Kapitel 24
„Liebling?", kam es fragend durch die 1. Etage des Malfoy Manor Westflügels gehallt.
„Hier!", antwortete Draco abwesend, während er weiter seine Arbeitsunterlagen studierte.
Erst als seine Mutter den Kopf durch den Türrahmen der offen stehenden Bürotür steckte, hob er seinen Blick aus den Dokumenten.
„Hier bist du."
„Mutter.", grüßte der Blonde freundlich.
„Du arbeitest zu viel, Schatz.", entkam es ihr mütterlich, während sie das Arbeitszimmer betrat und vor dem Schreibtisch Halt machte.
Mit besorgter Miene betrachtete sie den jungen Mann vor sich, der müde und ausgezerrt wirkte. Tiefe Augenringe untermalten seine hellgrauen Augen.
„Ich hab einiges nachzuholen. Es ist viel liegen geblieben.", erklärte er matt.
„Du warst viel bei Scorpius."
„Auch.. aber hauptsächlich weil ich mit streiten und diskutieren beschäftigt war.", erwiderte er sarkastisch.
Die vergangene letzte Woche hatte ihn seine letzte Kraftreserve gekostet.
Seine Mutter sah mitleidig drein.
„Wo ist Astoria denn?", fragte sie vorsichtig.
Die Stimmung im Herrschaftsanwesen der Malfoy's war die vergangenen Tage auf den Tiefpunkt gewesen, nachdem Draco der Familie seinen Entschluss mitgeteilt hatte, zusammen mit seinem Sohn und dessen Mutter in wenigen Wochen an einer Eltern-Kind-Rehamaßnahme teilzunehmen.
Narzissa Malfoy hatte den Entschluss ihres Sohnes ohne Widerworte für eine vernünftige Vorgehensweise befunden. Ihr Gatte Lucius hatte zwar skeptisch die Augenbrauen rekordverdächtig nach oben gezogen, jedoch überraschenderweise die Entscheidung still schweigend akzeptiert, wofür Draco seinen Eltern, ganz besonders seinem Vater, mehr als dankbar war.
Der junge Zauberer wollte sich nicht ausmachen, welche Selbstbeherrschung Lucius dafür aufbringen musste und dankte im Stillen dafür, dass seinen Erzeuger immer noch große Schuldgefühle wegen der Todesserzugehörigkeit plagten und er offenbar deswegen mit so viel Toleranz aufwartete.
Was Lucius wirklich davon hielt, wollte Draco genau genommen gar nicht wissen.
Seiner Ehefrau Astoria waren die Neuigkeiten hingegen weniger bekommen. Obwohl die junge Hexe sich vorgenommen hatte, toleranter und versöhnlicher in Bezug auf das uneheliche Balg zu erscheinen - hauptsächlich um die Gunst ihres Mannes ihr gegenüber nicht zu schmälern - waren diese Vorsätze jedoch relativ schnell wieder abkömmlich, als sie detailliert die Planungen dazu erfahren hatte.
Obwohl Draco in jüngeren Jahren gerne vorsätzlich Streit, Disharmonie und Missstimmung gesucht und provoziert hatte, war er diese Differenzen gegenwärtig jedoch nur noch leid und die Auseinandersetzungen ein Gräuel für ihn. Er sehnte sich nach Harmonie, Ruhe und Ausgeglichenheit.
„Draco?", fragte Narzissa ihren Sohn vorsichtig, als dieser nicht antwortete, sondern sich nachdenklich mit geschlossenen Augen die Nasenwurzel massierte.
„Was?", schreckte er verwirrt aus seinen tiefen Gedanken empor.
„Wo Astoria ist?", wiederholte die Hexe ihre Frage.
„Shoppen.", erklärte er wage.
„Offenbar die Lösung für alles. Gib deiner Frau jede Menge Gold, dass sie ausgeben kann und jeder Streit wird begraben."
Narzissa Malfoy verzog bei der sarkastischen Bemerkung ihres Sohnes die Lippen kurz zu einem unförmigen Strich.
„Also.. hat sie es akzeptiert?", fragte sie vorsichtig.
„So etwas in der Art."
„Liebling, könntest du aufhören in meiner Gegenwart so diffuse Antworten zu geben?"
„Ich fahre mit Scorpius und Granger zur Eltern-Kind-Kur. Astoria duldet es, wenngleich sie es auch auf das Höchste missbilligt. Jedoch konnte ich sie mit einer Woche Côte d'Azur besänftigen, welche ich mit ihr anschließend an die Heilbehandlung verbringen werde."
„Das ist eine gute Idee, Draco. Astoria hatte es in der letzten Zeit auch nicht gerade leicht und eine Woche Urlaub zusammen, dürfte euch wirklich gut tun."
„Ja..", antwortete der junge Zauberer abwesend, da er seine Aufmerksamkeit bereits wieder in seine Dokumente gerichtet hatte.
„Wie geht es Scorpius?", wollte seine Mutter nun wissen und Draco war ihr für den Themenwechsel äußerst dankbar.
„Besser.", gestand er, auch wenn sich die Besorgnis nicht in seinem Gesichtsausdruck unterdrücken ließ.
Scorpius hatte sich, nachdem er vor fünf Tagen nach Hause entlassen worden war, trotz aller Vorsicht einen grippalen Infekt zugezogen, da sein neues Immunsystem noch geschwächt und einiges an Zeit für den Ausbau eines ausreichenden Schutzes benötigte.
Obwohl er das Krankenhaus bereits hatte verlassen dürfen, bestand weiterhin ein erhöhtes Infektionsrisiko, dass sich aber hoffentlich bald minimieren lassen würde. Hermine musste vor allem in den nächsten Wochen mit ihrem Sohn große Menschenaufläufe, Tiere oder kranke Menschen vermeiden. Scorpius bekam zudem Aufbautränke, speziell für sein Immunsystem zugeschnitten und die anstehende Rehabilitationsmaßnahme würde hoffentlich noch ihr Übriges dazu beitragen.
„Kommen die Beiden morgen?", fragte Narzissa hoffnungsvoll.
„Ich hoffe es. Granger muss abwarten, wie es Scorpius morgen geht."
„Ich verstehe."
Da mittlerweile der Monat Juni ins Land gezogen war, stand am morgigen Tag Draco's 22. Geburtstag an. Astoria Malfoy hatte einen großen Galaempfang mit unzähligen Freunden und Bekannten für ihren Gatten geplant, was dieser jedoch sofort unterbunden hatte. Draco hasste solche großen Festivitäten, ganz besonders wenn sie für ihn selbst gedacht waren. Demzufolge bestand er beharrlich auf ein einfaches Essen im kleinsten Familienkreis. Astoria war diesem Wunsch nur ungern entsprochen, da die junge Frau es liebte, Festlichkeiten und Veranstaltungen zu planen, um sich auf diesen Feierlichkeiten Anerkennung suchend zu brillieren und zu glänzen.
Als Draco ihr daraufhin mitgeteilt hatte, auch Granger und Scorpius dabei haben zu wollen, hatte es Astoria die Sprache verschlagen, ehe sie versucht hatte, ihren Gatten diese unsinnige und demütigende Idee wieder auszureden, denn sie sah es als Affront, sich mit einem Schlammblut an einen Tisch setzen zu müssen. Da es sich um seinen Geburtstag handelte, war der Blonde jedoch eisern geblieben und nicht von seinem Wunsch abzubringen gewesen. Astoria war deutlich gemacht worden, dass sein unehelicher Sohn und dessen Mutter an dem Geburtstagsessen teilnehmen würden oder es überhaupt zu keiner Feier käme. Lucius hatte auch hierzu erstaunlicherweise geschwiegen, wenn gleich auch mit zusammen gebissenen Zähnen, während Narzissa recht freudig reagiert hatte – zumindest solange, bis Astoria's verbissener Blick den ihren gestreift hatte und ihr somit das Lächeln im Gesicht erfroren war.
Die Einladung war, zu Draco's Leidwesen, allerdings auf seine Schwiegereltern ausgeweitet worden, da sonst der Krach mit seiner Ehegattin überhandgenommen hätte. Nur bezüglich seiner Schwägerin Daphne, samt Ehemann Theodore und Arschlochkind Aelfric hatte sich der blonde Zauberer durchsetzen können, weswegen die Drei nicht eingeladen wurden. Der Kontakt mit anderen Kindern war eine viel zu große Gefahr für Scorpius momentanen Gesundheitszustands, angesichts seines geschwächten Immunsystems. Ganz besonders, wenn es sich um so einen Schmutzfink wie seinen Neffen Aelfric Nott handelte.
Erschöpft fuhr er sich durch seine hellblonden Haare. Er war es so leid, diese seit Wochen andauernden Diskussionen und Streitereien. Er wusste, es wäre für ihn und seiner Familie so viel leichter gewesen, Granger's Sohn Knochenmark zu spenden und die Beiden dann nicht mehr wiederzusehen. Draco hätte der braunhaarigen Hexe monatlich Unterhalt zahlen können und seine Schuldigkeit wäre somit getan gewesen.
Ein Verhalten, dass der frühere Draco an den Tag gelegt hätte. Doch der Krieg und die Zeit unter der Fuchtel des Todesserregime hatten Draco Malfoy verändert und aus dem boshaften Jungen einen verantwortungsvolleren Erwachsenen geformt.
Es war schwer für den jungen Mann, von klein auf Gelerntes einfach so abzulegen, weswegen ihm seine Pflicht gegenüber der Familie und dem Erhalt des reinen Familienstammbaumes durchaus bewusst war und weswegen er auch daran festhielt. Jedoch hatten ihn die Ideologien Voldemorts relativ schnell angeekelt und abgestoßen, nachdem dieser ihn zu seinem jüngsten Todesser auserkoren und somit tiefere Einblicke in die gräuelerregende Machenschaften gewährt hatte. Ebenso sehr hatte er die Taten der Todesser, die im Auftrag eines abscheulichen Mannes folterten und töteten, der tatsächlich selbst nur den Halbblutstatus vorweisen konnte, zutiefst verurteilt.
Glücklicherweise hatte er nach seiner Weigerung Dumbledore zu töten, was der dunkle Lord natürlich als schändliches Versagen gewertet und ihn deshalb grauenhaft bestraft hatte, an keinen tätlichen Übergriffen auf Muggel oder Zauberer aktiv teilnehmen müssen. Meistens war er dazu genötigt worden, tatenlos zuzusehen, wie dutzende Menschen gefoltert und ermordet worden waren, was ihn gelegentlich immer noch in seinen Träumen tyrannisierte. Das schlechte Gewissen, diesen Personen nicht geholfen zu haben, würde ihn wahrscheinlich sein restliches Leben begleite und plagen.
Er hatte in einer Aussprache mit seinem Vater geäußert, sich gegenüber Hermine Granger schuldig zu fühlen, weswegen es für ihn bedeutsam und essenziell wäre, die Hexe und ihren Sohn zu unterstützen, was allerdings nur der halben Wahrheit entsprach. Tatsache war, dass Draco Malfoy von Anfang an den kleinen Scorpius ins Herz geschlossen hatte und ihm tatsächlich tiefe Zuneigung und ehrliche Gefühle entgegen brachte. Der Blutstatus war ihm erstaunlicherweise gleichgültig, denn er liebte seine kleine Mini-Ausgabe abgöttisch, weswegen er den Kontakt mit seinem Sohn weder für seine Ehefrau, noch für seine Eltern und Schwiegereltern aufgeben würde.
Sollte daraus resultieren, seine Ehe eine dauerhafte, streitende Katastrophe zu werden, würde er diesen Zustand in Kauf nehmen. Auf Scorpius zu verzichten und ihn zu verleumden war für den Malfoy-Erben keine Option.
Ihm war natürlich mittlerweile bewusst, dass der Blutstatus nichts über einen Menschen und deren magische Begabung aussagte, Scorpius überaus schlaue und talentierte Mutter war das beste Beispiel dafür.
Auch wenn Draco mittlerweile kaum mehr von seinem Vater und dessen Ansichten tyrannisiert und wie eine Marionette geleitet wurde, hatte er sich jedoch aus Loyalitätsgründen zu seiner Familie auf eine Eheschließung mit einer Reinblüterin der unantastbaren 28 eingelassen. Obwohl er seine Frau um Aufschiebung ihres Kinderwunsches bis zum Ende des Jahres gebeten hatte, war ihm mittlerweile klar geworden, dass er in dieser Hinsicht nun würde nachgeben müssen. Er hatte Astoria die letzten Wochen enorm viel zugemutet, was sein Schwiegervater Justus Greengras ihm vor einigen Tagen recht ungestüm verdeutlicht hatte.
Justus Greengras, sowie auch Lucius Malfoy pochten auf einen Erben – einen würdigen, reinblütigen Nachkommen.
„Draco?", entkam es Narzissa sorgenvoll, als ihr Sohn auch nach mehrmaligem Ansprechen nicht reagiert hatte.
Erst als die Hexe ihm mit der Hand vor dem blassen Gesicht herum gewedelt hatte, fand der Blonde ins hier und jetzt zurück. Erneut war er tief in seine Erinnerungen eingetaucht, wodurch sich die Wahrnehmung seiner Umgebung erheblich eingeschränkt hatte. Er hatte die Erkundigung seiner Mutter nach Astoria, ob wieder einigermaßen alles in Ordnung wäre, überhaupt nicht wahrgenommen.
„Entschuldige Mutter. Ich war in Gedanken."
„Das hab ich bemerkt, Liebling. Was ist los? Du siehst nicht gut aus."
„Es ist alles gut.", antwortete Draco monoton, während er nach seinen Geschäftsunterlagen griff und somit begann, damit eingehender weiter zu arbeiten.
Narzissa, die einsah, dass sie mit ihrem Sohn in diesem trägen und abwesenden Zustand kein richtiges Gespräch würde führen können, beschloss, sich zurück zu ziehen. Ehe sie jedoch das Arbeitszimmer ihres Kindes verließ, umrundete sie den großen klobigen Schreibtisch, hielt direkt vor dem schweren Lederbürostuhl an und drückte Draco einen liebevollen Kuss auf die Stirn, worauf dieser sie verdutzt ansah.
Ehe der junge Zauberer etwas sagen konnte, hatte ihm seine Mutter bereits das Wort abgeschnitten.
„Mach nicht mehr zu lange, Liebling."
„In Ordnung, Mum.", antwortete Draco, während er zusah, wie Narzissa Malfoy gemächlich das Büro wieder verließ.
Das Herz der älteren Hexe pochte glückselig in ihrer Brust. Er hatte sie schon Jahre nicht mehr Mum genannt.
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