69. Kapitel
Louis:
Seine Augen sind groß und auf mich gerichtet, als ich näher trete. Ich glaube, er möchte kurz etwas sagen, presst dann aber die Lippen zusammen und lässt es sein. In einer anderen Situation würde ich es vielleicht süß finden, dass er schüchtern ist. Jetzt gerade rührt es allerdings nicht davon, dass ich ihn nervös mache. Sondern, dass ihm immernoch, der Schock in den Knochen sitzt. Er zupft an der Bettdecke, als ich mich setze. Sein Blick fällt auf meine Hand, die ich ihm geöffnet hinhalte. Ich möchte nicht, dass er sich bedrängt fühlt. Jeder geht mit so einem Erlebnis unterschiedlich um und Harry zu überfordern, ist das letzte, was ich gerade möchte. Er soll nicht das Gefühl haben, ich würde ihn in die Ecke drängen. Das hat das Feuer vorhin schon getan.
„Hey", sage ich ruhig, als er meine Hand nimmt und seine Finger zwischen meine schiebt. Ich drücke seine leicht und er lächelt ein bisschen. „Geht es dir gut?", möchte ich wissen und widerstehe dem Drang, ihm durch die Haare zu streichen. Sie stehen wild vom Kopf ab und fallen ihm in die Stirn. Es ist verwuschelt, aber nicht wie morgens früh, wenn er gerade aufwacht, sondern durch Stress ausgelöst. Ich weiß nicht genau, woran ich es festmache, aber da ist defintiv ein Unterschied zu sehen. Harry nickt leicht. „Es ist alles in Ordnung glaube ich. Von dem Husten abgesehen. Die Ärzte meinen, das wird wieder." Er trinkt noch einen Schluck Wasser und spielt mit meinen Fingern. Ich glaube, er versucht, sich damit von seinen Gedanken abzulenken.
„Es ist okay", sage ich und rutsche ein Stück näher. „Es ist okay, dass du Angst hattest. Das war sehr beängstigend. Und es ist okay, wenn du gerade an nichts anderes Denken kannst. Dein Verstand weiß, dass du in Sicherheit bist, aber dein Körper noch nicht. Gib dir Zeit", bitte ich ihn. Er beißt sich auf die Unterlippe und seine Augen füllen sich mit Tränen. Er schüttelt leicht den Kopf. „Es ist in Ordnung, Harry. Wirklich", betone ich noch einmal, als ich sehe, dass er sich krampfhaft davon abhalten möchte, zu weinen. Es klappt (wie zu erwarten) nicht. Schnell streicht er sich über die Wange. Den Blick hat er abgewand und sieht auf unsere Hände.
Scheiß drauf. Kurzerhand lasse ich seine Hand los. Er sieht mich sofort fragend an. In dem Moment habe ich aber schon die Decke zur Seite geschlagen und lege mich neben ihn. „Komm her", sage ich mit ruhiger, sanfter Stimme. Mehr braucht es nicht. Sein Kopf fällt gegen meine Brust und seine Arme legen sich sofort um mich. Ich ziehe ihn zu mir heran und ruschte ein Stück weiter in die Mitte. Jetzt weint er und wehrt sich nicht mehr dagegen. Ich sage nichts und streiche durch seine Haare und über seinen Rücken. Ihn zu halten, ist das Beste, was ich vorerst tun kann. Der Schock ist noch da und wird so schnell nicht verschwinden. Seine Wohnung hat es ziemlich schlimm erwischt und auch, wenn ich weiß, dass Harry keine Geldsorgen wird, es emotional eine Herausforderung für ihn. Darauf kann man sich nicht vorbereiten.
„Ich wollte doch nur... also... das war doch so nicht...", stottert er ein bisschen später vor sich hin und schieft. Sein Kopf liegt immer noch auf meiner Brust, aber seine Wangen sind wieder getrocknet. „Niemand will, dass so etwas passiert", antworte ich und drücke einen Kuss auf seine Haare. Es tut gut, ihn in meinen Armen zu wissen. „Du hast gut gehandelt. Dass du die Wasserhähne im Bad aufgedreht hast, war eine gute Idee", versichere ich ihm. Ich kann nicht sicher sagen, ob das Feuer sonst ins Badezimmer übergegriffen hätte, aber besser so, als anders. „Ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich dachte, zur Not setze ich mich in die volle Badewanne." Ich schmunzle bei dem Gedanken, wie Harry samt Klamotten im Wasser sitzt. „Das wäre eine gute Idee gewesen."
„Ich wollte nicht, dass so etwas passiert", sagt er dann und seine Gedanken ordnen sich langsam aber sicher. Er stottert nicht mehr so viel und seine Sätze werden klarer. „Danke, dass du da warst." – „Das ist mein Job", antworte ich um und lege zwei Finger unter sein Kinn. Ich drehe sanft seinen Kopf zu mir, sodass ich seinen Blick fangen kann. „Ich werde immer da sein, wenn du Hilfe brauchst. Du kannst jeder Zeit anrufen." Harry nickt und schieft wieder. Er nickt leicht und ich küsse ihn. Harry seufzt und lehnt sich mir entgegen. Er braucht es mir nicht zu sagen, aber er hat unsere Küsse genau so sehr vermisst wie ich. Himmel, wie sehr habe ich ihn vermisst.
„Meine Wohnung kann ich vergessen, oder?", fragt er dann und mein Blickc verrät die Anwort offenbar schon. „Verdammt", seufzt er. „Ich habe echt keine Lust auf ein Hotel." Mein Blick wird skeptisch. „Hotel?" – „Ich kann schlecht im Büro schlafen. Vielleicht könnte ich Mum fragen, ob ich übergangsweise wieder nach Hause ziehen kann", überlegt er laut und verzieht das Gesicht. „Eigentlich wollte ich in diesem Alter definitiv nicht mehr nach Hause zurück ziehen."
Ich schüttle leicht den Kopf. Kommt er nicht auf die Idee, oder traut er sich nicht, sie anzusprechen. „Harry?" Er sieht wieder hoch. „Mhm?" – „Komm zu mir?" – „Was?" Perplex sieht er mich an. Okay, er ist nicht auf die Idee gekommen. „Zu dir? Aber... also..."
„Was spricht dagegen?", möchte ich wissen und sehe förmlich, wie seine Gedanken kreisen und rattern. „Zu dir? Einfach so? Aber wieso jetzt? Wir können doch nicht... wir müssen doch erstmal... uhm..." – „Wir müssen erst einmal was?" Geduldig sehe ich ihn an. „Sprechen", bringt er schließlich heraus und wird unruhig. „Wir müssen über all das sprechen, was passiert ist. Ich möchte nicht, dass wir einfach so tun, als wäre alles in Ordnung zwischen uns." Er rückt ein Stück weg, weg aus meinen Armen und ich setze mich auf. Ich akzeptiere, wenn er keine Berührungen möchte, aber ich finde es schade. „Wegen der Geschichte mit Liam", verstehe ich.
Er nickt und zupft wieder an der Bettdecke. „Auch, ja." – „Auch?", frage ich verwundert. Er zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll. Das Gespräch meine ich." – „Versuch es einfach. Du kannst mit mir reden", verspreche ich ihm. Er nickt leicht. „Nachdem ihr gegangen seid... keine Ahnung. Es war seltsam zwischen uns, oder nicht? Wir haben kaum noch geschrieben oder telefoniert oder so. Ich weiß, dass du sauer bist, dass ich Schuld bin, dass Liam sein Büro verliert, aber ich wusste es doch nicht. Dann kamen keine Guten-Morgen- oder Gute-Nacht-Nachrichten mehr. Ich wusste nicht, ob ich dir schreiben soll oder nicht." Er macht eine Pause und es ist still zwischen uns.
Ich habe ihm diese Nachrichten nicht mehr geschickt, das stimmt, aber ich dachte nicht, dass es ihn so sehr mitnimmt. Als ich ihn mustere, erkenne ich jedoch, dass es primär nicht um die Nachrichten geht. Fuck, wieso habe ich darüber nicht nachgedacht? „Ich wollte mich bei dir melden, heute Abend", sagt Harry schließlich. „Ich wusste nicht, ob du arbeitest, aber ich dachte, ich bereite es trotzdem alles vor. Uhm... hast du es gesehen? Die Kerzen?" Ich atme tief ein und wieder aus. „Ja. Es waren ziemlich viele." Er nickt und meine Befürchtung wird wahr. „Ich dachte, ich bereite uns einen schönen Abend vor. Ich wollte Essen bestellen, wenn du kommst und vorher ausprobieren, wie es mit den Kerzen aussieht. Ich glaube, ich habe sie nicht gut hingestellt. Das Sofa war da und dann die Vorhänge und alles ging so schnell. Als ich aus der Küche kam, war überall Rauch", erzählt er und schnieft wieder. „Ich wollte nur, dass es schön wird und dass wir reden können. Ich wollte mich entschuldigen und hatte gehofft, dass... dass es vielleicht wieder wird wie vorher. Ich weiß, dass ich es mit einem Abendessen nicht wieder gut machen kann, aber... uhm... ich habe gehofft, dass du dann wieder mehr mit mir sprichst und mir schreibst", gibt er sehr leise zu.
„Oh, Haz..." Ich schüttle leicht den Kopf. „Dachtest du, es wäre so schlimm? Der Streit?" Er zuckt unbeholfen mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich war egoistisch und habe mich nicht um die Leute geschert, die das Gebäude vorher gebraucht haben, damit hast du recht. Und du magst keine Egoisten." – „Denkst du, ich will dich nicht mehr?", frage ich ihn und hoffe so sehr, dass die Antwort nein lautet. Allerdings schweigt er. Das ist kein nein. Im Gegenteil. Sofort ziehe ich ihn in meine Arme. „Hazza... oh Schatz, natürlich will ich dich noch", versichere ich ihm und er klammert sich an mich.
Ich lege mich wieder zurück, schiebe ein Bein zwischen seine und dirigiere ihn halb auf mich. „Ich will dich, Harry, und wie. Es tut mir leid, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, wie es bei dir ankommt, was ich tue. Ich hätte wissen müssen, dass die Nachrichten morgens und abends nicht nur Nachrichten sind." Er zuckt mit den Schultern und mein Bauchgefühl sagt mir, dass er mir widersprechen will. Also küsse ich ihn. Ich küsse ihn so liebevoll und süß, wie ich kann. „Ich gehe nicht weg. Nicht wegen so etwas. Und ich habe verstanden, dass du nur deinen Job gemacht hast. Es ist blöd gelaufen, können wir es darunter abhaken?" Er nickt leicht. Ich küsse ihn noch einmal.
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Sie haben sich ausgesprochen. Wie findet ihr das Kapitel? :)
Love, L
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