One love, two mouths.

„Was für'n Scheißwetter!", beschwerte sich die Bedienung, „Jetzt wird in nächster Zeit bestimmt niemand hier rein- oder rausgehen können."

Beim letzten Teil des Satzes verzog sich ihr zugekleistertes Gesicht etwas, doch dann begann sie diabolisch zu grinsen.

Noch bevor Peter überhaupt begreifen konnte, was das hier werden sollte, setzte sie den Plan, den sie wohl gerade in ihrem walnussgroßen Hirn ausgebrütet hatte, in die Tat um.

„Hey, Peter Parker heißt du also?", wollte sie wissen, während sie langsam auf ihn zugestöckelt kam. Dabei gaben ihre viel zu hohen Schuhe ein unregelmäßiges Klackern von sich, das durch den kleinen Raum hallte.

Dadurch wurde dem Jungen noch klarer, dass sie wirklich ganz allein in diesem Café waren – das gerade eben konnte genauso gut eine Illusion gewesen sein. Als ob Tony jetzt auf einmal den „Retter in der Not" spielen würde... lächerlich.

Überrumpelt wich Peter intuitiv einen Schritt zurück, nur, um mit dem Rücken an die Scheibe zu knallen.

Er hoffte wirklich, dass das hier nicht in etwas ausartete, das er nicht kontrollieren konnte.

Das weibliche Wesen vor ihm kam immer, immer näher.

Er wünschte sich, weit weg laufen zu können, doch seine Beine bewegten sich kein Stück und die Scheibe einzuschlagen war sowieso keine Option.

Der penetrante Geruch ihres Billigparfums war ihm zuvor gar nicht aufgefallen, doch jetzt stach er ihm in der Nase.

Seltsamerweise erinnerte er sich in diesem Moment an einen Kurs in der Grundschule, als ihnen erklärt worden war, wie „groß" ihre Komfortzone sein musste.

Dieses Mädchen war gerade dabei, seine definitiv zu überschreiten.

Doch bevor sie ihm näher als einen Meter kommen konnte, wurde die Tür mit einer solchen Wucht aufgestoßen, dass sie Peter getroffen und vermutlich zerschmettert hätte, wäre er nicht instinktiv erschrocken zur Seite gesprungen. Die Angeln quietschten wütend.

„Peter!", dröhnte die Gestalt in der Tür – und Peter musste noch nicht einmal hingesehen zu haben, um zu wissen, wer da die Tür aufgestoßen hatte, sodass ein eisiger Wind durch das kleine Café blies.

„Oh... Mr. Stark, ich-...", versuchte er schnell, das Ganze irgendwie – wie er das machen wollte, war ihm auch nicht klar – abzuschwächen, doch Tony schnitt ihm sofort das Wort ab.

„Mitkommen. Sofort."

Man hörte ihm an, dass er ziemlich wütend sein musste – untertrieben ausgedrückt.

„Aber es hagelt!", protestierte er, doch da wurde sein Arm bereits von einer metallenen Hand fest wie ein Schraubstock umschlossen.

Im Hintergrund hörte man Barbie nach Luft schnappen, Peter war sich sicher, dass sie kurz davorstand, hyperventilierend zusammenzubrechen.

Immerhin wurde ihre „Beute", die sie eigentlich bespringen wollte, gerade von einem ziemlich angsteinflößenden Superhelden geraubt.

Nein, nicht geraubt, das klang ja, als wäre Peter die Prinzessin aus dem unglaublich bekannten Computerspiel. Peter war definitiv keine pinke Rüschen-Trulla.

„Ich will nicht nach draußen!", motzte er wie ein kleines Kind, während Iron Man ihn bereits hinter sich herschleppte, nach draußen, in die Kälte.

Kaum waren sie draußen, begann Peter wieder unkontrolliert zu bibbern.

Es war vorhin schon eine Schande gewesen, im T-Shirt die Wohnung verlassen zu haben, aber jetzt würde definitiv sein letztes Stündlein schlagen.

„Kind, warum hast du nichts Richtiges an? Einen Parka, eine Jacke, einen Mantel, was zur Hölle weiß ich!?", brummte Tony angepisst, während er Peter weiterhin mitzog.

„Zu... wenig Zeit... Treffen... verpasst", schlotterte Peter.

Tony seufzte laut.

In einer sehr schmalen düsteren Gasse, die von den Hausdächern der beiden Gebäude rechts und links davon überdeckt wurde, sodass man hier nicht von Hagelkörnern getroffen wurde, ließ Tony Peter wieder los.

Tony ging es, dank seines Anzugs, natürlich prächtig, doch Peter war voller Eis, das vor allem in seinen Haaren, in seinem Kragen und an seiner Hose langsam zu schmelzen begann.

Er wollte einfach nur heulen. Es war so kalt. Seine gesamte Haut stach.

Zitternd hüpfte er leicht von einem Fuß auf den anderen, was Tony offenbar auftauen ließ.

„Dieser Leichtsinn sollte eigentlich bestraft werden", kam es von ihm, als er sich aus der Rüstung schälte, um Peter nun direkt gegenüberzustehen.

Tony, Tony, Tony. Da war Tony.

Ausgerechnet jetzt – perfektes Timing nannte man das wohl... oder so ähnlich. Peter verfluchte seine Gedanken erneut.

„Tut mir leid, To- Mr. Stark", erwiderte Peter niedergeschlagen, ließ es sich aber nicht nehmen, Tony von oben nach unten zu mustern.

Man sah ihm an, dass er heute eigentlich einen ruhigeren Tag eingeplant hatte, denn er trug einen ziemlich weiten schwarzen Kapuzenpullover, außerdem dunkelblaue Jogginghosen.

Eine furchtbare Farbkombination.

Aber sogar in Jogginghosen sah Tony Stark gut aus.

Er hätte einen Kartoffelsack tragen können, er hätte immer noch besser ausgesehen als jede lebendige Person auf dieser Erde.

Es hätte bestimmt nicht einmal jemand etwas dagegen gehabt, wäre er ständig nackt herumgelaufen...

Peter stellte die komischen Dinge, die ihm im Millisekunden-Takt durch den Kopf schossen, einfach nicht infrage.

Er konnte ja sowieso nichts dagegen tun.

Während Peter so in Gedanken versunken gewesen war, hatte Tony angefangen, sich seines Kapuzenpullovers zu entledigen.

Das bekam Peter erst mit, als sein Gegenüber bereits zur Hälfte damit fertig war.

„Ähm- Mr. Stark... i-ich... was machen Sie da?", fragte er hilflos, konnte und wollte den Blick trotzdem nicht abwenden.

„Wonach sieht es denn aus? Ich glaube, ich spiele St. Martin", spottete Tony. Währenddessen zog er sich das dunkle Kleidungsstück aus schwerem Stoff über den Kopf.

Darunter trug er noch einen Pullover in ähnlicher Farbe, der jedoch etwas dünner war.

„Also... Sie... was, ich meine, es, das, Sie... Sie müssen das nicht machen!", brachte Peter endlich hervor. Er konnte kein bisschen mit der Situation umgehen.

„Und dann lasse ich dich erfrieren? Natürlich", kam es trocken zurück.

Im nächsten Moment wurde ihm schon der viel zu große Pullover an die Brust gedrückt.

Reflexartig griff er danach.

Nach einigem Zögern streifte Peter das Ding, unter Tonys strengem Blick, über.

Das Ganze war viel zu groß, es ging ihm fast bis zum Knie und schlug einen regelrechten Berg aus Falten, da Peter nicht nur kleiner, sondern auch weniger breit gebaut als Tony war.

Trotzdem... Es fühlte sich so verdammt gut an.

Und es roch nach ihm.

Kurz schloss Peter die Augen, um den Geruch in sich aufzunehmen.

Er würde diesen Pullover nie, nie, nie wieder ausziehen. Auf keinen Fall!

Nach einigen Sekunden gab Tony ein leises Hüsteln von sich, sodass Peter die Augen wieder aufschlug.

Man sah dem Mann an, dass sich seine Stimmung innerhalb weniger Sekunde dem Nullpunkt genähert hatte.

Manchmal fragte Peter sich, wieso Tony Stimmungsschwankungen wie eine schwangere Frau hatte, doch das würde er ihn wohl nie fragen.

„Also, jetzt, weshalb ich eigentlich hier bin."

Tony setzte wohl sehr viel darauf, ihm Unbehagen zu bereiten, indem er ihn mit seinen Blicken regelrecht erdolchte.

Aber offenbar war das, genau wie das tiefe Luftholen, nur ein Versuch, sich zu beruhigen, seinerseits.

Es funktionierte anscheinend eher mäßig gut, denn im nächsten Moment spürte Peter, wie er fest nach vorne gedrückt wurde und Tony seine Handgelenke neben seinen Kopf an die Backsteinwand pinnte, die sich dort hinter ihm befand.

Das alles war so schnell passiert, dass der Junge erst jetzt erschrocken nach Luft schnappte und Tony geradezu paralysiert anstarrte, während er darüber nachdachte, was jetzt passieren würde.

Seine Träume gingen oft in eine ähnliche Richtung, brachen aber ab diesem Punkt so gut wie immer einfach ab.

Mit einem wilden, wütenden Ausdruck in den Augen kam Tony Peters Gesicht immer, immer näher.

„Im Tower ist heute, ganz plötzlich, einfach so ein GPS-Signal verschwunden – und rate mal, welches", raunte Tony einige Zentimeter vor Peters Lippen tief und bedrohlich, was dem Jungen eine Gänsehaut bescherte – diesmal ganz sicher nicht wegen der Kälte.

„M-meines?", keuchte Peter, dessen Atem in den letzten Sekunden immer flacher geworden waren.

Die Luft, welche er ausstieß, prallte direkt an Tonys Gesicht ab. So nah...

Nervös schnellte seine Zunge hervor, um seine trockenen Lippen zu befeuchten. Diese Geste schien den Mann vor ihm etwas aus der Fassung zu bringen.

Peters Handgelenke schmerzten und kribbelten gleichzeitig an den Stellen, an denen Tony sie grob festhielt. Er wollte nie wieder losgelassen werden.

„Korrekt. Demnach bin ich davon ausgegangen, dass der Anzug zerstört wurde, was bloß Dinge wie eine Bombe oder ähnliches schaffen würden – trotz nicht vorhandener Nachrichten über irgendwelche Sprengsätze in Queens, war es das Naheliegendste, weshalb ich sofort aufgebrochen bin, um zu sehen, ob du in die Luft gejagt worden bist.

In deinem Zimmer aber habe ich den Anzug unversehrt, neben einem riesigen Kabelsalat, gefunden. Deine Tante meinte, du wärst zu einem Pläuschchen mit einem anderen, zufälligerweise schwulen, dir unbekannten Typen aus deiner Klasse in einem Café, aufgebrochen.

Natürlich stellt sich mir da die Frage: Was zur Hölle hast du angestellt, warum triffst du dich mit dem Jungen, obwohl du ihn nicht kennst, und was sollte das?"

War das überhaupt möglich, so wurde Tonys Stimme beim letzten Teil noch etwas tiefer, was Peter leise wimmern lies. Er hoffte wirklich, dass sein Gegenüber das nicht gehört hatte.

„Also, Peter? Hat es dir die Sprache verschlagen? Dass ich das noch erleben darf...", knurrte Tony, kam Peter noch näher.

Jetzt presste er ihn mit seinem gesamten Gewicht gegen die Wand.

Tonys Augen waren immer dunkler geworden, mittlerweile waren sie fast schwarz.

Peter konnte sich nicht daran erinnern, es jemals so anziehend gefunden zu haben, wenn eine Person wütend auf ihn war.

Küss mich.

Okay, dieser Gedanke war noch nie dagewesen, da war sich Peter ziemlich sicher.

Aber es war auf jeden Fall sein tiefstes Verlangen in dem Moment, welchem er unbedingt nachgeben wollte, ansonsten würde er wohl innerlich verbrennen.

Ganz langsam schaltete sein Kopf ohne seinen Zuspruch auf „Autopilot".

Es war, als hätte er die Kontrolle über seinen gesamten Körper verloren, der sich Tony schlagartig noch weiter entgegenbog, sodass kein Blatt Papier mehr zwischen sie gepasst hätte.

Seine Lippen schnappten wie von selbst gierig nach denen des Manns, der ihn festhielt.

Es war ja klar gewesen, dass der Hagel und die Kälte ihm und seinen Gehirnzellen irgendwie hatten schaden müssen. Ansonsten hätte Peter so etwas natürlich nicht getan.

Sofort distanzierte Tony sich etwas, nicht weit genug, um für Peter nicht mehr erreichbar zu sein, und blinzelte zweimal überrascht.

Er schien ganz kurz innerlich mit sich zu ringen, doch Peter konnte nicht sagen, wie genau die beiden Seiten auszusehen vermochten – oder welche davon die Überhand hatte.

Dann glomm etwas in seinen Augen auf, das der Spinnen-Junge nicht ganz zuordnen konnte, und er kam Peter wieder entgegen, viel schneller als er sich ihm zuvor genähert hatte, wobei er seinen Kopf zu dessen Hals senkte, um in das zarte, helle Fleisch zu beißen.

Peter keuchte erschrocken, aber auch erregt, auf, suchte noch mehr Körperkontakt, indem er seine Beine unbewusst mit Tonys verschränkte.

Passierte das hier wirklich?

Unmöglich.

Ein Fiebertraum, das musste es sein.

Wahrscheinlich lag er gerade halb erfroren im halb-komatösen Zustand am Straßenrand, weil er es nicht einmal bis zum Café geschafft hatte – so musste es sein.

In Realität waren Tonys Zähne, die gerade weiter zu seiner Kehle wanderten, gar nicht da.

„Hast du mein System mit deiner Schrottkiste gehackt?", grollte Tony, während er quälend langsam wieder den Kopf hob, um wenige Millimeter vor Peters Lippen zu stoppen.

So nah waren sie sich noch nie gewesen, Peter erkannte nun sogar die helleren Sprenkel in seiner Iris und jeden einzelnen seiner dunklen Bartstoppeln. Wie gut sich diese doch an seiner Haut anfühlen mussten...

Zuerst konnte der Junge nichts mit der Frage anfangen, sein Kopf war wie leergefegt. Da war nur noch Tony. Überall.

Welches System? Schrottkiste? So nannte Tante May ihren Toaster doch immer? Warum hätte er etwas hacken sollen? Mit einer Maschine, die Brot anbriet?

Ganz vage erinnerte er sich wieder: Der Anzug.

„Viel...leicht...", keuchte er, sich Tonys Präsenz überdeutlich bewusst.

„Du machst sowas nie wieder!", teilte ihm sein Idol/Was-auch-immer-er-jetzt-war mit, bevor er seine Lippen gierig gegen Peters presste.

Es fühlte sich an, als wäre alles an ihm überreizt und er würde gleich schmelzen, explodieren oder zerfallen, doch nichts dergleichen geschah.

Stattdessen bewegte er seinen Mund etwas gegen Tonys, der schon nach wenigen Sekunden herrisch mit seiner Zunge nach Einlass verlangte, den Peter ihm sofort gewährte.

Warum auch nicht?

„Nutze die Chancen, die du hast", hatte Steve ihm einmal gesagt. Zwar mit vollkommen anderem Kontext, aber der Spruch war der gleiche und könnte genauso gut von einem kitschigen Tumblr-Post stammen.

Es fühlte sich gut an.

Sein Herz hatte beschlossen, dreimal so schnell zu schlagen, wie es eigentlich gesund für ihn war, und sein Körper kribbelte. Allumfassend.

Diesmal war Tony wirklich überall.

Seltsamerweise war Peter kein bisschen mehr kalt. Es fühlte sich an, als würde etwas in ihm brodeln, so unglaublich heiß, dass jeder, der ihn berührte, sich daran verbrennen müsste.

Tonys Körper, der sich gegen seinen presste, ihn beherrschte, machte ihn auf eine seltsame Art und Weise an.

Vorsichtig ging er auf das Zungenspiel ein.

Er war sehr unerfahren in diesen Dingen, trotzdem wusste er ungefähr, was er tun musste. Außerdem war es leicht, Tony nachzuahmen und offenbar war er gut darin, denn mittlerweile entwich diesem hin und wieder auch ein Keuchen.

Es war Peters Meinung nach richtig.

In diesem Moment zählte nicht, dass Tony um einiges älter war als er.

Er verschwendete keinen Gedanken daran, wie sie sich später wieder gegenübertreten sollten.

Peter machte einfach weiter, küsste Tony immer inniger, während das Geräusch das Hagels, welcher auf Hausdächer prasselte, abstarb.

Zurück blieb die Dämmerung, ihr vermischter Atem und die Bewegungen Tonys Lippen gegen seine.

Er küsste Tony Stark, während er dessen Pullover trug.

Aber es war viel zu schnell vorbei.

Als sie sich schweratmend wieder voneinander lösten, ließ Tony auch Peters Handgelenke los.

Letzteres hätte nicht sein müssen.

Fassungslos starrte Tony Peter einen Moment lang an, machte zögerlich einen Schritt zurück.

Dann schüttelte er den Kopf.

„Ich glaube... du hast verstanden", waren seine rauen, letzten an Peter gerichteten Worte, bevor er eilig in seinen Anzug stieg.

„Hey, warten Sie-...", begann Peter, doch da aktivierte Tony bereits seine Rüstung, seine Augen leuchteten auf, er hob ab und flog, durch das Geräusch seiner Antriebsdüsen begleitet, davon, ohne den Jungen, den er alleine und verloren in der Gasse stehend zurückließ, zu beachten.

„Mr. Stark...", hauchte Peter geschockt, während er spürte, wie ihm langsam die Tränen in die Augen stiegen, ohne, dass er es verhindern konnte.

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