12 Kopfstand.



★☆★

【 N I A L L 】




„Und wir atmen einem tief ein und aus. Und noch einmal. Ein Letztes mal, noch einmal tief einatmen und ausatmen. Beine Bauch und Po anspannen!"

Ich würde Harry umbringen.

Zumindest wenn ich mich nach diesen 90 Minuten überhaupt noch bewegen konnte. Hatte Louis nicht mal erwähnt, man bekam einen Auftragskiller ab 2.000 Dollar? Es war an der Zeit dieses Wissen zu überprüfen!

„Schön die Arme mitnehmen, große Schritte, schön tief atmen!"

Ich gab diesem dürren Gestell gleich tief atmen! Wo hatte Harry Mandy-Super-Bimbo überhaupt aufgegabelt?

„Wir kreuzen die Arme und die Füße, jetzt tritt die Ferse nach vorne."

Diese dämliche Aerobic-Stunde! Auf was hatte ich mich da wieder eingelassen? Für Verrücktheiten dieser Art war ich zu alt, Mann!

„Halten, stützen, dehnen und noch einmal halten bis fünf, eins, zwei, drei, vier, fünf und noch einmal fünf, eins-!"

Zusammen mit Louis war ich Harry heimtückisch in die Falle gegangen, als dieser uns überschwänglich überredete, dass wir, wenn wir uns schon in Los Angeles befanden, doch einmal gemeinsam Sport machen könnten.

Keiner wollte Golf spielen, Yoga machen oder Sitztraining, wie Louis das nannte, wenn er mit einem Bier vor der Glotze hing. Zu dritt konnten wir kein Tennis spielen, einer sah immer zu. Tischtennis fiel weg und am Ende belaberte Harry uns, dass er etwas gefunden habe und wir nur im Sportstudio aufkreuzten mussten.

Zu dritt hatten wir den gesamten Raum und die übertrainierte Blondine mit dem dürren Arsch hatte eine unglaubliche Freude daran uns zu foltern.

Neben mir lag Louis auf seiner Matte und röchelte. Da war nix mehr mit: „Und noch einmal fünf, eins, zwei und tief atmen!" 

Eine Raucherlunge forderte eben ihren Preis. Ich dagegen hatte einen Kopf, der kurz vorm Explodieren stand und sämtliche Glieder zitterten.

Harry zu meiner anderen Seite hatte nicht einmal geschwitzt. Ich war klatschnass und sah aus, als hätte ich mir in die Hose gemacht. Louis wurde aufgefordert langsam wieder mit einzusteigen, er konnte sich gerade noch davon abhalten Mandy den Mittelfinger zu zeigen.

Als die 90 Minuten endlich um waren, da hatte sich Louis auf den Rücken gerollt und ich war buchstäblich wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Nur Harry zog die Beine zum Körper und nahm eine ungemütliche Meditationspose ein.

„Das hat doch echt gut getan", kam es furztrocken von ihm und ich sah ihn an, als würde ich ihn heute zum ersten Mal wirklich richtig sehen. Fix und fertig entwich mir: „Ich dachte, wir machen etwas, wo wir uns entspannen und nicht abkratzen!"

„Wieso, das war doch entspannend", fand Harry und ich zeigte mit den Daumen auf Louis, der wie ein überfahrender Igel auf dem Highway auf seiner Matte lag: „Denkst du Louis sieht das auch so?"

Sofort sprang Harry auf und holte unserem Sesselsitzer eine neue Flasche Wasser. Ich verschwieg, dass er Louis wahrscheinlich eher mit einem rabenschwarzen Kaffee oder einer Flasche Wodka zurückholte.

Liam, der Affe, hatte sich noch rechtzeitig drücken können. Er ging zu einem Elternkindkurs zusammen mit Cheryl, wo man Haltungsschäden von Kindern diskutierte und wie man sie vorbeugen konnte. 

Armer Bear, er war ein Experiment, bevor er überhaupt je eine vernünftige Chance auf ein normales Leben gehabt hatte.

Mandy verabschiedete sich von uns und gab Harry ihre Karte, damit er sie erneut buchen konnte. Innerlich schnaubte ich. Ja klar, buchen für Aerobic für Erwachsene und Fortgeschrittene. Louis schien das auch so zu sehen. Der Werbeträger von adidas gab ein hustendes Geräusch von sich und wir tauschten einen Blick aus.

„Jedenfalls", Harry wandte sich zu uns um, „sind wir jetzt warm und haben den Kopf frei für kreative Gedanken."

Von wegen. 

Mir hatte dieses Herumgehampel zwar geholfen den Druck abzubauen, aber für Kreativität war ich zu erledigt. Zumindest schwitzte ich wie ein Schwein und taumelte leicht, als ich versuchte mich aufzurichten. Prompt griff Harry nach meinem Arm und sein spöttischer Blick sagte mir alles. Nämlich, dass ich mich mal nicht so anstellen sollten.

Der Weg zu den Männerumkleidekabinen kam mir ewig lang vor und Louis kroch nur so hinter uns her. Während Harry schon längst unter der Dusche stand, hatte sich Louis erst einmal hingesetzt und schien in den Sportshorts nach etwas zu suchen. Frustriert stöhnte er, als ihm klar wurde, dass seine Zigaretten in der Sporttasche waren und er dafür aufstehen musste.

„Ich werde alt", murmelte er und ich warf ihm mein vollgeschwitztes Shirt an den Kopf: „Ohne dich ankacken zu wollen, Louis, aber das sollte dir zu denken geben, dass du kurz vor dem Kollaps bist."

„Fang du nicht auch noch an!", beschwerte er sich. „El hat letzte Woche aufgehört zu rauchen und unseren gesamten Kühlschrank revolutioniert. Wir haben nicht einmal mehr Kaffee zu Hause und sie will ständig mit mir auf irgendwelche Biomärkte."

„Sie macht sich eben sorgen um deine Gesundheit", warf ich ein. „Und sind wir ehrlich, du bestehst nur noch aus Kaffee, Bier, Nikotin und adidas."

Nun seufzte er und kickte sich die Turnschuhe von den Füßen. „Immerhin bin ich zumindest noch nicht fett geworden."

Jetzt musste ich grinsen: „Liam hat zugelegt, ne?"

„Aber so was von! Seit er weg ist von seiner alten Schachtel, hat er die ersten Rollen bekommen", lästerte Louis genüsslich. Ich wollte gerade einen nachlegen, als Harry in einer Wolke aus süßlichen Mango-Duft zurückkam und mir die Tränen in die Augen schossen. Aber statt mir auch nur einen blöden Spruch zu gönnen, packte er mir mit der Hand ins Gesicht und würgte mich ab.

Das war so die Sache mit Harry, er war zu schnell, man kam nicht dazu Witze über ihn zu machen.

Als Louis und ich nicht mehr stanken wie Furzkissen, da lud uns Harry auf einen Drink in der Saftbar des Fitnessstudios ein. Wir hatten uns kaum in der hintersten Ecke niedergelassen und saßen am Fenster, sodass wir vom achten Stock auf die Straßen gucken konnte, da bereute ich es schon.

Louis sah sich hoffnungsvoll nach einem Kaffee um, aber stattdessen bekam er einen Smoothie, der aussah, als hätte ein Einhorn ihn ausgekotzt. Ich beäugte mein Glas mit der glibbrigen Flüssigkeit, sie roch unangenehm stark nach Ziegenmilch.

„Cheers", sprach Harry gelassen und nahm einen großen Schluck von der Spinatmatsche. Wieder seufzte Louis wie ein alter Mann und leise hörte ich ihn grummeln: „Ich kacke heute Abend nur noch Vierecke."

Einträchtig schwiegen wir vor uns hin. Harry genoss seinen Drink, Louis nahm immer wieder Anläufe sein geplatztes Einhorn zu trinken und ließ es dann doch, und ich tüffelte an einer Strategie, wie ich meinen unauffällig verschwinden lassen konnte, ohne dass die Pflanze hinter mir innerhalb von Sekunden grau wurde.

„Übrigens Niall", begann Louis die Stille zu durchbrechen. „Wie war dein Date? Du konntest mich ja nicht schnell genug rausschmeißen."

Harry beugte sich vor: „Kurz, wie soll es sonst gewesen sein. Und eine Eintagsfliege."

„Du klingst, als würde ich nie eine zweite Runde klar machen", beschwerte ich mich und bemerkte, dass Louis und Harry mich nun beide mit dem gleichen Gesichtsausdruck ansahen. Vielleicht hatten sie nicht ganz so unrecht. Also sprach ich: „Gut, deshalb waren wir gestern bei den Summer-X-Games."

Bei beiden rutschten die Augenbrauen nach oben und Harry schmunzelte: „Das erklärt den Sonnenbrand auf seiner Zwölf." Er schnippte vor meiner Nase herum.

„Hast du überhaupt verstanden, worum es bei den X-Games geht?", fragte Louis amüsiert und schob seine Einhornkotze im Becher von sich.

„Stell dir vor, ich bin nicht völlig doof und weiß wie ein Skateboard aussieht", antwortete ich trocken und dachte an all die Stunts, die mir Blair erklärte. Davon war gar nichts hängengeblieben. Aber andererseits hatte sich ihr zarter süßer Duft in mein Hirn gebrannt.

Ihre überschwängliche Begeisterung, die wärme ihrer gebräunten Haut und... ich konnte es nicht genau erklären, aber obwohl sie nicht viel tat, fühlte sich ihre Nähe intim und aufregend an. 

„Ich mag Blair", gab ich gegenüber meinen Freunden zu. „Sie spielt keine Spielchen. Ihr wisst schon, das Übliche. Ich habe nie ein zweites Date ausgemacht, weil mich genau das immer furchtbar angeödet hat. Diese Spielchen, ich bin sie so leid. Immer diese Erwartungen und der Scheiß." Besonders wenn man eigentlich nur unkomplizierten Sex wollte.

Blair ließ mich zwar auch nicht ran, aber sie ödete mich nicht an. Stattdessen war sie erfrischend anders.

„Du meinst, dass Blumen schicken, sich romantischen Kram ausdenken?", warf Harry monoton ein und zuckte mit den Schultern: „Das ist eben ein Programm, das man einfach immer wieder abspielt."

Louis schnaubte: „Bei der Begeisterung, die du durchsickern lässt, beginnt man sich zu fragen, ob du nicht für alles schon einen Kerl hast, der die ganzen Bestellungen für dich erledigt."

„Mein Personal Assistent weiß eben, wie es läuft." Immerhin gab Harry das ohne zu zögern zu. 

Ich hatte auch schon mal mit dem Gedanken gespielt Tara den Kram machen zu lassen. Doch als ich versuchte ihr das durch die Blume zu sagen, da hatte sie mir ins Gesicht geknallt, ich solle einfach, wie alle anderen für Sex zahlen und nicht sie damit beleidigen, dass sie für meine körperliche Befriedigung über einen Dritten sorgte.

Manchmal war ihre direkte Ehrlichkeit zu viel des Guten. Mein verwöhnter Promi-Arsch wollte hin und wieder auch nur das zu hören kriegen, was er wollte.

Ich folgte Harry und Louis nur noch mit einem Ohr. Meine Gedanken schweiften zu Blair. Zu ihr und ihrem Lächeln. Alles an ihr war irgendwie niedlich. Wie sie sich begeistern ließ, wie sie lachte, wie sie stolperte. Es war schwer das richtige Wort für sie zu finden. Ich hatte in der Nacht lange darüber gegrübelt, was so anders an ihr war. Was mir gefiel.

Sie war auf eine merkwürdige Art und Weise unschuldig.

Blairs Art zu küssen hatte mich völlig überrascht. Normalerweise drängte man sich mir entgegen, bereit es mit mir aufzunehmen oder mir etwas beweisen zu wollen. Doch sie ließ sich einfach auf meinen Kuss ein und genoss es geküsst zu werden. Dass es ihr gefallen hatte, stand außer Frage. Denn sie schien selbst geschockt darüber gewesen zu sein, wie sehr.

Ihr heiseres Stöhnen in meinem Ohr ließ mich grinsen und eigentlich dachte ich, ich bräuchte sie überhaupt nicht nach Hause fahren. Meine Enttäuschung war groß, als ich sie absetzte und sie mir lediglich einen schönen restlichen Abend wünschte.

Ich hätte sie gerne noch einmal zum Abschied geküsst. Jetzt wusste ich überhaupt nicht mehr, woran ich war.

Mit glasigen Augen sah ich meine Freunde an, ohne richtig aufzunehmen, worüber sie diskutierten. Etwas piepte und riss mich aus meinen kreisenden Gedanken. 

Der Pieper! Ich hatte ihn schon aus Gewohnheit dabei, denn obwohl ich Blairs Handynummer hatte, so schrieben wir doch überwiegend auf diese altmodische Art.

Sofort sah ich nach und dann musste ich breit lächeln. Blair fragte, ob ich zu Hause sei und sie mich heute besuchen könnte. 

„Hast du echt eines dieser Dinger aufgehoben?", Harry wollte mir den Pieper aus der Hand nehmen und sich ihn genauer ansehen, doch ich ließ ihn sofort wieder verschwinden.

„Nenn' mich einen sentimentalen Spinner", ich sah auf meinen Drink, den ich niemals leer kriegen würde und sprach: „So gerne ich mit euch abhänge, ich muss etwas abkürzen. Louis, was wolltest du letztens nicht per Kurznachricht fragen?"

Louis selbst musterte uns, dann wehrte er ab: „Das kann warten. Sie zu, dass du verduftest. Verteile nur nicht schon wieder ein neues Passbild." Manchmal gab es Momente, wo man ihm nie viel erklären musste und sein sonst so stumpfes Gemüt wie ein Spion zwischen den Zeilen lesen konnte.

„Danke Jungs, prost noch", sprach ich und schob Harry meinen Drink zu. Ich hatte mich kaum zwei Schritte von ihnen entfernt, da hörte ich Harry sagen: „Hey Lou, du hast ja noch gar nichts getrunken. Hier, probiere mal Nialls, der pustet dir Energie durch den ganzen Körper."

„Ähm... ich glaube ich nehme meinen Drink mit nach Hause... Eleanor wäre enttäusch von mir, wenn... ich so was Gutes allein trinken würde."

Von wegen, er würde den noch entsorgen bevor er seine Karre erreichte. Ich hätte nichts anderes getan. Jetzt eilte ich zu meinem Auto und ließ mich ächzend auf den Fahrersitzt fallen. Dieses scheiß Training, ich war fix und fertig und kam mir vor, als wäre ich in 90 Minuten um 50 Jahre gealtert. 

Einfach furchtbar.

Bevor ich losfuhr schrieb ich Blair eine Antwort. In einer Stunde war ich zu Hause und würde vorher oberflächlich Ordnung schaffen. Noch immer standen Kisten bei mir herum und ich hatte noch keine Putzfrau eingestellt.

Der Verkehr in LA nervte mich und ich vermisste die leeren Straßen Irlands sehr. An einer Ampel meldete sich wieder der Pieper und ich sah hastig nach. Blair fragte, ob sie erneut das Gartentor nutzen durfte. Ich hatte es nicht abgeschlossen. Etwas, was verdammt nachlässig war. Sobald ich zu Hause war, würde ich anfangen die Sicherheit wieder höher zu schrauben.

Meine neue Bude fühlte sich immer noch fremd an. Aber das würde sich geben, sobald ich etwas Zeit in sie investierte. Noch waren allerdings nicht alle Zimmer fertig renoviert. Besonders im oberen Stockwerk wollte ich noch einiges ausbessern lassen. Mir fehlte nur die zündende Idee, was ich mit den Zimmern machte. Ein eigenes Kino brauchte ich nicht, ich sah sowieso alle Filme im Wohnzimmer.

Meine Sporttasche knallte auf den Boden und ich eilte vom Flur durch die verschiedenen Räume. Hier ließ ich eine Pizzaschachtel verschwinden, dort Wäsche. Normalerweise war ich extrem ordentlich, es war jedoch schwer ein System aufrecht zu erhalten, wenn noch keines vorhanden war.

Gerade, als ich halbwegs klar Schiff gemacht hatte, da hörte ich Blairs Stimme von draußen. Sie kam durch den Garten, umrundete den Pool und blieb auf der Schwelle des Hauses stehen. Unsicher musterte sie mich und ich betrachtete sie unverwandt. Sie verknotete ihre Finger miteinander und schien nicht zu wissen, wie und warum sie überhaupt hier hingekommen war.

Nun, ich wusste es auch nicht.

Blair holte tief Luft, schließlich sprach sie: „Ich habe mich gestern blöd verabschiedet."

Prompt lachte ich, aber bevor ich etwas sagen konnte schob sie hinterher: „Ich möchte versuchen das nachzuholen", und dann trat sie in wenigen Schritten auf mich zu. Doch im letzten Moment zögerte sie als sie direkt vor mir stand. 

Ich runzelte die Stirn und fragte: „Was ist los?"

„Könntest du aufhören mich anzusehen, als würde ich jede Sekunde einen aufwendigen Stepptanz aufführen und mich in einen Avenger verwandeln", bat sie mich, aber ich verstand nicht, was sie damit meinte.

Zu meiner Verblüffung legte sie ihre rechte Hand über meine Augen, sodass ich sie schloss und im nächsten Augenblick spürte ich ihre weichen Lippen auf meinen. Sie legte damit einen Schalter in meinem Kopf um, denn ich konnte nicht anders, als sie wieder näher zu mir zu ziehen und den Kuss vom Vorabend wieder fortzusetzen.

Himmel, ich würde losgehen, wie ein Rasensprenger, wenn ich sie endlich aus diesen Klamotten schälen durfte. Und es war mir völlig egal, ob ich dafür noch 10 Dates abklappern musste. Das würde es wert sein, zumal ich simples küssen selten so genossen hatte.

Das dritte Date konnte kommen. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top