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Das Display meines Handys war vollkommen zerstört. Kleine Glassplitter lagen überall verteilt auf den hellen Fliesen. Ich ignorierte sie.
Panisch drückte ich auf den Knopf meines Smartphones. Hoffentlich würde es noch angehen. Meine Hände zitterten. Ungeduldig wartete ich einige Minuten. Versuchte dabei immer wieder das Handy anzubekommen. Doch es ging einfach nicht an, ganz gleich wie sehr ich innerlich flehte. Hektisch stand ich auf und lief zurück ins Schlafzimmer. Noch immer hallten Stimmen aus dem Untergeschoss zu mir empor.
Er hat alles im Griff, hat er gesagt. Da Daxton immer die Kontrolle über alles hatte, glaubte ich ihm.
Neben meinem Nachttisch hing das Ladekabel und ich steckte mein Handy an. Während ich einige Minuten wartete, ob sich etwas verändern würde, zog ich mir eine Jeans und ein T-Shirt an. Vor dem Spiegel blieb ich stehen.
Ich konnte bereits eine leichte Wölbung meines Bauches erkennen. Sie war minimal und ich hoffte, sie würde niemandem auffallen. Doch Daxton kannte mich. Ihm würde es auch auffallen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er es herausfinden würde. Ich musste eine Entscheidung treffen. Für oder gegen das Baby, und das so schnell wie möglich.
Zurück bei meinem Handy, versuchte ich es erneut. Erleichtert atmete ich durch, als der Bildschirm schließlich aufleuchtete. Kurz bevor es sich eingeschaltet hatte, ging es plötzlich wieder aus. Der Bildschirm wurde schwarz, genau wie meine Zukunftsaussichten. Eine Welle der Verzweiflung drohte mich mit sich zu reißen. Ich zog das Handy vom Kabel und steckte es anschließend in meine Tasche.
Die Stimmen im Erdgeschoss waren mittlerweile verstummt. Hatten sie Amy weggebracht? Würde sie noch immer da liegen?
Bilder der vergangenen Nacht schossen mir in den Kopf. Wie ich hinter ihr die Treppe hinauf rannte. Sie am Arm packte. Wie sie stolperte und schließlich fiel. Das Blut, welches den Boden bedeckte … Daxton...
Die Erinnerungen drohten mich zu übermannen. Mein Herz schlug in einem unnatürlichen Rhytmus. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich zuckte erschrocken zusammen. Schnell drehte ich mich um und sah in die blauen Augen von Daxton auf. Sanft küsste er meine Stirn.
"Ich habe sie weggeschickt. Sie haben die Geschichte geglaubt. Dir wird nichts geschehen."
Ich schluckte fest und nickte. Nicht im Stande ein Wort zu erwidern. Immer weiter zog mich ein Strudel der Abhängigkeit in seine Arme. Henker und Retter zur gleichen Zeit.
"Ich soll aufs Revier kommen. Wegen dem Mordfall gibt es neue Information."
Erneut nickte ich. Schweigen umgab uns.
"Riley-", er hob mein Kinn, damit ich ihn direkt ansehen musste. "Fahr zu deinen Eltern, ich will dich nicht alleine lassen."
"Okay", wisperte ich. Sofort erkannte ich die perfekte Chance. Er würde im Büro sein. Im Glauben, ich sei bei meinen Eltern. Doch mein Plan war ein anderer. Wenn jemand wusste, wie wir an die Bilder auf dem Handy kommen würden, dann Jace.
Daxtons Hand wanderte in meinen Nacken. Er zog mich nah vor seine Lippen. "Es wird alles gut", hauchte er. Seine Lippen landeten auf meinen. Er küsste mich mit einer Leidenschaft, die mir angesichts der letzten Nacht makaber vorkam. Dass er dazu überhaupt im Stande war, nachdem er nicht nur die Polizei, sondern auch seine Kollegen und Freunde belogen hatte.
Er ließ von mir ab. "Soll ich dich fahren?", fragte er mich, mit einem flüchtigen Blick auf seine Uhr. Ich schüttelte den Kopf. Wenn er mich fahren würde, würde meine Lüge sofort auffallen und an die Konsequenzen wollte ich gar nicht erst denken. "Ich fahre alleine heute."
Sein Blick wurde eindringlicher, doch nach einigen Sekunden lockerte er sich wieder. Er küsste mich erneut und verabschiedete sich.
Als ich mir sicher war, dass er das Haus verlassen hatte, zog ich das Handy aus meiner Tasche. Auf dem Rückweg würde ich mir ein Neues besorgen.
Ich ließ mich auf dem ledernen Sitz meines Audis nieder. Daxton hatte mir das Auto zum Geburtstag geschenkt. Auch wenn er mir nicht oft erlaubte, damit zu fahren. Meine Hand legte sich um das Lenkrad, nachdem ich den Startknopf gedrückt hatte. Langsam fuhr ich aus der Einfahrt, bis mir bewusst wurde, ich hatte keinerlei Ahnung, wo Jace lebte. Einzig wo seine Familie wohnte. Ich würde wohl Don fragen müssen.
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Ich stellte den Wagen vor der großen Villa ab. Die Fassade strahlte in einem hellen weiß. Don lebte im Reichtum und scheute sich nicht davor, es den Leuten zu zeigen.
Vor der Tür angekommen, klopfte ich dagegen. Schritte ertönten und sie öffnete sich. Doch es war nicht Don, welcher vor mir stand, sondern Jace. Genau wegen ihm war ich hierher gefahren, doch als er plötzlich vor mir ragte, schaute ich ihn erschrocken an.
"Hat Daxton dich mal wieder missbraucht oder warum siehst du aus wie ein trauriges Baby."
Seine Worte provozierten mich wie jedes Mal. Doch heute traf er einen wunden Punkt. Hatte Daxton mich missbraucht?
Er hatte mich nicht missbraucht. Nein das was er getan hatte, war vermutlich noch schlimmer. Er vertuschte einen Mord für den ich verantwortlich war.
Tränen liefen mir die Wangen herab. Mein Körper zitterte. Jace starrte mich entsetzt an. Er öffnete die Tür weiter und bat mich herein. Stumm folgte ich ihm ins Wohnzimmer. Kraftlos fiel ich auf die Couch. Er setzte sich mir gegenüber auf einen Sessel.
"Willst du darüber reden?", sprach er nach einer Ewigkeit des Schweigens. Ich antwortete ihm nicht. Seine Finger zeichneten kleine Kreise auf dem Leder der Lehne des Sessels.
"Ich verspreche, ein Wort von dir und dieser Bastard wird dich in Ruhe lassen-"
"Er hat mich nicht geschlagen", unterbrach ich ihn, da ich nach allem was war, sicher in keine Konfrontation mit Daxton geraten wollte. Noch brauchte ich ihn, sonst würde mich entweder mein Schatten an sich reißen, oder ich würde im Knast landen.
"Ich würde ihm trotzdem gern den Arsch aufreißen. Er ist ein ekelhafter Prolet.”
Eine weitere Ewigkeit des Schweigens verging. Nervös spielte ich mit meinen Fingern. Versuchte meine Gedanken zu ordnen. Mein Blick war die ganze Zeit über auf meine Hände gerichtet. Jace Blicke drohten mich zu durchbohren. Ich wusste nicht, wo er gerade hinsah und doch spürte ich jeden seiner Blicke auf meiner Haut, wie eine Nadel.
"Ich habe eine Frau getötet", unterbrach ich schließlich die Stille. Mein Blick fiel auf Jace Gesicht. Er hatte nicht einen Muskel verzogen. Stillschweigend starrte er mich an.
"Amy, unsere Haushälterin… Sie hatte mich erwischt, als ich die Akten fotografierte. Sie drohte es Daxton zu sagen. Wir rannten die Treppen nach oben... Ich hielt sie am Arm zurück. Sie stolperte und fiel... Ich konnte sie nicht mehr festhalten."
Meine Stimme brach bei jedem Wort. Tränen liefen mir über das Gesicht. Jace sagte immer noch kein Wort. Stattdessen stand er auf und ging auf mich zu. Er würde mich bestimmt aus dem Haus werfen oder schlimmeres. Ich hörte seine dämlichen, von Sarkasmus eingenommenen Worte schon.
Vor mir angekommen, ließ er sich neben mir auf die Couch nieder. Vor Angst hielt ich meinen Atem an. Sein Arm legte sich um meinen Oberkörper und er zog mich an sich. Ich verkrampfte auf seine Geste hin.
"Es war ein Unfall", flüsterte er, während er mich fest hielt.
"Nein, war es nicht. Sie lebte noch. Ich wollte den Notarzt rufen. Doch Daxton meinte, ich solle sie liegen lassen. Ihr Tod hätte verhindert werden können", schluchzte ich weiter.
"Ihr Tod vielleicht, aber was hätte Daxton mit dir getan, wenn du ihm widersprochen hättest. Es wäre vielleicht auch dein Tod gewesen."
“Daxton würde mich niemals töten. Dafür liebt er mich leider zu sehr…”
Ich beruhigte mich allmählich, umso mehr Zeit verging. Desto klarer meine Gedanken wurden, desto mehr kamen mir andere Sachen in den Verstand zurück. Meine Hand fühlte in meiner Tasche das Handy. Ich zog es hervor und zeigte es Jace.
"Er hat es gegen die Wand geworfen, aber die Fotos befinden sich auf der Speicherkarte. Ich bin mir sicher, dass man sie wiederherstellen kann."
Er löste sich von mir und nahm das Handy an sich. "Ich werde mich darum kümmern." Eine Weile blieb es still bis er ein leises Dankeschön flüsterte. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Wenn ich schon nicht mir selbst helfen konnte, dann wenigstens Jace, der hoffentlich bald den Mörder seiner Bekannten finden würde. Da fiel mir ein, das Daxton wegen des Mordfalls ins Revier musste.
“Jace”, sprach ich und rückte etwas vor, sodass seine Augen genau auf meine trafen. Ich wollte gerade weitersprechen, da erschrak ich, als ich mich in dem grün-braunen Wald seiner Iriden verlor. So tief und geheimnisvoll. Von einer Dunkelheit gezeichnet, die einem Angst machen sollte. Ich schluckte fest und wandte mich ab, bis ich plötzlich Schritte im Hausflur hörte.
"Was zur Hölle?!" Es war Daxton der im Wohnzimmer auftauchte und mich wütend fixierte. Mein Herz sprang mir bei seinem Anblick beinahe aus der Brust. Ich wollte aus Reflex aufstehen, doch Jace kam mir zuvor. Schützend stellte er sich vor mich.
"Riley, wir gehen! Sofort!", befahl Daxton mit strengem Ton. Erneut erhob ich mich, doch Jace umfasste meine Schulter und schob mich hinter sich.
"Sie bleibt", widersprach er Daxton. Das ganze würde kein gutes Ende nehmen.
"Du bestimmst nicht über meine Frau!", spuckte Daxton Jace entgegen.
"Ach ja, aber du?"
"Jace, hör bitte auf", bat ich ihn und trat hinter ihm hervor.
"Ja, Jace. Sie weiß schon, was gut für sie ist", entkam es Daxton auf meine Worte. Ich ging auf ihn zu, doch Jace hielt mich zum wiederholten Male am Arm zurück.
"Du musst nicht mit ihm gehen."
"Jace, lass mich los”, wehrte ich mich, da ich es sein würde, die alle Konsequenzen abbekommen würde. In dem Moment trat Daxton auf uns zu.
“Lass sie los oder du verlierst gleich deine Hände!”
“Versuch es nur! Bin gespannt, wie weit du kommen wirst.”
Jace ließ mich los und spannte sich bereits an, da begann Daxton aber zu lachen.
“Als würde ich mich mit Abschaum wie dir schlagen. Was sagt dein Vater doch gleich? Ein Junkie, der den ganzen Tag nichts tut, außer Billiard spielen und in Bars abhängen.”
"Wenigstens missbrauche ich keine schwangere Frau."
Ich schluckte erschrocken, als mir die Worte von Jace bewusst wurden. Daxton starrte mich schockiert an. Die Hoffnung, dass er ihn überhört hatte, verstummte. Auch Jace wurde sich bewusst, was er gerade getan hatte.
Sofort kam Daxton auf mich zu und blieb vor mir stehen.
"Du bist schwanger?", fragte er mich mit geweiteten Augen. Seine Stimme glich einem Flüstern im Wind.
Ich nickte. Es gab keinen Grund mehr ihn zu belügen. Er wusste es. Die Entscheidung war gefallen. Er würde nie zulassen, dass ich das Kind abtreibe. Jace hatte meine Zukunft besiegelt.
Daxton zog mich in eine Umarmung.
"Endlich können wir eine glückliche Famile sein, Riley."
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