte, wie ich allein das Klebeband an den Leisten entfernte und die Plastikplanen zusammenfaltete. „Du hast so sauber und gründlich gearbeitet. Das hätte ich dir niemals zugetraut."
Sie lächelte mich so aufrichtig und stolz an, dass ich mich auch tatsächlich etwas stolz fühlte. Mrs Yáng zeigte mir, wo das Geld hinfloss, welches ich durch meine Arbeit angespart hatte. Ein Klassenraum war gefüllt mit Schulrucksäcken, in die zwei weitere Freiwillige Schulsachen, Bücher, Stifte, Taschenrechner und Hefte packten.
„All diese Dinge gehen nach den Sommerferien an Kinder von staatlichen Schulen, die sich solche Sachen nicht leisten können", erklärte sie mir und ich sah in der Hinteren Ecke einen Haufen voller Turnbeutel, die noch gepackt werden mussten.
Tief atmete ich durch, dann fragte ich: „Kann ich da auch bei helfen?"
Ich wurde ein Teil dieser Freiwilligen AG und wollte das auch während der Schulzeit beibehalten. Mrs Yáng klopfte mir erfreut auf die Schulter und sprach: „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht. Natürlich kannst du weiterhelfen."
In Gedanken fügte ich hinzu: „Marie von Ebner-Eschenbach."
Während ich Schultaschen packte, bemerkte ich, dass jemand weitere Rucksäcke und Bücher in den Raum trug. Zuerst musterte ich Jude nur und er ignorierte mich, doch als die zwei anderen Schüler loszogen um neue Hefte und Stifte zu holen, da stand ich auf und ging auf ihn zu.
Es war merkwürdig ihn von mir aus anzusprechen. „Hey."
Er hob nicht einmal den Kopf und ich konnte es ihm nicht verdenken. Deshalb sprach ich: „Es tut mir leid, dass Libby und du euch so zerstritten habt."
„Nein, das meinst du nicht wirklich", wehrte er ab. „Insgeheim bist du sogar froh drüber. Sie hat jetzt wieder alle Zeit der Welt für dich."
Treffender hätte er es nicht formulieren können und noch vor zwei Wochen wäre ich tatsächlich glücklich darüber gewesen. Jetzt hatte ich dazugelernt: „Sie vermisst dich sehr." Das zu verraten, erschien mir richtig. „Ihr geht es nicht besonders und sie bereut was sie getan hat. Aber mehr als sich dafür zu entschuldigen, kann sie nicht."
Jude hielt inne damit die Bücher zu stapeln. Doch er blickte mich immer noch nicht an, also fuhr ich fort: „Ihr liegt wirklich etwas an dir und dass du ihr nicht antwortest, ist für sie schlimmer, als wenn sie sich noch einmal richtig mit dir streiten würde."
Schwer seufzte er: „Ich möchte mich nicht mit ihr streiten."
Prompt ließ ich mich auf dem Stuhl neben Jude sinken und er fuhr fort: „Ich weiß allerdings auch nicht, was ich ihr sagen soll. Sie hat mich vor die Wahl gestellt, meine beste Freundin oder sie und... wie soll ich mich da entscheiden? Sie würde auch nicht zwischen mir und dir wählen. Das macht man nicht."
„Das stimmt", gab ich ihm recht.
„Am liebsten würde ich noch einmal neu starten, aber dieses Mal ohne, dass ich ständig das Gefühl habe, dass sie sich mir anpasst oder sich Mühe gibt mir zu gefallen", er sagte das so ruhig, dass ich automatisch an all die Aktionen dachte, die Libby mitmachte. Ich dachte damals, weil Jude sie überredete. Ihre Haare vertrugen das Salzwasser nicht, sie soff beim Surfen ab, sie hasste Flohmärkte und lauter anderen Kram, wie die wilde Natur.
Aber hatte nicht auch ich versucht mich Niall anzupassen?
„Ich mag Liberty so, wie sie ist", sprach Jude und mit seinen nächsten Worten machte er mir klar, dass er ganz genau wusste, mit wem er zusammen gewesen war. „Sie liebt es zu shoppen, Mode, Kosmetik, viel zu laute Musik, platte Sitcoms, mexikanisches Essen, alles was glitzert und sich mit einer Arschbombe voran in Schwierigkeiten zu bringen."
„Definitiv!", bekräftigte ich und musste lachen. „Sie braucht auf jeden Fall jemand, der ein Bisschen auf sie aufpasst."
„Und dass sie sich in der Mall nicht mit jeder Zicke anlegt, sondern einfach ignorant an der vorbei geht", pflichtete er bei. Ich musste grinsen, denn genau das war Libbys Ding. Ein schräger Blick oder gar Schlussverkauf und sie war bereit die Nägel zu benutzen.
„Meinetwegen kann sie so viel Boyband-Musik hören, wie sie will", auch das hatte er durchschaut. „Nur, weil es nicht meine Musik ist, heißt es nicht, dass ich es für sie nicht ertragen würde."
Ich sah ihn an und in diesem Moment formte sich in meinem Kopf ein ziemlich guter Plan. Wenn der Sommer noch ein halbwegs gutes Ende nehmen sollte, dann würde ich meiner besten Freundin helfen zumindest ihr eigenes Happy End noch zu bekommen.
Vielleicht musste weder Jude noch Libby zu Kreuze kriegen. Vielleicht... reichte es, wenn sie einfach nur einander die Hand reichten und merkten, dass dieses ganze Drama völlig unnötig war.
Maria ließ sich spielend leicht überreden mir zu helfen. Mehr Schwierigkeiten machte mir drei Tage später Liberty.
„Ich pfeif auf Überraschungen", stellte sie sich quer. „Für diesen Sommer hatte ich eindeutig genug davon."
Damit war sie nicht allein. Mir fehlten die Argumente sie umzustimmen, aber Maria war da um einiges dreister als ich: „Fein! Dann sagen Bonnie und ich alles ab! Da gibt man sich so viel Mühe, will dir als Freundin was richtig Gutes tun und dir geht das durch die Lappen, weil du dich nicht überraschen lassen willst. Wirklich kindisch. Komm Bonnie, wir müssen alles wieder abbauen."
Ich hatte keine Ahnung, was wir abbauen sollten, aber ich spielte mit. Wir waren schon halb zur Tür raus, da stürzte Liberty hinter uns her: „Okay, okay, ich lasse mir die Augen verbinden und spiele das folgsame Vögelchen! Aber wehe, ihr lacht am Ende nur über mich!"
„Das würden wir niemals auch nur wagen", sprach ich sarkastisch und tauschte einen belustigten Blick mit Maria. Diese klatschte gewinnend in die Hände: „Dann wollen wir uns mal in deinem Ankleidezimmer umsehen."
„Ich muss mich hübsch machen?", kam es alarmierend von Liberty und Maria rollte mit den Augen: „Bonnie und ich hatten so viel Aufwand, es ist das Mindeste, was du jetzt für uns tun kannst."
Maria suchte ihr ein hübsches blaues Kleid raus, ich Schuhe, in denen sie gut laufen konnte und dann machten wir ihr eine niedliche Flechtfrisur. Schließlich schoben wir ihr die Augenbinde über die Augen und führten sie aus dem Haus. Hastig packte ich Libertys kleine Umhängetasche, während Maria sie die Treppen herunterbrachte.
Umsichtig und vorsichtig lenkte Maria die Kutsche ihrer Familie durch den LA-Verkehr und ich versuchte bei Liberty viel Vorfreude zu wecken. Meine beste Freundin tat sich schwer damit, aber nach einer halben Stunde entspannte sie sich merklich.
Nervös atmete ich durch als Maria am Ende an der Straßenseite hielt und ich kletterte aus dem Auto, damit ich meiner besten Freundin vom Rücksitz helfen konnte. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, da sprach ich: „Libs, ich weiß, es war nicht so der Sommer, den du dir vorgestellt hast. Das tut mir leid, besonders, weil er zum Ende hin ziemlich in die Hose gegangen ist."
„Ach, da kannst du doch nichts für", antwortete sie mit verbundenen Augen und lächelte: „Ich bin selbst schuld, wenn ich so eine dumme Gans bin."
Ich sah, dass Maria die Hand hob, um hinter mir Jude zu begrüßen. Er nickte genauso nervös, wie ich mich fühlte und ich reichte ihm einen Umschlag, den er sich sofort in die Hemdtasche steckte. Dann griff ich nach Libertys Händen und zog sie vorsichtig aus dem Auto.
Ich war so froh, dass ich solche tollen Freundinnen hatte, deshalb sagte ich: „Du musst mir versprechen, diesen Abend für uns beide zu genießen."
Unsicher verlagerte sie das Gewicht von einem Bein auf das andere. „Okay. Muss ich Beweisfotos machen?"
„Wäre toll, aber das musst du nicht", ich drückte sie und gab sie dann in Judes Hände. Seine Finger umschlossen die ihre und ich merkte, dass dieser Händedruck ihr sehr vertraut vorkam. Statt sich hastig die Augenbinde vom Kopf zu reißen, ließ Liberty sich mutig auf die Überraschung ein.
Ich huschte wieder ins Auto, Jude machte ein Zeichen mit der freien Hand und zusammen mit Maria sah ich, wie er Liberty sicher voranführte. Wir standen vor The Forum, einer Mehrzweckhalle in Los Angeles.
Mein Herz hämmerte und liebevoll knuffte mich Maria in den Arm. Gemeinsam betrachteten wir Jude und Liberty dabei, wie sie in diesem Meer an Menschen, die sich vor der Halle versammelten, verschwanden.
„Das war echt sehr selbstlos von dir", sprach Maria schließlich. „Meine Güte, Bonnie! Du hast ihnen die Backstage-Pässe von einem Louis-Konzert gegeben!"
Nicht irgendwelche, sondern jene, die mir Niall schenkte.
„Ich dachte immer, du würdest dich eher umbringen, bevor du solch ein Opfer bringst", lachte Maria. Ich wandte den Blick von all den Fans ab und gestand: „Es ist kein Opfer. Es ist genau das Richtige."
„Auf jeden Fall katapultiert es dich in den Himmel für die besten Freundinnen der Welt", fand Maria und sah in den Rückspiegel, ob sie den Straßenrand verlassen konnte. „Wenn du vor hast mich mal so zu überraschen, dann mach es wie die Freundin von Meghan Markle."
„Ich kenne keinen Prinzen", raubte ich ihr die Illusion, doch das hielt Maria nicht davon ab Erwartungen zu haben: „Ja, noch kennst du keinen. Aber wer weiß schon, was in ein paar Jahren ist."
In ein paar Jahren... das war schrecklich weit weg und automatisch hatte ich einen Kloß im Hals. Also wechselte ich das Thema: „Ich hätte schrecklich Lust auf mexikanisches Essen."
„Du hast fett Glück, ich kenne das perfekte Restaurant", machte Maria mit. „Und das Beste, wir müssen rein gar nichts bezahlen."
Lachend lenkte sie den Wagen zurück in den Verkehr und während wir beide einen gemütlichen Abend im Familienrestaurant hatten, versöhnte sich Liberty mit Jude auf einem Konzert mit Louis.
Sie schickte sehr viele Fotos, unter einem auch eins, wo sie mit Jude und Louis zusammen drauf war. Backstage hatte einfach einen ungeschlagenen Vorteil. Ich verspürte keinen Neid, stattdessen freute ich mich so sehr als hätte ich ihn selbst getroffen.
Aber als ich am Abend nach Hause kam und alleine in meinem Zimmer stand und mich erschöpft in den Sitzsack fallen ließ, da kroch ein anderes Gefühl an meinen Beinen hoch, erreichte meinen Bauch und schließlich mein Herz.
Selbst Rambos gut gemeinte Kuschel-Attacke tröstete mich nicht.
Mein Leben drehte sich weiter, so als hätte es Niall nicht gegeben. Aber das stimmte nicht. Ich dachte weiter jeden Tag an ihn. Wenn mein Grandpa noch da wäre, hätte er das passende Zitat parat. Doch er war nicht da und ein Zitat hatte ich auch nicht.
Und so stand ich jeden Morgen erneut auf.
Und mit jedem Morgen wurde dieser heftige Schmerz einen kleinen Tropfen schwäche.
Als die Schule schließlich wieder begann, da hatte mich der Alltag wieder. Ich fraß meinem Dad das Frühstück weg, versprach vorsichtig mit dem Skateboard zu sein, warf einen alten Schuh im Garten so weit ich konnte, damit Rambo diesem statt mir nachjagte und rauschte auf Rollen hinaus.
Das Brett unter meinen Füßen war mittlerweile wieder der vertraute Freund. Ich ging dreimal die Woche zum Training, schaffte es noch in Mrs Yángs AG tätig zu bleiben und war mir sicher, dass ich in vier Wochen erneut Mathenachhilfe brauchen würde. Vielleicht hatte Riley noch ein Plätzchen frei für mich und Mom erhöhte mein Taschengeld, damit ich jedes Mal das Essen bezahlen konnte.
Sicher und routiniert bretterte ich auf den Parkplatz von Sank Marymout und hatte beinahe ein Déjà-vu.
„DU DÄMLICHE TUSSI!", kreischte mich eine helle Stimme an, nachdem sie mich beim Einparken fast umgenietet hatte. „BIST DU LEBENSMÜDE ODER WAS!"
„Morgen Libby", begrüßte ich sie und während sie aus der Fahrerseite stürmte, rutschte Maria mit wackeligen Beinen vom Beifahrersitz und wimmerte: „Es ist zu früh für solch einen Schock."
„IRGENDWANN, VERFLUCHT NOCH MAL, HABE ICH DICH MIT GEBROCHENEM HALS AUF MEINER MOTORHAUBE LIEGEN!", wurde ich angerbrüllt. Meine beste Freundin bekam ganz rote Flecken im Gesicht.
Statt mich zu entschuldigen, grinste ich breit und zufrieden.
„WAS!", Liberty explodierte fast und ich umarmte sie einfach, dann zog ich Maria zu mir: „Nichts, ich bin einfach froh euch zu sehen."
Skeptisch musterte mich Liberty. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?"
„Könnt ihr euch vorstellen, dass Nick Jonas seine Bagel im selben Laden kauft, wie ich?", ärgerte ich sie und flötete: „Er ist echt süß."
Kurz huschte der leichte Anflug von Panik über das Gesicht meiner beiden besten Freunde, dann wehrte ich ab: „Ich verarsche euch nur. Die Jonas Brothers sind ein Witz gegen One Direction."
Schwer atmete Maria durch und schnappte sich ihren Rucksack: „Definitiv."
„Irgendwann sollten wir uns gemeinsame 1D-Tattoos stechen lassen", fand ich und Liberty stieg voll drauf ein: „Wie wäre es so was, wie Liams Pfeile, oder jeweils eine Zeile von einem Lied das wir alle drei mögen?"
Wir schlenderten über das Gelände der Privatschule, auf den Weg zu unseren Spinden und Maria seufzte: „Ehrlich gesagt, ich will überhaupt kein Tattoo."
Wir überhörten sie gefließend.
„Wie wäre es mit Long way down?", warf ich ein, Liberty schüttelte heftig den Kopf: „Lieber von Perfect oder noch besser, What makes you beautiful."
„Wir kriegen bestimmt einen Mengenrabatt."
„Hallohoooo, ich sagte, ich bin raus."
Während ich mit meinen Freundinnen durch die Flure zog, im Spiegelbild einer Scheibe merkte, wie hässlich die altbackenen Schuluniformen waren und wir um Sitzplätze am Fenster kämpften, da war ich nicht nur wieder sechzehn und das Abenteuer der Volljährigkeit beendet.
Ein neues Schuljahr begann und die Sommerferien waren vorbei.
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Puh, Montag beginnt! Seid ihr auch so gar nicht motiviert, wie ich?
*Danke für die zahlreichen Kommentare und Votes, Antworten machen sich heute zu euch auf den Weg, ich drücke euch!
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