55. Kapitel
Louis:
Verwirrt sieht er mich einen Moment an. Sein Blick wandert zu der Tüte und wieder zu mir. „Du hast mir etwas zu Essen gekauft?" – „Da ist wohl kaum ein Buch drin", antworte ich ihm amüsiert und trete näher. Die Tür hinter mir fällt lautlos zu und ich stelle die Tüte vor ihm auf dem Schreibtisch ab. Die Tür und die Wände zum Büro hin sind aus Glas, sonst hätte ich ihn jetzt geküsst. Ich weiß nicht, ob er seinen Kollegen schon etwas erzählt hat und ob er etwas erzählen möchte, also werde ich nichts vorweg nehmen. Sein Blick fällt auf die Blumen in meiner Hand. „Die... uhm... die sind schön." – „Freut mich, dass sie dir gefallen." Unschlüssig sieht er auf den Strauß. „Ich dachte, ich bringe Mum welche mit, wenn ich gleich nach Hause fahre", füge ich hinzu und schmunzle amüsiert. „Das ist eine schöne Idee", erwidert er und lächelt kurz. „Harry." – „Mhm?" – „Ich fahre nicht zu meiner Mum." Verwundert sieht er mich an. „Also..." – „Hast du eine Vase?", frage ich ihn und er nickt. „Komm mit", sagt er knapp und führt mich in die Küche des Büros. „Möchtest du einen Tee?" – „Gerne." Er nickt und holt eine Tasse heraus. Während kochendes Wasser in diese läuft, nimmt er eine Glasvase aus einem der Schränke. Die Blumen stellt er vorsichtig rein und zupft hier und da an einigen, bis er zufrieden ist. Währenddessen zieht mein Tee.
„Ich wusste nicht, was deine Lieblingsblumen sind." – „Also sind die wirklich für mich?" – „Natürlich, für wen denn sonst?" Belustigt sehe ich ihn an. „Ich habe noch nie Blumen bekommen", gibt er zu und verzieht die Lippen zu einem süßen, schüchternen Lächeln. „Danke." – „Gerne." Er riecht an ihnen und nimmt sie in sein Büro mit. Kurz sieht er seinen Schreibtisch an, dann stellt er sie links vom Laptop ab und dreht die Vase noch ein bisschen. „Ich habe keine Lieblingsblumen, glaube ich", meint er dann und setzt sich wieder. „Ich finde eine schöne Mischung toll, besser als ein Strauß nur aus Rosen oder Tulpen. Es ist wie eine Wildblumenwiese." Ich weiß genau, was er meint und werde es mit für das nächste Mal definitiv merken. Es passt zu ihm und ich nehme mir vor, ihm zwischendurch immer mal wieder Blumen zu schenken.
Er öffnet die Tüte und nimmt das belegte Baguette heraus. „Danke. Woher wusstest du, dass ich Caprese mag?" – „Geraten", antworte ich ehrlich und zucke mit den Schultern. Ich habe das erstbeste gewählt, was ich gesehen habe – abgesehen von dem Tunfischsandwich.
Harry lehnt sich zurück und seufzt auf, als er in das Baguette beißt. „Das ist echt gut", sagt er einen Moment später und wirkt direkt sehr viel zufriedener. „Ich habe heute nicht gefrühstückt – von Kaffee abgesehen. Du rettest meinen Vormittag." – „Kein Frühstück? Frühstückst du nie?" – „Doch, eigentlich schon, aber die Müllabfuhr hat die Straße versperrt und ich habe es nicht mehr zum Bäcker geschafft." – „Du kaufst dir nicht ernsthaft jeden Morgen etwas beim Bäcker?", frage ich perplex. „Doch, wieso?" – „Wieso frühstückst du nicht einfach zuhause?", will ich wissen und lehne mich gegen den Schreibtisch, als Harry ein Stück mit dem Stuhl zurückgerollt ist. Er zuckt mit den Schultern. „Irgendwann habe ich das aufgehört. Im Studium habe ich das immer gemacht, aber inzwischen nicht mehr." – „Mir wäre das zu teuer", rutscht mir über die Lippen und ich sehe mich in seinem Büro um. Alles hier schreit nach Geld – viel Geld. Ich habe nie gefragt und ich habe es auch nicht vor, aber ich bin mir sicher, dass er davon mehr als genug hat. Wie viel verdient man wohl in seiner Branche? Definitiv mehr als bei der Feuerwehr.
„Wie komme ich zu der Ehre, dass du mir etwas zu essen bringst? Und Blumen?" Ich zucke mit den Schultern. „Mir war so danach." – „Einfach so?" – „Ich wollte eigentlich nur Frühstück holen und bin auf dem Weg bei einem Blumenladen vorbei gekommen", erzähle ich knapp und zucke mit den Schultern. „Ich hoffe, das stört dich hier im Büro nicht." – „Du meinst, wegen meiner Kollegen?", versteht er. „Nein, sollen sie doch denken, was sie wollen." Mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet. „Seitdem du mich zu Nicks Hochzeit begleitet hast, denken sie sowieso alle schon, dass ich auf Männer stehe. Es hat nicht einmal einen Vormittag gedauert, bis mir die Blicke aufgefallen sind. Es ist nicht so, als wären die Leute hier homophob, ich glaube eher, dass sie überrascht und verwundert waren", erzählt er mir und trinkt einen Schluck Kaffee. „Sie können denken, was sie wollen. Ich mache mit am meisten Umsatz hier im Haus und ich weiß, dass Oliver nicht gegen mich hat. Er ist am Ende derjenige, der mich als neuen Partner vorschlägt und sich für mich einsetzt."
„Heißt das, wenn er homophob wäre, wären die Blumen und mein Besuch ein Problem?", hinterfrage ich und Harry zögert einen Moment. „Ich weiß nicht. Ich glaube, dann hätte ich dich gar nicht mit zu der Hochzeit gekommen, um ehrlich zu sein." – „Dann wäre ich jetzt nicht dein Freund", erwidere ich, ohne darüber nachzudenken. „Mhm." Er schweigt einen Moment. „Ist es wichtig, dass wir darüber reden, was wäre wenn? Ein paar blöde Sprüche machen mir nichts aus, sonst hätte ich heute nicht den Job, den ich habe und sonst ist doch alles gut." – „Müssen wir nicht", stimme ich zu und ziehe ihn an der Armlehne näher zu mir heran. „Ich möchte nur sichergehen, dass es in Ordnung ist, wenn ich hier unangekündigt auftauche." – „Solange du das nicht zu oft machst und sich das nicht auf meine Arbeitszeit auswirkst, ist alles gut", antwortet er lächelnd und steht auf. Er steht jetzt direkt vor mir und sein Blick fällt auf meine Lippen. In dem Moment, in dem er mitbekommen, dass ich es definitiv gesehen habe, errötet er ein wenig und möchte einen Schritt zurück machen.
Oh nein, so nicht. Sofort lege ich meinen Arm um seine Taille und meine Hand an seinen unteren Rücken und ziehe ihn zu mir heran. „Küss mich, Harry." – „Was? Jetzt?" Seine Stimme ist dünn und er klingt überrascht. „Auf jeden Fall jetzt", bestätigt ich und schiebe meine Finger zwischen seine. Er kommt mir ein Stück näher und küsst mich. Er küsst mich so süß, dass mein Herz flattert und mich für einen Moment komplett durcheinander bringt. Ich erwidere den Kuss und ziehe ihn noch ein wenig enger an mich heran. Sofort lächelt er ein bisschen. Ich liebe es, wie er auf mich reagiert.
„Ich dachte nicht, dass ich irgendwann mal knutschend in meinem Büro stehe", gibt er ein paar Minuten später zu und lacht leise. Ich küsse ihn einfach wieder, inniger, tiefer. Er seufzt leise auf und ich merke genau, dass dieser Kuss ihn nicht kalt lässt. Meine Zunge taucht in seinen Mund und er legt seine Arme um meinen Nacken. „Lou...", murmelt er gegen meine Lippen und küsst mich wieder. „Ich werde dich garantiert nicht hier auf deinem Schreibtisch nehmen", antworte ich ihm und sofort wird er dunkler im Gesicht. „Was? Also... hier?", stottert er. Amüsiert sehe ich ihn an. „Nein, werde ich nicht. Jeder könnte uns sehen und es ist mitten am Tag." – „Sonst würdest du..." – „Ich würde dich küssen, bis du nicht mehr klar denken kannst, ich würde dich anfassen und dir dieses Hemd ausziehen." Seine Augen werden groß. „Und dann würde ich dich über diesen Schreibtisch legen, deinen Hintern bis zum Rand ziehen und dich genau so vögeln", spreche ich weiter. Sein Schwanz zuckt und verrät ihn. Es ist nicht so, als würde mich der Gedanke, ihn hier zu nehmen, nicht anmachen, aber ich kann mich durchaus besser zusammenreißen als er.
„Das würdest du machen?" – „Wie gesagt, dein Büro ist verglast, also nein." Er räuspert sich und zupft kurz an seiner Hose. „Das ist gemein, weißt du das?" – „Dich nicht zu vögeln ist gemein?" – „Mir so etwas zu sagen und mich so zu küssen und mich so..." – „Ja?" – „Hart zu machen. Das ist gemein." – „Es ist ein Vorgeschmack", korrigiere ich ihn. Verwundert sieht er mich an. „Vorgeschmack?" – „Es sei denn, du hast heute Abend etwas anderes vor", antworte ich scheinheilig. „Dann tut es mir leid, dass ich davon ausgegangen bin, wir würden das nachher bei dir weiterführen." – „Nein, also doch... nachher, das klingt gut", bringt er heraus und atmet tief durch. „Ich fände es schön, wenn wir uns nachher sehen." Es ist genau das, was ich hören wollte.
Kurzerhand drücke ich ihm noch einen kurzen Kuss auf die Lippen und sehe dann auf die Uhr. Ich bin schon 40 Minuten hier, so langsam sollte er wohl weiterarbeiten. „Sag mir, wann du Feierabend machst, dann mache ich mich auf den Weg zu dir." – „Okay", stimmt er zu und küsst mich noch einmal, ehe er mich zur Tür begleitet. Hinter Harry laufen gerade zwei Kollegen lang. Einen davon kenne ich. „Hi Nick." Harry dreht sich um. Nick sieht uns wissend an. „Hi, Louis, du hier?" – „Ich habe Harry nur Frühstück gebracht", antworte ich und sehe wieder meine Freund an. „Bis später." – „Bis dann."
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Wie fandet ihr den Vormittag? Und wird Harry im Büro wirklich keine Probleme bekommen?
Love, L
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