17 Doktor, Doktor Styles.


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【 N I A L L 】




Der größte Fuchs unter meinen Freunden war Harry.

Während er der ganzen Welt vorgaukelte, er habe sein Haus in Los Angeles verkauft, hatte das Schlitzohr zu diesem Zeitpunkt bereits wieder eine neue Bleibe. Eine Bleibe, wo er ganz für sich sein konnte.

Mir war bis heute ein Rätsel, warum sich jede Presse, egal welchen Landes, sich auf ihn stürzte, wie Geier auf Beute. Harry hatte nie etwas getan, um sie herauszufordern. Er wollte nur immer schon sein künstlerisches Dasein ausleben.

Ich mochte Harrys neues Zuhause sehr. Zumindest auf den Fotos und was er mir so erzählte. Malibu Beach war schön und ich dachte mir nichts dabei, als er vorschlug mich an einem Nachmittag abzuholen und wir den Abend bei ihm ausklingen ließen.

Die Super Nintendo – Nacht mit inbegriffen.

„Niall", Harrys Stimme klang geduldig, als würde er mit einem Kleinkind reden. „Komm schon, Mann. Steig wieder ein."

Neben mir rollte er in seinem schwarzen Mercedes-Benz Pagode Cabrio lang und lenkte sportlich mit den Knien. Ich schob mir die Sonnenbrille mit dem Mittelfinger höher auf die Nase.

Ich war so sauer, dass ich platzen könnte.

Gut, ich war viel angepisst. Dass das nicht gesund war, wusste ich selbst. Aber dieses siedend heiße Gefühl überkam mich einfach. Genauso wie vor zwanzig Minuten, als ich im Foyer eines hundert Sterne-Psychologen gegen den Mülleimer getreten hatte.

Der Blecheimer hatte nun ein oder vielleicht auch vier Dellen. Im Nachhinein hoffte ich, dass die Glastür hinter mir nicht in tausend Teile gesprungen war. Aber als ich begriff, wohin Harry wirklich den kleinen Abstecher mit mir machte und das listig und dreist, da war bei mir eine Sicherung durchgebrannt.

„Hör mal, irgendwann musst du mit mir reden", sprach Harry gelassen. „Du kannst schlecht den Weg bis nach Hause laufen, zumal das sowieso die falsche Richtung ist und du laut Google Maps zwei Tage brauchst."

Ich biss mir so fest auf die Unterlippe, dass ich Blut schmeckte. Wenn ich die Hände noch fester zu Fäusten ballte, dann starben sie mir bald ab. Aber ich konnte nicht anders. Mir war, als würde ich von innen heraus brennen und ich wusste, dass dieses Gefühl ungesund war.

„Niaaaall", nervte Harry mich weiter. „Tut mir leid, dass ich dich überlisten wollte, aber ich hatte doch echt nur dein Bestes im Sinn. Und sag mir nicht, alle würden wissen, was das Beste für dich ist. Oh, ich vergaß, du sprichst ja mit niemanden mehr."

Ich war versucht schneller zu gehen, aber Harry brauchte nur etwas mehr Gas geben und hätte mich schon eingeholt.

Harry seufzte: „Kumpel, du brauchst Hilfe, wenn du nicht irgendwann auf sämtlichen Klatschblättern zu sehen sein willst, wo du irgendjemanden eine Axt in den Kopf jagst. Bist du es nicht manchmal leid immer so wütend zu werden?"

„Manchmal", presste ich hervor.

„Dann wäre es doch echt besser, du würdest etwas dagegen tun", sinnierte Harry gelassen. „Du könntest regelmäßig Aerobic machen."

„Nein!"

„Yoga?"

„Willst du mich verarschen?"

„Nein, aber du könntest dich jetzt auch mit der Titanic streiten, wer von euch tiefer gesunken ist."

Nun blieb ich kurz stehen und schnaubte laut. Mir reichte es, ich beschleunigte meine Schritte und stampfte weiter die unendliche Landstraße entlang. Harry folgte im Auto und redete weiter: „Niall, deine Aggression wird nicht von Provokation ausgelöst, das ist doch schon einmal eine gute Nachricht, sondern durch Frustration und da können wir doch dran arbeiten. Dafür müsstest du jedoch bereit sein endlich einzusehen, dass du dieses Problem bearbeiten musst."

Ich musste gar nichts!

„Du bist echt kindisch", fand Harry gelangweilt und ich blieb stehen, fuhr zu ihm herum, um ihn in die Luft zu sprengen, doch völlig überraschend erwischte mich ein Schwall Wasser. Meine innere Temperatur ging von 100 prompt auf Minus 15.

Harry hielt das Auto an und stieg aus: „Man sieht förmlich, wie du dampfst."

„Ha, ha", entwich es mir und ich schüttelte mich. Mit dem Saum des Shirts rieb ich mir über das Gesicht und bemerkte, dass mein Kumpel sich gegen seine Karre lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.

Seine Miene war ernst: „Ich weiß, dass ich dich nerve. Das tut mir leid und gleichzeitig auch nicht. Im Grunde mache ich mir nur Sorgen um dich. Eigentlich hatte ich gehofft, dass dir Aerobic gut genug gefällt, damit du weiter machst. Denn Boxen scheint auch nicht so dein Ding zu sein."

Nun holte ich tief und schwer Luft. „Du hilfst mir damit echt nicht, indem du mich zu irgendwelchen Quaksalbern schleppst, von denen ich keine Ahnung habe, wer sie eigentlich sind und was sie vorhaben."

„Doktor, Doktor, Professor Jurgensmeyer ist in seinen Kreisen ein hoch angesehener Psychologe, der sich mit dem Krankheitsbild Aggression auseinandersetzt", erklärte er mir monoton. Dazu schwieg ich eisern, bis ich die Stirn runzelte: „Er ist ein Doktor, Doktor? Das geht echt?"

„Scheinbar", Harry zuckte mit den Schultern, wir sahen uns an und dann mussten wir lachen. „Klingt bescheuert", gab er zu. „Ist, als würde ich mich mit Mr, Mr Styles vorstellen."

„Du stellst dich nie mit Nachnamen vor", wies ich ihn darauf hin. Selbst seine drei Anwälte duzten ihn, wenn auch zögerlich. Ich ließ meinen Blick über die Einöde schweifen, langsam wurde es beängstigend dunkel und mein Verlangen, Teil eines realen Horrorfilms zu werden, hielt sich in Grenzen.

„Ich hätte mächtig Bock auf ein Bier, eine fettige Pizza und dich bei Mario Kart platt zu machen", sprach ich. „Nebenbei könntest du mit deiner neuen Hütte angeben."

„Pff", machte Harry trocken. „Mit meiner Bleibe kann man das tatsächlich. Deine sieht wahrscheinlich immer noch so aus, als würdest du jeden Tag wieder ausziehen."

„Ganz so schlimm ist es nicht", wehrte ich mich und Harry stieg wieder in seinen Wagen. Wehe, er würde mich noch einmal wo abladen, wo ich nicht hinwollte. Ich ließ mich auf dem Beifahrersitz fallen und als Harry das Auto startete, da fragte er: „Erzählst du mir von der neuen Frau, die du dates?"

„Nein, du weißt wahrscheinlich schon alles von Louis", und ich sollte recht behalten, denn Harry neigte leicht den Kopf: „Er hat richtig fett breitgetreten, dass du im Eden sitzengelassen worden bist. Aber am nächsten Morgen hast du trotz Frust nicht besonders abfällig über sie hergezogen, also gehe ich davon aus, dass du sie weiter triffst und sie aufrichtig magst."

„Was du nicht sagst." Wir wendeten auf der Straße, es gab sowieso kein Gegenverkehr.

„Ist ungewöhnlich für dich. Normalerweise hättest du, wenn es ein kurzes Strohfeuer gewesen wäre, schon wieder genug gehabt. Meistens hält dich guter Sex so zwei Wochen bei Laune und dann-!", er machte eine abfällige Handbewegung und ich konnte es ihm nicht verdenken.

Deshalb gab ich zu: „Du hast recht. Ich mag Blair sehr, sie ist so..."

„Heiß, sexy, aufregend?"

„Nein", winkte ich sofort ab, fast schon erschrocken über so eine Bezeichnung. „Ich meine, ja sie ist schon sexy auf ihre Art und Weise und eher dein Typ, als meiner. Du weißt schon, groß, schlank, Beine bis zum Mond." Ich dachte daran, wie sie sich verzweifelt auf meine Motorhaube warf, wie sie mir ehrlich ins Gesicht schlug, dass sie eifersüchtig sei und wie sie energisch auf mich zu trat und mich küsste.

So aufrichtig, unverbraucht und echt.

„Es ist schwer zu beschreiben, warum sie mir gefällt. Ich kann das nicht erklären, aber wenn ich es kann, dann bist du der Erste, den ich damit vollheule", versprach ich. Harry musterte mich, als wäre ich ein Vollidiot: „Lass mal, ich bin dein bester Freund, ich weiß jetzt schon, wie der Hase läuft."

„Du bist nicht mein bester Freund", nahm ich ihm die Illusion. Doch statt beleidigt zu sein, grinste er nur arrogant: „Ja, glaub das nur weiter. Wir wissen beide, dass Louis und Liam keine Chance gegen mich haben."

Ich diskutierte nicht mit Harry, weil es sowieso nichts brachte. Er blieb in der Regeln bei dem, was er sich dachte. Er lenkte mich den Abend gut ab, hatte eine Bude, die ich ihm jeder Zeit abkaufen würde und ließ sich 18 Runden bei Mario Kart plattmachen.

Am Morgen fand ich Harry bereits sehr früh auf seiner Terrasse, wie er das Meer betrachtete und innerlich und äußerlich absolut ausgeglichen war. Ich beneidete ihn darum, diese Stabilität zu haben. Denn ich fühlte mich morgens immer, als würde ein neuer Kampf auf mich warten und das war kein gutes Gefühl.

Nach dem Frühstück rief ich Sean an und fragte, ob das Angebot, in seinem neuen Restaurant ein Testesser zu sein, noch stand. The40Love war neu und obwohl Sean sich über mangelnde Gäste nicht beklagen konnte, so hatte er zwei Abende in der Woche absolute Privatsphäre auf dem Programm. Demnach kamen dort nur Gäste rein, die vorher reserviert hatten und war die Liste voll, gab es keine Ausnahmen.

The40Love war eine Sportbar, mit Tennisplätzen in der Nähe und Abseits von typischen überfüllten Hauptstraßen. Sean hatte mir mal verraten, dass er vor hatte The40Love zu einem Geheimtipp zu machen. Wie es aussah warf der Geheimtipp jetzt schon genug Kohle ab, um sich stabil halten zu können und die ersten Anfragen dort Geburtstagspartys und Hochzeiten zu feiern gab es auch schon.

Für den Abend reservierte mir Sean einen Tisch in absoluter Privatsphäre und ich schmunzelte. Mein bester Freund seit den Kindheitstagen konnte gut zwischen den Zeilen lesen, denn er versprach, dass ich keine Angst haben bräuchte am Ende in einem Nest aus Kitsch zu sitzen.

Blair freute sich über die Einladung und schwor mir, sie würde versuchen Sean die Haare vom Kopf zu fressen. Die Herausforderung würde mein bester Kumpel sicher annehmen und Blair gewinnen.

Zu Hause machte ich mich fertig und dachte an ihre Worte. Wir würden uns nicht gut kennen und zu wenig übereinander wissen. Normalerweise wollte ich auch nie allzu viele Details von den Frauen, die ich traf. Doch jetzt gab ich Blair nur recht.

Ich wollte ein richtiges Date. Eines, wo ich nicht wusste, wie es enden würde, aber ich sie besser kennenlernte. Wir würden den ganzen Abend haben und wenn Sean uns rauschmiss, dann... würde ich mir keine allzu vielen Gedanken drüber machen. Es sollte nur schön werden.

Dafür, dass ich 25 Jahre alt war, erwachsen und eigentlich so ziemlich alles durchhatte, was unter Dates, Affären, ONS so ging, wollte ich echt simplen Scheiß. Wie ein pickeliger Teenager von 14 Jahren, der schwitzige Hände hatte und schon sein Asthmaspray suchte, nur weil er die Hand seiner Homecoming Queen hielt.

„Verrückt", sprach ich mit mir selbst, zog mir ein altes Hemd über den Kopf und suchte nach passenden Shorts. Es war schon wieder sehr warm draußen und ich wollte The40Love nicht mit Schweiß fluten.

Ein paar Handgriffe gingen in die Haare, ich rasierte mich und betrieb den üblichen Aufwand. Trotzdem sah ich immer wieder in den Spiegel oder nervös auf die Uhr. Der Minutenzeiger kroch quälend langsam vor sich hin.

Viel zu früh fuhr ich los, nahm extra einen Umweg, um die Zeit herum zu kriegen und stand schließlich vor der Adresse. Nervös stieg ich aus und drückte den Knopf für die Klingel. Eigentlich glaubte ich, dass Blair mich am Tor hereinlassen würde, doch dahinter kläffte lautstark eine Ratte.

Ich ging vor dem kleinen Monster in die Knie, das versuchte wegen mir Alarm zu schlagen und einen wirklich erschreckend guten Job machte. „Bleib mal geschmeidig", meinte ich nur und schob mir die Sonnenbrille höher auf die Nase. „Ich pinkle hier schon nicht in dein Revier."

Doch davon ließ sich der kleine Köter nicht beeindrucken. Erst, als Blair aus dem Haus kam und nach ihm rief, da wandte er sich um. Die junge Frau warf einen teuren Lederschuh im hohen Bogen in die Büsche und sofort zischte die Ratte ab.

Hastig eilte Blair auf das Tor zu und ich konnte nicht anders als sie genießend anzusehen. Sie trug ein kurzes Kleid in der Farbe des Meeres und hatte einen Strohhut auf dem Kopf. In schlichten Sandalen, die ihre Füße schnürten, wie Geschenke, wehendem offenem Haar und einem gut gelaunten Lächeln kam sie auf mich zu.

Auf ihrer Nase war noch immer der Sonnenbrand zu sehen, sie schien von der Sonne geküsst und hatte eine dieser runden Taschen dabei, die nun alle Influencer vermarkteten. Ich hatte den Sinn hinter solcher Werbung noch nie verstanden.

„Ich habe ein Loch im Bauch, so groß wie Kanada", begrüßte sie mich überschwänglich. „Denkst du, Sean hat eine große Voratskammer?"

Meine Mundwinkel zuckten: „Und wenn nicht, dann fahren wir einfach zu Wendy's."

Ihre Augen funkelten und ich musste lachen. Sie war verfressen, bis in die Steinzeit. Schwungvoll kletterte Blair auf den Beifahrersitz und als ich den Wagen startete, da bemerkte ich, dass sie mich unverhohlen musterte: „Was ist?"

Gespielt schockiert und rettungslos begeistert legte sie ihre Handflächen an ihre Wangen und sprach: „Du hast das verdammte Hemd aus dem Video von Perfect an! Willst du mich umbringen?"

Prompt sah ich an mir herunter, tatsächlich. „Ich kann es ausziehen und du kannst es dann haben", sprach ich dreist und zwinkerte. Völlig überrumpelt machte sie große Augen: „Jetzt?"

„Hm... nein, besser später nach dem Essen. Weil ich denke, dass Sean es doch lieber hat, wenn man in seinem Restaurant Klamotten trägt."

„Ja, das schätze ich auch", meinte sie nachdenklich und ich lenkte den Wagen durch den Verkehr. „Hast du alle Klamotten aus den One Direction-Videos noch?"

Nun musste ich zugeben: „Nein, ich bin schließlich keine 18 mehr und muss ab und an die Sachen auch aussortieren, sonst würde mein Schrank platzen. Oder ich müsste anbauen. Aber ein paar sentimentale Anfälle haben es irgendwie immer wieder mit in Umzugskisten geschafft."

„Das, was ihr alle in Drag me down getragen habt, fand ich so, so, sooo cool", schwärmte sie. „Das ganze Video ist toll! Und es war doch sicher total abgefahren-", sie unterbrach sich selbst und als ich an einer Ampel hielt, da sah sie mich ernst und besorgt an: „Niall, du musst mich stoppen, wenn ich dir zu viel abdrehe, ja? Ich merke das nicht immer, dass ich aus One Direction eine Religion mache."

Nun musste ich laut und herzlich lachen.

Ich würde dieses verdammte echte Date lieben!

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