Das Baumhaus

LUCAS SICHT:
Kaum habe ich aufgegessen, zieht Christina auch schon an meinem Arm „Komm Luca, ich möchte dir noch einiges zeigen." „Sollen wir nicht erst noch beim Abwasch helfen oder so?" frage ich an Christinas Eltern gewandt. „Ach Quatsch, geht ruhig wir schaffen das schon alleine." lehnt ihre Mutter ab und Christina grinst „Ich wusste, dass sie das sagen würde. Also, können wir los?" „Einen Moment noch." halte ich sie auf und ziehe die Gastgeschenke hervor, welche ich während des Essens neben mir auf der Bank deponiert habe. Ich überreiche sie Christinas Eltern, welche sich sehr darüber freuen. „Mhh das ist bestimmt lecker!" ruft ihr Vater und die Mutter schwärmt „Vielen Dank! Du bist ja so unglaublich gut erzogen mein Junge!" sie drückt mich kurz und bestimmt dann „So, jetzt aber ab mit euch! Geniesst den Nachmittag bei dem schönen Wetter." Christina und ich verlassen das Haus und nachdem sie mir den Garten gezeigt hat, zieht sie mich durch ein Tor einen Weg entlang. „Wohin gehen wir denn jetzt?" möchte ich wissen. „Etwas Geduld wenn ich bitten darf!" fordert Christina lachend. Ich folge ihr weiter, bis sie auf einer blühenden Wiese mit einigen Obstbäumen stehen bleibt. „Du hast mir in Bern ja deinen Lieblingsort gezeigt, also dachte ich, möchte ich dir auch gerne meinen zeigen. Diese Wiese gehört zu unserem Grundstück und früher war ich richtig oft hier. Wir haben Fangen gespielt, Picknicks veranstaltet, Drachen steigen lassen und schliesslich ein Baumhaus gebaut." klärt Christina mich auf und ich höre interessiert zu. Es freut mich, dass sie mir diesen heiligen Ort ihrer Kindheit gezeigt hat und ich erkundige mich: „Existiert das Baumhaus noch?" „Nur nicht so ungeduldig Herr Hänni, ich wollte es dir gerade zeigen." antwortet sie, legt ihre Hand in meine und zieht mich mit zu einem grossen blühenden Apfelbaum. Sie deutet mit dem Finger zwischen die Blätter „Hier ist es." verkündet sie stolz.

CHRISTINAS SICHT:
Als ich das kleine Häuschen im Blätterdach erblicke, fühle ich mich kurzzeitig in meine Kindheit zurückversetzt. Wie lange ich schon nicht mehr hier war. „Wie kommt man hier hoch?" reisst Luca mich aus meinen Gedanken. Grinsend gehe ich zum Baum und löse das Seil vom Stamm ab, welches es mir dann erlaubt, die dünne Strickleiter runter zu ziehen, welche weiter oben über einen Ast geschlagen liegt. „Ich war schon ewig nicht mehr oben, mal sehen ob es noch hält." rufe ich übermütig und schwinge mich bereits die Strickleiter hoch. Besorgt schaut Luca zu mir hoch „Christina, pass bitte auf! Nicht dass noch was morsch ist oder so. Wenn du möchtest, kann ich auch vorgehen." Es ist süss von ihm, dass er sich Sorgen macht aber ich möchte es mir nicht nehmen lassen, als erste im Baumhaus anzukommen und diesen kurzen Moment alleine in meiner kleinen eigenen Welt zu geniessen. Genau wie früher. „Ach Quatsch, das hält schon!" beruhige ich Luca und stecke dann meinen Kopf durch die Öffnung im Boden. Ich stemme mich hoch und schwinge meine Beine ins Innere des kleinen Häuschens. Erst als ich sicher stehe, lasse ich meinen Blick herumschweifen. Alles sieht noch genau so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Der Teppich mit den gemütlichen Kissen, der winzige Tisch in der Ecke, die Truhe mit meinen Malsachen und das Fenster im Dach, welches aus einem Loch besteht, das durch eine Glasscheibe abgedeckt ist, durch welche kaum Licht fällt, da sich das Laub der letzten Jahre darauf gesammelt hat. Langsam gehe ich zu besagtem Fenster, rücke die Scheibe etwas zur Seite und befreie sie von dem Laub. Nachdem ich sie in ihre ursprüngliche Position zurückgeschoben habe, wird der Raum vom warmen Sonnenlicht durchströmt, welches durchs Blätterdach durchscheint. Kaum bin ich damit fertig, schiebt sich auch schon Lucas Lockenkopf in mein Blickfeld. Geschickt klettert er rein und schliesst die Luke hinter sich. Staunend sieht er sich um „Das ist ja echt ein Kindheitstraum hier." Ich stimme ihm zu: „Auf jeden Fall! Ich hab hier schon so viele Stunden verbracht und so viel erlebt. Angefangen beim Bau des Baumhauses, bei welchem ich als stolze 6 jährige mit dabei war und wahrscheinlich mehr im Weg rum stand als dass ich irgendwie hilfreich gewesen wäre, über unzählige Stunden, die ich alleine oder mit meiner Schwester an diesem Tisch sass und gemalt oder einfach nur nachgedacht habe, bis hin zu meinem ersten Kuss, der auch hier stattfand." Da wird Luca gleich hellhörig „Und wie war der so?" möchte er wissen. Ich lache auf „Naja, wie ein erster Kuss halt so ist: unsicher, schüchtern, total aufregend... Ich wollte damals unbedingt dieses Fenster im Dach haben, damit wir uns darunter legen und die Sterne anschauen können. Mein Vater musste mir an dem Tag helfen, das Loch zu sägen und erst als wir das geschafft haben, ist mir aufgefallen, dass man wegen der Blätter des Baumes den Himmel kaum sehen kann." erzähle ich und Luca hört mit einem Lächeln zu. „Du warst also schon immer eine Romantikerin." stellt er grinsend fest. „Damit hast du wohl recht." stimme ich lachend zu. „Wir müssen unbedingt mal im Winter herkommen." sagt Luca plötzlich. „Wieso meinst du?" frage ich verwirrt. „Naja, dann trägt der Baum keine Blätter mehr und dann kriegst du deinen perfekten Kuss hier im Baumhaus unter den Sternen." Bei seinem Vorschlag muss ich lächeln „Awww, wie süss du bist. Steckt da etwa doch auch ein kleiner Romantiker in dir? Aber müssen wir damit wirklich bis im Winter warten? Ich meine wir können uns die Sterne doch auch einfach vorstellen." Luca macht ein paar Schritte auf mich zu, legt seine Hand sanft an meine Wange und schaut mir in die Augen. „Diese Idee gefällt mir sehr gut." verkündet er und zieht mich näher bis unsere Lippen aufeinander liegen. Der Kuss ist wunderschön, doch schon nach ein paar Sekunden werden wir von einer Stimme unterbrochen. „Christiiiinaaa, Luuucaaaa!" ruft die Stimme und wir lösen uns widerwillig voneinander.

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