High Tea
Da ich nicht allzu spät nach Hause gekommen war, schlief ich nur bis 10 Uhr. Frisch geduscht und im Bademantel bereitete ich mir erstmal einen starken Kaffee zu, den ich schwarz trank, mehr brachte ich jetzt nicht hinunter.
Als ich meinen Kaffee getrunken hatte, zog ich mir über meine Unterwäsche eine dunkelblaue Mustang Jeans und eine schwarze Bluse an. Ich hantierte am DVD-Player herum und drückte auf Start und sah mir gemütlich nebenbei „Der Stein der Weisen" an. Oh Gott, ich würde mich ja heute mit Alan Rickman treffen. Sofort wurde ich wieder aufgeregt, als gerade eine Szene mit Snape über den Bildschirm flimmerte.
Nun war es aber Zeit sich langsam auf den Weg zu begeben. Ich wollte einen Neujahrsspaziergang machen und das meiste zu Fuß gehen, das würde aber doch einiges an Zeit beanspruchen. Ich zog mir meinen warmen Mantel an und bereitete mich auf das unwirtliche Wetter vor der Tür vor.
Tief zog ich mir die Haube über den Kopf, es hatte über Nacht geschneit. Vereinzelte Flocken fielen noch aus den dicken Wolken die über der Stadt hingen, der Schneetratsch bedeckte die Gehsteige. Nervös nestelte ich am Verschluss des langen Mantels. Mein dicker Schal, so kam mir vor, wollte mich erwürgen. Aber es war wohl eher doch die unmögliche Nervosität die mich erfasste, wenn ich nur daran dachte, wohin ich unterwegs war und vor allem mit wem ich mich dort treffen würde.
Als ich über die Waterloo Bridge ging, damit ich zum Hotel Savoy kam, bereute ich es mittlerweile, dass ich unbedingt das meiste zu Fuß gehen wollte. Ich vergrub meinen Kopf noch tiefer in meinen Schal, der eisige Wind pfiff über die Themse und machte den Übergang sehr unangenehm. Nur gut das ich bald vor Ort war.
Ein schneller Blick auf meine Apple Watch sagte mir, dass ich perfekt in der Zeit lag. Ehrfürchtig ging ich in das prunkvolle Hotel und fühlte mich mehr denn je fehl am Platz. Am liebsten wäre ich wieder umgedreht. Etwas überfordert fragte ich den Concierge wohin ich musste, dieser deutete mir den Weg.
Am Eingang des Restaurants angekommen, staunte ich nicht schlecht. Ein prunkvoller weißer Saal, übersät mit Deckenstuck, Säulen deren Kapitelle und Sockeln mit Blattgold verziert waren, einzelne kleine Sitzgruppen luden zum Verweilen ein. Das Ganze wurde mit einer großen Lichtkuppel mit buntem Glas abgerundet, durch die der Saal eine angenehme Atmosphäre bekam.
„Beeindruckend nicht?", brachte mich Alan der hinter mir aufgetaucht war, mit seiner Stimme aus dem Staunen heraus.
„Ja", war das Einzige, das ich herausbrachte, als ich die imposante Gestalt, welche ebenso in einen langen Mantel gehüllt war, vor mir stehen sah.
„Es ist schön dich wiederzusehen", sprach er in samtigem Ton, sah mir dabei tief in die Augen und gab mir einen Handkuss.
Sofort überzog mein Gesicht wieder eine Röte, ich sah ihn etwas schüchtern an, schenkte ihm aber ein Lächeln. „Komm, ich zeig dir unseren Platz", meinte er und nahm wie selbstverständlich meine Hand.
Wir blieben vor einem Zweier Sofa stehen, das etwas abseits am Rand des Saales platziert war. Alan half mir wie selbstverständlich aus meinem Mantel und wir setzten uns gemeinsam auf das Sofa. Es war etwas kuschelig, da er ja sehr lange Beine hatte, die heute in einer schwarzen Denim steckten. Er sah heute überhaupt wieder sehr gut aus, am hellblauen Hemd waren die oberen Knöpfe geöffnet, die Haare leicht nach hinten gekämmt.
Der Typische Afternoon Tea, auch High Tea genannt, bestand aus 3 Gängen und Tee. Es wurde auf einer Etagere serviert. Alan hatte schon vorbestellt und als wir uns hinsetzten wurde alles umgehend von einem Butler gebracht. Zusätzlich bestellte er noch zwei Gläser Champagner.
Alan war sehr neugierig und fragte mich über alles Mögliche aus, währenddessen genossen wir das Essen, es schmeckte alles sehr köstlich. Obwohl ich schon etwas länger in London war, hatte ich mir noch nie die Zeit genommen, dieses in England so hochgehaltene Ritual selbst zu erleben. Umso begeisterter war ich, dass ich es mit Alan erlebte. Der Champagner zeigte auch schon leicht seine Wirkung an mir. Da ich so selten Alkohol trank, vertrug ich ihn nicht gut.
Wir unterhielten uns ganz nett, als mir Alan plötzlich auf die Lippen sah. „Du hast da etwas", sagte er langsam. Hob seine Hand und strich mit seinen langen Fingern ein paar Brösel weg und streichelte weiter über meine Wange. Intensiv sah er mir in die Augen, mein Herz schlug sofort schneller. Langsam beugte er sich zu mir, drückte sanft seine Lippen auf meine.
Himmel, das war doch der Himmel! Ich kam mir vor wie in einen dieser kitschigen Romane die billig um ein paar Pennys zu haben waren. Mir wurde schon ganz schwindelig, war das hier tatsächlich die Realität oder lag ich noch schlafend im Studentenheim?
Egal, dachte ich mir, genieße es einfach solange du glaubst es sei echt. Ich schmeckte den englischen Tee auf seinen Lippen, roch seine Aftershave, berührte nun ebenso seine weiche, frisch rasierte Wange und glitt nach hinten in seine Haare. Mir kam es vor als würde ich schweben, alles um mich herum war vergessen, alles konzentrierte sich auf den Kuss. Die Berührungen fühlten sich gleichzeitig so neu aber auch so vertraut an.
Ich hätte ewig so weitermachen können, doch Alan setzte noch ein paar kurze Küsse auf meinen Mund und widmete sich wieder seinem Essen. Ich hingegen brachte im Moment nichts mehr hinunter. Viel zu durcheinander war ich und rührte verzweifelt mit dem Löffel in meinem heißen Tee herum.
Ich musste wohl mehrere Minuten in Trance so verbracht haben, da ich erst aufschrak, als mich Alans Hand vorsichtig am Oberschenkel berührte. Erschrocken sah ich ihm in sein Gesicht.
„Ist alles in Ordnung?", fragte er unsicher.
„Ja natürlich, es ist nur alles so unrealistisch und ich weiß nicht, was ich davon halten soll", erwiderte ich unsicher.
Lange sah er mich an ohne ein Wort zu sagen. Ihm wurde wohl auch bewusst, dass diese Zusammenkunft wenig Sinn und Zukunft hatte. Es war nicht nur der Altersunterschied, der beträchtlich war. Nein, auch der Klassenunterschied den es leider immer noch gab, war nicht zu leugnen.
Nun räusperte sich Alan und ich wartete nur noch auf den verbalen Todesstoß seinerseits. Er würde mich mit Sicherheit gleich abwimmeln und eine Ausrede erfinden, damit er vorzeitig gehen konnte. Doch es kam alles anders als gedacht.
„Sind wir nicht zwei erwachsene Menschen, die selbst entscheiden dürfen was sich entwickeln könnte, oder eben nicht? Ich denke nicht, dass wir uns vor jemanden rechtfertigen müssen, außer vor uns selbst. Oder möchtest du es nicht weiterführen was gestern so vielversprechend begonnen hatte?", sprach er langsam und bedächtig, während er mir in die Augen sah.
Was sollte ich nur darauf sagen, dachte ich mir nervös. Immerhin hatte ich theoretisch noch einen Freund der zu Hause wartete, auch wenn ich etwas anderes erfahren hatte. Noch immer sah mich Alan abwartend an. „Ich weiß es nicht", sprach ich wenig wortgewandt.
„Ist das so? Dann muss ich dir bei deiner Entscheidung helfen", sagte er verführerisch dunkel und senkte wieder seine Lippen auf meine. Schlechtes Gewissen plagte mich und ich brach den Kuss nach kurzem ab. Etwas verwirrt sah mich Alan an, doch dieses Mal widmete ich mich wieder meinen restlichen Essen.
„Was hältst du davon, wenn wir noch etwas frische Luft schnappen und am Fluss entlang spazieren gehen?", versuchte Alan die unangenehme Stille zwischen uns beiden zu vertreiben.
Ich nickte nur, er bezahlte, half mir wieder in meinen Mantel und wir gingen aus dem Hotel.
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