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"Wir sind ja so froh, dass du wieder zurück bist."

Meine Eltern standen vor mir. Beide lächelten glücklich, als wären wir die perfekte Vorzeige-Familie, die sich zu einem ganz gewöhnlichen Abendessen treffen würde. Doch meine Familie war nicht perfekt. Zumindest für mich nicht mehr. Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung davon hätten, was hinter geschlossenen Vorhängen vor sich ging, dann würde ihnen das Lächeln vergehen. Vielleicht sogar für immer erlöschen.

Unsicher stand ich am Eingang. Mir lag die Frage auf der Zunge, wieso sie uns heute so kurzfristig eingeladen hatten. Ehe ich dazu kam, spürte ich Daxtons Hand auf meinem Rücken. Er schob mich leicht nach vorne in den kleinen Eingangsbereich. Kontrollierte wie immer jeden meiner Schritte, ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich alleine fortzubewegen.

"Natürlich ist sie zu mir zurück gekommen." Ich hörte förmlich den Triumph in dem dunklen Klang seiner Stimme. Er war wirklich überzeugt davon, meine Rückkehr hätte etwas mit ihm zu tun. Ich ließ ihm in diesen Glauben, denn ich weigerte mich jemanden von den Briefen zu erzählen. Auch nicht ihm, obwohl er als Polizeichef sicher etwas hätte dagegen unternehmen können. "Ich habe meiner Schönheit verziehen, worauf eine ausgiebige Versöhnung folgte." Ein dreckiges, von Überlegenheit strotzendes Grinsen legte sich auf seine Lippen. "Alles andere wäre nicht in Frage gekommen. Immerhin sind wir füreinander bestimmt."

Mein Vater nickte erfreut über die Lügen, die aus Daxtons Mund kamen, während meine Mutter schon voraus ins Wohnzimmer lief. 

"Das seid ihr wirklich. Ich bin froh, dass meine Kleine einen Mann gefunden hat, der auf sie aufpassen kann." Mein Vater blickte mit einem sanften Ausdruck zu mir herab. Er trieb mich damals in die Arme von Daxton, der sich bereits in mich verliebte, als wir die gleiche Grundschule besuchten. Mit 18 gab ich ihm das Ja-Wort. Nicht nur, weil meine Eltern mich dazu drängten, sondern weil er sich wirklich Mühe damit machte, mich von sich zu überzeugen. So charmant und liebevoll. Kein Vergleich dazu, was innerhalb von zwei Jahren aus ihm geworden war. Doch wie immer trügte der Schein. Ein Schleier lag über seinem wahren Charakter. Vor lauter Komplimenten und schönen Worten sah man seine dunkle Seite nicht. Sie blieb verborgen, bis er sich meiner sicher war. Der zweite Grund dafür, dass ich ihm zusagte, war der, dass mein Vater für seinen arbeitete. Er versprach mir, meinen Eltern würde es an nichts mehr fehlen, genauso wenig wie meinen beiden kleinen Brüdern. Aus einer kleinen Dreizimmerwohnung, wurde ein Haus. Aus mir nur noch ein Schatten meiner selbst. 

Daxton führte seine Hand gefährlich langsam weiter über meinen Rücken. An meiner Taille angekommen zog er mich näher an sich. Ich zuckte leicht, als er seine Hand genau auf eine der Stellen legte, unter der sich ein blauer Fleck von ihm befand. Nur wenige Stunden war es her, als er sie mir zufügte. Natürlich schob er die Schuld dafür mir zu. 

Angst vor dem Unbekannten trieb mich hierher zurück, obwohl ich meine Flucht lange plante. Es schien fast unmöglich, vor einem Polizisten zu flüchten. Erst Recht, wenn dieser von einem besessen war. Meinen Eltern hinterließ ich einen Brief. Sie glaubten meine Lüge, ich würde für einige Monate eine Freundin besuchen. Es blieb dann auch nur bei einigen Monaten, obwohl ich nie wiederkehren wollte. Unter den Schmerzen der letzten Nacht zusammenbrechend, wünschte ich mir herbei, dass der Mann, der mir diese Briefe schrieb, endlich kommen würde. Es klang verlockend durchs Fegefeuer gejagt zu werden, um dann endlich ins Gras zu beißen und in Asche zusammenzufallen. Ich bereute schon nach wenigen Tagen, zurückgekommen zu sein. 

"Reiß dich zusammen. Du verhältst dich abwesend." Kaum, dass mein Vater ebenfalls Richtung Wohnzimmer aufbrach, ertönte die erste Drohung von Daxton. Ich ahnte bereits, dass er seine Wut sammelte, um sie später mit einem Lächeln an mir auszulassen. 

"Ich soll also auf glücklich machen, nachdem du dein Versprechen gebrochen hast?", erwiderte ich ihm ausdruckslos. Dabei sah ich zu ihm auf. Seine blauen Augen - so anziehend, dass man die Gefahr nicht erkannte, die von ihm ausging. Sein gutes Aussehen blendete, doch ich hatte zu genüge gesehen, welch Monster hinter der aufgesetzten Fassade steckte.

"Du hast unser Versprechen gebrochen, Riley. Du bist einfach abgehauen." Er wollte eine Strähne meiner aschblonden Haare zwischen seine Finger nehmen, da wandte ich mein Gesicht zur Seite. Diese Geste brachte ihn zum Schmunzeln. Er genoss meine Gegenwehr, da er seine Macht in diesem Moment so richtig demonstrieren konnte. Grob umfasste er meinen Nacken, um mich an sich zu ziehen.Seine Augen durchbohrten meine. Er wartete wie ein Raubtier, ob ich ihm ausweichen würde. Doch ich tat es nicht. Ich hielt ihm stand, ganz gleich, ob ich es bereuen würde. 

"Ich bin nicht einfach abgehauen", flüsterte ich zu ihm auf, während er meinen Nacken freiließ, nur um anschließend meine Hüfte mit beiden Händen zu umfassen. "Du hast mich dazu getrieben!"

"Hat es Spaß gemacht, mich im Stich zu lassen? Mit wie vielen Typen du wohl gefickt hast, während ich dich Tag und Nacht gesucht habe", hauchte er und ich hörte ganz genau das Zittern in seiner Stimme. Er stellte es sich in dem Moment vor, als er tief in meine braunen Augen starrte. Stellte sich vor, wie ich mich einem anderen hingab. Ich spürte es alleine schon dadurch, dass sein Griff um meine Taille immer fester und fordernder wurde. "Ich hoffe du hast es genossen, denn ich werde nie wieder zulassen, dass du das Weite suchst."

Er schluckte fest. Fixierte mich dabei weiterhin. Jedes Wort von ihm strahlte reinste Drohung aus. Nach einem tiefen Atemzug, legte ich ihm meine Hände auf den Brustkorb, um ihn von mir zu schieben. Sein Griff verstärkte sich nochmals. Er kam mir näher. So nah, dass seine Wange meine streifte und sein Atem an meinem Ohr hauchte. 

"In guten, wie in schlechten Tagen, meine Schönheit." Ich unterdrückte es, meine Fingernägel durch sein weißes Hemd in seine Haut zu krallen. Wie gerne ich ihm wenigstens etwas von dem Schmerz, den er mir antat, zurück gegeben hätte. Doch ich tat es nicht. Ich verharrte eng an ihm, bis mein Vater in dem Flur kam.

"Kommt ihr?" Endlich gab Daxton mich frei. Ein heimtückisches Lächeln entstand auf seinem Gesicht. Er drückte mir einen Kuss auf meine Wange, um sich dann meinem Vater zuzuwenden. Dieser hielt ihm ein Glas Bourbon entgegen. "Für uns Männer etwas stärkeres."

Mir fiel auf, wie angespannt mein Vater wirkte. Er fuhr sich mit den Fingerspitzen  durch seinen Schnauzer. Das tat er sonst nur, wenn er sich auf einen Streit mit meiner Mutter vorbereitete. 

"Ist alles in Ordnung?", hakte ich nach, da hörte ich plötzlich Stimmen aus dem Wohnzimmer, die mir unbekannt waren. Wartend auf eine Antwort meines Vaters, spähte ich zur offenen Wohnzimmertür. Ich erkannte durch den Spalt jedoch nichts. 

"Ja, aber mein Cousin ist seit gestern wieder in der Stadt. Du erinnerst dich sicher nicht mehr an ihn. Er ist weg gezogen, da warst du noch klein."

Irritiert verzog ich mein Gesicht. Ich erinnerte mich, dass Papa ab und zu von seinem Cousin sprach. Jedoch nie etwas Gutes. Oft ging es um Geld, dass ihm genommen wurde. 

Nach einem nachdenklichen Nicken, folgte ich den beiden Männern vor mir ins Wohnzimmer. Ich zupfte nervös an meinem Kleid, da ich mit weiterem Besuch nicht gerechnet hatte. Mit Daxton um mich herum fiel es mir schwer genug, innere Ruhe zu finden. Noch mehr Menschen bedeuteten noch mehr Stress für mich. Ich musste die Fassade der perfekten Ehe wahren. Dieser Gedanke verstärkte sich, als ich im Wohnzimmer angekommen meine Brüder entdeckte.

"Rey!", rief Jason als erster und rannte aufgeregt zu mir. Auch Matt folgte ihm. Beide trugen dunkle Hemden zu ihren Jeanshosen.

"Na ihr!" Ich nahm beide in meine Arme. Es fühlte sich für einen Moment so an, als wäre mein Leben wirklich perfekt, als ich ihre Wärme spürte und sie so glücklich darüber strahlten mich zu sehen. "Was hab ich verpasst?"

Ich löste mich von ihnen. Bemerkte, dass Daxton mich von der Seite der Küche aus genau im Blick hatte. Es brannte an den Stellen meines Körpers, die er fixierte. Ich blendete ihn aus und konzentrierte mich auf Jason, der grinsend zu Matt spähte.

"Matt hat eine Freundin."

"Stimmt gar nicht!", protestierte er, worauf beide anfingen lauthals zu streiten. Sie wirkten wie Zwillinge. Beide diese hellbraunen Haare und die dunklen Augen. Zwei Jahre lagen zwischen ihnen. Jason war der ältere mit 14.

"Riley. Du bist ja erwachsen geworden!"

Als die unbekannte Stimme ertönte, drehte ich mich zum Esstisch herum. Er stand auf der anderen Seite des Wohnzimmers. Dunkles Holz, umgeben von einem hell eingerichteten Zimmer. Ein Kontrast, der mir gefiel.

Meine Augen kreuzten sich mit denen eines älteren Mannes. Er befand sich im Alter meines Vaters. Schwarzes Haar, welches im Licht der Stehlampe glänzte. Er trug einen Anzug. Einen teuren. Die Frau mit den roten, hochgesteckten Haaren neben ihm präsentierte sich in einem grünen Abendkleid. Sie zogen sich für ein gemütliches Abendessen so gut an, als würden sie auf einem Ball erwartet werden. Dazu der ganze Schmuck und seine teure Uhr.

"Riley, das ist Don", stellte meine Mutter mich ihm vor, die mit einer Schüssel Salat an mir vorbei zum Tisch lief.

"Don", wiederholte ich sie und lief höflich auf den Mann zu, der aufstand, um mir seine Hand zu reichen. Er gehörte zwar zu meiner Familie, kam mir allerdings vollkommen fremd vor. Seine Hand. So kalt. Ich zog meine rasch zurück.

"Meine Frau, Evelyn", erklärte er und nickte kaum merklich zu der noch immer sitzenden Frau neben sich. Sie schenkte mir nur ein müdes Lächeln, um sich wieder ihrem Handy zu widmen. "Nimm es ihr nicht übel. Unser Sohn raubt ihr mal wieder die Nerven."

"Ohhh, davon kann ich ein Lied singen", erwiderte meine Mutter ihm und strich sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinters Ohr. Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. "Immerhin war meine Tochter der Meinung, sie müsse Hals über Kopf zu einer Freundin fahren, um dieser über eine Trennung hinweg zu helfen. Mein Gott, habe ich mir Sorgen gemacht."

"Mama-", sprach ich etwas lauter und wollte sie abhalten, fremden Leuten mein Privatleben zu offenbaren, da unterbrach mich Daxton aber.

"Keine Sorge. Ich habe meine Frau immer im Blick." Er stellte sich neben mich und legte mir seinen Arm um den Unterrücken. Mir fiel auf, wie feinseelig er Don betrachtete. Wollte er wirklich vor dem Mann beweisen, dass ich ihm gehörte? Immerhin gehörte Don zu meiner Familie. Daxtons Eifersucht strotzte vor Lächerlichkeit.

"Solltest du auch", meinte Don plötzlich, sodass alle ihn über seine Worte verwirrt betrachteten. Selbst Evelyn hob endlich ihr Gesicht und legte das Handy beiseite. 

"Wie bitte?", gab Daxton von sich. Anspannung machte sich in mir breit. Don sah mit großen Augen zu mir und hob beschwichtigend seine Hände.

"Um Gottes Willen! So meinte ich das ganz sicher nicht. Nur ist nicht eine tote Frau gefunden worden? In solch einer kleinen Stadt passieren solche Dinge sonst nicht."

Zu meiner Erleichterung entspannte sich die Atmosphäre wieder und mit Dons Aussage, hatten die Männer nun auch ein Gesprächsthema, das über den ganzen Abend immer wieder aufkam. 

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"Es tut mir wirklich leid", entschuldigte sich Daxton, der einen Anruf vom Revier bekam. "Ich muss los."

"Was ist passiert?", fragte mein Vater interessiert, doch Daxton schüttelte den Kopf und wank ab. Dies tat er immer, wenn er etwas verheimlichen wollte. 

"Alles gut. Sicher nur eine Ruhestörung."

Er erhob sich und ich tat es ihm gleich, da ich dachte, er würde mich nach Hause fahren. Seine Hand deutete mir jedoch, dass ich mich wieder setzen sollte. 

"Bleib noch. Ich schicke einen Fahrer." Es verwirrte mich, doch ich akzeptierte es. Eigentlich drohte er mir, mich keine Sekunde mehr unbeobachtet zu lassen. Vermutlich war er sicher, dass ich nicht einfach Hals über Kopf von meinen Eltern abhauen würde. "Ich komme so schnell es geht nach Hause. Warte auf mich." Er lehnte sich zu mir. Ein erneuter Kuss auf meine Wange folgte. Mein Blick schweifte dabei zu meinem Vater. Er wirkte stolz, was mir ein unwohles Gefühl hervorrief. 

Als Daxton uns dann verließ, lauschte ich den Geschichten von früher. Mein Vater und Don erzählten allerlei aus ihrer Schulzeit, die sehr viel spannender schien, als meine eigene. 

"Bei euch ist alles gut?" Meine Mutter rückte auf den Stuhl, auf dem eben noch Daxton gesessen hatte, um mir näher zu kommen. Ich legte ein gespieltes Lächeln auf, um sie nicht zu beunruhigen.

"Ja, Mama. Mach dir nicht immer solche Sorgen."

"Naja", gab sie von sich und zeigte zum Fenster. "Bei dem, was der Frau passiert ist ... Eine Mutter machen solche Nachrichten sorgen."

"Sie hat einen Polizisten an ihrer Seite. Wo sollte sie sicherer sein?", warf mein Vater zwinkernd ein. Ich versuchte meine Unruhe zu verstecken, was aber nicht nötig war, da alle Aufmerksamkeit in dem Moment von mir abgelenkt wurde, als es an der Tür klingelte.

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Wir hoffen es gefällt euch ♥️

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