Kapitel 12
Ich hatte gestern auf seine Frage nicht mehr geantwortet. Was sollte ich schon tun? Ich mochte ihn, das spürte ich. So gern ich ihm auch alles erzählt hätte, so war er auch immer noch der Sohn des Königs, der meine Leute in seiner Gewalt hatte. Und diesen Gedanken hielt ich nicht aus. Der schöne Abend war seiner Frage nach schnell vergangen. Als ich nicht geantwortet hatte, hatte er nur geseufzt und wir waren in eine stechend, schweigende Stille verfallen. Irgendwann waren wir dann ebenfalls schweigend zurück zum Schloss geritten. Es war schwer, da wir beide uns nicht vertrauen konnten. Ich konnte ihm nicht vertrauen, da er der Sohn des Königs war und mir auch nur etwas vorspielen konnte oder wenn ich ihm die Wahrheit sagte, mich gleich verraten würde. Und er konnte mir nicht vertrauen, da er wusste dass ich ihn anlog und meine wahre Identität vor ihm verbarg.
Er wusste ja nicht einmal meinen richtigen Namen!
Aber was konnte ich schon machen? Außerdem hatte ich ihn gefragt, ob ich mich von nun an im Schloss frei bewegen konnte, doch er hatte abgelehnt. Er hatte gesagt, dies würde den Anforderungen seines Vaters wiedersprechen. Und so wie ich schlussfolgerte, würde ich dann wohl auch nicht auf den Sommernachtsball gehen dürfen. Doch ich würde so gern hingehen. Ich liebte das Tanzen und die Musik und daraus würde bestimmt die ganze Nacht bestehen.
Plötzlich kam mir wieder eine Erinnerung in den Sinn. Ich saß auf dem Sofa und schaute gelangweilt aus dem Fenster. Ich war damals vielleicht elf Jahre alt gewesen. Meine Mutter hatte wieder einmal im Nebenzimmer ein neues Stück komponiert. Es war schnell, aber es besaß eine fließende Melodie. Ich konnte mich noch genau daran erinnern. Es war ein regnerischer Tag gewesen, sodass ich nicht hinaus konnte. Also saß ich im Haus und hörte den Klängen des Klaviers zu. Ich wusste nicht wieso, aber ich hatte dort einfach einen schlechten Tag. Irgendwann war mein Vater herein gekommen und hatte mich begutachtet. Ich hatte einfach so getan als würde ich es nicht bemerken, denn ich hatte einfach zu nichts Lust. Bis er mich schließlich aufgefordert hatte aufzustehen. Dann hatte ich es aufgegeben. Seufzend war ich aufgestanden und zu ihm gelaufen. „Gib mir deine Hand.", hatte er gesagt und mich aufmunternd angelächelt. Zögerlich hatte ich das getan. Dann hatte er meinen linken Arm auf seine Schulter gelegt und er seinen um meine Taille gelegt.
„Ich werde dir zeigen wie man tanzt.", hatte er gesagt und hatte einige Schritte zum Takt der Musik gemacht. Ich war seinen Schritten gefolgt. Sein linkes Bein hatte einen Schritt zurück gemacht und mein rechtes einen nach vorne, sein rechtes Bein hatte einen Schritt nach vorne gemacht und mein linkes Bein einen Schritt zurück. Ich hatte gelacht. Es hatte funktionierte, er hatte geführt und ich war gefolgt. Irgendwann hatte er den Tanz geändert und er hatte mich mit ihm in großen Kreisen im Wohnzimmer umher gewirbelt. Er hatte seine Hand gehoben und ich hatte mich schnell darunter hinweg gedreht. Er hatte mich immer und immer wieder gedreht, bis mir fast schwindelig geworden war. Das Lied, das meine Mutter gespielt hatte, wurde schneller und wir hatten schneller als zuvor getanzt. Immer im Takt der Musik. Schneller und schneller. Er hatte mich angelächelt, ich hatte zurück gelächelt. Ab diesem Tag hatte er mir immer wieder neue Tänze gezeigt, die ich mit Begeisterung erlernt hatte.
Es hatte so einen Spaß gemacht und ich sehnte mich an diesen Ort und zu meiner Familie so sehr zurück dass es schmerzte. Doch ich wusste dass das nicht ging. Ich holte mir in meinem Kopf das Gesicht meiner Mutter und meines Vaters hervor und prägte sie mir genau ein. Das schmale Gesicht meiner Mutter mit den glatten, braunen Haaren, die ihr über die Schultern fielen und ihr Gesicht einrahmten. Ich erinnerte mich an ihre smaragdgrünen Augen, die ich von ihr hatte und an ihr strahlendes Lächeln. Ich prägte mir das runde Gesicht meines Vaters ein. Sein kurzes braunes Haar, das manchmal so stur war, das es ihm wild vom Kopf abstand. Ich wollte sie nie vergessen. Doch wieso machte ich mich mit diesen Gedanken nur so depressiv? Ich durfte einfach nicht darüber nachdenken, auch wenn es mir schwer viel.
Einen Tag später klopfte es an der Tür. „Herein!", sagte ich und stand von der großen schaukelnden Bank auf, auf der ich gesessen war. Sie schwang leise aus. Gespannt schaute ich zur Tür. Damien trat mit einem verschmitzten Grinsen ein. Wieder hatte ich den bedeutenten Wunsch, seine Gedanken lesen zu können. Ich strich mir eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und begrüßte ihn.
„Hallo Lydia.", sagte er. Ich schaute ihn erwartungsvoll an, bis er schließlich etwas sagte. „Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?" Ich lächelte. Es war heut wirklich schönes Wetter und ich hatte große Lust aus diesem Zimmer raus zu kommen.
„Natürlich, immer gerne." Ich strahlte. Schwer zu sagen wieso, aber ich tat es. Er lächelte und ich griff nebenbei nach dem roten Umhang, während wir in Richtung Tür liefen. Ich zog ihn mir im Laufen über. Wir traten aus der Tür, während mich beide Wachen von beiden Seiten anschauten.
„Wieso schaut ihr mich so an?", fragte ich sie. „Ach nichts.", sagten die beiden wie aus einem Mund und schauten weg. Ich glaubte zu sehen, dass sich die beiden ein Grinsen unterdrückten. Was war denn mit denen los? Ich hatte sie noch nie lächeln sehen. Ich zuckte die Achseln und folgte Damien, der bereits ein paar Meter weiter auf mich wartete.
Schweigend liefen wir die langen Gänge entlang und aus dem Schloss hinaus. Musik ertönte. Ich konnte ein Banjo, Trommeln und Flöten heraushören. Es war eine fröhliche Melodie, die mich sofort an die gemeinsamen Dorffeste erinnerte.
„Steigt heute ein Fest?", fragte ich Damien neugierig.
„Nein, eigentlich nicht, nur an manchen Tagen sind die Leute aus Kessow, also der kleinen Stadt in der Nähe des Schlosses, so fröhlich und packen während dem Markt im Schlosshof ihre Instrumente aus. Ich finde es eigentlich ganz schön." Er zuckte mit den Achseln.
„Ja, das finde ich auch.", sagte ich, während Damien nun das Tor zum Schlossgarten öffnete und wir hindurch liefen.
Ein warmer Wind blies mir die Haare aus dem Gesicht, während wir nebeneinander auf dem schmalen Weg zwischen den Blumenbeeten hindurch liefen. Der Kies unter unseren Füßen knirschte leise. Die Bäume wiegten sich sachte im Wind und fröhliche Vögel zwitscherten am Himmel. Ich schaute hinauf in den Himmel. Er war ganz blau und klar. Weit und breit war keine einzige Wolke zu sehen. Als ich wieder nach vorne schaute, erblickte ich zwei Soldaten, die mit ihren schweren Stiefeln am Wald entlang stapften und schließlich im Wald verschwanden.
„Mein Vater hat bestätigt dass du an der Sommernachtsfeier teilnehmen darfst, wenn auch wiederwillig. Allerdings musst du damit rechnen, dass du von Wachen begleitet wirst.", sagte Damien nach einer Weile, als wir auch schon fast am Springbrunnen angekommen waren. Was ich nur für ein Glück hatte. Das würde bestimmt unglaublich schön werden. „Das ist ja toll.", sagte ich und lächelte in die warme Abendsonne hinein.
„Das sehe ich genauso.", sagte er und grinste, was auch immer das zu bedeuten hatte.
„Kannst du denn tanzen?", fragte er und setzte sich auf eine Bank. Er deutete neben sich und zeigte mir somit, dass ich mich setzen sollte. Ich setzte mich und schaute ihn an.
„Ein wenig, ja.", sagte ich.
„Was bedeutet denn ein wenig?"
„Mein Vater hat mir das Tanzen beigebracht, nur weiß ich nicht genau, ob es die Tänze sind, die Ihr hier tanzt." Ich versteckte die Hände unter meinem Mantel.
„Dann lasst uns es doch herausfinden.", sagte er und stand auf. „Darf ich bitten?", fragte er und reichte mir die Hand.
Ich lachte verlegen.
„Hoffentlich werde ich mich nicht blamieren." Ich stand auf und reicht ihm meine Hand. Er lachte ebenfalls, dann legte er seine Hand um meine Taille und ich meine Hand auf seine Schulter. Wir standen uns so nah, dass ich sogar seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüren konnte. Er wartete auf den richtigen Moment, bis er schließlich einen Schritt zur Seite machte und ich ihm folgte. Diesen Tanz kannte ich. Er führte mich schnell drehend im Kreis. Die Musik war sogar noch bis in den Schlossgarten zu hören, sodass wir im Takt und passend zu der Musik tanzen konnten. Plötzlich hob er den Arm und ich drehte mich geschwind darunter hinweg. Irgendwann konnten wir die Leute im Takt der Musik klatschen hören. Ich genoss es. Wir tanzten weiter und weiter und er wirbelte mich nur so im Kreis umher, bis das Lied schließlich vorbei war und ein neues langsameres Lied begann.
„Von wegen, du kannst nur ein Wenig tanzen.", sagte er, grinste und schüttelte den Kopf.
„Wartet nur ab, bis ich Euch auf die Füße trete." Lachend warf ich den Kopf zurück. Damien lachte ebenfalls.
Er blieb kurz stehen und schien zu überlegen, welcher Tanz zu diesem Lied passen würde. Dann schaute er mir in die Augen und begann einen langsamen Tanz zu tanzen. Nach rechts, zurück, nach links, nach vorne, nach rechts... und immer so weiter. Irgendwann baute er noch Drehungen mit ein. Diesen Tanz hatte ich nie mit meinem Vater getanzt, aber er war eigentlich recht leicht, sodass ich sie schnell ausführen konnte.
Er zeigte mir weitere Tänze, doch der letzte machte am meisten Spaß. Die Musik auf dem Innenhof des Schlosses wurde lauter. Man konnte die Menschen lachen und klatschen hören.
„Lass mich dir einen neuen Tanz zeigen, den du bestimmt noch nicht kennst. Es ist ein Tanz, den wir gerne hier am Schloss tanzen, den aber nur Wenige kennen.", sagte Damien und schaute mir tief in die Augen. Ich errötete leicht bei seinem Anblick, auch wenn ich nicht wusste wieso.
„Du machst einen Schritt nach vorne, tippst, machst einen Schritt zurück und hebst deinen Fuß so.", er zeigte es mir. Er hob seinen linken Fuß, senkte die Verse und drehte ihn einmal nach innen und einmal nach außen, wobei er die Verse senkte und hob.
„Sieht etwas kompliziert aus.", sagte ich.
„Ach, es ist ganz leicht.", sagte er und lächelte mir aufmunternd zu. „Lass es uns einfach versuchen." Ich nickte und wir begannen langsam.
Mit dem rechten Bein einen Schritt nach vorne, mit dem linken nur antippen. Mit dem linken Bein nach hinten und dann mit dem rechten Fuß die Bewegung die mir Damien gezeigt hatte. Er lachte über meine ersten Versuche. Ich achtete nicht darauf und versuchte es weiter. Dann tanzten wir im Tankt zur Musik. Und siehe da, es funktionierte. Auch wenn ich noch etwas unsicher mit den Schritten war, funktionierte es. Nachdem wir den Tanz so lange getanzt hatten, dass ich mir sicher war streckte er auf einmal seinen Arm aus. Schnell drehte ich mich nach außen und rollte mich wieder ein, sodass ich an seiner Brust landete. Ich lachte. Wir tanzten und lachten weiter.
Die Sonne stand schon so tief, dass wir hinter dem Wald nur noch ein paar hell rot leuchtende Wolken erkennen konnte. Wir bemerkten die neugierigen Gesichter erst, als wir uns entschlossen hatten zurück ins Schloss zu gehen. Sie hatten wohl die ganze Zeit auf den Balkonen gestanden und uns zugeschaut. Es waren drei junge Frauen. Ich erkannte eine wieder. Es war Sarah. Was sie wohl dachte? Ich hatte ihr gesagt dass ich nicht hinaus durfte und nun sah sie mich mit Prinz Damien hier draußen tanzen. Ich hoffte, sie würde es mir nicht all zu krumm nehmen, auch wenn ich sie fast nicht kannte.
Als Damien bemerkte das ich zu den Balkonen hinauf schaute, blickte er ebenfalls hinauf.
„Glaubt Ihr sie haben uns die ganze Zeit zugeschaut?", fragte ich ihn.
„Das kann durchaus sein.", sagte er und grinste.
„Ihr seid ein richtig guter Tänzer.", sagte ich, nickte und schaute ihm in sein ausgeglichenes Gesicht.
„Übertreibe nicht.", sagte er und lachte kurz auf. „Ich tanze schon seid ich geboren bin und bin mit diesen Feiern aufgewachsen. Du hast bestimmt noch keinen Tanzkurs belegt."
„Nein, habe ich nicht.", gab ich zu.
Die nächsten Tage besuchte mich Damien immer häufiger, was mir auch mir auch, um erhlich zu sein, ziemlich recht war. Wenn ich schon in diesem Zimmer saß und ohne eine Begleitung nicht hinaus durfte, konnte ich wenigstens Gesellschaft vertragen. Außerdem mochte ich ihn, was wahrscheinlich nicht zu übersehen war. Er erzählte mir viel von seinem Leben am Hofe und wie er aufgewachsen war und wollte ebenfalls vieles von mir wissen. Ich hätte ihm gerne die Wahrheit erzählt, doch das konnte ich nicht. Doch anlügen wollte ich ihn auch nicht. Also erzählte ich ihm das „Normale" an meinem Leben im Dorf. Ich erzählte von meiner Mutter, die so unglaublich gut Cembalo spielen konnte und meinem Vater, der mir das Tanzen beigebracht hatte und einfach immer für mich da gewesen war. Eines Tages erzählte er mir von seiner Mutter.
„Die Königin ist meistens in ihrem Gemach. Sie kommt nur bei wirklich wichtigen Anlässen zum Vorschein. Am Sommerball wird sie auf jeden Fall teilnehmen. Für so etwas ist sie immer zu haben. Sie ist meine Mutter, aber der König ist nicht mein Vater."
Ich schüttelte verwundert den Kopf. „Verzeiht mir, aber das verstehe ich nicht ganz. Wieso sollte der König denn nicht Euer Vater sein?"
Damien schluckte und schaute mich von der Bankschaukel aus nachdenklich an. Ich saß auf dem Bett und erwiderte seinen Blick. „Sagen wir es so. Meine Mutter hatte viele Männer. Und mit vielen meine ich es auch genau so. Und ich glaube nicht, dass ich der Sohn des Königs bin." Ein Bastard? War er wirklich ein Bastard?
„Aber woher wisst Ihr das denn so genau?", fragte ich immer noch verwundert.
„Schwer zu sagen. Ich weiß es einfach." Er schaute mich nachdenklich an und zuckte mit den Achseln.
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Hey! :) Und wie gefällt euch meine Geschichte bis jetzt? Schreibt gerne unten in die Kommentare wie ihr die Geschichte findet, was genau ihr gut oder schlecht findet und was ihr denkt wie es weiter geht. Welche Charaktere gefallen euch gut und welche vielleicht nicht? Das würde mich sehr interessieren. Ich würde mich auf eure Kommentare freuen. Ich würde mich auch sehr über ein Vote freuen, wenn euch die Geschichte gefällt! LG Crownqueen144
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