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“Ihre Wunde sieht sehr gut aus. Es wird noch dauern, bis sie vollends verheilt, aber ich gehe nicht von Komplikationen aus. Ich mache ihre Entlassungspapiere fertig und dann möchte ich Ihrem Glück nicht mehr im Wege stehen.”
Dr. Micheals hatte mich gerade ein letztes Mal untersucht. Sie strahlte über das ganze Gesicht, während sie das Tablet mit meinen Daten an eine Schwester reichte. Ich nickte ihr dankbar, wenn auch immer noch etwas mitgenommen zu. Anschließend verließen beide den Raum. Mein Blick schweifte zu Daxton, der an meiner Seite saß.
“Ich bin so froh, dass es dir besser geht. Kaum vorstellbar, was du durchmachen musstest. Das wird nie wieder passieren. Dafür sorge ich.”
Er wusste es noch nicht. Wusste noch nichts von unserem gemeinsamen Kind. Das sollte auch vorerst so bleiben. Würde Daxton nach all dem jetzt auch noch von dem Baby erfahren, wäre mein Leben endgültig vorbei - und dafür bräuchte es kein Messer, das mir in den Körper gerammt werden würde. Er würde mich einsperren wie einen Tiger im goldenen Käfig.
Seine ständige Anwesenheit sorgte im Krankenhaus schon dafür, dass Jace mich nicht besuchen konnte. Zuhause würde es mit großer Sicherheit noch schlimmer werden. Ein Leben geprägt von ständiger Überwachung wartete auf mich. Dadurch würde es schwer genug für mich werden, an Informationen für Jace zu kommen. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, um meinen Ehemann davon zu überzeugen, dass ich auch alleine Zuhause klar käme. Mir fehlte zwar noch die Lösung dafür, doch ich feilte bereits daran.
Daxton erzählte mir bei seinem gestrigen Besuch von einer möglichen Spur meines Angreifers. Er suchte rund um die Uhr nach ihm. Ob von Zuhause aus, oder von hier aus über seinen Laptop. Er dachte voller Überzeugung, er hätte große Chancen ihn zu finden. Was er jedoch nicht wusste, war, dass ich bereits seit Wochen verfolgt wurde und der Angreifer niemand aus alten Polizeiakten seiner Verhaftungen war.
“Ich muss noch einmal ganz schnell auf das Revier. Ich rufe Amy von unterwegs aus an. Sie soll alles für deine Ankunft vorbereiten. Heute Abend hole ich dich ab und dann weiche ich keine Sekunde mehr von deiner Seite.” Daxton erhob sich von dem Stuhl und stellte sich an meine Seite. Ich sah lächelnd zu ihm auf. Ließ meine Augen über seine schweifen. Er wirkte müde. Die Augenringe ausgeprägt. Sein aufmunterndes Lächeln erschöpft. “Hast du einen besonderen Wunsch? Ein bestimmtes Abendessen? Ein neues Buch? Soll ich dir Leinwände kaufen?”
Ich überlegte kurz und antwortete ihm dann: “Ich hätte gerne Waffeln mit Vanilleeis und heißen Kirschen wenn ich nach Hause komme. Richte das Amy bitte aus. Und einen Milchshake.”
Er nickte und runzelte dabei seine Stirn. Als unsere Augen sich daraufhin erneut trafen, legte sich ein freches Grinsen auf seine Lippen.
“Was hat es mit den Waffeln auf sich? Man könnte meinen, du seist schwanger, bei dem ganzen Süßkram.” Flüchtig wandte sich sein Blick zu meinem Bauch herunter. Mein Magen zog sich zusammen. Wie gerne hätte ich ihm vorgeworfen, dass er etwas getan hatte, was ich ihm nie verzeihen würde. Ich verkniff es mir. Hielt die Wut im Zaum, die sich in meinem Brustkorb sammelte und über meine Kehle hinauswollte. Daxton nahm wieder mein Gesicht ins Visier. Das Grinsen hatte sich nicht verändert. Immer noch amüsiert sprach er weiter. “Ich richte es Amy aus. Wenn meine Liebste Waffeln möchte, soll sie alle Waffeln dieser Stadt bekommen.”
Ein gespieltes Lächeln lenkte von meinen wahren Gefühlen ab. Umso länger ich darüber nachdachte, dass er meine Tabletten einfach ersetzt hatte, desto fester wurde mein Entschluss, ihn ein für alle mal zu verlassen. Zu meiner Erleichterung hatte die Ärztin mir hoch und heilig versprochen, ihm nichts von dem Baby zu erzählen. Das brachte mir noch etwas Zeit, in Ruhe über alles nachzudenken. Daxton beugte sich im nächsten Moment über mich. Er bekam von meiner inneren Zerrissenheit nichts mit und küsste mich leidenschaftlich. Mehrere Male saugte er meine Lippen sanft zwischen seine, ehe er sich wieder von mir löste, um mir tief in meine Augen zu blicken.
“Ich liebe dich, Riley. Das war mir nie klarer, als seit dem Moment, in dem ich im Glauben war, dich für immer zu verlieren. Doch mir ist noch etwas klar geworden … Unsere Herzen sind miteinander verbunden, selbst über den Tod hinaus. Hört eines auf zu schlagen, tut es das andere auch.”
Behutsam strich sein Daumen über meine Wange. Eine Spur von Zorn und Abneigung brannte auf meiner Haut. Daxton zog seine Hand weg, als sein Handy klingelte und verließ anschließend den Raum. Alleine blieb ich zurück in der Stille. Bevor ich allerdings meine Sachen packen konnte, erregte das Vibrieren meines Handys meine Aufmerksamkeit.
Ich lehnte mich herüber zum Nachttisch, um es neugierig in meine Hand zu nehmen. Ich hoffte darauf, dass es nicht mein Schatten sein würde, der mich mit einer neuen Nachricht in den Abgrund stürzen würde.
Mein Blick konzentrierte sich auf das Display. Ein Anruf von Jace. Beruhigt darüber atmete ich durch und nahm den Anruf entgegen.
“Ich bin froh, dass es dir besser geht.”
“Kriege ich nicht mal ein Hallo?”
Auf meine Frage hin entstand eine kurze Stille. Ich konnte sein dämliches Grinsen direkt vor Augen sehen.
“Hallo, Dornröschen”, erwiderte er mir. Ich schmunzelte. “Genug geschlafen. Wir sollten uns an die Arbeit machen.”
“Du meinst, ich sollte mich an die Arbeit machen und dir endlich Infos liefern.”
“Ich mache mich auch an die Arbeit.” Irritiert über seine Aussage, hob ich eine Augenbraue und starrte zum Fenster.
“Welche Arbeit?”
“Naja. Einer muss ja deinen Schatten finden, damit du endlich Zeit findest, dich voll und ganz auf deinen Ehemann zu konzentrieren.”
Erneut entstand Stille zwischen uns. Jace unterbrach sie allerdings schnell wieder.
"Riley, ich brauche wirklich dringend alle Informationen zu dem Fall von Vanessa. Meinen Nachforschungen zufolge bewahrt Daxton immer eine Kopie von seinen Fällen zu Hause auf. Deine Aufgabe wird es sein, diese Kopie zu finden.”
“Bist du verrückt?!”, entkam es mir. Ich setzte mich nervös auf. “Daxton wird nicht mehr von meiner Seite weichen. Er wird alles mögliche tun, um mich im Auge behalten zu können”, erwiderte ich ihm wütend. Es würde nicht funktionieren. Davon abgesehen, dass Daxtons Büro für mich unzugänglich war.
“Keine Sorge. Ich kümmere mich darum, dass er genug zu tun hat. Er wird nicht zu Hause sein. Besorg du einfach diese Akte”, erklärte er und fügte noch hinzu: “Und nein. Ich bin nicht verrückt, sonst würde ich kaum einen unbekannten Schatten durch die Nacht jagen. Das alles auch noch für eine Frau, die wohl drauf steht, gejagt und festgehalten zu werden.”
“Was zum Teu-”, wollte ich noch etwas sagen, da ertönte allerdings bereits das Geräusch meines Handys. Er hatte aufgelegt. Was dachte er sich eigentlich, wer er war, immer wieder so mit mir zu reden? Konnte er nicht ein einziges Mal nett sein?
Kopfschüttelnd löschte ich den Anruf aus dem Protokoll und begann schließlich meine Sachen in den Koffer zu packen.
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“Willkommen Zuhause.” Daxton führte mich an meiner Hand in den Eingangsbereich, während er mit der anderen meinen Koffer trug. Der vertraute Geruch brachte mich zum Durchatmen. Es kam mir viel zu lange vor, dass ich nichts anderes als den beißenden Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase gedrängt bekam. “Das Essen ist sicher schon fertig.”
Daxton stellte den Koffer ab und half mir anschließend aus meinem Mantel. Meine Bewegungen waren langsam. Die Wunde zwar einigermaßen verheilt, doch Schmerzen würden mich noch eine ganze Zeit lang begleiten. Zudem hatte ich von der Ärztin nur ein schwaches Schmerzmittel erhalten. Alles um das ungeborene Kind in meinem Bauch nicht zu gefährden.
Behutsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Mein Blick dabei vor mich gerichtet. Ich blieb im Flur stehen und spähte ins Wohnzimmer. Genau an die Stelle, bei der ich dachte, meinen letzten Atemzug zu machen. Die Erinnerungen lähmten mich. Daxton bemerkte es und legte mir seinen Arm schützend um die Taille.
“Keiner wird mehr hier einbrechen können. Ich habe alle Fenster mit Sicherheitsglas austauschen lassen. Jedes Schloss wurde durch ein neues ersetzt. Niemand kommt hier mehr rein, ohne dass ich davon erfahren würde. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.”
“Und trotzdem fühle ich mich nicht sicher”, flüsterte ich. Meine Augen lagen dabei immer noch auf dem Boden des Wohnzimmers. Ich löste mich aus meiner Starre und suchte gemeinsam mit Daxton den dunklen Esstisch auf. Auf diesem wartete wirklich schon das Abendessen auf uns. Amy hatte Hühnersuppe zubereitet.
“Es freut mich, Sie wieder munter zu sehen.” Amy trat mit einer Flasche Wasser aus der Küche auf uns zu. Ihr hinterhältiges Grinsen offenbarte mir, dass sie sich ganz und gar nicht freute.
“Hast du die Waffeln?”, fragte ich sie, ohne sie anzusehen. Ich ließ mich auf meinem Stuhl nieder und wartete auf ihre Antwort.
“Ich bin gerade dabei, sie herzurichten.”
Sie stellte die Flasche Wasser vor mir auf dem Tisch ab und verschwand wieder in die Küche. Daxtons Blick begegnete meinem. Nachdenklich musterte er mich, während er sich mir gegenüber niederließ.
“Du bist eifersüchtig.”
Mit großen Augen starrte ich ihn an. Ich konnte kaum glauben, was ich hörte. Dachte er ernsthaft, es würde daran liegen, dass ich so kalt mit Amy umging? Wahrscheinlich war er wirklich dieser Überzeugung, doch es hatte rein gar nichts mit Eifersucht zu tun. Viel mehr damit, welch feindselige Blicke sie mir oft zuwarf. Dazu die Tatsache, dass sie mich bei jedem Schritt durchs Haus beobachtete.
“Nein”, entgegnete ich ihm, während er schmunzelte. “Ich mag sie einfach nicht, da sie eine kleine Ratte ist.”
Er lachte und nahm sich eine Kelle der Suppe auf den Teller.
“Sie passt nur auf dich auf, wenn ich nicht da bin.”
“Du weißt, dass ich erwachsen bin und nicht rund um die Uhr einen Aufpasser brauche?”
“Erwachsen, ja. Aber leider besteht bei dir Fluchtgefahr. Gewinne mein Vertrauen zurück, dann kriegst du auch mehr Freiheit zurück.”
Amy trat mit den Waffeln in der Hand zurück zum Esstisch. Sie platzierte den Teller vor mir, wodurch der herrliche Duft von den heißen Kirschen in meine Nase stieg. Wir begannen schweigend zu essen. Jeder in seinen Gedanken.
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