Kapitel 40


Freudiges Kinderlachen wehte über die große Spielwiese zu Hermine und Lemon herüber, die beide - gemeinsam mit der kleinen Jamie - unter einem großen Sonnenschirm auf gemütlichen Gartenstühlen saßen und sich einen kleinen Nachmittagssnack gönnten.

Es war bereits der dritte Rehabilitationstag angebrochen und den heutigen Nachmittag über hatten die Kids mit ihren Eltern ein paar freie Stunden zur Verfügung, die jede Familie anders zu nutzen wusste. Draco, Levon und Taylor spielten gemeinsam mit ihrem Nachwuchs auf der Wiese Fußball, was nicht nur den Daddys ausgesprochen gut gefiel. Die Kinder jagten laut lachend dem kleinen Ball hinterher, während sie eifrig versuchten, das runde Leder in die kleinen Tore zu bekommen.

Sogar der schüchterne Riley war schon etwas aufgetaut und beteiligte sich fieberhaft am Ballspiel, wenn auch nicht so vehement wie seine jüngere Schwester Willow, die sich rigoros und ohne Verluste gegen die drei Jungs zur Wehr setzte, um den Ball ins Tor zu befördern. Draco nannte das kleine Biest mittlerweile schon liebevoll Nachwuchs-Parkinson, da er ihr eine gewisse Ähnlichkeit zu Pansy Parkinson nicht so ganz absprechen konnte.

Natürlich erwähnte er dies nur in Anwesenheit Hermine's, um Willow's Eltern nicht zu endzürnen, wenn auch sie mit der Bezeichnung sicherlich nichts anzufangen wussten.

Während der junge Vater Taylor seine beiden Kinder beschäftigte, lümmelte sich dessen Gattin Sierra in der prallen Nachmittagssonne auf einer Liege, während sie entspannt vor sich hindöste. Der jungen Amerikanerin schien die starke Sonne Texas nicht unbedingt etwas auszumachen, wofür Hermine sie beinahe schon beneidete. Sie selbst kämpfte mit der Hitze und ihrem Kreislauf.

Lemon, die ihre kleine Tochter mit einem Früchtebrei fütterte und gelegentlich selbst an einem Sandwich knabberte, warf unaufhörlich besorgte Blicke auf die braunhaarige Frau gegenüber. Hermine, die kaum von ihrem Schinken-Käse-Sandwich gegessen, sondern es zum größten Teil nur mit den Händen zerpflückt hatte, starrte mit gebannten Augen auf ihre kleine Familie, die sich vor ihr auf dem Rasen vergnügte. Ihre rehbraunen Augen funkelten in der Nachmittagssonne.

Als der große Blonde lachend auf dem Boden lag und der Kleinere beinahe schon auf ihm und dabei gleichzeitig eifrig versuchte, seinen Daddy zu kitzeln, trat ein melancholischer Ausdruck auf das ebenmäßige Gesicht der braunhaarigen Mutter.

Lemon runzelte nachdenklich ihre glatte Stirn über den traurigen Gesichtsausdruck ihrer neu gewonnenen Freundin und erst das Murren ihrer kleinen Tochter, die weiter gefüttert werden wollte, führte dazu, dass sich Lemon Heyes wieder dem Kind zuwandte, das bereits mit weit geöffneter Futterluke auf den nächsten Löffel Früchtebrei wartete. Nachdem Jamie ihre kleine Mahlzeit restlos vertilgt und ihr Gesicht, indem der Brei großzügig verteilt geklebt hatte, gesäubert worden war, konnte sich ihre Mummy wieder der anderen Frau zuwenden, die gemeinsam mit ihnen am Tisch saß.

Hermine hatte es immer noch nicht geschafft, den Blick von ihrem Sohn und dessen Vater abzuwenden, die gemeinsam glücklich lachend über den Rasen tollten. Charlie und Scorpius schafften es in diesem Moment den kleinen Ball ins Mini-Tor zu bekommen, weshalb die komplette Mannschaft – bestehend aus drei Vätern und vier Kids – laut jubelte. Auch Lemon und Hermine klatschten begeistert, wobei letztere immer noch auffallend abwesend wirkte und mit ihrem Blick gebannt dem Erzeuger ihres Kindes folgte, der sich mit seiner kleinen Mini-Ausgabe gerade in Give-Me-Five-Manier in die Hände schlug.

„Alles okay?", ergriff die hellblonde Amerikanerin das Wort.

„Was?", riss Hermine den Kopf herum, um ihre Aufmerksamkeit endlich wieder auf etwas anderes zu richten.

„Ob alles okay ist?", wiederholte Lemon sanft ihre Frage.

„Ja.. ja.. alles gut.", antwortete die Braunhaarige fahrig und griff leicht zitternd nach ihrem Glas Wasser.

„Sicher?"

„Ja.. Wirklich Lemon. Es ist alles gut. Mir ist nur etwas heiß.", gestand sie, nachdem sie einige Male an ihrem Glas genippt hatte.

„Mit dir und... Draco auch alles gut?", ließ sich die junge Restaurantbesitzerin nicht von ihrer Besorgnis abbringen.

„Was?? .. Ähmm.. natürlich. Es ist alles gut."

„Okay." 

Stille kam zwischen den beiden Frauen auf, die Lemon dazu nutzte, ihre kleine Tochter im Kinderbuggy zum Schlafen zu bringen. Erst als Jamie ins Land der Träume gedriftet war, ergriff Lemon erneut das Wort.

„Erzähl mir von dir.", bat sie freundlich mit einer großen Portion Neugierde.

„Seit wann bist du verheiratet?"

Hermine, die soeben an ihrem Wasserglas genippt hatte, verschluckte sich vor Überraschung.

„Was?", krächzte sie, nachdem sie ihren Hustenanfall wieder unter Kontrolle gebracht hatte.

„Seit wann du verheiratet bist?"

„Oh.. ich bin nicht verheiratet.", gestand die Braunhaarige schließlich.

„Nein?", fragte Lemon irritiert, während sie zwischen Hermine und Draco, der auf dem Rasen mit den Kindern immer noch dem Ball hinterher jagte, hin und her blickte.

„Aber Draco trägt doch einen Ehering? Oder hab ich mich da so sehr getäuscht?.. Offenbar.. ich hatte wirklich angenommen, es sei ein Ehering."

„Ist es ja auch."

„Wie?", entkam es Lemon noch irritierter,

„Nun.. Draco ist ja auch verheiratet.", erklärte Hermine ruhig, doch in ihrem Inneren zog ein altbekanntes schmerzliches Ziehen auf.

Hermine war von Anfang an bewusst gewesen, dass die anderen Reha-Teilnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen würden, sie und Draco Malfoy wären verheiratet. Draco hatte jedoch keine Intention gezeigt, diesen Irrtum aufzuklären oder von vorn herein richtig klarzustellen, was die Braunhaarige als sehr unangenehm empfand. Doch Draco hatte dies einfach für nicht wichtig befunden, denn an erster Stelle würde ihr gemeinsamer Sohn stehen und relevant war vor allem, dass sie bei Scorpius an einem Strang zogen.

Da alle anderen Elternpaare eine intakte Beziehung führten und Scorp bedauerlicherweise das einzige Kind mit getrennten Eltern in der Gruppe war, hatte sie Draco nicht dagegen gesprochen und die Reha-Gruppe ebenso in Unwissenheit gelassen. Zudem kannten sie die anderen Eltern erst seit drei Tagen, weshalb sie Draco's Intention dahinter durchaus verstehen konnte. Es ging einfach niemanden etwas an. Außerdem hätte es ihrem Sohn, ihr selbst und dem Blonden höchstwahrscheinlich noch weitere Gruppensitzungen bei der Therapeutin eingebrockt, da diese bereits von vorn herein hatte wissen wollen, ob Scorpius ein Scheidungskind war oder nicht, da er nicht den gleichen Nachnamen wie sein Vater trug.

Hermine und Draco hatten diese Frage daraufhin verneint und im Grunde die Therapeutin nicht belogen, denn ein Scheidungskind war Scorpius definitiv nicht.

„Draco ist verheiratet?", wiederholte Lemon verwirrt das eben gehörte und man konnte deutlich entnehmen, wie sehr ihr Kopf gerade vor sich hin ratterte.

„Das heißt... Draco ist noch mit einer anderen verheiratet oder.. oder.. ihr seid gar nicht... also.."

„Letzteres. Draco und ich sind weder verheiratet, noch ein Paar. Wir haben nur ein gemeinsames Kind.", erklärte die braunhaarige Hexe ruhig.

„Oh.", entkam es Lemon überfordert.

„Ja oh..", lächelte Hermine bedauerlich und ihr Lächeln wirkte deutlich erzwungen.

„Aber ihr beide wirkt so... so vertraut und harmonisch.. .. und ja... und glücklich und ... und eingespielt. Ich hätte angenommen, dass... dass... ihr also ein Paar wärt."

„Das ist etwas komplizierter.", erklärte Hermine wage.

„Und Draco's Ehefrau ist einverstanden, dass er mit euch hier her fährt.. oder.. wie darf ich das verstehen? Denn ehrlich gesagt, versteh ich gerade gar nichts mehr."

„Einverstanden wäre tatsächlich übertrieben.", entkam es Hermine matt.

„Erklär es mir, Hermine.", bat Lemon freundlich lächelnd. „Natürlich nur, wenn du möchtest. Ich werde es nicht weiter erzählen. Du kannst mir vertrauen. Aber ich denke, darüber zu sprechen, würde dir bestimmt ganz gut tun. Du wirkst heut so traurig."

„Dazu muss ich etwas weiter ausholen.", erklärte die Braunhaarige, während sie erneut einen Blick auf ihren Sohn und dessen Vater warf.

Es dauerte einige Augenblicke, ehe sie den Blick wieder von den beiden Blonden abwenden und ihre Aufmerksamkeit wieder auf die hellblonde Frau gegenüber richten konnte. Zuvor hatte sie sich noch vergewissert, dass Sierra, die etwas entfernt der Beiden in einem Liegestuhl vor sich hin döste, nichts von der Unterhaltung würde mithören können.

„Draco und ich kennen uns seit wir 11 Jahre alt waren.", fing sie zögerlich an.

„Wir wechselten beide auf ein schottisches Internat.", erklärte die junge Mutter zaghaft, beflissen in dem Bestreben nicht zu lügen und nahe an der Wahrheit zu bleiben, ohne das Geheimnis der magischen Gesellschaft aufzudecken.

Ihre neu gewonnene Freundin hatte Recht. Es würde ihr bestimmt gut tun, sich einmal alles von der Seele zu reden. Viel zu lange schon, hatte sie alles in sich hinein gefressen.

„Es war nicht einfach irgendein Internat, sondern ein.. ein Internat für.. also.. du musst wissen, Draco entstammt adligem Geschlecht.", sprach sie zurückhaltend.

„Draco ist adlig?", entkam es Lemon beeindruckt.

„Ja.", antwortete die junge Hexe nickend, wissend, dass sie ihre Freundin nicht angelogen hatte, denn Draco entstammte tatsächlich adliger Abstammung – adliger Zaubererabstammung.

„Dieses Internat war nur für Nachkömmlinge adligem Geschlechts..", erklärte sie weiter, versucht in dem Bestreben die Zaubererwelt mit der Aristokratie erklären zu können.

„Bist du dann auch..?"

„Nein, nein..", wank Hermine sofort ab. „Ich bin nicht aristokratisch. Aber ich habe.. habe ein Stipendium für diese Schule erhalten.", umschiffte sie die eigentliche Wahrheit.

„Ein Stipendium? Dann musst du wahrscheinlich eine sehr gute Schülerin gewesen sein.", schloss Lemon, worauf Hermine zaghaft nickte.

„Ja, das war ich. Ich war aber auch nicht die Einzige. Es gab hin und wieder Schüler, die zwar keinen blaublütigen Hintergrund hatten, also vollkommen normal und normale Eltern hatten, aber dennoch auf dieses Internat wechselten."

„Wie heißt dieses Internat? Vielleicht hab ich ja schon mal etwas davon gehört. Ich verfolge sehr gerne die britischen Royals.", sprach Lemon begeistert.

Hermine zögerte, ehe sie mit einem knappen „Hogwarts" antwortete.

Lemon's Lächeln fiel in sich zusammen.

„Oh. Davon hab ich allerdings noch nicht gehört."

„Ist auch kaum möglich. In England gibt es diese große adlige Gesellschaft, die kaum jemanden bekannt ist. Das hat wenig mit den britischen Royals und der Queen-Family zu tun, die ständig in den Medien bekannt sind. Die altwürdige Gesellschaft, sie schimpfen sich sozusagen als Reinblüter, naja.. sie bleiben eher verdeckt und unter sich."

„Reinblüter?"

„Ja so nannten sich Adelige, die einen reinen – also nur adligen – Familienstammbaum hatten. Eine exklusive Gruppe mit gesellschaftlichen Vorrang.", ächzte Hermine.

„Wenn ein Reinblüter sich jedoch in eine nicht standesgemäße Ehe begab, so zählte man nur noch zum niederen und nicht mehr zum hohen Adel. Daraus hervor gegangene Kinder werden nur noch als Halbblüter bezeichnet."

„Und du.. ?", fing Lemon neugierig an, doch Hermine ließ sie ihre Frage nicht zu Ende formulieren.

„Ich bin ganz und gar.. .. .. bürgerlich und habe auch bürgerliche Eltern. So jemanden wie mich, ohne adlige Abstammung bezeichnen diese Hochwohlgeborenen als Schlammblut."

„Schlammblut?", wiederholte Lemon erstaunt und verwirrt zugleich.

„Ja. Unreines Blut. Normales Blut. Ohne adlige Abstammung."

„Und Schlamm deswegen, weil...?"

„Dreck. Dreckiges Blut."

„Was?", piepste die Hellblonde beinahe erschrocken. „Das ist ja eine furchtbare Bezeichnung und klingt ja schon direkt rassistisch."

„Ist es ja auch. Diese ganze Elite ist nichts anderes als ein rassistisches Pack, deren gemeinsamer Kern die Orientierung an der ethnischen Zugehörigkeit, die Infragestellung der rechtlichen Gleichheit der Menschen, sowie ein antipluralistisches, antidemokratisches und autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis ist.", redete sich Hermine in Rage, während Lemon's Augen immer größer wurden und immer wieder kurz zu Draco Malfoy schielten, dem sie so ein rassistisches Verhalten keineswegs zugetraut hätte.

„Und du hast trotzdem an diese Schule gewechselt?"

„Ich wusste damals von diesen rassistischen und extremen Ideologien noch nichts. Ich war an meiner alten Schule immer ein Außenseiter. Eine Streberin, die gehänselt wurde. Für mich war es ein Befreiungsschlag als die Mitteilung kam, dass ich an diesem Elite-Internat aufgenommen worden bin. Meine Hoffnungen waren so groß, endlich Freunde zu finden und Gleichgesinnte, die ebenso sehr ihre Freude am Lernen und der Schule hatten."

„Und du wurdest von vorn herein ausgeschlossen? Warum haben denn die Lehrer nichts unternommen?", fragte Lemon interessiert.

„Nein, nicht direkt. Es hat ein paar Wochen gedauert, aber dann hab ich Freunde gefunden. Die Besten. Und das sind sie auch noch immer. Aber ich bin abgeschweift. Entschuldige, also wegen meiner bürgerlichen Abstammung wurde ich auch nicht von jeden ausgeschlossen. Die Schule hat mittlerweile gleichermaßen reinblütige, wie halbblütige Schüler und wie bereits erwähnt, auch hin und wieder solche wie mich, ohne jahrhundertalte, aristokratische Familienstammbäume. Man akzeptiert sich, denn egal welche Abstammung, wir sind alle im Grunde Menschen.", schloss Hermine und Lemon nickte beflissen.

„Bedauerlicherweise gab es eine gewisse Anzahl von Schülern, sozusagen die Elite unter den Reinblütern, also der hohe Adel, die Menschen wie mich nicht an der Schule haben wollten. Nur die exklusiven Nachkommen mit gesellschaftlichen Vorrang hätten ein Anrecht auf dem Elite-Internat aufgenommen und unterrichtet zu werden."

„Und Draco gehörte zu dieser Gruppe?", wollte Lemon wissen.

Hermine nickte.

„Ja. Draco war ein fürchterlicher kleiner Junge. Boshaft, arrogant, hochnäsig und der einzige Nachkomme einer angesehenen, alten und furchtbar reichen Adelsfamilie. Und das hat er vor allem mir, als Kind bürgerlicher Eltern, deutlich spüren lassen."

Lemon warf einen erschrockenen Blick in Richtung des Blonden, da sie sich den netten jungen Mann keinesfalls so vorstellen konnte.

„Im Grunde kann Draco nichts dafür. Er wurde in diese Familie und ebenso in diese Adelswelt hinein geboren und von klein auf so erzogen etwas Besseres als die übrigen Menschen zu sein. Du weißt schließlich auch, wie leicht es ist, den Verstand eines kleinen Kindes zu vergiften.", erklärte die Braunhaarige weiter, worauf Lemon bejahend nickte.

„Ich weiß nicht allzu viel, nur Kleinigkeiten aus seiner Kindheit, aber nicht alles war unbeschwert und glücklich. Vor allem als Jugendlicher musste er einiges durchmachen, was kein junger Mensch durchmachen sollte – nicht einmal ein Erwachsener."

„Aber er wirkt keinesfalls so.. also so wie du ihn beschrieben hast. Boshaft.. und hochnäsig..", warf Lemon ein und blickte erneut zu dem hellblonden Mann, der gerade herzlich lachte.

„Es ist viel geschehen. Das ist auch nicht an Draco spurlos vorbei gegangen. Er hat sich geändert."

„Was ist geschehen?"

„Ehrlich gesagt, möchte ich darüber nicht unbedingt sprechen, Lemon. Bitte sei mir nicht böse. Es war damals eine schlimme Zeit.", antwortete Hermine betrübt.

„Ich verstehe."

„Dieser ganze Rassismus um unreines und reines Blut ist etwas außer Kontrolle geraten. Es gab Menschen, die seit Jahren nicht mehr an der Schule waren, die ihrem ungebändigten Hass schließlich erlegen sind und ihn ausgelebt haben.", erklärte Hermine ruhig, nachdem sie einige Momente geschwiegen und Lemon sie auch nicht in ihren Erinnerungen unterbrochen hatte.

„Das ist ja grauenvoll.", entkam es Lemon.

„Ja.", antwortete Hermine leise und erneut breitete sich betretendes Schweigen zwischen den beiden Damen aus, das nur von dem kindlichen Lauten im Hintergrund unterbrochen wurde.

„Wie kam es dann dazu, dass ihr euch näher gekommen seid?", wandte Lemon schließlich wieder das Wort an ihre neue Freundin.

„Anfangs haben wir uns nur gehasst. Draco war schon von Geburt an eingetrichtert worden, dass Menschen wie ich Abschaum wären und nichts auf der Aristokraten-Schule zu suchen hätten. Er hat mich viele Schuljahre hinweg getriezt und gemobbt. Doch dann kamen wir beide in die Pubertät und je älter wir wurden, desto stärker wurde dieser gewisse Funke und diese unerklärliche Anziehung."

„Und ihr habt euch verliebt?"

„Was? Bei Gott, nein! Für Draco war ich natürlich tabu, eine verbotene Frucht sozusagen und auch ich hätte mich ihm nie angenähert. Meine besten Freunde hassten ihn und er hasste sie. Außerdem bezweifle ich, dass Draco überhaupt zu dem Gefühl der Liebe imstande ist."

„Aber er ist doch verheiratet?"

„Ja. Ob er seine Ehefrau liebt, weiß ich nicht genau. Vielleicht mittlerweile. Aber die Ehe wurde keineswegs aus Liebe geschlossen. In diesen adligen Kreisen wird zur Erhaltung und Fortführung des reinen Familienstammbaumes geheiratet. Ich denke nicht, dass Draco viel bei der Wahl seiner Ehegattin mitzureden hatte."

„Das ist ja schrecklich. Eine arrangierte Ehe! Ich dachte nicht, dass es so etwas heutzutage noch gibt. So etwas gab es doch nur im Mittelalter."

Hermine zuckte mit den Schultern.

„Ich finde die Vorstellung einer arrangierten Ehe auch grauenhaft. Aber für Angehörige dieser Adelsfamilien ist es offenbar völlig normal. Oder zumindest für einige.."

„Was du da so erzählst, klingt ja schon fast wie eine abgedrehte Sekte.."

„Da hast du gar nicht so unrecht, Lemon.", gestand Hermine ein.

„Und wie kam es nun dazu.. zwischen dir... ... und Draco?"

„Es war unser letztes Schuljahr. Meine zwei besten Freunde hatten das letzte Schuljahr nicht beendet, sondern sind damals vor dem Abschlussjahr ins Berufsleben gewechselt. Ich ging daher zum neuen Schuljahresbeginn alleine – also ohne meine zwei besten Freunde - ins letzte Schuljahr, was wahrscheinlich auch die Chance war, dass Draco und ich uns annähern und die jahrelange stetig wachsende Anziehungskraft ergründen konnten. Wären Harry und Ron da gewesen, so heißen meine zwei besten Freunde übrigens, hätte ich mich wahrscheinlich nie näher als fünf Meter Draco nähern können, ohne dass die Beiden gleich vom Schlimmsten und der Gefahr für mich ausgegangen wären und höchstwahrscheinlich gleich gegen Draco vorgegangen und eingegriffen hätten.."

„Wie?", unterbrach Lemon mit großen Augen Hermine's Erzählungen. „Hat ... hätte dir Draco etwas getan?"

„Nein. Draco ist kein schlechter Mensch, auch wenn er einem immer glauben machen will, was für ein Arschloch er ist. Ich habe glücklicherweise den Menschen hinter dieser Maske, die er so gerne aufsetzt, kennen lernen dürfen. Und dieser Mensch hat ein gutes Herz. Es ist irgendwann passiert, an einer Schulparty.. wir haben getrunken und gefeiert... wie das nun mal so ist..", lächelte Hermine in Erinnerungen versunken. Auf Lemon's Lippen, die der jungen Hexe gebannt zuhörte, schlich sich ebenfalls ein wissendes Grinsen.

„Irgendwie ist es dann schließlich passiert. Vielleicht war einfach nur der Alkohol dran schuld. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hätten wir uns im nüchternen Zustand nie getraut, uns anzunähern. Schließlich haben wir jahrelang immer vorgegeben, den anderen abgrundtief zu hassen."

„Was aber nicht stimmte, oder?", fragte Lemon mit großen Augen.

„Nein. Tatsächlich haben wir uns nie so recht gehasst. Auch wenn wir immer so getan haben. Als wir im letzten Schuljahr dann endlich diesem verbotenen Verlangen zueinander nach gegeben haben, war es, als wäre ein Vulkan explodiert. Es war unbeschreiblich.. und von da an... es war nie wieder so wie vorher.. und... und obwohl wir beide auch tief in unserm Innersten wussten, dass es falsch war, konnten wir nicht mehr die Finger voneinander lassen. Wir trafen uns heimlich.. und hatten Spaß. Über Monate hinweg. Nun.. bis zu unserer Abschlussfeier."

„Was ist da passiert?", wollte Lemon interessiert wissen.

„Da standen plötzlich Draco's Eltern mit seiner zukünftigen Verlobten vor ihm. Und ich sah unsere Affäre damit beendet."

„Und Scorpius?"

„Ich merkte erst als wir die Schule verlassen hatten, dass ich schwanger war. Es war nicht beabsichtigt."

„Und Draco? Was hat er dazu gesagt?"

„Draco wusste nichts davon. Er kennt seinen Sohn erst seit Mai diesen Jahres. Scorpius benötigte dringend eine Knochenmarkstransplantation und ich habe keinen ausreichenden Spender dargestellt. Erst da habe ich ihm von seinem Sohn erzählt. Ich habe ihn die ganzen Jahre in Unwissenheit gelassen. Ich wusste, dass seine Familie die Schwangerschaft und auch das Kind ablehnen würde. Ich hatte sogar Angst, dass sein Vater etwas dagegen unternehmen würde."

„Was???", piepste Lemon, worauf Hermine mit traurigem Gesichtsausdruck nickte.

„Ja. Draco's Vater ist nicht unbedingt ein .. ein netter Mann. Ehrlich gesagt, macht er mir sogar eine riesen Angst. Allerdings muss ich ihm wirklich zugutehalten, dass er sich mittlerweile mir und Scorpius gegenüber anständig verhält. Er ist vielleicht nicht gerade von uns begeistert, vor allem da Draco keinen Hehl daraus macht, dass Scorpius sein unehelicher Sohn ist, aber er gibt sich einigermaßen Mühe, was ich diesem versessenem und engstirnigem Reinblüter nie zugetraut hätte. Normerweise werden unehelicher Kinder dieser alteingesessen Adelsfamilien rigoros verheimlicht und deren Existenz abgestritten. Draco hingegen hatte von Anfang an die Absicht zu seinem Sohn zu stehen, was ich ihm groß anrechne. Mittlerweile bedaure ich es sogar, ihm nicht von Anfang an von dem Baby erzählt zu haben. Ich habe ihm viel zu lange seinen Sohn vorenthalten."

„Hermine, du hattest Angst, dass er Scorpius ablehnen würde. Ich kann das verstehen. Jede Mutter versucht nur ihr Kind zu schützen."

„Hmm.", entkam es der Braunhaarigen matt.

„Und Draco's Ehefrau? Was ist mir ihr?"

„Sie ist ein Miststück.", entkam es Hermine unüberlegt und vor Schreck schlug sie sich die Hand auf den Mund. Das Schimpfwort war ihr viel zu schnell entfleucht.

„Entschuldige."

„Du brauchst dich bei mir nicht entschuldigen, Hermine. Und du musst dich auch nicht zurück halten, okay?"

„Okay..."

„Also, Draco's Gattin ist also ein Miststück? Erzähl weiter.."

„Sie ist ein intrigantes, hinterlistiges und durchtriebenes Miststück.", verbesserte sich Hermine und ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Lemon kicherte über die Bezeichnung.

„Ich kann ja verstehen, dass es nicht leicht ist, wenn der eigene Ehemann plötzlich Vater eines 2-jährigen Kindes wird, aber Herr Gott nochmal, es war alles vor ihrer Zeit. Ich drängle mich weder in ihre Ehe, noch hab ich irgendwelche Hintergedanken. Draco und ich sind einfach nur Scorpius Eltern und versuchen, zum Wohle unseres Kindes zu handeln. Und sie verhält sich wirklich grauenhaft. Draco redet nicht gerne darüber, aber in letzter Zeit muss sie es ihm wirklich schwer gemacht haben. Als wir hier angekommen sind, hat er wirklich schlecht ausgesehen."

„Hermine, du musst kein schlechtes Gewissen deswegen haben.", erklärte Lemon, da sie die Gewissensbisse der jungen Frau deutlich erkennen konnte. „Es trifft dich keine Schuld, wenn diese Tussi sich so aufführt, nur weil ihr einen gemeinsamen Sohn habt."

„Es fühlt sich trotzdem so an. Was ich Draco in der letzten Zeit alles aufgehalst habe. Ich bring sein ganzes Leben durcheinander."

„Ich kenne ihn erst seit wenigen Tagen, Hermine. Aber Draco wirkt keinesfalls so, als wären ihm du und Scorpius eine Last. Im Gegenteil. Er wirkt glücklich."

Hermine zuckte nur hilflos mit den Schultern.

„Hat Draco schon Kinder mit seiner Ehefrau?", wollte Lemon schließlich wissen.

„Nein. Noch nicht. Aber es wird wohl nicht mehr lange dauern. Sie ist ganz versessen darauf, ihren Schwiegereltern einen ehrwürdigen Nachkommen zu schenken.", antwortete die junge Hexe mit einer kleinen Portion Sarkasmus in der Stimme.

Eine kurze Pause entstand zwischen den beiden Damen, ehe sich Hermine endlich aus ihrer Lethargie riss. Sie hatte zwar mit Lemon gesprochen und ihre Fragen beantwortet, doch die meiste Zeit mit ihrem Blick an dem großgewachsenen Blonden gehangen.

„Es tut mir leid, Lemon. Ich.. ich wollte dich nicht mit unserem ganzen Drama langweilen. Du musst denken, wie kindisch wir doch noch sind."

„Keineswegs Hermine. Das Leben ist nun oftmals kompliziert. Oder denkst du, bei Levon und mir ist immer alles rosig abgelaufen? Es hat jede Menge Beziehungsdramen gebraucht und zudem ewig gedauert, bis wir endlich zueinander gefunden haben. Als wir miteinander etwas anfingen, war ich sogar noch in einer anderen Beziehung. Dann war ich mit dem Mann auch noch verlobt und .. ach.. ich darf gar nicht mehr daran denken, wie viel Zeit wir verschwendet haben, bis sich alles zum Guten zusammen gefügt hat. Aber so ist nun mal das Leben, nichts läuft perfekt. Drum mach dir keine Gedanken, in Ordnung?"

Hermine nickte stumm und senkte dann ihren Blick wieder auf den Vater ihres Kindes, worauf sich ihre Gesichtsmimik erneut in einen melancholischen Ausdruck verwandelte.

Lemon beobachtete ihre neu gewonnene Freundin erneut mit besorgtem Blick. Nie hätte sie angenommen, dass Hermine und Draco kein Paar wären. Sie waren beide so ein eingespieltes Team, was sich vor allem in den Gruppenspielen der Eltern deutlich zu erkennen zeigte. Im Paintball hatten die Beiden ihr Team zum Sieg beinahe im Alleingang geführt. Sie und Levon hatten mit Staunen verfolgt, wie die Zwei mit militärischer Präzision die anderen Teams der Reihe nach ausgeschaltet hatten. Auch im Basketball hatten die jungen Eltern, wenn auch noch keiner der Beiden je diesen Sport ausgeführt hatte, eine sehr gute Figur gemacht, was hauptsächlich ihres guten Zusammenspiels zu verdanken gewesen war. Es schien, als verstünden sich die beiden jungen Eltern ohne Worte. Letztendlich hatte das Team Grün – bestehend aus Levon, Lemon, Draco und Hermine – einen soliden und guten zweiten Platz erspielt.

Ein tiefer Seufzer entwich der hellblonden Mutter, während sie den Blick nicht von ihrer neuen Freundin abwenden konnte. Wie gerne hätte sie ihr etwas von ihrem deutlich erkennbaren Kummer genommen. Schließlich begann Lemon erneut zu sprechen.

„Du liebst ihn wohl sehr?", wandte Lemon schließlich das Wort leise an die Braunhaarige, die daraufhin erschrocken zusammen zuckte und augenblicklich den Blick von den beiden Blonden auf dem Rasen abwandte.

Als Hermine der Hellblondenins Gesicht blickte, konnte diese ihre verdächtig schimmernden Augen erkennen.Mitfühlend legte sie ihre Hand auf die der Jüngeren und drückte diese aufmunternd. 

Es waren keine weiteren Worte nötig.


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