7. Hunter's Moon

. . .

https://youtu.be/rtkaUZvMaG8

. . . 

Jay starrt gebannt auf die Stehlampe, die im nächsten Moment auf mysteriöse Weise wieder ausgeht. Die Dunkelheit im Raum scheint sich zu verdichten, und für einen kurzen Augenblick ist es, als ob die Zeit selbst stillsteht. Das einzige Geräusch, das zu hören ist, war das leichte Klicken der Lampe, das den Raum wie ein scharfes, spitzes Echo durchdringt.

Lzzy, deren Sinne nun auf das Unbekannte ausgerichtet sind, behält weiterhin die Eingangstür im Blick. Ihre Augen sind scharf, ihre Körperhaltung angespannt – sie fühlt, dass etwas sich im Raum verändert. „Ich fürchte, es geht los!" Ihre Worte sind kaum mehr als ein Flüstern, doch der Ernst in ihrer Stimme ist unüberhörbar.

Langsam, mit äußerster Vorsicht, beginnt sie, rückwärts in Richtung der Küche zu gehen, als würde sie sich bewusst von der Quelle des Unheils entfernen wollen. Doch Jay bleibt regungslos, noch immer wie versteinert vor der Abstellkammer. Die Luft um ihn herum fühlt sich schwerer an, und er kann den Blick nicht von der Lampe abwenden.

Plötzlich überkommt ihn der Drang, die Sache selbst zu überprüfen. Etwas an der ganzen Situation ist nicht richtig, und er will sich sicher sein. Entschlossen, geht er einen Schritt nach vorne, nähert sich der Lampe und beugt sich hinunter. Er streckt die Hand aus und ergreift den Stecker, der auf dem Boden liegt – genau an der Stelle, wo die Lampe vorher gewesen ist. „Also Strom hat sie zumindest nicht!" ruft er, als er sich mit einem gezielten Blick zu Lzzy umdreht.

Er hält den Stecker in der Hand und zeigt ihn ihr, während er versucht, das zu fassen, was gerade passiert. Der Stecker ist völlig unberührt, keine Anzeichen von elektrischer Verbindung, keine Erklärung, wie die Lampe überhaupt leuchten konnte. Ein rätselhaftes Schweigen legt sich über sie beide.

Lzzy starrt mit weit aufgerissenen Augen auf die Haustür. Ihre Atmung geht schnell, als sie die ungeheure Veränderung in der Luft spürt. Ein eisiger Hauch weht durch den Raum. Plötzlich schaltet sich die Lampe wieder ein, ihr Licht flackert und taucht die Wohnung in gespenstisches Licht. Jay bemerkt, wohin Lzzy starrt. Sie fixiert den Eingang, und das, was er nun im Licht der Lampe erkennt, lässt sein Blut gefrieren.

Durch den Briefkastenschlitz dringt dichter Rauch in die Wohnung. Langsam, als ob er das Haus durchdringen will, baut sich der Nebel auf, fließt wie eine Flüssigkeit über den Boden. Während Lzzy schnell in die Küche geht, zieht Jay zurück. Noch immer mit dem Stecker in der Hand, beobachtet er, wie der Rauch sich immer weiter ausbreitet, wie er sich wie eine Wand vor ihm auftürmt. Er fühlt den kalten Hauch auf seiner Haut, als er unweigerlich einen Schritt zurückweicht. Der Raum ist mittlerweile erfüllt von diesem seltsamen, dichten Nebel, der ihm beinahe die Sicht raubt.

Als er schließlich die Abstellkammer erreicht, reißt er hektisch am Kabel und lässt die Lampe auf den Boden fallen. Sie kracht zu Boden und der Rauch wird mit einem Ruck durchgeschnitten. Doch zu Jays Entsetzen merkt er sofort, dass der Rauch sich nicht verzieht. Vielmehr zieht er sich wieder zusammen und steigt erneut auf – dichter, unaufhaltsamer, als ob er sich um etwas formt.

In diesem Moment erkennt Jay etwas, das sein Herz in der Brust gefrieren lässt. Der Rauch bildet eine Gestalt. Eine schattenhafte Silhouette, die sich langsam, beinahe gruselig, vor ihm aufbaut. Zuerst verschwommen, dann immer klarer – und als der Nebel sich vollständig verflüchtigt und in die Kreatur zieht, weiß Jay, dass er sich das nicht eingebildet hat. Vor ihm steht eine Frau. Ihr Gesicht ist verzerrt, ihre Konturen verschwommen. Ihre Augen fixieren ihn. Eine spürbare Kälte durchzieht den Raum.

Er weiß jetzt, dass Lzzy recht hatte. Der Geist, der sie immer gewarnt hat, steht erneut vor ihm. Wie gelähmt erstarrt er. Der Geist bewegt sich, als ob er aus Nebel und Wind besteht, ihre Figur verschwimmt, dann wieder schärfer wird, als wären tausend Tücher, die im Wind tanzen, ihre Körperteile. Jay kann keinen Punkt finden, an dem er seinen Blick festhalten kann, so chaotisch ist die Bewegung. Er fühlt sich gefangen in einem Strudel aus Angst und Faszination. Nur Kopf und Arme sind klarer auszumachen und er erkennt eine weibliche Gestalt.

Plötzlich hebt der Geist ihren Arm und öffnet den Mund. Ein verzerrtes, hässliches Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, das von spitzen Zähnen durchzogen ist. Jay schließt für einen Moment die Augen – eine Reaktion, um dem Grauen zu entkommen. Doch in dem Moment kommt der Geist auf ihn zu, und mit einer fließenden Bewegung streckt sie ihre Hand aus.

Jay öffnet die Augen und sieht die Hand des Geistes direkt vor seinem Gesicht. Er kann nicht reagieren, als sie sich ihm zu nähern scheint. Kurz bevor die kalte Hand ihn berühren kann, hört er Lzzy hinter sich schreien:

RUNTER!"

Ohne auch nur einen Moment zu zögern, wirft sich Jay zu Boden. In dem Augenblick schwingt Lzzy die Eisenklinge mit einer Präzision, die ihm fast den Atem raubt. Der Klinge trifft den Geist mit einem ohrenbetäubenden Geräusch und zerteilt ihn. Der Nebel, die Gestalt, alles löst sich auf wie ein Kartenhaus im Wind und verschwindet.

Lzzy streckt Jay die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. „Er wird gleich wiederkommen. Wir müssen auf der Hut sein. Hast du noch eine Idee, irgendetwas?"

Jay denkt kurz nach, sein Kopf rattert, während er die Ereignisse sortiert. Plötzlich blitzt es in seinem Gedächtnis auf. „Warte! Hoffgen sagte doch etwas von ihrer geliebten Puppe?"

Lzzy schaut ihn mit großen Augen an. „Ja, das hat er gesagt!"

Jay nickt entschlossen. „Dann weiß ich vielleicht, was wir brauchen." Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und verschwindet wieder in die Abstellkammer.

„Äh..." Lzzy bleibt zurück, sieht ihm fragend nach, bevor sie sich vor der Tür positioniert und ihren Blick durch die dunkle Wohnung schweifen lässt. Es ist still. Zu still. Ein unheimliches Gefühl breitet sich in ihr aus. 

Dann hört sie Jays Stimme aus der Abstellkammer: „Ich hab's!"

Mit einem erleichterten Seufzen dreht sich Lzzy zu ihm um. Jay hält ihr eine Puppe entgegen. Es ist keine gewöhnliche Puppe. Keine bunte Barbie, sondern eine gruselige Porzellanpuppe mit abblätternder Farbe, löchrigen Kleidern und Haaren. Die Haare sind unheimlich real, fast zu echt. Lzzy betrachtet sie näher, dreht sie in ihren Händen und sagt leise: „Das sind echte Haare..."

Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken. Beide starren sich an. Die Erkenntnis trifft sie wie ein Schlag. Sie wissen genau, was zu tun ist.

Lzzy nimmt die Puppe in ihre Hände und reicht Jay die Klinge. Ihre Augen sind fest entschlossen. „Du musst mir den Rücken freihalten!"

Sie wissen, dass dies die letzte Chance ist. Die Luft ist schwer, jeder Moment könnte der letzte sein.

Dann verschwindet Lzzy in die Küche und legt die Puppe vorsichtig in die Spüle. Jay bemerkt sofort, wie der Rauch wieder beginnt, sich zu verdichten. Instinktiv stellt er sich zwischen Lzzy und den wabernden Nebel, als würde er sie beschützen wollen. Während Lzzy Salz auf die Puppe streut, bemerkt Jay, dass der Geist immer näher kommt, sich in den Rauch verwandelt und mit jeder Sekunde bedrohlicher wird.

„Pass auf!" ruft Jay und hebt die Klinge, um sich dem Geist zu stellen. Doch der Geist stürmt auf ihn zu. Mit einem kräftigen Schlag zerschlägt Jay den Rauch, doch die Klinge bleibt im Türrahmen stecken. Ein unangenehmes Quietschen hallt durch die Wohnung.

Lzzy gießt gerade den Spiritus über die Puppe, als sich der Rauch erneut aufbaut. Jay zieht verzweifelt an der Klinge, doch sie sitzt fest. Der Geist kommt näher, seine schrecklichen Schreie durchdringen die Luft und werden immer lauter. „Nicht jetzt!" flüstert Jay, aber der Geist ignoriert ihn und fährt mit den Krallen auf ihn zu.

In dem Moment greift Lzzy zum Feuerzeug, aber es zündet nicht. Ihr Gesicht zeigt Entschlossenheit, auch wenn sie die Panik in ihren Augen nicht verbergen kann. Der Schrei des Geistes wird zu einem höllischen Kreischen, und die unheimliche Präsenz wird immer greifbarer. Doch dann, wie aus dem Nichts, zündet das Feuerzeug und Lzzy lässt es in die Spüle auf die Puppe fallen.

Der Geist taumelt einen Schritt zurück. Das Flammenmeer bricht mit einem Zischen aus dem Herzen des Geistes hervor. Der Rauch und der Nebel fangen an zu brennen, und mit jedem Atemzug verschlingt das Feuer mehr von dem unheimlichen Wesen.

Lzzy und Jay beobachten gebannt, wie der Geist immer mehr vom Feuer verschlungen wird. Schließlich bleibt von der Puppe nur noch ein verbranntes Gerippe übrig, und die Haare, die früher so lebendig waren, sind jetzt zu Asche zerfallen. „Das sind ihre Haare..." murmelt Lzzy, als ihr klar wird, dass es sich um die letzten Überreste von Sandra, Hoffgens Frau, handelt. Die Puppe war das letzte Relikt ihrer Liebe, die Haare das Einzige, was von ihr übrig geblieben war.

Doch mit dem Verbrennen der Haare verschwindet auch der Geist. Die letzten Reste des Geistes lösen sich in der Flamme auf, und der Raum wird wieder still.

Lzzy und Jay stehen noch immer da, starren auf den Platz, an dem der Geist gerade noch gewesen war. Die Stille ist fast erdrückend, doch dann tritt Lzzy langsam näher zu Jay. Sie legt ihm die Hand auf die Schulter und fragt mit einem warmen Lächeln: „Kopf gestoßen? Alles nur eingebildet?"

Jay bleibt eine Weile stumm. Dann, fast mechanisch, zieht er die Hand von der Klinge und reicht sie Lzzy. „Ich glaube, die gehört dir."

Lzzy nimmt die Klinge an sich und verstaut sie in ihrem Gürtel. Jay, befreit von der Waffe, dreht sich wortlos zur Couch und setzt sich. Er starrt auf den ausgeschalteten Fernseher, als wäre er in eine andere Welt abgetaucht. Die Worte kommen ihm schwer über die Lippen, doch dann sagt er leise: „Geister, Salz, Eisen, Verbrennen..."

Lzzy beobachtet ihn eine Weile, dann legt sie die Klinge in die Küche und setzt sich neben ihn. Sie weiß, dass er Zeit braucht, um das alles zu verarbeiten. Wer könnte ihm das verdenken?

Lzzy ist still und sagt nichts. Die Stille zwischen ihnen ist erdrückend, doch sie weiß, dass er Zeit braucht.

„Ich... Ich dachte, das wäre nur Einbildung, dass du mich verarschen willst." Jays Stimme ist schwach, fast flüsternd, als er immer noch auf den Fernseher starrt, als könnte er dort eine Antwort finden. Lzzy legt ihre Hand sanft auf sein Bein. Es ist eine kleine Geste, aber sie zeigt ihm, dass sie für ihn da ist.

Er dreht sich zu ihr, seine Augen suchen die Bestätigung, die er sich von ihr wünscht. „Wenn das alles wahr ist, gibt es dann noch mehr?" fragt er, als ob er sich in den Abgrund des Unbekannten stürzt.

Lzzy schaut ihn an, beißt die Lippen zusammen und nickt dann nur kurz. Sie spürt, wie sich eine Schwere in der Luft verbreitet, aber sie weiß, dass es keine einfache Antwort gibt. Der Weg vor ihnen ist noch ungewiss.

Jay schaut wieder zum Fernseher. „Weißt du was?" fragt er, als wolle er etwas anderes im Raum haben, als diese düsteren Gedanken.

Lzzy sieht ihn an, ihre Miene bleibt ruhig, doch in ihren Augen blitzt Neugier auf. „Nein, was?"

Er schlägt mit seinen Händen auf seine Beine und ein kleines Lächeln formt sich auf seinem Gesicht. „Ich hab Hunger, lass uns eine Pizza bestellen, die haben wir uns verdient!"

Als Lzzy das hört, kann sie sich nicht zurückhalten. Ein leises Lachen entfährt ihr, das die Anspannung der letzten Stunden fast ein wenig vertreibt. Es sieht fast so aus, als hätte sie eine Träne im Augenwinkel, aber sie wischt sie schnell weg und sieht Jay mit einem schelmischen Lächeln an. „Du bist unmöglich."


. . .


Beide verbringen die ganze Nacht zusammen, doch schlafen kann keiner von ihnen. Jay hat so viele Fragen, will alles wissen. Er kann das noch immer nicht glauben. „Wie soll es weitergehen?" denkt er immer wieder. „Was hält das Leben noch für Prüfungen für uns bereit?" Die Gedanken kreisen in seinem Kopf, doch die Antworten bleiben aus.

Als die Pizza kommt, schmeckt sie so gut wie noch nie. Es ist eine seltsame Erleichterung, als sie gemeinsam essen. Der Fernseher wird eingeschaltet, der vertraute Hintergrundrausch des Bildschirms füllt die leere Stille. Sie reden wenig, ihre Gedanken sind bei allem, was passiert ist. Doch die Stunden vergehen, und die Müdigkeit nimmt die Oberhand.

Gegen Ende der Nacht sind sie beide immer ruhiger geworden. Die Gespräche sind verstummt, der Fernseher läuft weiter. Lzzy lehnt ihren Kopf an Jays Schulter, und langsam fallen ihre Augen zu. Sie schläft ein, als würde der Körper nach all der Anspannung endlich nachgeben.

Jay sieht sie an, zögert einen Moment, bevor er sie vorsichtig mit einer Wolldecke zudeckt. Es ist eine liebevolle Geste, als ob er in diesem Moment ihr Beschützer ist, auch wenn er sich selbst nicht mehr sicher ist, was er überhaupt noch schützen kann.

Ein wenig später beginnt auch er zu schlafen. Im Fernseher ist nur noch die Titelmusik der Serie zu hören. Der vertraute Klang hallt in der Stille der Wohnung, bis zum Schluss nur noch der eine Satz erscheint:

. . .

THE TRUTH IS OUT THERE

. . .

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top