Kapitel 44
Mit einem unguten Gefühl im Bauch stieg die junge braunhaarige Frau aus dem gekühlten Bus aus, der sie und die restlichen Eltern den heutigen Abend über in die Hauptstadt San Antonio gebracht hatte. Obwohl langsam die Abenddämmerung hereinbrach, ließ die sengende Hitze kaum nach und drückte sich ihr unangenehm entgegen, als sie ihre Füße auf den staubigen Parkplatz von der „Green Country Hall" aufsetzte.
Zuvor hatten die beiden Betreiber der Reha-Einrichtung, Mr. und Mrs. Miller, die Eltern-Crew zu einem kurzen Abstecher in „Louie's Westernlook-Shop" entführt, wo Hermine gegen ihren Willen in eine knappe Jeansshort, Cowboystiefeln, einer blaukarierten Bluse und zur Krönung in einen Cowboy-Hut gesteckt worden war. Zu ihrer Erleichterung trug die junge Hexe dieses etwas gewöhnungsbedürftige Cowboy-Western-Outfit nicht allein, sondern ebenso die komplette restliche Elternschaft, die jedoch mit diesem Outfit-Wechsel keinerlei Probleme hatten. Eher im Gegenteil, vor allem die anderen Mütter hatten riesen Spaß daran gefunden, sich in diesen Cowboy-Look zu kleiden und da sogar Draco diesen Spaß mitzumachen schien, hatte sich Hermine letztendlich dazu verpflichtet gesehen, sich diesem Vergnügen anzuschließen. Sie wollte dann irgendwie doch kein Miesepeter sein, obwohl sie sich mehr als unwohl zu fühlen schien.
Zu ihrem Glück hatte sich Draco ihrer angenommen und ein eher schlichtes Outfit zusammengestellt, dass nicht so übertrieben nach Verkleidung aussah, wie die Outfits einiger anderer Elternteile. Es war ihr fast unangenehm, dass Draco Malfoy als Mann mehr Stilsicherheit besaß, wie sie als Frau. Aber es war nunmal nicht zu leugnen, sie war in dieser Hinsicht einfach keine Koryphäe.
„Ich seh total dämlich aus.", grummelte die Braunhaarige vor sich hin, während sie an ihrer knappen Jeansshort rum nestelte, um sie etwas weiter nach unten zu ziehen.
„Ich finde, du siehst absolut heiß aus, Liebes.", befand der weißblonde Cowboy, der hinter ihr aus dem Bus ausstieg und das unfreiwillige Cowgirl in seine Arme zog.
Es war beinahe schon befremdlich, welch gute Laune der blondhaarige Daddy die letzte Zeit entwickelt hatte.
Eine kleine Portion Angst flammte in ihr auf, dass seine Familie nach ihrer Heimreise sie wohlmöglich beschuldigen würde, Draco Malfoy in den Vereinigten Staaten heimlich ausgetauscht zu haben. Sie sah sich gedanklich schon auf einen Scheiterhaufen stehen, während Lucius Malfoy die Fackel in der Hand hielt.
Hermine schob Draco's schwarzen Hut etwas aus der Stirn und blickte grummelnd zu ihm auf.
„Und du siehst aus wie Jesse James.."
Draco war ebenfalls schlicht gekleidet, im Gegensatz zu einigen anderen Vätern. Ein schwarzes Hemd, dunkelblaue Jeans, dunkle Cowboystiefeln, sowie den dazu gehörigen Cowboyhut.
„Wer?", fragte Draco verdutzt und trat mit ihr im Arm zur Seite, um auch die restlichen Eltern aus dem Bus aussteigen zu lassen.
„Vergiss es!", winkte die Braunhaarige nur ab, während bereits Mrs. Miller an ihr und den schon ausgestiegenen Eltern vorbeieilte.
„Kommt kommt meine Lieben!", rief sie begeistert, nachdem endlich alle den Bus verlassen hatten, während sie schon eifrig auf den Eingang des Country Tanz Schuppens zu steuerte.
„Jihaa!", rief einer der älteren Väter begeistert, worüber alle – bis auf Hermine - schmunzelnd konnten. Deren Blick war eher leidend, während sie unbarmherzig vom Vater ihres Kinders mitgezogen wurde.
Zwei Stunden, einem kalorienreichen Abendessen und einigen Drinks später, hatte auch Hermine es geschafft, sich etwas fallen zu lassen. Beinahe war sie drauf und dran zuzugeben, dass es ihr hier gefiel. Dennoch spukte immer noch der verhängnissvolle Abend in ihrem Kopf herum, an dem sie sich in alkoholisiertem Zustand an Draco ran geschmießen und sich halbnackt vor ihm ausgezogen hatte. Dieser ihr äußerst peinliche Vorfall sollte sich keinesfalls wiederholen, weshalb sie sich den ganzen Tag über ziemlich unwohl bei dem Gedanken gefühlt hatte, heute gemeinsam mit den anderen Eltern den Abend in einer Bar, fernab der Kinder, zu verbringen.
Auch der Gedanke, das erste Mal seit Scorpius Geburt, die komplette Nacht von ihm getrennt zu sein, machte ihr mehr zu schaffen, als sie bereit war zuzugeben. Sie fragte sich ingesheim oft genug, seit wann sie so eine mütterliche Glucke geworden war. Sie hatte Scorpius zwar einmal im Krankenhaus mit Draco die Nacht über allein gelassen, aber da war immerhin noch sein Vater bei ihm gewesen. Heute verbrachte der kleine Knirps das erste Mal die Nacht ohne seine Eltern.
Da ihr aber auch Draco, sowie Mrs. Miller mehrmals versichert hatten, dass die Kinder während ihres Indianer-Zelt-Wochenendes gut umsorgt und betreut werden würden – von staatlich anerkannten Erzieherinnen, sowie auch von ministeriumsgesprüften Hauselfen – hatte nach ein paar kleinen Bieren es letztendlich auch Hermine geschafft, sich etwas zu entspannen. Wenn auch nicht vollends.
Und solange es mit den alkoholischen Getränken nicht wieder so ausarten würde wie neulich, konnte auch so ein peinlicher Vorfall kein weiteres Mal geschehen, redete sich die Mutter gedanklich gut zu, während sie an ihrem Getränk nippte.
Vier Männer, ebenfalls im Cowboy-Look, wie fast alle Gäste hier, spielten im hinteren Bereich der großen Lokalität auf einer Bühne ihre Instrumente und entlockten ihnen stimmungsvolle Klänge, die laut durch die große Tanzbar hallten. Eine junge Frau im Jeans-Rock, bauchfreier Bluse und Hut sang, im Wechsel mit einem weiteren Sänger, dazu mit rauchiger Stimme.
Hermine's Blick streifte über die unzähligen Bilder, die die Wände der Bar schmückten, auf denen diverse Berühmtheiten abgebildet waren, die sich im Laufe der Jahre die Ehre gegeben hatten, die Green Country Hall zu besuchen. Die bestimmt über 15 Meter lange Bar schien sich im Stil der Western Salons aus den Hollywood-Filmen zu orientieren, was dem Ambiente einen sehr wohlfühlenden Charakter gab. Ihr Blick fiel auf die Tanzfläche zu Draco, der gerade Lemon Hayes über das Tanzparkett wirbelte, was beiden offensichtlich großen Spaß bereitete, denn Lemon, sowie auch Draco hatten ein breites Lächeln auf den Lippen. Sie musste schmunzeln als sie sich an den freundlichen Barkeeper erinnerte, der Draco und Lemon vorhin tatsächlich für Geschwister gehalten hatte, da sie die gleiche helle Haarfarbe besaßen.
Eine der anderen Mütter verwickelte Hermine jedoch nun in ein Gespräch, weshalb sie ihren Blick von der Tanzfläche abwenden musste. So bemerkte die Braunhaarige schließlich auch nicht, dass sich kurze Zeit darauf ein blonder Haarschopf ihr langsam annäherte und sie plötzlich und sehr überraschend von hinten umarmte.
„Auf geht's Liebes. Du bist jetzt dran..", frohlockte er gut gelaunt und eine leichte Bierfahne wehte ihr entgegen, die ihr deutlich bezeugte, dass Draco schon etwas über den Durst getrunken hatte.
„Ich bin bei was dran?", fragte sie irritiert, doch bekam keine Antwort, da der Blonde sie schon resolut von ihrem Hocker herunterzog und sie ihm nun auf dem Weg zur Tanzfläche hinterher stolperte.
„Na tanzen..", bekam sie nun doch noch die Antwort auf ihre Frage, was ihr jedoch nicht mehr großartig nütze, schließlich standen sie schon mitten auf der Tanzfläche.
Augenblicklich darauf schnappte er sich auch schon Hermine's rechte Hand und platzierte seine andere an ihre Hüfte. Auch Hermine hob schließlich ihre noch freie Hand zu seiner Schulter, woraufhin Draco direkt begann, die junge Mutter über die Tanzfläche zu wirbeln.
Die Luft war stickig und warm, die Tanzfläche rappelvoll, doch Hermine störte sich daran keineswegs.
Sie spürte plötzlich, wie alle Zurückhaltung von ihr abfiel und einer entspannten Lockerheit Platz machte. Ein ebenso breites Lächeln, wie auf dem Gesicht ihres Tanzpartners erschien auf ihren Lippen. Vielleicht war es endlich an der Zeit den Abend zu genießen.
Die Band stimmte einige Billy Ray Cyrus Songs an, die von „Acky breaky heart" zu „Back in Tennessee", „I want my mullet back" und schließlich zu „The Distance" wanderten.
Bedauerlicherweise war letzterer Song ein langsamer Tanz, was sie nervös schlucken ließ, doch Draco hatte offenbar überhaupt keine Bedenken, denn er zog die Braunhaarige nur noch enger an sich. Sein Atem ging aufgrund der letzten gemeinsamen Tänze mit der Mutter seines Sohnes etwas schnell und Hermine konnte seinen Herzschlag spüren, da er sie eng an seine Brust presste.
Sein Lächeln, dass er ihr schenkte, ließ ihre Knie weich werden und sie hatte das Gefühl sie würde auf Wackelpudding tanzen. Kurz senkte sie ihren Blick tatsächlich auf ihre Füße, nur um sicher zu gehen, dass sie wirklich nicht diese geleeartige Süßspeise unter ihren Schuhen hatte und schüttelte daraufhin über ihre Dummheit kurz den Kopf. Schuld war nur dieser blonde Teufel hier vor ihr, der sie ständig so aus dem Konzept brachte und der regelmäßig dafür sorgte, dass sich ihr grandioser Verstand ins Nirvana verabschiedete.
Sein Blick war stechend und in seinen grauen Augen loderte es gewaltig, was Hermine nicht einwandfrei klassifizieren konnte. Sie schluckte erneut unbewusst, nur um zu bemerken, dass ihr Mund ganz trocken war, woran bestimmt nicht nur die stickige Luft in dem Tanzschuppen schuld war. Er war ihr so nahe, dass sie seinen warmen Atem spürte, dert über ihr Gesicht streifte.
Ihr aufgeregtes Herz pumpte beschleunigt das Blut durch ihre Adern, woraufhin ihre Ohren ohrenbetäubend rauschten, als stünde sie direkt am Strand und den brechenden Wellen des Meeres gegenüber. Sie hörte die Melodie des Songs nur verschwommen im Hintergrund und auch der Liedtext drang nur bedingt in ihre Gehirnwindungen vor. Der schwarzhaarige Interpret sang im wiederkehrenden Refrain von „Can we go the Distance" und Hermine kam nicht umhin, ihm gedanklich zu zu stimmen. Könnten sie nicht auf Distanz gehen? Auf Entfernung?
Der Blonde war ihr einfach viel zu nah und das nicht nur in körperlicher Hinsicht.
So sollte das nicht sein. Dieser Mann vor ihr war verheiratet. Sie beide sollte nichts verbinden, außer vielleicht die Bindung zum gemeinsamen Sohn. Und genau das war das Problem. Sie musste Distanz wahren, damit sie die Verbindung zwischen Draco und seinem Sohn nicht gefährdete. Wenn Hermine Draco zu nahekommen würde, würde das ihr freundschaftliches Verhältnis gefährden und behindern. Wie könnte Draco ihr noch ins Gesicht sehen, wenn sie daran schuld wäre, dass seine Ehe in Gefahr war?
Es würde nur in einer Katastrophe enden. Und der Leidtragende wäre immer Scorpius und das wollte Hermine ihrem Sohn auf keinem Fall zumuten. Er hatte jetzt endlich einen Daddy und den wollte sie ihn um keinen Preis dieser Welt wieder entwenden. Die Gefahr war sowieso schon groß genug Seitens Astoria, denn diese hinterlistige Schlange versuchte bereits seit Monaten, Scorpius seinem Daddy wieder zu entreißen.
„Was spukt dir im Kopf herum, Granger?", wandte Draco das Wort an sie.
Seinen stechenden Blick hatte er immer noch nicht von der Braunhaarigen abgewandt.
Hermine zuckte zusammen, da war es wieder das Dilema. Er kannte sie einfach viel zu gut, es war als könnte er in ihren Gedanken eindringen. Er wusste meist was sie dachte oder dachte haargenau sogar das Gleiche. Es war ihr zur Zeit ihrer Affaire schon beinahe gruslig vorgekommen, wie oft sie denselben Gedanken im gleichen Augenblick gehabt hatten. Oftmals reichte ein einfacher Blick in seine stechend grauen Augen und sie grinsten sich augenblicklich an, weil beide wussten, dass der andere im Moment genau das Gleiche dachte. Oder wie oft hatte Hermine etwas gedacht und Draco hatte es im selben Moment zufälligerweise ausgesprochen, ehe sie dazu gekommen war das zu tun? Unzählige Male.
Sie war sich deshalb sicher, dass Draco eine Ahnung hatte, was sie beschäftigte, aber es nicht aussprach, worüber sie ihm mehr als dankbar war. Ihm war mit der größten Wahrscheinlichkeit bereits klar, wie nervös er Hermine ständig machte. Aber es auszusprechen würde sich anfühlen, als wäre ein rosaroter Elefant im Raum und das wollten offensichtlich beide nicht, weder Hermine noch Draco. Hermine nahm sich deshalb vor, wenn sie Drei wieder Zuhause in England wären, die Verabredung mit Pfleger David anzunehmen, der sie kurz vor ihrer Abreise um ein Date gebeten hatte. Sie hatte ihn vertröstet, da ihre Gedanken schon bei der Rehamaßnahme gewesen waren und sie sich nicht hätte vollens auf ihn konzentrieren können, was er akzeptiert hatte. Doch vielleicht war es endlich an der Zeit.
„Nichts besonderes.", log sie schließlich dreist und war sich fast sicher, dass Draco ihr kein Wort glaubte. Glücklicherweise erwiderte er darauf nichts mehr.
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