37. Kapitel
Harry:
„Was war das denn bitte gerade?" Irritiert sehe ich zu Niall. „Was?" Er sieht mich an, als müsste ich ganz genau wissen, wovon er gerade spricht. Ich habe allerdings keine Ahnung. Vielleicht liegt es daran, dass mein Fieber mein Gehirn vernebelt und ich aktuell nicht richtig denken kann. Ich hasse es, wenn ich so krank bin, dass das passiert. Mit Erkältung oder Kopfschmerzen komme ich klar: damit kann ich arbeiten gehen. Aber jetzt gerade? Schwierig. Ich würde wahrscheinlich für jede einzelne Aufgabe doppelt so lange brauchen wie sonst. „Das mit Louis?", fragt er mich, aber ich schüttle verwirrt den Kopf. „Was soll mit ihm sein?"
Niall seufzt. „Meine Fresse, du bemerkst es wirklich nicht, oder?" – „Was meinst du bitte?" Kann er endlich mit der Sprache rausrücken? „Er kocht für dich Suppe und Tee, er kümmert sich den ganzen Tag um dich und du lässt dir sagen, was du tun und lassen sollst", fasst er zusammen. Ich drücke die Wärmflasche an mich und zucke mit den Schultern. „Und?" – „Ich hätte das niemals machen dürfen." – „Bist du eifersüchtig?", frage ich ihn verwirrt und sehe ihn skeptisch an. Niall lacht und schüttelt den Kopf. „Scheiße, nein. Darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass du verknallt bist." – „Ich bin nicht... Louis und ich sind nicht... also...", stottere ich vor mich hin und spüre, wie meine Wangen wärmer werden. „Da ist nichts zwischen uns, klar?" – „Mhm." – „Niall! Da läuft nichts!" – „Und deswegen wolltest du auch, dass er hierbleibt." – „Was?" – „Es stand dir auf der Stirn geschrieben", erwidert er schulterzuckend. „Nette Wärmflasche übrigens. Hat Louis dir die gekauft?"
„Die hatte ich schon, das ist meine", brumme ich unzufrieden. „Deine? Ein Schäfchen?" – „Halt einfach die Klappe." Er schmunzelt. „Passt zu den Socken." – „Die sind von Gemma, ich habe keine anderen", antworte ich sofort. Er muss nicht wissen, dass Gemma die Socken schon vor zwei Jahren mal hier vergessen hat und ich ihr die zurückgegeben habe. Sie sind gemütlich und sie hat mehr als genug von diesen Kuschelsocken – also habe ich sie behalten. Ich bin hier sowieso meistens allein und wenn nicht, bin ich definitiv nie in Situationen, wo ich diese Socken anhaben könnte. Bis auf heute. Aber woher hätte ich wissen sollen, dass Louis vorbei kommt?
„Und dich stört wirklich nicht, wenn er dir sagt, was du tun sollst?", spricht Niall schon wieder an. „Wieso stört dich das so sehr?" – „Tut es gar nicht, es..." Er sucht nach den richtigen Worten. „Mich wundert einfach nur, dass du nicht schon längst widersprochen und angefangen hast, mit ihm zu diskutieren. Du hasst es, wenn dir jemand sagt, was du tun und lassen sollst." Ich weiß, dass Niall recht hat. Ich habe nur erfolgreich nicht darüber nachgedacht. Ich will nicht darüber nachdenken, dass ich wohl dabei fühle, nicht entscheiden zu müssen. Ich will mir nicht eingestehen, dass ich es schön finde, wenn er weiß, was zu tun ist.
„Es ist... anders", gebe ich zu. „Mit ihm, meine ich." Niall sieht mich abwartend, aber geduldig an. Ich trinke einen Schluck Tee und drehe die warme Tasse in meinen Händen. „Er hat vorhin gesagt, ich soll mich aufs Sofa setzen und hat gekocht und mir Tee gebracht und es war... anders. Sonst mag ich es nicht, das stimmt schon, aber bei ihm hat es sich nicht angefühlt, als würde er mir etwas vorschreiben, weißt du?" – „Hat er nicht genau das getan?" – „Schon, aber... anders." Wie genau beschreibe ich es ihm, ohne mich wie ein vollkommer Idiot aufzuführen? „Weißt du, wie das für mich klingt? Als wärst du verliebt." – „Bin ich nicht", widerspreche ich erneut, aber ich sehe genau, dass er mir kein Wort glaubt. Ich bin nicht verliebt. Nicht in Louis.
„Ich glaube schon, dass du ihn gut findest." – „Nein." – „Ist es, weil er ein Kerl ist? Wusstest du nicht, dass du auf Männer stehst?" Niall hat absolut keinen Filter, wenn wir miteinander sprechen. Normalerweise stört mich das nicht, ich bin es seit Jahren gewöhnt, aber jetzt gerade ist es zu viel. „Ich stehe nicht auf Männer", stelle ich klar. „Ich bin nicht... also schwul." – „Also schwul?" – „Ich stehe nicht auf Männer." – „Und wie küsst er?" – „Fuck, keine Ahnung!" Rege ich mich auf und muss direkt Husten. Verdammte Scheiße. „Ich weiß nicht, wie er küsst. Er hat mich noch nicht geküsst."
Niall schmunzelt. „Was ist denn jetzt schon wieder?" – „Noch nicht?" – „Halt die Klappe." – „Du willst, dass er dich küsst." – „Nein." – „Doch." – „Wieso sind wir noch einmal befreundet?", will ich von ihm wissen, aber Niall geht auf diese Frage gar nicht erst ein. Hätte Louis nicht an seiner Stelle hier bleiben können? Ich schließe einen Moment die Augen. Die Kopfschmerzen werden wieder stärker und ich erwische mich dabei, wie ich mir wünsche, ich könnte mich einfach wieder an Louis kuscheln und dann einschlafen.
„Es ist nichts Schlimmes, wenn du auf Männer stehst. Oder auch auf Männer. Oder nur Louis. Ist doch egal", unterbricht Niall meine Gedanken. „Du scheinst dich jedenfalls bei ihm wohlzufühlen." – „Wir sind Freunde." Niall zieht eine Augenbraue hoch. „Ich dachte Bekannte?" Ich zucke mit den Schultern. Einen Moment ist es still zwischen uns. Ich werde wieder müde und meine Gedanken schweifen schon wieder zu dem Feuerwehrmann, der bis gerade noch auf meinem Sofa saß. Ich kann verstehen, dass er nach Hause wollte – immerhin war überhaupt nicht geplant, dass er so lange bei mir sein würde. Allerdings hätte ich ihn trotzdem gerne bei mir. Weil ich krank bin. Nur deswegen. Wenn ich gesund wäre, wäre das alles – nein wäre es nicht. Scheiße. Ich möchte bei ihm sein.
„Es fehlt nur noch die leuchtende Glühbirne über deinem Kopf." Irritiert sehe ich Niall an. „Was soll das denn heißen?" – „Dass dir sehr deutlich anzusehen ist, dass ich recht hatte. Das mit Louis ist anders. Das ist nicht wie bei uns oder deinen Kollegen." – „Müssen wir darüber sprechen?" – „Du solltest mit ihm darüber sprechen", sagt er schulterzuckend und steht auf. Niall geht in die Küche und öffnet meinen Vorratsschrank. „Was wird das? Was machst du da?", frage ich sofort und wäre ich nicht so geschafft, würde ich sofort aufstehen und ihm nachlaufen. „Zum einen suche ich etwas zu essen", sagt er und kommt mit einer Packung Schokoladenkekse wieder. „Zum anderen wollte ich testen, ob du etwas dagegen hast, wenn ich einfach in deine Küche gehe." – „Weil ich bei Louis vorhin nichts gesagt habe?" – „Richtig, Sherlock", antwortet er mir, setzt sich wieder und reicht mit einen Keks.
Dann schnappt er sich meine Fernbedienung und schaltet den Fernseher an. „The Notebook? Ehrlich Harry?" Louis hat den Fernseher wohl einfach ausgeschaltet, ohne das Programm vorher zu schließen. „Was denn?" – „Du lässt ja vor ihm wirklich alle Hüllen fallen." – „Es ist nur ein Film." – „Klar. Und es sind nur pinke Socken und eine Schäfchen-Wärmflasche. Du vergisst, dass wir beide uns zu lange kennen, als dass ich nicht wissen würde, dass du auf diesen kitschigen Kram stehst", entgegnet er trocken. „Bitte was?" – „Alles, was noch fehlt ist eine pinke Tasse mit Glitzer oder so", fügt er gnadenlos hinzu, als ich meine schlichte, weiße Teetasse nehme. „Du übertreibst." – „Dafür bin ich dein bester Freund", grinst er und scrollt durch die Filmauswahl.
Was soll's. Jetzt bin ich sowieso wach, dann kann ich auch hier im Wohnzimmer bleiben und einen Film mit Niall schauen. Gehen wird er sowieso nicht, dafür ist er definitiv zu stur. Und ein Film ist besser, als weiter über Louis und meine Gefühlswelt zu sprechen. Es ist schlimm genug, dass er mich überhaupt derart durcheinander bringt.
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Niall redet Klartext und so langsam checkt Harry, was mit ihm los ist. Was haltet ihr davon?
Love, L
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