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Ich zögerte einen Moment an der Schwelle, bevor ich in das Haus trat. An der Garderobe angekommen zog ich meine Jacke und die Schuhe aus. Ein Blick zu Daxton zeigte mir, dass er feindseelig in die Richtung starrte in der Jace stand und ihn ebenfalls wütend visierte.

Daxton knallte die Tür mit einer Wucht zu, die durch die Eingangshalle hallte und mir das Herz in die Magengrube rutschen ließ. Seine Schritte hallten auf dem Marmorboden wider, und ich spürte, wie er näherkam, bevor ich ihn überhaupt sah. Der scharfe Geruch von Alkohol schlug mir entgegen, als er vor mir zum Stehen kam.

"Wo zur Hölle warst du die ganze Nacht?" Seine Stimme war rau, fast ein Knurren, und ließ keinen Raum für Ausflüchte. Ich schluckte schwer und spannte jeden Muskel an, aus Angst, er würde mir wehtun.

Ich hob den Kopf kaum merklich, mein Blick glitt an seinem Kinn vorbei. "Ich brauchte Zeit für mich", murmelte ich, bemüht, meine Stimme ruhig zu halten.

"Zeit für dich?" Er lachte, ein bitteres, gefährliches Geräusch, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. "Allein, mitten in der Nacht, ohne ein Wort? Und was macht dein versager Cousin da draußen?"

"Er hat mich abgeholt und nach Hause gebracht. Hast du schon vergessen dass du mein Handy zerstört hast?"

Daxton machte einen Schritt auf mich zu, sein Schatten fiel über mich, und ich fühlte mich, als würde ich in den Boden gedrückt. Er hob eine Hand und packte mein Kinn, zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Seine Finger waren hart und fordernd, und ich konnte den Alkohol in seinem Atem riechen. Er neigte den Kopf, seine blauen Augen durchbohrten mich, als könnte er die Wahrheit aus mir herauszerren. "Glaubst du wirklich, ich kaufe dir das ab?"

Mein Atem stockte, und ich schluckte schwer. "Es ist die Wahrheit", sagte ich leise, bemüht, die Panik aus meiner Stimme zu verbannen. Tränen liefen mir über die Wangen. Sein harter Griff schmerzte. "Ich habe es verloren Daxton. Jace hat mich aus dem Krankenhaus abgeholt." Meine Stimme zitterte, als ich ihm diese Lüge auftischte.

Daxton hielt inne, sein Griff an meinem Kinn ließ ein wenig nach, doch seine Augen verengten sich misstrauisch. "Krankenhaus?" Seine Stimme war jetzt leiser, aber nicht weniger bedrohlich. "Warum hast du mir nichts gesagt?"

"Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll. Du hast es so sehr gewollt und jetzt...", flüsterte ich, meine Tränen nun unaufhaltsam. "Es war schon schwer genug für mich, Daxton. Ich konnte es nicht ertragen, dich auch noch damit zu belasten."

Er ließ mein Kinn los und trat einen Schritt zurück. "Und du dachtest, es wäre eine gute Idee, Jace einzubeziehen? Deinen Cousin, der mich ständig herausfordert?"

"Er war der Einzige, der erreichbar war", sagte ich schnell, meine Stimme immer noch zitternd. "Ich hatte niemanden sonst. Du warst... beschäftigt."

Daxton fuhr sich verzweifelt durch die Haare. "Was ist passiert?" Seine Stimme war nur ein Hauch.

"Es muss der Stress gewesen sein. Ich weiß es nicht." Eine schmerzwelle erwischte mich im richtigen Augenblick und meine Beine gaben unter mir nach. Daxton fing mich rechtzeitig auf und sah zu meinem Unterleib. Blut sammelte sich zwischen meinen Beinen.

Daxtons Gesicht erstarrte und für einen Moment schien die Welt um uns stillzustehen. Sein Blick heftete sich auf das Blut, das sich auf dem Marmorboden abzeichnete, und jeglicher Zorn wich aus seinen Augen, ersetzt durch pure Panik.

"Riley!" Seine Stimme war rau, gebrochen, als er mich vorsichtig in seine Arme hob. "Verdammt, warum hast du mir nichts gesagt?! Warum hast du das alleine durchgemacht?"

Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. "Ich wollte dich nicht enttäuschen, Daxton. Du hast dir das so sehr gewünscht..."

"Schhh, nicht jetzt", unterbrach er mich, seine Stimme zitterte, während er mich enger an sich drückte. "Wir schaffen das. Ich bringe dich ins Krankenhaus. Halte durch, okay?"

"Die Ärztin meinte, es könnten noch Blutungen auftreten. Ich muss mich nur ausruhen." Mein Blick heftete sich auf sein Gesicht. "Bitte."

Ich sah in seine Augen und die Härte, die sonst immer dort lag, war verschwunden. Stattdessen war da nur Schmerz, eine quälende Verzweiflung, die mich noch mehr zum Weinen brachte.

"Es tut mir leid", flüsterte ich erneut, während er mich in unser Schlafzimmer trug.

"Riley, hör auf", sagte er mit einer Mischung aus Strenge und Sanftheit. "Das ist nicht deine Schuld. Es ist meine. Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen."

Er setzte mich behutsam vor dem Bett ab, seine Bewegungen waren ungewohnt sanft, fast zerbrechlich. Nachdem er ein Handtuch auf dem Bett ausbreitete, setzte ich mich auf dessen Kante. Daxton kniete sich vor mir hin und nahm meine Hände in seine, während sein Blick auf mir verweilte, als suchte er nach Antworten, die ich ihm nicht geben konnte.

"Riley", begann er leise, seine Stimme voller Schmerz, "ich habe so viel falsch gemacht. Ich war nicht da, als du mich gebraucht hast. Und jetzt..." Seine Stimme brach, und er schloss für einen Moment die Augen, als würde er versuchen, seine Gefühle zu kontrollieren.

Ich legte meine Hand an seine Wange, wischte die Träne weg, die ihm entglitten war. "Du kannst dich nicht für alles verantwortlich machen, Daxton. Es ist passiert, und es tut weh, aber wir müssen damit leben. Gemeinsam."

Er öffnete die Augen, und ich sah etwas, das ich noch nie zuvor in ihnen gesehen hatte - eine nackte Verletzlichkeit, die mir das Herz brach. "Ich wollte doch nur, dass du glücklich bist. Dass wir glücklich sind. Aber ich habe es nur schlimmer gemacht, oder?"

"Nein", flüsterte ich, meine Stimme bebte. "Wir haben beide Fehler gemacht. Aber das ändert nichts daran, dass ich dich liebe. Und dass wir das zusammen schaffen werden." Die Lüge glitt mir ohne Probleme über die Lippen, wobei ich mir aber plötzlich unsicher war, was ich von ihm halten sollte. Was ich fühlen sollte.

Daxton senkte den Kopf und drückte seine Stirn gegen meine Hände. "Ich habe solche Angst, Riley. Angst, dich zu verlieren. Ohne dich kann ich nicht leben. Ich kann nicht atmen. Ich kann mir nicht vorstellen, in einer Welt zu leben, in der du nicht mir gehörst."

Ich hob sein Kinn an, zwang ihn, mir in die Augen zu sehen. "Wir schaffen das."

Er nickte langsam, als hätte er meine Worte in sich aufgenommen. Dann zog er mich vorsichtig in seine Arme, hielt mich fest, als wäre ich sein Anker in einem Sturm.

"Ich werde mich ändern, Riley", flüsterte er in mein Haar. "Ich verspreche dir, ich werde es besser machen. Für dich. Für uns. Ich bessere mich. Du wirst nie wieder unglücklich sein."

Ich schloss die Augen und ließ mich von seiner Wärme umhüllen, während ein kleiner Funke Hoffnung in mir aufkeimte. Doch leider wurde ich mir bewusst, dass er mir dieses Versprechen schon oft gegeben hat. Nur leider hat er sich nie verändert. Er hat mich nur immer mehr kaputt gemacht.

Die Worte, die er mir zu flüsterte, waren Lügen. Lügen, die mich bei ihm halten sollten. Lügen, die mich durcheinander brachten. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, gleichzeitig fühlte ich mich befreit. Ich hasste ihn. Gleichzeitig war er der einzige Mann, der je solche Worte zu mir gesagt hatte.

Er war der Mann, dessen Hände mich streichelten, als wäre ich ein Diamant und im nächsten Moment schlugen, als wäre ich der Dreck auf der Straße.

Seine Lippen waren die, die mich küssten, als würden sie durch mich zum Leben erwecken. Gleichzeitig fluchte er über diese Lippen und warf mir Worte entgegen, die mich zutiefst verletzen.

Kein Schatten ohne Licht. Dieses Zitat beschrieb Daxton am besten. Es gab bei ihm nur schwarz und weiß. Hell und dunkel. Grausam und Sanft.

"Ich dusche dich ab. Dann legen wir uns hin." Er erhob sich und führte mich vorsichtig ins Bad, wo er begann, mich auszuziehen. Zu meiner Erleichterung sprach er nicht mehr mit mir. Er versuchte es zu verkraften und ich erwischte ihn mehrere Male dabei, wie er sich heimlich Tränen aus dem Gesicht wischte.

___

Tage vergingen, in denen ich mich ausruhte und im Bett liegen blieb. Obwohl ich dieses Baby nicht wollte, nahm auch mich diese Situation psychisch mit. Ich verbrachte meine Zeit damit, auf einem kleinen Block zu malen und sah sogar einmal den Raben, der vor meinem Fenster saß und schnell wieder wegflog.

Jace kam nicht vorbei. Meine Eltern ebenso wenig. Daxton hielt sich zurück und schien in sich gekehrt. Ich hoffte nur, er würde nie herausfinden, was ich getan hatte. Weder der Schwangerschaftsabbruch - noch, dass ich Jace geküsst hatte

Ich hatte ihn geküsst. Dieser Gedanke schlich sich des öfteren in meinen Verstand. Wie konnte ich das nur tun? Er war mein Cousin. Ein Fremder, den ich kaum kannte. Dazu war er manchmal so provokant, dass ich ihn schütteln wollte und ignorant. Aber auch mitfühlend und lustig.

"Du siehst so wunderschön aus." Mein Gesicht hob sich und ich erkannte, dass Daxton im Türrahmen stand. Seine Hände in den Taschen seiner Jeans versteckt, kam er auf mich zu. Ich saß mit einem weißen Seiden Pyjama im Bett. Den Block auf meinen Oberschenkeln liegend. "Was malst du?"

"Nichts, das man erkennen könnte. Nur Linien und Schatten.«

Daxton stellte sich neben mich und ging anschließend in die Hocke, um mein Gemaltes zu prüfen. Es waren wirklich nur Linien.

"Hast du Hunger? Durst? Brauchst du irgendetwas?" Er lehnte sein Kinn auf seine Hand und schaute zu mir auf. Seine freie Hand suchte meinen Unterarm. Er streichelte sanft über meine Haut. Malte Kreise mit seinen Fingern.

"Ich würde meine Familie gern besuchen."

"Du solltest dich noch ausruhen."

"Es geht mir gut, Daxton", sprach ich auf ihn ein. "Die Schmerzen sind weg. Ich bitte dich. Lass uns zu meinen Eltern. Wenigstens zum Abendessen."

"Ich sagte, nein", erwiderte er mir, woraufhin Tränen in meine Augen traten. Ich wollte wissen, wie es meinem Vater ging und ich hoffte, von meiner Mutter aus Jace anrufen zu können. Auch wenn Daxton sich ruhig verhielt, so war es nur eine Frage der Zeit, bis er die Wahrheit erfahren würde. Er musste nur im Krankenhaus nachfragen, ob ich Patientin war. Dieses Risiko hielt mich nachts wach. Zu meinem Glück hatte er beruflich im Moment etwas mehr zu tun, sodass er sich nur auf seine Akten im Büro und mich konzentrierte. Nicht auf meine Behandlung. Trotzdem betete ich, dass er bald wieder aufs Revier fahren würde, damit ich im Büro nach der Wahrheit suchen könnte.

Ich atmete tief durch, bis Daxton mir eine Träne weg wischte, die gerade über meine Wange lief.

"Ich rufe deine Mutter an. Nur ein Abendessen."

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