14 Eden.



★☆★

【 B O N N I E 】




Mein Herz klopfte bis zum Hals.

Ich hatte das magentarote Kleid angezogen, das Granny mir so großzügig kaufte und Liberty freie Hand gelassen. Ihr Make-up konnte sich sehen lassen, denn mit einem Blick in den Spiegel beruhigte sich mein flatternder Magen.

Keine Ahnung, wieso, aber meine beste Freundin schaffte es spielend leicht mich älter zu schminken, ohne, dass es daneben ging. Eher im Gegenteil, bei ihr saß jeder Pinselstrich. Auch meine Haare hatte sie hübsch in Form gebracht.

Jetzt hielt ich die Clutch wie ein Rettungsanker in den Händen und blickte auf die schwarzen, flachen Sandaletten an meinen Füßen. Ich konnte nicht auf die Straße sehen und es genießen, das Niall uns erneut fuhr.

Der Kloß in meinem Hals explodierte fast, ich war so aufregend, als würde ich gleich einen Mathetest schreiben, von dem meine Zukunft abhing. Ich versuchte zwingend ruhig zu atmen. Niall hatte deine Playlist im Auto laufen und trommelte gelassen auf dem Lenker herum, als er an der Ampel hielt, da fragte er: „Wieso bist du eigentlich so nervös?"

„Hm?", er riss mich völlig aus den wirren Gedankensturm. „Ähm... ich weiß nicht genau warum. Vielleicht... also... ich bin nicht so der Club-Gänger und war auch noch nie im Eden." Das war zumindest nicht gelogen.

Den einzigen Club, den ich je besuchte, war auf einer Geburtstagspartyeiner Klassenkameradin. Mckenna mietete damals das Bootsy Bellows und wir fühlten uns auf ihren 16ten Geburtstag ganz erwachsen, weil wir dort echten Champagner und alkoholfreie Bowle trinken durften.

Niall lachte: „Dann wird dir das Eden gefallen. Ich bin sicher, wir werden Spaß haben."

Da stellte sich die Frage was genau in einem Club so lustig war. Liberty, Maria und ich hatten genug Filme gesehen, in denen die Mädels in solchen Discos tanzen ging und sehr amüsant sah das alles nie aus.

Sicher lenkte Niall den Range Rover schließlich von der Hauptstraße und dann lernte ich zum ersten Mal, dass Prominente die Extrawurst in unzähligen Situationen bekamen. So auch jetzt. Denn wir fuhren in ein privates Parkhaus, das mir nicht einmal aufgefallen wäre, wenn ich dran vorbeigelaufen wäre.

Unter der Erde konnte Niall seinen Wagen sicher abstellen und meldete ihn an. Einige dicke Schlitten säumten den Weg zum Glückeingang und als ich die Treppe nach oben sah, da schluckte ich hart und blieb stehen.

So, wie ich es einstudiert hatte. Ich kam mir fast vor, wie bei einem Theaterstück und eigentlich war es auch genau das.

Irritiert hielt Niall inne: „Was ist los?"

Ich tat, wozu mir Liberty geraten hatte und sah in meiner Clutch nach, so als würde ich etwas fieberhaft suchen. „Ich habe meinen Ausweis vergessen!", ich versuchte sehr verzweifelt  zu klingen. Liberty und ich hatten es leidenschaftlich vor dem Spiegel geübt und dabei war ich mir mächtig albern vorgekommen.

Aber scheinbar war all das Üben überflüssig.

Laut lachte Niall, dann griff er nach meiner Hand. Seine schlanken Finger verschränkten sich mit meinen und prompt schoss mein Puls bis ins All und noch weiter. Bis in die Unendlichkeit.

„Blair, wenn du mit mir losgehst, dann brauchst du keinen Ausweis", verriet er mir.

Niemals, wirklich niemals hätte ich gedacht, dass Libertys Plan tatsächlich aufging. Ich schuldete ihr eine fette Familienpizza. Denn sie hatte ihren Hintern darauf verwettet, dass ich mit diesem kleinen Dramaspiel in den Club kam. Oder zurück nach Hause.

Zum Glück konnte ich sie jeder Zeit anrufen, wenn irgendetwas schief lief.

Nun zog Niall mich selbstbewusst hinter sich her, wir liefen eine breite Treppe hoch und augenblicklich hörte ich die Musik. Der Beat passte zu meinem rasenden Herz. Doch ich sah lediglich auf unsere verschränkten Finger und musste unweigerlich lächeln. Dabei war dies nur eine simple Geste.

Vor zwei Türstehern blieben wir kurz stehen und Niall zeigte seinen Ausweis vor. Einer der Schränke musterte ihn, dann glitt sein Blick zu mir und ohne auch nur ein Wort zu verlieren, waren wir plötzlich drin. Das Eden lag vor uns.

Die Musik wurde so laut, ich Schwierigkeiten hatte zu atmen. Es war merkwürdig dunkel und von einem Balkon aus konnten wir auf die tanzende Menge sehen. Doch Niall schien nicht zur Bar zu wollen, oder gar auf die Tanzfläche. Stattdessen zog er mich weiter bis wir vor einer Tür standen, die aussah wie ein riesiger Eingang zu einem Tresor.

Dort trat er an ein kleines Pult und die elegante Kellnerin ließ ihn unterschreiben. Erst dann öffnete sich der Tresor. Mit offenem Mund betrat ich das Reich, wo sich alles mit Rang und Namen tummelte und in Ruhe, ohne irgendwelche nervigen Otto-normal-Verbraucher, seine Sünden frönte.

An langen Stofftüchern hingen Frauen von der Decke, sie trugen nichts anderes als hautenge Glitzeranzüge und vollführten aufwendige Akrobatik. An uns fuhren Kellner und Kellnerinnen auf Rollschuhen vorbei. Ich schluckte hart, als ich die aufreizenden Bunny-Kostüme bemerkte und promot wurde der Griff um Nialls Hand fester.

Er beugte sich zu mir, seine Lippen streiften mein Ohr und sofort bekam ich eine Gänsehaut: „Heute ist Mottoabend, deshalb ist es etwas verrückter."

„Verrückter in welcher Form?", wollte ich wissen, doch er klärte mich nicht weiter auf. Stattdessen zogen wir weiter. Da es düster war, konnte ich kaum die Gesichter von anderen Gästen erkennen. Wir tauchten in einen künstlich gelegten Urwald. Palmen schlossen uns ein. Ab und an gingen wir an einer Sitznische vorbei und ich musste blinzeln.

Es sah aus als würde es in den Ecken ein bisschen zu heiß her gehen. Oh mein Gott, die trieben da doch wohl nicht was ich dachte!

Niall schien völlig unbeeindruckt, er sah nicht einmal hin. Genauso wenig schien er sich für die erotischen Burlesque-Tänzerinnen zu interessieren, die sich in überdimensionalen Martini-Gläsern räkelten. War das echter Alkohol, in dem sie dort im Bikini badeten? Es war absolut faszinierend, hatten die keine Angst, dass das Glas brach? Und wie bekamen die das so... elegant hin?

Beinahe wäre ich gaffend stehengeblieben.

Es roch schwer nach Alkohol, der Boden unter meinen Füßen war nicht mehr gut zu erkennen, leichter Nebel hüllte uns ein. Niall drehte sich zu mir um und ich sprach: „Wow, abgefahren."

„Was?"

„Es ist... unglaublich schräg."

Wieder lachte er und ich kopierte sein Lächeln. Dies war das Merkwürdige. Ihm gelang es spielend, dass meine Mundwinkel sich bewegten. So als wäre es ein Drang, den ich nicht widerstehen konnte. Ich fühlte mich wohl bei Niall und gleichzeitig auch aufgeregt und nervös. Einfach alles zusammen.

Wir landeten ebenfalls in einer Nische, direkt dahinter befand sich eine Wand, an der Wasser herunterlief. Der Architekt war entweder auf Koks oder er hatte nicht mehr alle Latten am Zaun und schluckte täglich 100 Bonbons.

Zu meiner grenzenlosen Erleichterung trafen wir in einer Sitzecke mit den knallroten Polstern auf Tara, Ellie und Sean, alle drei kannte ich von der Einweihungsparty. Fröhlich begrüßten sie mich und ich erfuhr, dass ich trinken sollte, was ich wollte. Sean übernahm die Getränke für heute Abend.

„Ich eröffne ein zweites Restaurant", posaunte er herum. „Und zum Probeessen dürft ihr alle auftauchen."

Ha! Den würde ich beim Wort nehmen und alles durcheinanderfressen, was er auftischte!

Tara schnatterte unaufhörlich, doch durch die enorm laute Musik nahm ich nur Fetzen auf. Es ging um irgendeine neue Kollektion, die einfach nur furchtbar war. Keine Ahnung, für wen sie ein T-Shirt mit pinken Federn besorgte.

Ellie warf immer wieder einen energischen Kommentar ein und mir wurde ein Cantaritos Cocktail in die Hand gedrückt. Er roch nach Tequila und Orangensaft. Sollte ich das wirklich trinken? Die Entscheidung wurde mir abgenommen.

„Cheers", hörte ich Niall neben mir sagen und hielt eine Flasche Bier in die Mitte der Runde. Sofort gesellten sich weitere Leute dazu, viele Gesichter, die ich noch nie gesehen hatte. Wir stießen miteinander an und ich nahm einen Schluck.

Heiliger Bimbam, das Zeug würde den größten Stier aus dem Verkehr ziehen. 

Anders, als auf der Einweihungsparty, wollte ich hier nicht durch die Gegend taumeln. Zumal ich vor lauter Aufregung seit Mittag nichts mehr gegessen hatte. Ich war so nervös gewesen, dass ich meinen knurrenden Magen nicht von dem Teil unterscheiden konnte, der sich vor Anspannung zusammenzog.

Aber jetzt war ich hier und wollte meinen ersten Clubbesuch genießen. Am Ende wollte ich Liberty jede Einzelheit erzählen. Zumindest so wollte ich sie dran teilhaben lassen. Vor Aufregung hatte sie mich auf allerhand Details hingewiesen auf die ich ja achten sollte.

Doch jetzt, nachdem ich mich einmal um mich selbst gedreht hatte, da kam mir der Ort im Eden mehr und mehr surreal vor. So unecht und künstlich. Als würde man sich in einer Parallelwelt befinden.

Lani und Ellie tanzten, mal ließen sie die Hüfte kreisen oder sie traten nur von einem Bein auf das andere. Gab es einen Tanz-Code, was man tun durfte und was nicht? Ich war völlig verunsichert. Auf der Einweihungsparty war es mir egal gewesen, denn damals ging ich von einem einmaligen Abend aus, nach den ich die Leute sowieso nicht wiedersah.

Ich versuchte mich anzupassen, aber so richtig gelingen wollte mir das nicht. Umso erleichterter fühlte ich mich als Niall zu mir trat und ich seinen warmen Atem an mein Ohr spürte. Prompt jagte eine Gänsehaut über meinen Rücken. Seine Hand berührte leicht meinen Rücken und ich hörte ihn sagen: „Ich begrüße eben ein paar Leute und bin dann wieder da. Nicht verschwinden, okay?"

„Pff", machte ich und stieß ihm leicht den Ellenbogen in die Seite: „Besonders viele Fluchtwege gibt es hier nicht, also sei mal ganz beruhigt."

Er machte ein Zeichen, quasi, dass er mich im Blick behalten würde. Vorher drückte er mir einen Kuss auf die Wange und sofort prickelte jene Stelle. Lieber Himmel, das musste wirklich aufhören. Niall brachte mich völlig durcheinander.

Hätte ich geahnt, dass das Ganze noch schlimmer werden würde, dann wäre ich überhaupt nicht erst mitgegangen. So ließ ich mich von Ellie und Tara bequatschen, dass wir uns unsere Cocktails an einer bestimmten Bar selbst zusammen mischten. Ein fachliches Personal half uns dabei.

Ich knallte möglichst viel Saft in mein Glas und schmückte es mit Schirmchen und Obststücke voll. Tara lachte und brüllte gegen den Lärm der Musik: „Hast du Hunger auf Eis? Weil dein Cocktail sieht eher aus wie ein Eisbecher."

„Erwischt", spielte ich mit und ließ zu, dass Ellie einen guten Schluck Wodka in mein Glas goss. Vielleicht konnte ich das Ding später unauffällig irgendwo stehen lassen. Nachdem Tara fasziniert sah, dass sich ihr Drink blau färbte, ließ ich den Blick schweifen und versuchte mich umzusehen.

Dabei fiel mir ein breiter Durchgang auf, der durch schwere Vorhänge verschlossen wurde. Immer wieder huschten Pärchen dort rein oder raus. Ab und an auch zwei Frauen oder Männer. Neugierig fragte ich Ellie: „Was ist dahinter?"

„Ach, das ist der Darkroom."

Mein ratloser Gesichtsausdruck sorgte dafür, dass sie lächelte und näher zu mir trat damit sie nicht brüllen musste: „Dort wird gefummelt, geküsst und penetriert", sie machte eine Bewegung mit ihrem Zeige- und Mittelfinger. „Alles schön anonym. Dort drin siehst du nicht viel und man kann sich eine nette Nische suchen."

Sofort lief ich knallrot an: „Warst du da schon mal drin?"

„Hin und wieder", gab sie unbekümmert zu. „Ist ganz aufregend."

War das nicht viel mehr peinlich? Immerhin waren gefühlt 100 andere Leute anwesend. Gefummel gehörte in geschlossene Räume und nicht an die Öffentlichkeit. 

Sichtlich überfahren darüber, dass es Leute gab die so etwas tatsächlich toll fanden, dackelte ich hinter Tara und Ellie her. Zurück zur Sitzecke, wo sich die ganzen anderen Bekannten befanden, die ich alle nicht näher kannte.

Selbst die Musik war mir fremd. Ich hörte nur Bum, Bum, Bum und eine Kettensäge. Noch dazu pumpte mein Herz bald zum irren Beat. Ab und an war es schon nicht mehr angenehm. Das Licht tat sein Übriges, grell, schummrig, bunt und was sollte dieser merkwürdige Nebel, durch den wir watten mussten?

Ich vermisste meine eigenen Freunde, mit Liberty und Maria wäre das alles hier sicher lustiger gewesen. Besonders, weil ich wirklich nicht tanzen wollte. Nicht so... nicht aufreizend und irgendwie sexy.

Bei mir würde das nur aussehen als hätte ich gerade einen Anfall.

Während Ellie und Tara sich sofort unter die Gruppe mischten, blieb ich stehen. Mein Blick haftete an Niall, er wollte schließlich nur ein paar Bekannte begrüßen. Seine Bekannten hatten es jedoch in sich.

Ich erkannte diesen brünetten Hungerhaken von der Einweihungsparty wieder und sie sah Hammer aus. Die epischen langen Beine waren perfekt betont, sie bewegte sich, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan als rauschende Partys zu feiern und jeder schien sie zu kennen.

Vertraut begrüßte sie Niall, berührte ihn am Arm und er reagierte, indem er ihr einen Kuss auf die Wange gab.

So wie zuvor mir.

Es fühlte sich an als würde mir jemand unangenehm heftig in den Bauch treten. Automatisch fasste ich mir an die Wange und wo das Küsschen sich eben noch schön angefühlt hatte, war die Stelle nun eiskalt.

Ich wusste, ich hätte nicht einfach weiter stocksteif stehenbleiben sollen, aber ich konnte keinen Schritt vor den anderen machen. Stattdessen beobachtete ich, wie Niall die nächste ‚Bekannte' begrüßte.

Die Blondine war scharf, wirklich richtig sexy. Das goldene Kleid lag hauteng an ihrem Körper, sie hatte wunderbare Kurven. Man sah sie gern an und sie strich sich in einer fließenden Bewegung durch das lange wellige Haar. Jeder Augenaufschlag, jede Geste, jedes Lachen, all das wirkte perfekt in dieser skurrilen Umgebung.

Leicht bewegte sie ihre Hüfte zur Musik, mein Hals wurde trocken und obwohl ihr Kleid etwas hochrutschte, schien ihr dies nichts auszumachen. Sie zupfte nicht nervös am Saum herum, sondern trank stattdessen gelassen einen Schluck Champagner.

Wow, sie war eine echte Granate.

Und scheinbar wusste sie das auch. Denn sie hielt Niall ihre Brüste aufreizend vor die Nase und ich konnte ihm nicht einmal verdenken, dass er drauf sah. Ich tat das ja selbst und sie stand nicht einmal vor mir. Das war ganz sicher nicht ihr erstes Rodeo, ob jetzt mit Niall oder jemand anderen. Wobei eine einprägende Stimme in meinem Kopf dröhnte, dass ich mir keine Hoffnungen machen brauchte.

Das Rodeo hatte definitiv mit Niall stattgefunden.

Lasziv tanzte eine weitere Frau mit einem wilden Lockenkopf an mir vorbei, direkt auf das Grüppchen zu. Auch sie begrüßte Niall und den Hungerhaken. Siedend heiß lief mir ein sehr hässliches Gefühl durch die Adern.

Mein Magen wurde ein Gefäß aus Beton, schwer und unangenehm. Mir wurde schlecht und ich bemerkte einen bitteren Geschmack auf der Zunge.

All diese Frauen waren das, was ich gerne wäre. Erwachsen, wirklich volljährig und sie gehörten hier hin - ich nicht. Ich wusste das und ich glaubte, dass man mir genau dies auch ansah. Denn ich fühlte mich hier nicht wohl.

Mein Kleid war furchtbar brav im Vergleich zu dem, was die anderen Frauen anzogen. Und vielleicht war dies das Problem, ich war... nicht so Frau, wie ich es sein sollte.

So vertraut, wie Niall seine ‚Bekannten' begrüßte, schlich sich ein furchtbarer Gedanke durch meinen Kopf. Er hatte sicher mit all diesen schönen Frauen schon geschlafen, oder war im Darkroom, oder hatte sie geküsst... so wie mich... oder... oder... oder...

Er hatte Dinge getan, an die ich nicht einmal denken würde. Wahrscheinlich auch mit einer der anwesenden Frauen. Woher sollte er sie sonst kennen und sie so vertraut mit ihm umgehen? Tara und Ellie machten dies auf eine andere, eher freundschaftliche Basis. Da waren keine tiefen Blicke

Wie hatte ich je glauben können, dass ich ihn daten könnte und es gäbe dabei keine anderen Probleme als mein Alter? Wie dumm und naiv ich doch war!

In meinem Kopf startete ein 1A Kopfkino. Immer mit Niall, entweder in Kombination mit dem Hungerhaken, Blondinchen oder dieser wilden Locke.

Scheiße!

Wie betäubt stellte ich meinen Cocktail ab und musste mich zwingen den Blick von Niall zu nehmen. Es gab keinen Grund hier zu bleiben, außer, ich wollte mich weiter quälen und Schmerzen spüren, die ich nicht haben wollte. 50 Shades of Grey fand ich schon beschissen. Da brauchte ich nicht den Betonklotz im Magen, der immer größer und übler wurde.

Ganz von allein bewegte ich mich und machte, dass ich mich an Ort und Stelle in Luft auflöste. Ich verschwand und verließ das Eden, ohne mich auch nur einmal umzudrehen. Mit jedem Schritt sollte ich mich leichter fühlen, aber es änderte sich nichts an diesem hässlichen Gefühl in der Magengegend, dass sie unbarmherzig ausbreitete.

Ich verlief mich zweimal und als ich endlich an die frische Luft trat, da war mir, als würde die Blase in meiner Lunge platzen. Das Blut rauschte in meinen Ohren und dieser furchtbare Bass beeinflusste nicht mehr mein rasendes Herz. Trotzdem beruhigte ich mich nicht. Blind lief ich los und suchte nach meinem Handy.

Als ich es endlich ertastete, da wählte ich Libertys Nummer. Sie hatte mir schließlich versprochen, dass sie mich abholen würde, sollte ich es brauchen. Es dauerte bis meine beste Freundin dran ging und sofort sprach ich: „Hol mich ab!"

„Aber-!"

„Du hast es versprochen!"

„Bonnie, meine Eltern sind beide da, ich glaube nicht, dass sie mich jetzt noch fahren lassen. Ich habe gedacht, du rufst mich direkt am Anfang an, wenn du doch Muffensausen kriegst", gab sie zu und ich bemerkte Panik an mir hochkriechen.

Knapp sah ich auf die Uhrzeit und schluckte hart, denn es war halb eins und so spät war ich noch nie allein in Downtown unterwegs. „Liberty!", ich atmete gezwungen kontrolliert aus. „Du kannst mich jetzt nicht einfach so hängen lassen, ich bin in Downtown und-!"

Mich rempelte eine Gruppe von Leuten an und einer der Männer grölte: „Hey Püppchen, brauchst du nen' Wegweiser?"

„Okay, okay", ertönte es von meinem Handy aus und ich sah mich bereits hektisch nach einem Taxi um. „Ich schicke dir jemanden."

„Vielleicht sollte ich mir einfach selbst ein Taxi rufen", warf ich ein und stolperte fast über meine eigenen Füße. „Das geht schneller."

„Bist du verrückt? Es ist Freitagnacht, das dauert ewig und was, wenn der deinen Ausweis will, ihr in einer Straßenkontrolle landet oder-!"

„Kannst du aufhören!", fauchte ich sie an. „Ich habe schon genug Angst!"

„Geh zur Peking Taverne, dort, wo wir immer essen, wenn wir in Downtown sind. Ich schicke dir jemanden, der dich holt", versprach Liberty mir und ich hörte es rascheln. „Und mach bloß nichts Dummes!"

„Zu spät", antwortete ich trocken. Denn was hätte es Dümmeres geben können, als mit einem Kerl auszugehen, der absolut nicht meine Liga war. Und das in jeglicher Hinsicht.

„Halte 20 Minuten durch!", schwor sie mich ein und ich legte auf. So schnell ich ging machte ich mich auf dem Weg zur Peking Taverne. Ich war noch nie so froh, dass ich Schuhe trug in denen ich gut laufen konnte. Doch ich wünschte, ich hätte eine Hose an. Jemand pfiff mir hinterher und ich zwang mich niemanden anzusehen.

Als ich ein Polizeiauto bemerkte, da rutschte mir mein Herz in den Slip. Hastig wandte ich mich ab und sah in ein Schaufenster, so als würde es mich interessieren, was es dort drin gab. Gott sei dank fuhr der Wagen einfach weiter. Ich war unglaublich erleichtert, als ich die Peking Taverne endlich erreichte.

Nervös schritt ich vor dem Restaurant auf und ab und sah immer wieder auf die Straße. „Komm schon Libby, tauch endlich auf", murmelte ich zu mir selbst. Ich wollte nur noch nach Hause. Raus aus diesem Kleid, mich duschen, mich wieder wie sechszehn fühlen. So alt, wie ich wirklich war.

Ich wollte Bonnie sein und nicht Blair, die verzweifelt versuchte in ein Umfeld zu passen, wo sie nichts zu suchen hatte. Prompt musste ich mich zusammenreißen, um nicht wie eine blöde Tussi zu heulen. Das war das Letzte, was ich wollte.

Ein weißer Toyota hielt vor meiner Nase und ich runzelte die Stirn. Liberty fuhr einen weißen Hummer, sie konnte es nicht sein. Es dauerte nur einen Augenblick und ich begriff, wen sie mir geschickt hatte.

Die Beifahrertür glitt auf und ich sah in das Gesicht von Jude, dem Antichrist, mit dem ich mir die Zeit meiner besten Freundin teilen musste.

Auch das noch.

Was für ein Scheißtag und er hatte erst vor einer Stunde begonnen.

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