Kapitel 27
Es hörte nicht auf. Es ging genau so weiter.
Tag für Tag brachten sie mich in einen dunklen Raum mit einer kalten Pritsche und machten Experimente mit mir. Es konnte auch Nacht für Nacht gewesen sein, denn ich hatte rein gar kein Zeitgefühl.
Wie viele Tage waren wohl vergangen, seid sie mich hier hergebracht hatten?
Wenn ich spät in meiner Zelle saß und einfach nur die Augen geschlossen hielt, hörte ich oftmals Schreie. Ich wusste nicht ob sie Erfolg damit hatten, die Kraft aus uns Bändigern hinauszuziehen, aber ich vermutete es, denn sonst würden sie uns wohl nicht gefangen halten.
Ich machte fast nie ein Auge zu. In der eisigen Zelle konnte ich nicht schlafen, auch wenn ich so erschöpft war, wie noch nie zuvor.
Jede Nacht, oder zumindest dann wann sie mich ein paar Stunden in Ruhe ließen, dachte ich an Damien. Der Gedanke an ihn tat weh, weil ich ihn wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Ich hoffte zutiefst, dass es ihm gut ging und dass er, trotz seiner Kräfte, nicht so enden würde wie wir.
Wie hatte alles nur so enden können?
Wenn sie mich zu den Untersuchungen und Tests abholten, regte ich mich nicht. Ich sprach nicht mit ihnen, ich schaute nur gedankenverloren gerade aus. Ich tat nicht was sie von mir verlangten. Eine Weile lang hatte ich versucht mich zu wehren. Ich konnte nicht zulassen, dass sie mich quälten. Doch ich hatte rein gar keine Chance gegen sie. Rief ich das Feuer auf um mich zu wehren, waren im nächsten Moment die Schwarzmagier zur Stelle, die mich dann auf die Knie zwangen.
Ich musste zugeben, dass so langsam meine Hoffnungen schwanden, dass wir hier je wieder herauskämen. Doch ein kleiner Funke Hoffnung stärkte mich Tag für Tag.
Wieder klickte das Schloss meiner Zelle auf und ein großer, wuchtiger Swaresk trat hinein. Sein dunkles Gesicht war mit Tätowierungen übersät und seine schulterlangen Haare hingen ihm in fettigen Strähnen auf die Schultern. Seine Miene war grimmig, als er mir befahl aufzustehen. Ich regte mich nicht, sondern schaute nur stur an die Wand. Er kam auf mich zu und zog mich am Kragen meiner Uniform hoch.
„Komm jetzt mit du Miststück!", rief er zornig.
Das war das Stichwort! So konnte es nicht weitergehen. Ich musste irgendetwas tun. Ich schaute zu Jayden, der schüttelte den Kopf. Doch ich nickte und er stand ebenfalls auf.
Ich trat dem Swaresk mit Schwung in den Bauch. Erschrocken taumelte er zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Dann sauste die Energie durch mich hindurch und ich ließ ihr freien Lauf. Aus allen meinen Poren schoss nun Feuer hervor. Der Swaresk stürmte aus meiner Zelle und versuchte die Zelle zu schließen. Emotionslos führte ich die Bewegungen aus und ein Feuerschwall traf auf die Eisenstäbe der Zelle. Sie schmorte augenblicklich durch und gaben mir den Weg frei. Ich stürmte hindurch.
„SCHWARZMAGIER!", rief der Swaresk nun und wich vor mir zurück. Die Swaresk waren zwar die besten, stärksten und angsteinflößendsten Soldaten die es in Santinija so wie in Baradesch gab, doch gegen die Bändiger hatten sie keine Chance.
Ein Schwarzmagier rannte auf mich zu und hob die Arme, doch ich war schneller. Blitzschnell ließ ich meine Arme nach außen gleiten und sprang in die Luft. Dann ließ ich mein Bein nach vorne schießen. Ein gewaltiger Feuerschwall schoss auf den Schwarzmagier zu, bevor er die Schatten, die uns auslaugten, aufrufen konnte.
Das Feuer schoss ihm direkt in die Brust. Er stürzte auf den Boden und schlitterte durch die Wucht meines Feuers einige Meter auf dem kahlen Boden zurück.
Ihn hatte ich erledigt.
Ich schaute mich um. Die Bändiger aus meinem Dorf schauten mich mit großen Augen an.
„Helft mir!", rief ich und schaute jedem in die Augen, damit sich alle angesprochen fühlten.
„Zusammen können wir das schaffen!" Sie waren wohl ziemlich erstaunt über meine übernatürlichen Kräfte. Ich hob meinen rechten Arm und ließ in schräg nach unten schießen. Mein Feuer zerteilte die Gitterstäbe von Jaydens Zelle in einer Sekunde. Er stürmte aus seiner Zelle.
„Nutzt mein Feuer!", rief ich und stürmte den Gang zwischen den Zellen entlang. Im Rennen durchteilte ich die Gitterstäbe der Zellen, sodass alle Bändiger herauskonnten. Ein Schwarzmagier trat plötzlich hervor und hob die Arme, doch wieder war ich schneller. Ich ließ das Feuer auf ihn zuschießen. Es traf ihn direkt in die Schulter. Seine Schulter begann zu brennen. Er schrie. Schnell hob ich die Arme und führte die nötigen Bewegungen aus. Ein Feuerblitz schoss auf ihn zu und erledigte ihn somit. Er krachte gegen die Wand und blieb dort regungslos liegen.
Mit Schwung drehte ich mich um. Die Bändiger standen noch immer in ihren Zellen und beobachteten das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen.
Was war nur los mit ihnen? Wir konnten das schaffen!
„Helft mir! Gemeinsam können wir das schaffen!",wiederholte ich meine Worte.
Ich ließ das Feuer erlöschen und rief das Wasser auf. Mein ganzer Körper schien, als wäre er aus klarem Wasser. Es schien, als würde ich vollkommen aus Wasser bestehen.
„Bitte! Wir können das schaffen!" Ich sah sie flehend an. Was war nur mit ihnen los? „Kommt mit!", versuchte ich es noch einmal und rannte in Richtung der großen Stahltür.
Mit einer seichten Bewegung ließ ich das Wasser auf die Tür zu schweben. Als es auf den Schlössern der Tür lag, ließ ich meine gespreizten Finger nach unten sausen und das Wasser gefror. Schnell drehte ich meine Arme um mich herum. Ein kleiner Wirbelsturm kam auf, der mir das blonde Haar ums Gesicht wehte. Dann drückte ich meine Hände nach vorne und drehte die Handflächen nach außen. Der gewaltige Luftdrück drückter die Stahltür auf, sodass ich hindurch gehen konnte.
Ich stürmte durch die Tür und drehte mich noch einmal um. Die Bändiger standen nun im Gang der Zellen und starrten mich noch immer ungläubig an.
„Kommt schon! Das ist unser Weg nach draußen!", rief ich.
„Pass auf, Grace!", hörte ich Jayden rufen. Doch es war bereits zu spät
„Ich glaube nicht dass dies für euch der Weg nach draußen ist!", hörte ich eine tiefe, raue Stimme hinter mir. Ich wollte mich gerade umdrehen, doch da war es schon zu spät. Ich spürte einen kräftigen Schlag auf den Kopf, dann wurde mir schwarz vor Augen.
Plötzlich schlug ich die Augen auf und schaute in das hässliche Gesicht von Lord Kemmington. „Du kleine Ausreißerin.", säuselte er und grinste. „Wann merkst du endlich, dass du keine Chance gegen uns hast?"
Mein Kopf dröhnte. Was hatte ich nur auf den Kopf bekommen? Ich schaute mich um. Ich lag auf einem Tisch geschnallt in einem kleinen Raum. Um mich herum waren Swaresk, Schwarzmagier und Leute, die ich nicht kannte in der schwarzen Uniform des Königs.
„Löst die Fesseln!", er schaute zwei Swaresk an, die rechts und links von mir positioniert waren.
Die traten zu mir nach vorne und lösten die Fesseln. Ich schüttelte meine Arme etwas aus, als sie von den Fesseln befreit waren. Alles war verkrampft und fühlte sich an als hätte ich mich Jahre lang nicht bewegt. Der Swaresk links neben mir zog mich am Arm vom Tisch. Sein Gesicht war furchterregend. Dunkle Augen, die endlos tiefen, schwarzen Löchern glichen, ein kahlrasierter Kopf mit Tätowierungen und Schriftzeichen übersät und ein Blick, der mir das Blut in den Adern gefror.
Er packte mich mit einem solch starken Griff am Arm, dass sich das Blut in meinem Arm anstaute. Ein anderer öffnete die wuchtige Stahltür. Wir gingen hindurch.
Vierzehn, fünfzehn, sechzehn, siebzehn... Siebzehn Schritte zählte ich, bis wir die nächste riesige Stahltür von einem weiteren unheimlichen Swaresk geöffnet bekamen. Es war der Raum mit den beiden Abteilen, in dem Max gegen mich gekämpft hatte.
Alles geschah wie in einem Déjà-vu.
Ich wurde in den hinteren Abteil gebracht, dann schickten sie mir Rose, die gegen mich kämpfen sollte. Ich versuchte ihr auszureden gegen mich zu kämpfen, dass wir gemeinsam hier rauskämen würden, auch wenn so langsam mir ebenfalls die Hoffnung schwand. Doch das funktionierte nicht.
Rose' Kräfte waren stark und es dauerte nicht lange, bis ich wimmernd am Boden lag. Ich konnte nicht riskieren gegen sie zu kämpfen. Nein, das konnte ich nicht. Ich wollte nicht leiden, doch ich konnte ihnen einfach nicht geben was sie wollten. Sie hatten ohnehin schon genug von meinen Kräften gesehen.
Nacht für Nacht, Tag für Tag saß ich wach in meiner Zelle und dachte an Damien. Ich bekam ihn einfach nicht aus meinem Kopf. Ich musste ihn wiedersehen, so konnte es nicht enden!
Was haben sie mit ihm nur gemacht?
Ich hielt den Gedanken nicht aus, dass sie ihm vielleicht etwas angetan hatten. Doch ich betete, dass es ihm gut ging.
Ob er wohl auch an mich dachte?
Ich vermisste alles an ihm. Ich vermisste seine beruhigende, tiefe Stimme, sein unwiderstehliches Lächeln, seine mondgrauen Augen die funkelten wie Kristalle... Ich vermisste ihn so sehr, wie ich noch nie etwas vermisst hatte. Es war schrecklich.
Eines Nachts musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn ich schrak von einem scheppernden Geräusch hoch. Ich schaue hinüber zu Jayden, der nun ebenfalls wach in seiner dunklen Zelle saß und gebannt auf den schwarzen Flur starrte.
Ich schaute mich um, doch alles war so dunkel, dass ich nur schwarz sah.
Dann ein Luftzug.
Was war hier los?
Wieder ein scheppern und dann ein kurzer Schrei, welcher jedoch gleich verstummte. Ein entferntes Rütteln war zu hören.
„Jayden, was geht hier vor sich?", flüsterte ich mit einer kratzigen Stimme. Eine Weile antwortete er nicht, dann hörte ich ihn aufstehen.
„Ich weiß es nicht.", flüsterte er zurück. In den Zellen vor und neben uns regte sich ebenfalls etwas. Sie standen auf und versuchten etwas zu erkennen. In der Zelle gegenüber von mir befand sich Chloe, die verängstigt aber gleichzeitig auch neugierig lauschte.
Irgendwann stand ich ebenfalls auf und lief zu den eisernen Gitterstäben. Ich hielt mich mit beiden Händen an zwei Gitterstäben fest und versuchte etwas zu erkennen.
Was ging hier nur vor sich?
Ein weiterer kurzer Schrei, der kurz darauf aber ebenfalls gleich wieder verstummte.
Meine Hände krallten sich in die Gitterstäbe als ein leiser Knall zu hören war. Alle in den Kerkern hielten die Luft an. Eine Weile war kein Laut zu hören. Eine eiserne Spannung erfüllte die Zellen von uns Bändigern. Es war erdrückend.
Dann war ein weiterer Knall zu hören, der nun aber näher zu sein schien. Noch fester hielt ich mit beiden Händen die Gitterstäbe fest, sodass meine Fingerknöchel sich weiß färbten, weil kein Blut mehr hindurchfloss.
Was war hier nur los?
Nun konnte ich Schritte hören. Schwere Schritte, die immer näher kamen. Dann war es plötzlich still.
Es regte sich nichts.
Doch auf einmal ertönte ein Ohren betäubender Knall und grelles, helles Licht, erhellte den gesamten Kerker. Die riesige, wuchtige Stahltür war gesprengt worden. Einzelteile aus Stahl flogen durch die Luft und landeten scheppernd auf dem kalten Steinboden. Dichter Rauch zog sich im Gang zwischen den Zellen entlang. Einige husteten.
Drei schwarze Gestalten, die ich nicht erkennen konnte, standen in der Tür.
Waren es Freunde oder Feinde?
Die Gestalten hielten sich nicht länger auf und stürmten in den Gang zwischen den Zellen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top