19 Auf Wolke 5 ¾.





★☆★

【 B O N N I E 】




Ich fühlte mich wohl. Richtig wohl und das lag nicht nur daran, dass ich mich in mein Essen hineinsetzten hätte können. Niall hatte für mich Pozole, einen mexikanischen Eintopf bestellt. Dazu gab es Tortilla-Chips und Dips.

Einträchtig schwiegen wir beim Essen und daran änderte sich auch nichts, als Niall vorschlug beim nächsten Mal, wenn wir essen gingen, nur die Nachtischkarte zu bestellen.

Mein Hals wurde ganz trocken. Nicht, weil ich ganz heiß auf den Nachtisch war, sondern weil Niall von selbst davon ausging, dass es ein nächstes Mal gab.

„Ich bin so voll", beschwerte sich Niall als wir zu seinem Auto schlenderten. Er hatte für uns das Essen organisiert und ich ließ ihn Stein und Bein schwören, dass die nächste Rechnung auf mich ging. Daraufhin winkte er nur locker ab. Ich stolperte hinter ihm her und setzte mich schließlich schwungvoll ins Auto. Mittlerweile war es dunkel und nach 22 Uhr.

Granny wusste Bescheid, dass ich später kam. Sie selbst war unterwegs und hatte mich lediglich darum gebeten einmal bei ihr durchzuklingeln, wenn ich wieder zu Hause war. Meine Mom hätte mir etwas ganz anderes erzählt, besonders bei einem Date. Aber Granny schien das lockerer zu nehmen und mein schlechtes Gewissen, das irgendwie auszunutzen, wurde immer kleiner. Denn es war okay.

„Warum seufzt du so tief?", fragte Niall irritiert nachdem er sich angeschnallt hatte. Ich hob die Augenbrauen und stellte fest, dass ich das gar nicht bemerkt hatte. Dann gestand ich: „Ich bin sehr froh, dass der Abend heute so gut gelaufen ist, irgendwie bin ich sogar richtig erleichtert."

Langsam nickte er: „Ja, ich auch. Als wäre so ein riesiger Elefant, der sich immer im Raum befunden hat, endlich weg."

Oder ein Geheimnis, das nicht da sein sollte. Zumindest von meiner Seite gab es eines weniger. Trotzdem hatte gerade dieses etwas Befreiendes.

Niall lenkte den Wagen auf die Straße, die Playlist von Lewis Capaldi lief und er trommelte mit den Fingern sanft im Takt zur Musik auf den Lenker. Ich war absolut entspannt und immer wieder warf ich einen Seitenblick auf ihn.

Der Drang mit den Fingerspitzen durch diese weiche Wuschelmähne zu gehen, war sehr groß. Doch ich widerstand der Versuchung und lief knallrot an, als Niall mich erwischte, wie ich ihn musterte. Er grinste jedoch nur und ließ mich stumm 100 Peinlichkeitstode sterben.

Während Lewis weiter vor sich hinsinnierte und wir an einer Ampel hielten, da durchbrach Niall die Stille.

„Ohne jetzt unsensibel zu klingen, aber du hast schon vor Sex zu haben, ja?"

Ich konnte darauf nicht antworten, denn ich hatte keine Ahnung, wann und wie es passieren sollte. Prompt fühlte ich mich wieder unter Druck gesetzt und ich hörte Niall schwer seufzten.

„Ist schon okay, Blair. Mein Fehler, ich meine, so etwas kann man ja echt schlecht auf dem Stehreif sagen." Er lächelte angestrengt. „Es ist nur, ich würde gerne irgendwann mit dir schlafen."

Mein Herz explodierte vor Aufregung und Scham, doch er sprach darüber, als wäre das Thema nichts Heikles, sondern das Normalste der Welt.

„Das hat nichts damit zu tun, dass ich dich unter Druck setzten möchte, im Gegenteil, das was du nicht willst, das werde ich niemals machen." Niall rutschte nervös auf seinem Platz hin und her. „Das einzige, was ich möchte, ist wissen, wozu du überhaupt bereit bist."

Hart schluckte ich: „Wie wäre es mit so einer Step-by-Step-Version? Weil, ich glaube direkt das volle Programm wäre mir etwas zu hoch."

„Step-by-Step klingt gut", fand Niall und ich wünschte, ich würde so entspannt bleiben, wie er. Stattdessen kribbelte mein gesamter Körper. Alleine nur bei der Vorstellung tatsächlich eine Base nach der nächsten mit Niall zusammen zu erobern.

Er brachte mich nach Hause und als sein Range Rover vor dem Tor hielt, da hatte ich die Hand schon an der Autotür und sprach: „Ich melde mich wegen dem Surfen und-"

„Wirklich Blair?", unterbrach Niall mich. „Das hatten wir doch schon. Du springst hier nicht wieder raus, als wäre der Teufel hinter dir her. Sag vernünftig bye, so viel muss drin sein, nachdem ich dich zum Essen eingeladen habe."

Meine Hand löste sich vom Türgriff und ich rutschte näher zu Niall. Mehr musste ich schon nicht tun, denn er reagierte scheinbar instinktiv. Seine Finger verirrten sich in mein Haar, er beugte sich vor und im selben Augenblick, als sein Atem meine Haut streifte, da glitt ein wohliger Schauer über meinen Rücken.

Niall zu küssen war unglaublich aufregend, mächtig intim und etwas, was ich den Rest meiner Woche lang tun könnte. Die Art, wie sich seine Lippen gegen meine bewegten, seine Zunge gegen meine stupste und er doch niemals den Kopf zu verlieren schien, machte mich so an, als würde ich von innen heraus brennen.

Eine brutale Sucht floss durch meine Adern und ich bemerkte nicht, wie er mich von dem Sitz schob und ich ungeschickt näher zu ihm gezogen wurde. Mit einer Hitzewallung im Körper, die mich verbrannte, saß ich schließlich auf seinem Schoß. Nialls Hände strichen über meinen Rücken und hinterließen eine Spur aus prickelnder Haut.

Tief atmete ich seinen Geruch ein, ließ meine Finger durch sein weiches Haar gleiten und glaubte zu ertrinken, wenn ich aufhören würde ihn zu küssen. Niall presste sich näher zu mir, meine Beine schliefen ein, aber das war mir egal.

Erst als ich mich keuchend nach Luft schnappend lösen musste, da merkte ich, wie nah ich Niall war. Unsere Oberkörper wirkten als würden wir miteinander verschmelzen. Es beflügelte mich festzustellen, dass auch Niall die Luft ausgegangen war. Ihn so zu sehen, so zerwühlt und aufgeheizt, das machte etwas mit mir.

Ich fand den Anblick... scharf.

Scheiße!

Wieso dachte ich so etwas?

Niall lehnte sich zurück, brachte wieder Abstand zwischen uns und schien seinen Puls beruhigen zu wollen. „Okay", sprach er gedehnt. „Ich melde mich bei dir, wenn ich einen Überblick über meinen Kalender habe."

„Wegen dem Surfen", sprach ich dümmlich und er nickte: „Wegen dem Surfen."

Er strich mit seinen Händen von meinem Rücken zu meiner Hüfte und verweilte dann dort. Wurde Zeit sich herunter zu kühlen, weshalb ich die Fahrertür aufstieß und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Kindisch, aber ich konnte nicht widerstehen.

„Danke für's Essen, wenn wir surfen, dann geht das Futter danach auf mich." Sehr umständlich schaffte ich es von Nialls Schoss zu klettern, ohne mir dabei einen Muskel zu zerren.

Abschiede dieser Art waren merkwürdig. Er wartete tatsächlich, bis das Tor hinter mir wieder zu ging und ich, nachdem Rambo mich begrüßte, die Tür hinter mir schloss. Erst dann fuhr Niall, und ich konnte nicht anders, als völlig überdreht tief zu seufzten.

Was für ein schöner Abend!

Schade, dass ich dies nicht mit jemanden Teilen konnte. Liberty war noch immer sauer auf mich und Maria wollte, dass wir uns aussprachen. Sie hielt es nicht für gut, wenn Niall jetzt schon für Stress zwischen uns sorgte.

Es war mein Fehler, ich hatte Liberty – oder eher Jude – nicht gut behandelt. Also würde ich mich anders entschuldigen, denn die Nachricht per WhatsApp hatte keine Reaktion ihrerseits gebracht.

Am nächsten morgen fuhr ich mit dem Skateboard zur Nachhilfe und kaufte auf dem Hinweg eine große Pizza aus Süßigkeiten. Der Karton sah aus wie echt und ich ging achtsam mit ihm um, damit ich das es-tut-mir-leid-Geschenk unbeschadet bei ihr abliefern konnte.

Vorher ließ ich mich von Riley quälen. Mr Homecoming-King genoss seine Rolle als Boss.

„Tust du so doof oder bist du es tatsächlich?"

Er war verletzend und ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich Wuttränen herunterschlucken musste. Kaum hatte ich die Gleichung richtig ausgerechnet und Riley kontrollierte die Aufgaben. Knapp nickte er, dann zerriss er meine Rechnungen und meinte: „Gut, noch einmal von vorne."

Ich hasste ihn innig. Aber Riley war gut, er sorgte dafür, dass ich mich sicherer fühlte, Gleichungen verstand und nicht mehr glaubte, dass Mathe russisches Roulette war. Sprich, mal ging die Rechnung auf und mal nicht.

Zum ersten Mal erkannte ich Schemas und Muster bei den Aufgaben. Gedemütigt und völlig ausgelaugt legte ich nach den zwei Stunden meinen Kopf auf den Tisch im Diner DeLuca. Das wars, für heute wollte ich nicht mehr denken.

Ich hörte Papier rascheln und eine Bedienung stellte einen Erdbeermilchshake neben meinem Kopf ab. Riley, der verdammte Gott meiner High School sah meine Aufgaben erneut durch. Ich wünschte ihm sämtliche Geschlechtskrankheiten der Welt an den Hals, zumindest bis ich sah, wie er die Rechnung unserer Getränke übernahm und seine verfluchten Pancakes selbst bezahlte.

Riley bemerkte meinen irritierten Blick: „Du hast echt ein Gedächtnis wie ein Sieb. Ich sagte bei unserem ersten Treffen, dass ich zahle, wenn du mehr als 60% der Aufgaben richtig löst und heute hast du bewiesen, dass du Lineare Gleichungssysteme im Schlaf löst. Es waren 92% richtig."

Die letzten Male hatte immer ich jeden Dollar übernehmen müssen, deshalb entwich mir nun ein zurückgebliebenes: „Was?"

„Nächstes Mal fangen wir mit Polynomdivision an", teilte er mir mit. „Jetzt kühl deine rauchende Birne ab und versuch nicht alles wieder zu vergessen."

„Rauchende-!"

„Jap, man sieht förmlich, wie überfordert die Rädchen in deinem Hirn sind", knallte er mir unhöflich entgegen und kämpfte sich auf die Beine. Cool schulterte er seine Tasche und ich bemerkte, dass er auf der anderen Seite des Diners seine Barbie-Freundin ausgemacht hatte.

Na dann sollte er mal zu seiner Super-Bombo-Tussi abhauen. Ich würde mich mit meinem Milchshake betäuben. Gerade wollte Riley loszustürzen, als er noch einmal innehielt und mich fragte: „Rollst du mit dem Ding nur oder skatest du richtig?" Er nickte auf mein Skateboard.

„Ne du, ich trage es nur spazieren, weil es lässig aussieht", konterte ich und er rollte mit den Augen. Endlich ließ er mich allein. Diese Strafe meiner Mutter von wegen Nachhilfe, sie hätte mich auch gleich auf den elektrischen Stuhl setzten können.

Der Tag war nicht meiner und er wurde auch nicht besser, als ich bei Liberty vorbeifuhr. Schon an der Tür fing mich Mrs Coleman ab. Bedauernd teilte sie mir mit: „Libby ist nicht zu Hause. Sie ist mit Pearl ein wenig Taschengeld verprassen."

Mit anderen Worten, shoppen. In meinem Magen formte sich ein bitterer Knoten, denn ich kannte Pearl. Liberty hatte selbst einmal gesagt, dass sie unsere Mitschülerin gähnend langweilig fand, aber mit ihr befreundet war, weil ihr das unaufregende Mädchen ein wenig leid tat.

Ich hatte es allerdings auch irgendwo verdient, dass Liberty sauer auf mich war. Was hatte ich erwartet, dass sie zu Hause saß und darauf wartete, dass ich mich entschuldigte? Nein, natürlich nicht.

Geknickt überreichte ich Mrs Coleman die Süßigkeitenpizza in XL und bedankte mich bei ihr. Dann setzte ich mir wieder den Helm auf und überlegte, was ich mit den angefangenen Tag machen könnte.

Der Skaterpark würde mich ablenken und mir war danach mich zu bewegen. Heute war es nicht so heiß, wie in den Tagen davor und es war Dienstag, sprich, der Platz war nicht überfüllt. Ich hatte tatsächlich recht, denn als ich im Crash-Gun-Park ankam, eine Skaterlandschaft, die ihre besten Tage schon hinter sich hatte, da waren nur vereinzelt BMX-Fahrer oder Leute mit Inliner unterweg.

Jede Fläche war besprayt worden, hier und da stand ein überfüllter Mülleimer und hohe trockene Bäume spendeten Schatten. Zum aufwärmen nutze ich erst die kleineren Hindernisse. Vorab schloss ich meinen Rucksack bei den Spinden und Toilettenhäuschen ein und prüfte, ob mein Schutz ordentlich war.

Aufgeschürfte Knie und Handflächen taten mehr weh und waren die Coolnes nicht wert, ohne zu skaten. Ich hatte die Erfahrung mit zwölf machen müssen, als ich meinen Brüdern und all den coolen harten Skatern etwas beweisen musste.

Heute musste ich das nicht.

Gelassen und ohne Druck nutze ich die ganz kleinen Rampen, die wie Wellen waren. Für den Einstig war es wichtig sich warm zu machen und Abstand und Geschwindigkeit gut einschätzen zu können. Danach jumpte ich die Treppen mit dem Skateboard und als ich sicher war, ohne Schwierigkeiten das Gleichgewicht halten zu können und mich im Falle eines Sturzes fachgerecht abfangen zu können, da sah ich mich nach einer Rampe um, die ich ohne Zusatzgefahr befahren konnte.

Es gab nichts aufregenderes, als eine Rampe zu besteigen und zu wissen, dass man gleich mit einer hohen Geschwindigkeit den Nervenkitzel im Nacken spürte. Immer, wenn ich das obere Ende hochgeklettert war, hielt ich inne. So auch jetzt.

Tief atmete ich ein, positionierte mein Board und konzentrierte mich, studierte die Strecke vor mir und kontrollierte mein Gleichgewicht. Erst, als ich ein gutes Gefühl hatte, da stürzte ich mich auf die imaginäre Welle.

In solchen Momenten hörte ich nichts anderes, als die Rollen unter dem Brett und den Wind in meinen Ohren. Es war ein Spiel in dem es darum ging geschmeidig und anpassend zu bleiben. Von einer Klippe brauste ich zur nächsten und ich hatte das Gefühl zu tanzen, nur in Zeitlupe.

Ich genoss das aus vollem Herzen und für eine kurze Zeit rückte alles in den Hintergrund. Die Nachhilfe, der Streit mit Liberty, das schlechte gewissen gegenüber meiner Granny, die Lügen die ich Niall auftischte, der Druck wie 21 zu wirken, einen Plan für nach der Schulzeit zu finden... und dann gab es ja auch noch das Versprechen sich ehrenamtlich zu engagieren.

All das konnte ich für einen Augenblick ausblenden.

So lange, bis ich merkte, dass meine Konzentration nachließ und ich an einem Ende der Rampe hielt und dafür sorgte, dass ich oben sicher landete. Sobald meine Füße wieder festen Boden unter sich spürten, da taumelte ich.

Manchmal war es, als hätte man Tempo aus meinem Leben genommen, oder die Slow-Taste gedrückt. Dabei war das hier nur die Normalität. Ich merkte, dass ich heftig atmete und mein Puls sich beruhigte. Das Adrenalin schüttelte sich immer noch aus und ich glaubte berauscht zu sein.

Ein wenig so, als würde ich Niall küssen, und doch wieder anders.

„Verdammt!", murmelte ich. Denn wie gerne würde ich einmal an Niall denken, ohne dabei im Hinterkopf haben zu müssen, dass ich bei ihm 'Blair' war. Vorsichtig setzte ich mich auf den Rand der Rampe und sah über den Skaterplatz. Weiter hinten konnte man das Meer sehen.

„Surfen", murmelte ich. Vorfreude machte sich breit. „Das wird toll werden." Und ich würde dafür sorgen, dass Niall es mochte.

Dabei hatte ich zwei Dinge vergessen.

Ich konnte nicht an meinem üblichen Platz mit ihm surfen. Man würde mich erkennen und es käme nicht gut, wenn man mich Bonnie nannte. Denn ganz sicher liefen wir dort Bekannten aus der Schule über den Weg. Zweitens, ich hatte keinen Badeanzug oder Bikini, der nicht entweder niedlich oder extrem sportlich war.

Was ich brauchte war irgendetwas dazwischen.

Ich seufzte tief: „Toll..." - eher nicht.

Das hieß, ich musste shoppen und dieses mal konnte ich weder Granny, noch Liberty um Hilfe bitten. Es wurde Zeit das alleine hinzukriegen.


- - -


Guten Abend oder guten Morgen, je nachdem, wann ich euch erwische ;)

Endlich ist es geschafft, Zwischenkapitel ziehen sich schreibtechnisch immer ein wenig. Aber es war nötig, weil ich möchte, dass sich Bonnies Leben nicht nur um Niall dreht. Das hat mich bei Bella & Edward immer sehr gestört. Weiß überhaupt noch jemand, wer die beiden sind? XD

Was ist eure liebste Pizza? 

Ich kann mich nie entscheiden, alle, außer Thunfischpizzen sind toll! x) Hätte nie gedacht, dass ich das echt mal sage. Vor zwei Jahren mochte ich Pizza nicht einmal besonders und jetzt könnte ich sie immer essen.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top