10. Kapitel
Louis:
Es dauert eine Weile, bis die beiden Autos, die in dem Unfall verwickelt sind, freigegeben werden können. Das eine Auto, das gebrannt hat, war ein Elektroauto – natürlich. Die zu löschen ist quasi unmöglich und in den allermeisten fällen muss man sie einfach ausbrennen lassen und schauen, dass die Flammen nicht auf andere Sachen übergreifen und für Menschen gefährlich werden. Ich stehe an der Seite und trinke einen Schluck Wasser. Grayson stellt sich zu mir und nimmt sich auch eine. Er ist von einer anderen Wache und erst seit ein paar Monaten dabei. „Alles gut?", frage ich ihn. Er nickt. „Es war nicht mein erster Verkehrsunfall", antwortet er mir und sieht zu dem schwarzen, ausgebrannten Auto.
„Es war der Mann, oder? Der dich so angeschnauzt hat", schlussfolgere ich. „Ich wusste ja, dass Rettungskräfte und Polizei und Feuerwehr und so nicht immer nett behandelt werden, aber bisher habe ich es noch nie selbst erlebt", erklärt er mir. Ich nicke verstehend. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn es das erste Mal passiert. Man weiß selbst nicht, wie weit man gehen kann, was man antworten kann und wie man die Situation deeskaliert, aber das kommt mit der Zeit. „Du hast nichts falsch gemacht", ermutige ich den Rookie. „Das nächste Mal werde ich nicht dazwischen gehen. Bei solchen Typen musst du streng sagen, was Sache ist, sonst diskutieren sie mit dir für immer."
„Du kanntest ihn, oder?", fragt er mich zögerlich. Ich seufze und nicke. „Flüchtig. Er ist ein Arschloch. Total überheblich und arrogant", erwidere ich. „Er hat schon einmal die Arbeit der Feuerwehr behindert, da habe ich ihn das erste Mal getroffen", fasse ich zusammen. „So schlimm?" – „Ein arroganter Arsch, der keinen Respekt vor unserer Arbeit hat", antworte ich schulterzuckend. „Mach dir nichts draus und nimm es bloß nicht persönlich." – „Okay, danke." Er lächelt kurz.
Ich gehe zurück zu meinem Team. „Alles gut?", fragt Charly und ich fange an, bei den Aufräumarbeiten zu helfen. „Dieser Styles war wieder da. Er meinte, mit Grayson diskutieren zu müssen, dass er doch einfach um die Unfallstelle drum rum fahren kann." – „Ihr lauft euch ziemlich oft über den Weg", stellt Matt fest. „Wem sagst du das", murmle ich missmutig. Wenn es nach mir gehen würde, könnten wir uns ruhig etwas seltener sehen. Gar nicht zum Beispiel. „Vielleicht ist es ja Schicksal", grinst Marah. „Du hast sie nicht mehr alle!", widerspreche ich sofort. „Schau, wie er mir sofort an den Hals springt", lacht sie und Matt steigt mit ein. „Ich hasse euch zwei." – „Tust du nicht", widerspricht Matt, wissend, dass er recht hat. Natürlich hasse ich sie nicht.
„Wie war das mit: Was sich liebt das neckt sich?", fragt Matt weiter. „Ich kann den Kerl nicht leiden. Ende", versuche ich es noch einmal, aber natürlich stachle ich die beiden damit nur an. „Sag das nochmal, wenn du mit Herzen in den Augen zur Arbeit kommst." Charly gibt Matt daraufhin einen Klaps gegen den Hinterkopf. „Ihr sollt aufräumen und nicht Louis' Liebensleben planen." – „Schon gut, Boss", grinst Marah.
„Danke." Ich sehe zu Charly. „Du weißt doch, wie die Truppe ist. Du gibst ihnen eine perfekte Vorlage." – „Ja, schon klar." Ich weiß genau, dass ich nicht anders wäre, wenn Matt in meiner Position wäre. Es gehört dazu: das Necken und Ärgern. Niemand nimmt es einem wirklich übel, aber in der Situation... nein, das ist etwas anderes. Mir ist klar, dass meine Kollegen kaum wissen können, wieso ich Harry absolut nicht leiden kann und ich will es auch nicht unbedingt erklären, aber ich bin froh darüber, als im Einsatzwagen das Thema beendet ist.
„Charly, ich muss mit dir noch über was reden", fällt mir dann ein und ich bin froh, schnell ein neues Thema anfangen zu können. „Das klingt so ernst", merkt Matt an, aber ich schüttle den Kopf. „Was gibt's?", fragt unser Chef entspannt. Er weiß genau, dass ich nichts im Wagen ansprechen würde, was wirklich ernst wäre. „Ein Freund von mir startet einen Podcast und hätte gerne für ein paar Folgen jemanden von der Feuerwehr als Gast", erzähle ich. „Er möchte den Alltag bei der Feuerwehr und von Rettungskräften erzählt bekommen und wie man sich richtig gegenüber Rettungskräften verhält und so."
„Klingt gut", sagt er sofort. „Du weißt ja, worauf du achten musst. Keine Adressen oder Namen von Personen außerhalb der Wache, keine persönliche Daten und so weiter." – „Also soll ich das machen?", frage ich ihn daraufhin. Verwundert sieht er mich an. „Hast du mich deswegen nicht gefragt? Du meintest ein Freund von dir will diesen Podcast machen, es liegt doch nah, dass du das dann machst." Ergibt schon Sinn. „Du weißt nicht, ob du es machen willst", versteht Marah. Ich zucke mit den Schultern. „Ich will keine Scheiße labern und am Ende verklagt werden können." So einfach ist es.
Charly schüttelt den Kopf. „Wirst du nicht. Du weißt, was du tust und machst den Job schon lange genug, um zu wissen, was okay ist und was nicht. Allerdings werde ich dir das nicht als Arbeitszeit berechnen." Ich verdrehe die Augen. „Das wäre ja noch schöner."
In der Wache zurück schreibe ich Liam, dass ich dabei bin und dass er mir vorab ein paar Infos dazu schicken soll, was genau er thematisch haben möchte. Völlig unvorbereitet werde ich in diese Aufnahme nicht gehen, aber ich habe inzwischen so viele Einsätze mitgemacht, dass ich mir definitiv einige Notizen machen muss, um nicht völlig chaotisch davon zu erzählen. „Aber schick uns den Link zu dem Podcast", meint Marah dann. „Ich weiß nicht einmal, wann der veröffentlicht wird", erwidere ich. Ich muss definitiv mehr Infos von Liam dazu haben.
Meine Schicht geht noch bis morgen Vormittag. Gerade ist es ruhig – nicht, dass ich das jemals laut aussprechen würde – und ich schnappe mir mein Handy. Ich kann nicht kochen. Ich schaffe es gerade so, eine Tiefkühlpizza nicht verbrennen zu lassen. Das Team hat mich allerdings zum Küchendienst verdonnert. Eingekauft ist schon und leider habe ich keinerlei Spielraum etwas zu versalzen oder zu brennen oder sonst irgendwie zu versauen. Ich stelle mein Handy an die Wand und lege mir die Zutaten zurecht. Es soll Hähnchengeschnetzeltes mit Zwiebelsahnesauce und Reis geben. Es ist ein Rezept, dass mir nicht allzu schwierig erscheint und das schön detailliert beschrieben ist. Dazu gibt es einen gemischten Salat. Das bekomme ich schon hin.
Die Hühnchen werden als erstes gewürzt. Skeptisch sehe ich auf das Salz, den Pfeffer und die Kräuter. Marah kommt zu mir. „Du hast keine Ahnung, wie viel, oder?", fragt sie amüsiert. „Ey, nicht helfen!", ruft Matt quer durch die Wache. „Willst du etwa mieses Essen?", entgegnet Marah laut. Ich seufze und nehme mir das Salz. Lieber etwas weniger als zu viel. „Ich bekomme das schon hin", sage ich Marah. „Danke dir", schiebe ich schnell hinterher und wechsle zum Pfeffer. Mein Ego sagt, dass ich ja wohl schaffe, dieses Gericht zu kochen. Es kann ja nicht sein, dass ich mit Mitte zwanzig kein vernünftiges Abendessen zu Stande kriege. „Wie du meinst", sagt sie und tritt einen Schritt zurück.
Es funktioniert einigermaßen. Die Auflaufform mit dem Hühnchen ist tatsächlich im Ofen und ich fange an, den Salat vorzubereiten. Salat. Was habe ich mir nur dabei gedacht, für eine ganze Truppe fucking Salat zu machen. Per Hand. Die Schüssel wird einfach nicht voller. Zwischendurch kommt Marah doch wieder und stellt das Wasser für den Reis an. „Hat keiner gemerkt", sagt sie leise und geht weiter, als hätte sie mir nicht geholfen. „Danke", sage ich leise und greife nach den Tomaten.
Kurz danach kommt Charly zu mir. Er öffnet über mir eine Küchenschranktür und stellt ein Gerät vor mir ab. „Nimm das, geht schneller." – „Was ist das?", frage ich irritiert. Er schmunzelt, nimmt eine Tomate und öffnet die obere Klappe. „Hier, leg die Tomate rein und dann schließ das Ding wieder." Die Tomate liegt auf den Messern und wird direkt komplett zerschnitten. Ich sehe ihn an. „Und das hättest du mir nicht früher geben können?", will ich wissen und betrachte die inzwischen halb volle Salatschüssel. „Vergiss nicht, den Reis ins Wasser zu tun", sagt er nur und geht wieder. „Verdammte Scheiße", sage ich und mache weiter. Das hätte so viel Zeit ersparen können.
Und als wäre das nicht genug, kocht mir das Wasser genau dann über, als ich gerade die Salatschüssel auf den Tisch stelle. „Ach fuck!", fluche ich laut und laufe wieder zurück. „So schlimm?", fragt Marah amüsiert und beobachtet mich ungeniert. „Ich schaffe das schon!", sage ich gestresst und stelle die Platte runter.
Das Essen ist fertig. Es ist nicht verbrannt und sieht einigermaßen gut aus. Charly haut mir freundschaftlich auf die Schulter. „Ich wusste, du schaffst das." – „Das war anstrengender als ein Einsatz", sage ich und betrachte das Schlachtfeld vor mir. Die Küche sieht absolut chaotisch aus. „Wir helfen wir dabei, aufzuräumen", sagt er zufrieden und nimmt sich einen Teller. Marah kommt ebenfalls zum Essen und greift direkt nach dem Salz und dem Pfeffer. „Ich habe gewürzt!", sage ich sofort. Sie grinst. „Ich habe es gesehen, deswegen nehme ich die beiden Streuer mit."
So schlecht ist es bestimmt nicht. Ich nehme mir ebenfalls was und setze mich zu meiner Truppe. Alle salzen nach. „Es ist ein guter Anfang", zieht Matt mich auf. „Fick dich. Sei froh, dass überhaupt was auf dem Tisch steht", antworte ich ihm, aber er lacht nur. Arschloch.
-- -- -- -- --
Louis hat tatsächlich gekocht. Verrückt oder? Würdet ihr euch trauen, das zu essen?
Love, L
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top