3 Libertys Plan.
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【 B O N N I E 】
Seit zwei Tagen lagen Liberty und ich nun stundenlang auf der Lauer und versuchten mit dem Fernglas von ihrem Balkon aus zu spionieren. Mit einem Sonnenschirm über unseren Köpfen, bekleidet in einem Badeanzug und viel kalten Eistee verfolgten wir jede Regung im Haus der Verdammten.
„Ich habe nicht sofort gemerkt, dass es jemand gekauft hat, weil die Renovierungen angefangen haben während ich in der Schule war", plapperte Liberty und wir erinnerten uns daran, wie wir versuchten über die Mauer zu kommen, um uns unerlaubt auf dem Grundstück umsehen zu können.
Leider ging die Alarmanlage los, sobald sich die erste von uns über die weiße Mauer lehnte.
Wir erschraken uns so sehr, dass wie unseren Plan aufgaben ins Innere zu kommen.
„Ihr seid bescheuert", schimpfte Maria am ersten Tag. „Mir werft ihr vor, ich würde Riley stalken, aber ihr seid nicht viel besser!"
„Laber nicht", wehrte ich ab. „Wir stalken das Haus ja schließlich nicht auf Instagram."
„Ja, weil es KEIN Instagram hat", Maria rollte mit den Augen und wollte uns dazu überreden etwas Außerhalb zu machen. Doch Liberty und ich ließen uns nicht locken. Der zweite Tag verlief also ohne Maria, die sich weigerte hier ihre Zeit zu verschwenden.
Es war schrecklich heiß und ich sprach: „Das Dach sieht so neu aus."
„Ist auch gemacht worden. Mir wäre das nie aufgefallen, wenn Mom nicht gesagt hätte, dass wir einen neuen Nachbarn bekämen", gab Liberty zu. „Irgendwie war ich zu beschäftigt in Jude's Hirn reinzustarren."
„Wie lief dein Surferkurs für Anfänger eigentlich?", wollte ich wissen und meine beste Freundin seufzte so tief, als würde die Last der Welt auf ihren Schultern liegen. Jude war ein echter Profi auf dem Wasser und Liberty so viel Salzwasser geschluckt, dass es ihr für den Rest ihres Lebens reichte.
„Ich habe mich angestellt wie ein Vollposten! Jude hat mich sogar gefragt, ob ich nicht schwimmen könnte", sie vergrub beschämt das Gesicht in den Händen und berichtete, dass es unglaublich schwer war sich auf so ein Brett zu wuchten, oder gar zu halten.
Mir brauchte sie das nicht zu erzählen, ich hatte surfen früh durch meine Brüder gelernt. Aber für jemanden, der nicht besonders sportlich war, schien dies eine echte Herausforderung zu sein.
„Meine Haare sind völlig strapaziert und ich habe einen verfluchten Sonnenbrand auf der Nase und den Wangen", weinte meine beste Freundin und ich unterdrückte ein Kichern. Der Sonnenbrand war niedlich, sie sah aus wie eine Animefigur, die verliebt war. Um sie aufzuheitern schlug ich vor: „Lass uns morgen zu Maniküre gehen, ich bin sicher, danach geht es dir besser. Und mach dir keinen Kopf, was Jude über dich denken könnte."
„Er hält mich sicher für einen Trottel", jammerte Liberty und ich hätte nichts dagegen, wenn sich Jude selbst als einen Trottel herausstellte und ihr den Laufpass gab. So fies das auch klang. Ein Typ, der sie zu so etwas überredete, der kannte sie entweder gar nicht oder wollte aus ihr jemanden machen, der sie nicht war.
„Kommt deine Schwester über die Semesterferien nach Hause?", wechselte ich das Thema und ließ das Fernglas sinken. Bislang hatten wir nur gesehen, dass die Fassade neu gemacht worden war und eine Truppe Gärtner das wilde Gestrüpp entfernten.
Liberty schüttelte den Kopf: „Nope, Scarlett macht nun einen auf Scarlett O'Hara und hat Mom erzählt, dass sie mit ihrer neuen großen Liebe in Paris ist." Sie schnaubte: „Dort kann sie bleiben. Die dämliche Kuh weigert sich mir etwas mitzubringen. Ich soll mir das Zeug bestellen, als sie darum zu bitten etwas zu finden, was mir gefallen könnte."
So lange ich denken konnte, herrschte zwischen den Schwestern Zwist. Liberty feierte drei Tage, als Scarlett endlich auf die NYU ging. Ab und an schnüffelten wir uns heimlich durch Scarletts riesigen begehbaren Schrank. Wir liehen uns Taschen, Schuhe, Jacken und mir schwatzte Liberty die Kleider auf, weil sie mir passten. Laut ihr würde ihre Schwester das im nächsten Jahrhundert merken.
Wenn ich das nüchtern betrachtete, dann war ich froh, dass meine Brüder zwar manchmal echte Arschgesichter waren, aber wir uns nicht dermaßen stritten und anzickten. Jason und Max brachten mir immer etwas mit, egal, wo sie waren, und wenn sie nur eine Postkarte schrieben. Sie riefen mich vor großen Prüfungen an und wünschten Glück. Außerdem wusste ich, dass sie mich nur ärgerten und es nicht ernst meinten, wenn sie fies zu mir waren.
Bei Scarlett und Liberty konnte man sich da nicht so sicher sein.
„Also, was meinst du, wer zieht nun ins Haus der Verdammten?", mutmaßte Liberty zum 100sten Mal und plapperte die Fakten über das Haus herunter, die wir sowieso schon wussten. „Wer würde sich ein weißes Kolonialgebäude kaufen? Abgesichert, mit einer kurvenreichen und privaten Einfahrt? Tante Amber sagt immer, dass es ein klassisches Hollywood-Filmstarheim wäre und Marlon Brando dort gewohnt hätte."
Das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Das gesamte Grundstück besaß einen halben Hektar Fläche, das waren gute 5000 Quadratmeter. Laut Libertys Tante gab es einen Pool und man konnte über die Stadt sehen, sogar bis zum Meer.
Meine Eltern hätten das Grundstück sehr gerne gekauft, aber der Besitzer trieb den Preis noch einmal unanständig in die Höhe und ab da war mein Dad aus Prinzip raus. „Ich wette, es ist eine alte Lady, mit ganz vielen Liebhabern, die sich hierhin zurückzieht", orakelte ich.
„Nein", sprach eine rauchige Stimme hinter uns und mir fiel fast das Fernglas aus der Hand. Mrs Coleman musterte uns belustigt. Sie war so klein wie Liberty, hatte wilde blonde Locken und trug ihre Klamotten für den Yoga-Kurs, zu den auch meine Mutter sonst ging.
Sie stellte eine kleine Platte mit Sandwichs ab und lächelte: „Ein netter junger Herr wird dort einziehen. Er war heute morgen schon hier und hat sich für den Lärm entschuldigt, den die Bauarbeiter eventuell machen und uns zu der Einweihungsparty eingeladen."
Irgendwie war ich prompt enttäuscht, während Liberty begierig wissen wollte: „Wie sieht es aus, was für einen Eindruck macht er und wann ist die Einweihungsparty?"
„Wie soll er schon aussehen? Ganz normal, ihm wachsen keine grünen Fühler aus der Stirn", Mrs Coleman rollte mit den Augen. „Er ist freundlich, höflich und hat, wie es scheint, Manieren, sonst wäre er nicht selbst vorbeigekommen."
Enttäuschend. Kein Rockstar, keine alte Hollywoodlady und keine Ariana Grande.
„Die Party ist Übermorgen und wenn ihr möchtet, dann könnt ihr hin. Es wäre mir sogar lieber", gestand Mrs Coleman. „Dein Vater und ich sind über Nacht beruflich in Santa Barbara und sowohl die Skipjacks, als auch die Conways sind im Urlaub. Es wäre unhöflich, wenn nicht einer seiner Nachbarn zur Einweihungsparty kommen würde."
„Das ist wahr!", stimmte Liberty überschwänglich zu und nickte heftig. „Wir machen es!"
Gefragt wurde man nicht. Aber ehrlich gesagt war ich zu neugierig, als auf das Detail hinzuweisen. Mrs Coleman schien erleichtert: „Sehr schön. Ich werde ein Geschenk liefern lassen, dazu eine Karte schreiben und es euch in die Küche stellen. Ihr seid wirklich zwei kleine Schätze."
Mit jeder Menge Hintergedanken.
Kaum war Mrs Coleman zum Yoga verschwinden, da fuhr Liberty so schwungvoll aus ihrem Gartenstuhl, dass ich mich prompt mit Eistee vor Schreck bekleckerte.
„BonBon-"
„Nenne mich nicht so!", unterbrach ich sie sofort. Was für ein furchtbarer Spitzname.
„-das ist unsere Chance!"
Wofür?
Meine beste Freundin las förmlich in meinem Gesicht: „Die Chance für eine Party, auf der wir Alkohol trinken können und niemand auf die Idee käme uns nach unseren Ausweis zu fragen."
Ruhig sah ich sie an: „Du hast recht, du hast wirklich zu viel Salzwasser getrunken, oder du warst zu lange in der Sonne. Eines von beidem."
„Nein, nein, nein, überlege mal, uns kennt da keiner. Das heißt, wir sagen einfach wir wären 21, wenn uns jemand fragt und alles ist easy. Wir feiern quasi mit Erwachsenen und je nachdem wie der Typ drauf ist, wird das vielleicht sogar richtig cool", ihre Augen begannen zu glänzen. „Ich meine, der Kerl muss ordentlich Asche haben, sonst hätte er sich das Haus der Verdammten nicht kaufen können. Der feiert todsicher eine richtige Party!"
„Hältst du das nicht ein bisschen für riskant? Ich meine, hier kennt jeder seine Nachbarn. Es wird rauskommen, dass du erst 16 bist. Irgendwann zumindest", wies ich sie darauf hin. Aber das interessierte Liberty nicht groß, sie winkte ab: „Pff, und wenn schon! Bis dahin ist der Alkohol schon dreimal getrunken und ausgepisst worden. Komm schon BonBon. Das wird richtig cool. Maria kommt eh nicht mit. Niemand der uns ins Gewissen flüstert und wir werden richtig Spaß haben. Sollte es scheiße sein, dann gehen wir einfach."
Ich sah sie schweigend an, schließlich seufzte ich: „Okay, gut. Ich denke zwar, dass man uns an der Nasenspitze ansieht, dass wir erst 16 sind, aber ein Versuch ist es wert."
„Und ich habe den perfekten Plan, damit genau dies nicht passiert", behauptete Liberty.
Damit machte sie keine leeren Versprechungen. Sie hatte tatsächlich einen Plan und den setzte sie am nächsten Tag direkt um. Eiskalt schwindelte sie Maria etwas vor, dass wir weiter das Haus der Verdammten stalkten und sie hatte direkt keine Lust mehr den Tag mit uns zu planen. Also gingen wir zu Predi- und Maniküre und ich leistete ihr beim Frisör Gesellschaft. Die Platinblonde Mähne musste schließlich in fähige Hände.
(„Böses, böses Meer!")
Zwischendurch ertrug ich Jude beim Eisessen und die Schmachtblicke, die Liberty ihm zuwarf. Jude erzählte etwas von einem Wochenende, das er mit seinen Freunden mit campen verbringen wollten. Ab da hatte er meine Aufmerksamkeit. Denn wenn ich mir eines nicht vorstellen konnte, dann Liberty, wie sie in einem Zelt schlafen wollte und Insekten aushielt. Dann kein Bad in Reichweite, keine Dusche und wer wusste, ob man dort sein Handy aufladen konnte.
Hart schluckte meine beste Freundin und meinte dann tapfer: „Für so etwas bin ich keine gute Begleitung."
„Wenn ich wieder da bin, dann können wir für den Anfang ja in eurem Garten ein Zelt aufbauen und du wirst feststellen, dass es gar nicht so übel ist", schlug Jude vor.
Eher würde die Hölle zufrieren.
„Wenn du das machst", beteiligte ich mich, „dann will ich das als Video haben."
Wütend trat Liberty mich unter dem Tisch und funkelte mich wütend an. Sobald Jude uns bei Liberty zu Hause abgesetzt hatte, da hob sie die Hände zum Himmel: „Campen überlebe ich nicht!"
„Tja, da hilft nur eines, Schluss machen", riet ich ihr trocken. Statt darauf einzugehen, ignorierte sie mich und zog mich in Scarletts Zimmer.
Ohne Hemmungen öffnete Liberty die Tür zum begehbaren Schrank. „Ich habe mir ganz genau Gedanken darüber gemacht, was wir anziehen sollten. Hier!" Sie hielt mir ein dunkelblaues Wickelkleid mit weißen Punkten vor die Nase.
„Das...", ich blinzelte, „... ist irre kurz." Ich würde aufpassen müssen, wie ich mich hinsetzte.
Liberty grinste breit: „Ich weiß, aber du hast so schöne lange Beine, BonBon, da wird man kaum einen Gedanken an sein Alter verschwenden. Und weil du sowieso schon so groß bist, dachte ich an flache Sandalen."
Ich kam in die Hölle, wenn Scarlett jemals rauskriegen sollte, dass ich ihre Klamotten, Schuhe und Taschen benutzte. Nur leider hatte ich keine Michael Kors-Handtaschen. Ihr Kleid passte mir ziemlich gut, die schmalen Sandalen auch. Trotzdem schluckte ich, als ich im Spiegel sah, dass das Kleid ganz knapp über meinen Arsch endete. Da musste sich nur ein Windhauch falsch verirren. Das war nicht unbedingt mein Ding, aber als ich den Blick meiner besten Freundin sah, da nahm ich mir vor ihr diesen blöden Gefallen zu tun.
Am Ende beschloss sie noch, dass es zu langweilig war mit mir einen Clou zu starten und dann war ich abgemeldet und Camping plötzlich das neue LA-Must-have. Voller Vorfreude machte sie mir am nächsten Tag die Haare und bestand auf diese albernen Beachwaves. Dann machte sie mir ein Make-up und ich erkannte mich zum Glück noch selbst im Spiegel.
„Achte darauf, dass du immer die Beine übereinander schlägst, wenn du dich hinsetzt", riet sie mir, während sie sich selbst fertig machte. Ich mochte das hellrote Kleid an ihr, mit den breiten Trägen und den großen Knöpfen. Jude würde es auch mögen, denn es versteckte nicht eine Kurve an ihrem Körper. Die Pumps machten sie ein paar Zentimeter größer und als sie den roten Lippenstift benutze, da staunte ich nicht schlecht.
Wie 16 sah sie auf keinem Fall mehr aus.
Stolz betrachtete sie mich ebenfalls: „Ich hätte nie gedacht, dass bei dir ein wenig Make-up und andere Kleidung einen ganz anderen Menschen aus dir machen würden. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass du so groß bist. Gut, dass ich Scarlett oft genug dabei beobachtet habe, wie sie sich schminkt."
Liberty griff nach ihrer kleinen Handtasche und füllte sie mit allerhand Zeug, das sie für wichtig hielt. Dann klatschte sie in die Hände und strahlte mich an: „Versprich mir, dass du dir Mühe gibst! Wenn wir heute durch die Party kommen und niemanden etwas auffällt, dann verspreche ich dir, dass ich den gesamten Sommer dein Taxi spielen werde, egal wo du auch hin willst."
„Ich nehme dich beim Wort!", schwor ich ihr und plötzlich änderte sich meine gesamte Motivation. Das Taxi könnte ich nutzen, um Jude ordentlich ins Handwerk zu pfuschen. Von meinen fiesen Hintergedanken nichts ahnend, schritt Liberty in die Küche und stöhnte.
Ihre Mutter hatte als Einweihungsgeschenk einen schweren Korb bestellt, mit allerhand Kram drin. Eine gute Flasche Wein, Champagner, Kaviar, Delikatessen und was man sonst noch an unnötigen Klimbim brauchte. Jeder schien in LA immer nur irgendetwas zusammen stellen zu lassen.
„Ich übernehme das", sprach ich und hob das schwere Ding hoch.
„Danke, BonBon", flötete sie, doch bevor sie die Küche verlassen konnte, bestand ich darauf: „So nennst du mich heute nicht! Bitte, unter uns ist das okay, aber wenn wir auf diese Erwachsenen-Party gehen, dann sind wir enttarnt, bevor du Surfbrett sagen kannst."
„Da hast du recht", gab Liberty zu und schnippte überschwänglich mit den Finger: „Ich nenne dich Blair, weil... Bonnie klingt auch nicht sehr erwachsen und Bernadette..."
„Zu altbacken", ich nickte und besiegelten den Deal mit einem ultra coolen High Five. Für heute war ich Blair ohne Nachnamen, 21 Jahre alt, mit ständig übereinander geschlagenen Beinen und bereit für Alkohol.
„Wir können das Verbindungstor im Garten benutzen, hat Mom gesagt. Der Neue hat es öffnen lassen, wir sparen uns also die Wanderung um das gesamte Grundstück und dem Jakobsweg seiner Einfahrt hoch", erzählte Liberty und ging voran. Ich folgte ihr um den Pool, weiter durch den Rosengarten und schließlich blieben wir vor dem Tor stehen, das mit seinem geschwungenen Bogen aussah, wie aus dem Auenland.
Tief atmeten wir durch.
„Diesen Abend werden wir ganz sicher nie vergessen", kicherte Liberty begeistert. „Ein großes Abenteuer wartet auf uns."
Was ich da noch nicht ahnte?
Sie hatte recht.
Dieser Abend änderte ganz plötzlich alles.
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