13 Rodeo Drive.



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【 B O N N I E 】




„Granny, hast du heute ein wenig Zeit für mich?"

Ich hatte es mal wieder an Mr Foster vorbei geschafft und stürmte ungehemmt das Büro meiner Großmutter. Die brütete über irgendwelche Unterlagen und schob sich elegant die Brille von der Nase. Tief seufzte sie und fragte trocken: „Hast du die Mappen durchgesehen, die ich dir gegeben habe, Bernadette?"

Prompt versetzte sie mir einen Dämpfer: „Ja habe ich." Das Zukunftsgespräch begann.

„Und was ist dabei herausgekommen?", wollte sie wissen.

Ich konnte meine Granny nicht ansehen, doch schließlich würgte ich hervor: „Sag es nicht Mom, aber... ich glaube ich möchte nicht aufs College."

„Das ist immerhin ein Anfang", meinte meine Großmutter gelassen und ich blinzelte: „Du bist nicht enttäuscht?"

„Nein. Nicht jeder wird mit dem üblichen Weg glücklich. Manchmal muss man nach Alternativen suchen", ihre Ansicht war seltsam offen, wo doch alle, einschließlich meiner Mutter, mein Vater und meine Brüder die üblichen Wege gegangen waren.

„Jedenfalls", fuhr Granny fort, „was ist jetzt so dringend?"

„Würdest du mit mir shoppen gehen?"

Jetzt hatte ich vollends ihre Aufmerksamkeit und sah ihre beherrschte und kühle Fassade bröckeln. Es war selten, dass man meine Grandma überraschen konnte. „Weshalb? Ich finde an deiner Garderobe ist nichts auszusetzten. Und eine deiner kleinen Freundinnen wäre sicher eine bessere Begleitung als ich es bin."

„Nein", presste ich heraus. „Ich bräuchte eine... andere Beratung, denn ich möchte gerne etwas an meinem Stil ändern."

Ich wollte erwachsener aussehen.

Nachdem ich noch einmal zu Niall gegangen war, wurde mir auf dem Weg dorthin klar, dass ich mir nicht immer die Klamotten von Libertys Schwester leihen konnte. Das würde irgendwann auffallen und vielleicht war es nicht schlecht eigene zu haben. Zumal ich ein merkwürdiges Gefühl dabei hatte meine beste Freundin in alles einzuweihen.

Bestimmte Dinge wollte ich ihr nicht mehr erzählen und der erste Kuss von Niall gehörte dazu. Ich hatte den Drang, dass ich diesen Moment für mich allein haben wollte. Ebenso den zweiten Kuss.

Meine Lippen prickelten beim Gedanken daran.

Niall küsste gefährlich, denn auch beim zweiten Mal war es irre intensiv und so, als würde nur ein einziger Schups in die falsche Richtung das ganze noch eine Spur ernster machen. Das wollte ich irgendwie nicht. Aber ich wollte gleichzeitig auch, dass er mich noch einmal küsste und noch einmal und noch einmal.

Verzwickte Sache.

„Du möchtest älter aussehen?", Granny lauerte. „Reifer? Warum?"

Tja, das war eine gute Frage. Am Besten fuhr ich, wenn ich irgendeine Form der Wahrheit erzählte und begann zögernd: „Es gibt da einen Jungen, der ein bisschen älter ist als ich-"

„In Ordnung", unterbrach Granny mich sofort und hob die Hand. „Ich bin völlig im Bilde. Du möchtest diesen jungen Herrn signalisieren, dass du da bist." Tief seufzte sie erneut. „Hach, egal wie viel Zeit auch vergeht, es bleibt im Endeffekt immer gleich. Ob es jetzt die Sechziger oder die Achtziger sind."

„Und das heißt?", horchte ich. Meine Großmutter stand auf: „Fein, wir gehen shoppen. Es reicht, wenn ich mich nach dem Mittag wieder auf Blairpool stürze."

„Du arbeitest zu viel", fand ich und zu meiner Überraschung sprach sie: „Stimmt."

Ich musste sofort lachen: „Das aus seinem Mund! Es ist ein Wunder, dass du dich nicht übergeben musstest."

„Mich tröstet das Wissen, dass du gleich ohne Gemoser anziehst, was ich dir befehle."

Die Queen hatte gesprochen.

Wir fuhren zum Rodeo Drive und als meine Großmutter die großen Namen von Chanel und Co ansteuern wollte, da hielt ich inne. Sie rollte gespielt genervt mit den Augen und ich brummte: „So alt wollte ich jetzt nicht aussehen!"

„Bernadette, Kindchen, Chanel und Saint Laurent sind zeitlos."

„Und wo soll ich das tragen? Ich gehe nicht zu den American Music Awards!"

Also steuerten wir das nahegelegene Einkaufszentrum The Grove an. Normalerweise kaufte ich viel bei Brandy Melville, H & M,  Princess Polly und in eher bunten süßen Modegeschäften. Doch meine Großmutter hielt davon nicht allzu viel. Schon die Schaufenster fand sie nicht ansprechend. Deshalb betraten wir Zara und Madewell. Richtig Gefallen fand meine Granny an Nordstrom und Vince.

Ich tat was sie wollte und ließ sie machen. Nur ab und zu schüttelte ich den Kopf, wenn sie mir etwas vorschlug, das mir überhaupt nicht gefiel. Artig dackelte ich hinter ihr her, hielt ihre Tasche und sie schnüffelte sich wie ein Blutspürhund durch das Angebot.

Als ich den Haufen an Auswahl nicht mehr halten, geschweige denn tragen konnte, da schob sie mich in die Umkleide und ich begann damit das Modepüppchen zu spielen. Vor der Kabine setzte sich meine Granny in einen Sessel für Wartende und holte ihr Handy hervor, um nebenbei ein paar Emails zu beantworten.

„Weißt du, was du immer beachten solltest, wenn du dich etwas reifer kleiden möchtest?", begann sie mir Tipps zu geben. „Vergiss niemals die Eleganz und die Basis. Kunterbunt ist etwas für Anfänger. Farbschemen müssen sich in deiner Kleidung wiederholen, aber gleichzeitig darfst du auch nicht wie ein eintöniger Bleistift herumlaufen. Finde einen Eyecatcher, der das monotone Farbschema unterbricht."

Ich verstand kein Wort davon.

Als hätte meine Großmutter das geahnt, zeigte sie mir, was sie meinte. Zu einem knallroten Blusenkleid, das an mir aussah wie ein Sack, reichte sie mir einen schmalen Gürtel und zupfte etwas an mir herum.

„Die kleinen Dinge können eine ganze Menge verändern", verriet sie mir zufrieden und kombinierte eine schlichte hellblaue Bluse mit einem langen schwarzen Rock der einen Schlitz hatte. „Dazu kannst du dann ruhig diese komischen Turnschuhe tragen."

„Keine hohen High Heels?", ich runzelte die Stirn und meine Granny rollte empört mit den Augen: „Was habt ihr jungen Mädchen nur immer mit High Heels? Pumps sind viel eleganter und wirken nicht so schrecklich billig. Du solltest davon jedoch Abstand nehmen, Bernadette. Du bist mit flachem Schuhwerk schon größer als die meisten Männer."

Ich hasste das. Gerne wäre ich so klein und niedlich wie Liberty.

Nach einem honigfarbigen hübschen Sommerkleid überraschte meine Grandma mich und hielt mir einen kurzen Lederrock unter die Nase. „Mit einem schlichten schwarzen Top oder diesen Bandshirts, die ihr so hypt, sieht er vorzeigbar aus. Du darfst nur kein One Direction – Shirt dazu anziehen. Dafür sind die Farben zu schlecht. Bleib schwarz in schwarz."

Prompt musste ich lachen: „Eben hast du noch gesagt, man sollte nicht zu eintönig sein."

„Das gilt für alle anderen Farben, aber nicht für schwarz", belehrte mich Granny. Irgendwie wurden mir das langsam zu viele Tipps. Es war viel leichter einfach anzuziehen, was man süß fand.

Der knappe Lederrock passte gut, aber er zeigte auch, was ich nicht hatte, Form. Vielleicht sollte ich ein Hinternpolster tragen, wie die Schwestern von dieser Kate aus England bei deren Hochzeit.

Grandma fand jedoch nichts dran auszusetzen: „Sieht gut aus. Eine Jeans- oder Lederjacke hast du sicher schon." Sie stand auf und trat noch einmal zur Kleiderstange: „Jetzt zum letzten Kleid."

Ohne, dass ich es mitbekommen hatte, suchte sie ein Ausgehkleid heraus und sprach: „Du wirst bestimmt auf die eine oder andere Party verschwinden und bevor du dich zu einem Nuttenkleid hinreißen lässt, möchte ich, dass du anständig aussiehst."

„Du gehst also davon aus, dass ich Partys besuche?"

„Natürlich. Und du wirst mir ganz sicher nicht erzählen, wann das ist und mit wem du feierst. Ich möchte jedoch, dass du mir versprichst, dass du genug Taxigeld dabei hast, nicht alleine die Party verlässt und dein Getränk nicht stehen lässt."

„Mom würde mir Hausarrest bis im nächsten Jahrhundert geben", verriet ich ihr, doch Granny winkte elegant ab: „Das ist ihr Fehler. Sie ist selbst auf Partys gewesen, wo sie nichts zu suchen hatte und es ist nur natürlich, dass du neugierig bist. Mit 16 ist das meiste noch verboten, ich erinnere mich noch gut, dass ich mit meinen Freundinnen damals noch alles ausprobieren wollte, bevor es legal war."

Ich prustete: „Du meinst in den 30er Jahren?" Prompt bekam ich das Magnetakleid ins Gesicht geworfen.

„Nein, in den 20ern", korrigierte sie mich trocken und schüttelte den Kopf. „Komm, zieh es an und sei dankbar, dass ich dir den Sommer ein paar Meter mehr Freiheiten gönne. Deine Mom würde dir etwas ganz anderes erzählen."

Da hatte sie recht.

Ich streifte mir das Kleid über und betrachtete mich in der Kabine im Spiegel. Der Rock endete oberhalb des Knies, aber mir gefiel der obere Teil sehr. Das Kleid war ärmellos, aber oben überzogen von hübscher Spitze. Außerdem war es nicht ausgeschnitten. Das kaschierte meine wenige Oberweite. Sprich, ich konnte ein bisschen nachhelfen.

Ich fühlte mich sofort wohl.

„Das nehmen wir auch mit", machte meine Großmutter Nägel mit Köpfen und als wir nach fast zwei Stunden den Laden verließen, bestand sie darauf mein Schuhwerk aufzurüsten. Ich schleppte sämtliche Tüten und obwohl ich froh war, dass meine Granny so euphorisch dabei war, konnte ich es kaum erwarten bis der Shoppingtrip vorbei war.

Zum Dank lud ich meine Grandma auf den Farmers Market um die Ecke ein. Hier konnte man so ziemlich jede Küche durchprobieren. Doch der gesunde Scheiß interessierte uns nicht. Stattdessen ließ Granny sich elegant auf einer weißen Bank nieder und verlangte: „Bring mir eine Pizza mit dickem Käserand mit und einen ungesüßten Eistee!"

„Jawohl!", salutierte ich. Wenig später saßen wir uns am Tisch gegenüber und ich sprach: „Danke, dass du dir Zeit genommen hast."

„Danke, dass du gefragt hast", wies sie mich daraufhin. Vorbildlich schnitt sie ihre fettige Mexico-Pizza in kleine Stücke, ich dagegen aß sie direkt mit der Hand. 

„Nun Bernadette, lässt du zu, dass ich dir ein paar Fragen zu deinem Schwarm stelle?"

„Äh-!"

„Äußerst nett von dir", überrollte sie mich prompt und fuhr fort: „Zu meiner ersten Frage, woher kennst du ihn?"

„Durch Liberty", das war zumindest nicht gelogen.

„Du hast gesagt, er ist älter, sehr viel älter?"

Och, nur so neun Jahre.

In die Enge getrieben log ich, dass sich die Balken bogen: „N-Neun Monate! Das ist ziemlich viel." Meine vegetarische Pizza begann irgendwie fade zu schmecken. Lügen war... bitter. Aber ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Sie würde mich sofort davon abbringen Niall weiter zu sehen und ich bekäme überhaupt ein Verbot ihn zu treffen.

Granny irritierte mich, denn zum ersten Mal an diesem Tag schmunzelte sie. „Da hast du recht, neun Monate sind fast ein ganzes Jahr. Da laufen die Dinge etwas anders. Nun denn, was für Interessen hat er?"

„Musik", fiel mir als erstes ein. „Er ist ziemlich musikalisch, kann Gitarre, Klavier und Schlagzeug spielen." Das war eines der wenigen Dinge, die ich wirklich über Niall wusste. Obwohl ich zwei Treffen mit ihm hatte, so wusste ich doch eigentlich nichts über ihn, dass man nicht von Google erfahren konnte. Irgendwie beklemmend.

Ich sollte das ändern.

„Habt ihr euch schon einmal Abseits eures Rudels getroffen?", wollte Granny wissen und ich blinzelte: „Du meinst allein?"

„Ja, seid ihr auf ein Date gegangen?"

Ich musste lächeln und gestand: „Er hat mich zu den Summer-X-Games begleitet, weil Liberty nicht wollte. Es war schön, die X-Games großartig und die Hitze dort hat uns fast umgebracht."

Granny hörte mir aufmerksam zu, also fuhr ich fort und erzählte ihr von den Skatern, Tony Hawk und wie brechendvoll es gewesen sei. Ich hatte das Gefühl, dass sie eigentlich etwas vollkommen anderes von mir hören wollte. Doch bevor sie mich auf ihre Art verhörte, da kam ein vertrautes Geräusch aus meiner Umhängetasche und ich kramte nach dem Pieper.

Als meine Großmutter ihn sah, da griff sie nach ihrem Becher und musterte das kleine Ding in meiner Hand. Blitzgescheit schlussfolgerte sie: „Darüber kommuniziert ihr? Na wenn ihr in anderer Hinsicht auch so altmodisch seid, dann habe ich keinerlei Bedenken."

„Ha, ha, ha", machte ich trocken und sah auf die Nachricht. Sofort schlug mein Herz schneller und ich wusste nicht, warum, aber ich fühlte mich besonders, weil nur Niall mit mir auf diese Weise schreib.

‚Lust mich morgen Abend ins Eden zu begleiten?'

Und wie ich das hatte. Ohne darüber nachzudenken tippte ich: ‚Sicher, wann geht es los?'

‚22 Uhr, soll ich dich abholen?'

‚Gerne ヽ(⌐■_■)ノ♪♬ '

Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, wurde mir heiß und kalt zugleich. Denn der Club Eden war einer dieser Clubs, in denen man unter 21 Jahren nicht reinkam.

Scheiße!

Ich würde Niall absagen müssen. Alleine bei dem Gedanken daran spürte ich einen Knoten im Magen, denn ich würde ihn unheimlich gerne begleiten. Schließlich war ich noch nie in solch einem Club gewesen. Wie auch, ich kam kaum mit meinem Schülerausweis dort rein.

Was ich jetzt brauchte, waren die wahnwitzigen Pläne von Liberty und ich hatte fettes Glück. Meine beste Freundin war am späten Nachmittag endlich für mich erreichbar. Ihr Freund Jude brauchte eine Pause von ihr. Nur, dass er ihr das nicht so ins Gesicht sagte.

Von wegen, er musste seiner Patentante helfen. Der hatte sicher nicht mal eine!

Liberty tauchte nach meinem Trip mit Granny bei mir auf und warf sich erschöpft auf mein Bett. Ihre sonst so blasse Haut war leicht gerötet und sie viel zu lange in der Sonne geblieben. In meinem Avenger-Bunker sah sie sich skeptisch um und ihr Blick blieb kurz an meinen One Direction-Postern hängen.

„Okay BonBon, wo brennt es."

„Hör auf mich so zu nennen!", fuhr ich sie an und reichte ihr eine kalte Limo. „Wieso siehst du aus, wie ein Hummer?"

„Ich... war mit Jude... auf ein paar Flohmärkte", gestand sie mir und ich blinzelte. Herrje, so lange ich Liberty kannte, sie hatte noch nie Interesse am Trödel gehabt. Statt die Limo zu trinken, kühlte sie ihr Gesicht und sah auf die zahlreichen Einkaufstüten, die ich noch nicht ausgepackt hatte.

„Also, was ist der Notfall?"

„Wie komme ich morgen ins Eden?"

„Gar nicht", kommentierte sie knapp. „Du musst 21 sein, sonst lassen sie dich da nicht rein."

Am liebsten hätte ich sie geschüttelt, weil sie mir nicht folgen konnte. Jude vernebelte ihr regelmäßig den Verstand und ich hasste das. Erst als ich die Arme vor der Brust verschränkte und vor ihr auf und ab marschierte, da fiel bei Liberty der Groschen.

„Oh! Also hat Niall dich dorthin eingeladen?"

„Nein, die Jonas Brothers!", rief ich sarkastisch und Liberty richtete sich auf: „Okay, okay, ich habe verstanden. Kein Grund zickig zu werden. Wir kriegen das mit Schminke und dem richtigen Kleid schon hin, dass du aussiehst wie 21. Das haben wir immer. Nur das wir dieses Mal ein bisschen mehr tricksen."

„Das nützt mir alles nichts, ich habe keinen Ausweis", sprach ich das eigentliche Problem an und ließ mich ratlos in meinen Sitzsack fallen. Es raschelte und Liberty nahm einen großen Schluck Limo. Leicht neigte sie den Kopf und dachte nach.

Das war's.

Ich würde das dritte Date ganz sicher mit Niall absagen müssen. Doch wieder einmal bewies meine beste Freundin, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Liberty räusperte sich und das triumphierende Lächeln auf ihren Lippen machte mir Mut.

„Vielleicht brauchst du gar keinen Ausweis, um reinzukommen."

Wie zum Geier sollte das bitte möglich sein!

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