8 - Pfefferminz




[Louis]

Es verging über eine Stunde bis ich zu meinem Dad durfte. Sie hatten ihn lange behandelt. Nervös und völlig durch den Wind lief ich den Gang auf und ab, bis sich jemand hinter mir räusperte und ich mich erschrocken umdrehte.
Als ich den Mann vor mir erkannte wurde mir ganz anders zumute. Es war Dr. Shepherd, ich erkannte ihn sofort wieder.
"Mister Tomlinson?" fragte er höflich und ich nickte. "Nennen Sie mich Louis. Was ist mit meinem Dad?" fragte ich sofort und er zeigte auf einen Stuhl. "Setzen wir uns doch." bot er an und setzte sich, nervös ließ ich mich neben ihm nieder.

Kurz rieb er seine Handflächen aneinander und sah mich dann aufmerksam an. "Also Louis, ihr Vater hatte einen ziemlich heftigen Anfall. Wir haben es in den Griff gekriegt, jedoch habe ich mir die Akte anfordern lassen. In seiner Geldbörse war die Notrufnummer seines behandelnden Arztes." fing er an und ich nickte verstehend. "Ja...Dr Stone." fügte ich leise hinzu und Dr. Shepherd nickte. "Richtig. Sein Zustand ist nicht besonders gut, um ehrlich zu sein."
"Was heißt das?" fragte ich leise nach und hatte innerlich panische Angst vor seiner Antwort. Wenn er mir jetzt sagte dass mein Dad sterben würde, ich würde hier und jetzt zusammen brechen.

"Ich würde es bevorzugen wenn er erst einmal hier bleibt. Wir müssen ihn dringend beobachten und ich würde gern einige Tests machen wenn das für dich in Ordnung ist?"
Ich sah ihn überrascht an. "Sie?"
"Ja. Ich. Hast du damit ein Problem?" fragte er sofort verwundert und ich schüttelte sofort den Kopf. "Nein, ganz und gar nicht. Ich war erst gestern bei ihrem Vortrag!" erklärte ich und er sah mich etwas beeindruckt an. "Medizinstudent?"
Ich nickte und er lächelte und klopfte mir auf die Schulter. "Ich mache einige Tests und werde sehen was ich für deinen Dad tun kann. Sicher finde ich eine Lösung." erklärte und ich nickte und sah ihn dankend an. "Ich hoffe es. Kann ich zu ihm?"

Zu meiner Enttäuschung schüttelte er den Kopf. "Nicht direkt, Louis. Er wird im Moment beatmet bis er wieder selbstständig atmen kann. Morgen, spätestens übermorgen kannst du aber zu ihm."

"Also muss ich jetzt nach Hause? Ohne ihn gesehen zu haben?" flüsterte ich und Dr. Shepherd sah mich mitfühlend an und nickte leicht. "Es tut mir wirklich leid. Aber im Moment ist sein Zustand schwierig. Du kannst ihn dir ansehen aber."
Ich nickte sofort und stand auf. "Ich will ihn wenigstens sehen, ja." hauchte ich und Dr. Shepherd stand ebenfalls auf und bedeutete mir ihm zu folgen.

Wir gingen einige Gänge entlang bis wir vor Dad's Zimmer standen. Die Tür war offen und ich warf einen Blick hinein. Bei seinem Anblick blutete mir das Herz förmlich. Er hatte überall Schläuche, es sah wirklich zum Fürchten aus. In seinen Armen hatte er Infusionen, ein Beatmungsschlauch war ebenfalls angebracht worden. Wie automatisch schlug ich mir die Hand vor den Mund und kniff die Augen zusammen. Ich spürte Dr. Shepherd's Hand auf meinem Rücken und schluckte. Das hier war ein verdammter Alptraum. Ich wusste nicht mehr weiter. "Hinterleg am besten deine Nummer, dann rufe ich dich an sobald du zu ihm kannst, ist das okay?"
Ich nickte dem Arzt zu und er ging, nachdem er mich noch einmal aufmunternd angelächelt hatte und mir mitgeteilt hatte dass er sein Bestes geben würde.
Ich glaubte ihm, dass dies so war. Doch Dr. Stone hatte immer gesagt dass eine OP nichts bringen würde. Dass der Hirntumor meines Vaters irreparabel war.

Ich fühlte mich wie erschlagen als ich die Flure entlang ging. In der Eingangshalle hing eine große Uhr, es war bereits halb elf. Ich hatte also zwei meiner Vorlesungen verpasst.
In jenem Moment war mir das alles egal. Ich konnte nur daran denken dass der Zustand meines Dad's sich gravierend verschlechtert hatte. Erschöpft ging ich nach draußen, den Blick hatte ich gesenkt und holte mein Handy aus der Tasche. Ich war noch immer voll mit dem Blut, doch ich musste jetzt Mom anrufen.
Es dauerte nicht lange und sie ging an ihr Telefon, was mich gleichzeitig traurig und glücklich machte. Ich brauchte sie hier, aber das könnte ich ihr niemals sagen.
"Guten Morgen, Louis. Hast du gar keine Uni?" begrüßte sie mich und ich konnte ihr Lächeln förmlich hören. "Nein, Mom. Dad ist im Krankenhaus..." sagte ich leise.
"Was? Oh Gott, was ist geschehen?" fragte sie panisch nach und ich schluckte. "Er hatte einen Anfall. Sie beatmen ihn, Mom. Ich darf nicht zu ihm." sagte ich und schluchzte leise. Ich hatte nicht bemerkt dass mir die Tränen wieder liefen. "Ach, mein Schatz. Das ist ja furchtbar. Soll ich nach London kommen?"
"Nein, Mom. Du brauchst nicht kommen. Ich pack das schon. Er hat einen guten Arzt, der will jetzt ein paar Tests machen." antwortete ich schnell, da ich nicht wollte dass sie die Kosten auf sich nahm um hier her zu kommen. Sie müsste sich Urlaub nehmen und das wollte ich nicht. "Tests?"
"Ja. Dr. Shepherd - einer der besten Neurochirurgen des Landes, Mom. Er wird einen Weg finden Dad zu helfen." sagte ich und hörte den leisen Seufzer meiner Mom. "Wer soll das denn bezahlen, Lou?" hauchte sie erschrocken und ich schluckte. "Ich finde einen Weg. Mach dir keine Sorgen, okay? Ich schaffe das..." sagte ich leise.
Ich wusste nicht wie, doch ich musste einfach einen Weg finden. Ich wusste, dass das alles sehr teuer werden würde. Eine Weile versuchte ich sie noch zu beruhigen, bis sie mir sagte sie müsse zur Arbeit und so legte ich auf.
Schwer schluckte ich und richtete mich auf. Während des Gesprächs hatte ich mich gegen die Hauswand des Krankenhauses gelehnt und nun schmerzte mein Rücken etwas, doch ich ignorierte es. Ein kleiner Seufzer verließ meine Lippen und langsam lief ich los, als ich einen Blick auf mir spürte. Irritiert blickte ich mich um und sah Harry, der nur wenige Meter von mir entfernt stand und mich ansah. Sein Blick war undefinierbar. Erschrocken weiteten sich meine Augen und ich konnte mich nicht bewegen. "Was tust du noch hier..?" hauchte ich und er kam mir näher. "Ich hab mir Sorgen gemacht und auf dich gewartet." antwortete er. Hatte er etwa alles mitgehört!?

"Musst du nicht. Es..ich muss jetzt los!" sagte ich und drehte mich weg, doch ich spürte wieder seine Hand die sich um mein Handgelenk legte. "Ich fahre dich, Lou." sagte er leise und ich sah unsicher zu ihm. "Du bist voller Blut. Die Leute in der U-Bahn werden sonstwas denken." setzte er sanft nach und ich nickte leicht. "Okay."
Er wirkte etwas erleichtert als er mein Handgelenk los ließ. "Na komm." sagte er sanft und ich folgte ihm langsam. Mir war etwas schwindelig von all den Geschehnissen und es dauerte nicht lange, da spürte ich seinen Arm um meine Taille. Wahrscheinlich stand ich unter Schock, denn ich ließ es geschehen. Sanft aber dennoch bestimmt brachte er mich zum Auto und ich stieg ein. Auch er stieg ein und fuhr sofort los. Es war Totenstille im Auto und als es anfing zu regnen hätte ich beinahe wieder angefangen zu weinen. Dieses Wetter war es, was ich an England so sehr hasste.
Jetzt gerade kam es mir vor wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, zu passend um nur ein Zufall zu sein. Ich schwieg während der gesamten Fahrt. Auch Harry sagte nichts, ich spürte ab und an seine besorgten Blicke auf mir, doch dabei blieb es und ich war ihm dankbar dafür.

Als er vor meinem Haus anhielt, sah ich ihn nicht an und schnallte mich ab. "Bitte sag niemandem was hier passiert ist, ja? Egal was du gehört hast ich..bitte behalte es für dich." bat ich ihn leise und der Lockenkopf nickte sofort. "Selbstverständlich. Ich mache dir einen Vorschlag, ich komme mit hoch und mache dir einen Tee. Du solltest jetzt nicht allein sein." schlug er vor und ich sah ihn unsicher an. "Warum tust du das?"

"Weil es dir schlecht geht. Lass mich dir einen Tee machen, Lou."
Ergeben seufzte ich leise und nickte. Ich wusste nicht wieso, doch ich war ihm dankbar, dass er sich um mich kümmern wollte. Gemeinsam stiegen wir auf und ich ging nach oben in meine Wohnung, Harry folgte mir still.

Als wir sie betraten wurde ich wieder unsicher. Ich wusste dass es hier stark nach Medikamenten roch und ein Blick zu Harry zeigte mir, dass er es bemerkte. Etwas verwundert sah er sich um und ich bat ihn in die Küche zu gehen. "Warte dort. Ich wasche mir schnell das Blut weg." sagte ich leise und verschwand in meinem Zimmer, nahm mir ein neues Shirt und ging in unser Bad. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Der Boden war voller Blut, ich hatte das ganz vergessen gehabt in der Aufregung.
Wieder kamen mir die Tränen hoch und ich legte das Shirt auf die Anrichte und nahm mir aus dem Badschrank einen Lappen, den ich unter den Wasserhahn hielt.

"Louis, alles ok? Du hast...oh..."
Harry stand im Türrahmen und sah geschockt zu dem ganzen Blut auf dem Boden. Ich sah ihn an, Tränen standen mir in den Augen und ich nickte. "Ich muss das hier nur schnell weg machen." hauchte ich mit belegter Stimme und er schüttelte den Kopf. Eilig ging er auf mich zu und nahm mir den Lappen sanft aus der Hand. "Ich mache das schon." sagte er leise und mit sanfter Stimme und ungläubig sah ich ihn an. Als sich eine Träne den Weg meine Wange hinab bahnte wischte er sie sanft weg.
Unfähig mich zu bewegen beobachtete ich ihn dabei wie er das Blut weg wischte und den Lappen säuberte, ihn behutsam über den Heizkörper hängte und mich ansah.
Nur sehr langsam kam er auf mich zu und ich beobachtete jede seiner Bewegungen und spannte mich an, als er an den Bund meines Shirts griff. Ich war wie in Trance, ließ alles mit mir machen. Harry zog mir das Shirt aus, legte es direkt in die Waschmaschine und dirigierte mich zum Rand der Badewanne, auf den er mich sanft drückte und ich setzte mich. In meinem Kopf herrschte absolute Leere. Er wusch mir das Blut von meinen Armen, war dabei ganz behutsam und ich ließ es geschehen.
Einen Moment streiften sich unsere Blicke, doch ich senkte den Kopf sofort beschämt.

Als er fertig war strich er mir sanft über den Arm und zog mir das Shirt an, welches ich frisch aus dem Schrank genommen hatte. "Lass uns in die Küche. Ich mache dir einen Tee." schlug er vor und ich stand monoton auf und folgte ihm. "Was trinkst du gern?" fragte er mich, während ich mich setzte und er in den Schränken nach Teebeuteln suchte.

"Pfefferminz. Zweiter Oberschrank von rechts." antwortete ich ihm leise und er nickte und öffnete den besagten Schrank, nahm zwei Teebeutel heraus und legte sie in zwei Tassen die er bereits heraus gestellt hatte.
Er füllte den Wasserkocher mit frischem Wasser und schaltete ihn an, ehe er sich zu mir drehte und mich besorgt ansah.
"Wie geht es dir jetzt?"

Ich zuckte mit den Schultern und sah weg. "Ich weiß es nicht..." murmelte ich.
"Willst du deswegen Neurochirurg werden? Wegen deinem Dad?" hörte ich ihn vorsichtig fragen und spannte mich leicht an. Er hatte also wirklich alles gehört. Ich fühlte mich unwohl. Das ging ihn doch eigentlich gar nichts an!

Doch ich war zu müde. Und er wusste sowieso schon alles, es würde also rein gar nichts bringen ihn jetzt zu belügen.

"Ja, deshalb." antwortete ich müde.
"Hat er einen Tumor?"
Ich nickte leicht und sah ihn traurig an. "Er ist irreparabel." hauchte ich und Harry sah mich mitfühlend an ehe er auf mich zukam und etwas tat, was mich für einen Moment völlig aus der Fassung brachte. Er umarmte mich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top