76 - Matthias Green
Letztes Kapitel, Freunde, schnallt euch an! Ich antworte sobald ich kann auf eure lieben Kommentare und Direct Messages, bin gerade etwas im Stress <3 Nachwort, Dank und Infos kommen die Tage! Bis dahin: lasst euch nicht von Weltraumpiraten hopps nehmen und behandelt Oktopusse mit Respekt!
Lena :)
~☀️~
Sirens Mutter, besser bekannt als Brigardier General Taylor, ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie ist ungefähr halb so groß wie ihre Tochter, gerade siebzig Jahre alt geworden und mit Abstand die furchteinflößendste Frau, die ich je gesehen habe.
Statt eines Rolators benutzt sie einen Gehstock mit einem Stierkopf als Griff, der so berüchtigt ist, dass man ihn als Mordwaffe in einen Haufen Murder-Mytsery-Brettspiele aufgenommen hat. Dieser Stock und ihre auch im Alter noch berüchtigte Treffsicherheit haben ihr das Callsign ‚Bull's Eye' eingebracht.
Sie hat ihr ganzes Leben lang gedient, die größten und verheerendsten Schlachten dieses Kriegs überlebt und sich mit Zähnen und Nägeln bis an die Spitze der Militärführung gekämpft. Inzwischen ist sie dreifache Großmutter – aber bis jetzt hat es niemand gewagt, sie zum Rücktritt zu zwingen. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal sicher, ob es im Core irgendjemand bei klarem Verstand gibt, der momentan scharf darauf ist, ihren Posten zu übernehmen. Die Vorsitzende des Föderationsmilitärs massiert sich seit geschlagenen fünf Minuten die Nasenwurzel.
„Sie wollen mir also erzählen", setzt sie an, „Dass sie fünfzig Uni Jets bei einer Attacke von zwei Söldnern verloren haben."
Siren starrt auf die Tischplatte. Ava sitzt düster und mit verdächtig zuckendem Augenlid neben der Generalin. Ich glaube, ich habe sie noch nie so lange stumm erlebt. Ich nicke nur.
„Eine ganze Flotte? Bei einem Angriff von zwei Personen?"
„Ravenna Noyemi und Elias Garcia", sage ich und hoffe, dass das Erklärung genug ist. Doch Bull's Eye scheint das als Verstärkung der Tatsache zu interpretieren, dass es wirklich nur eine zusammengewürfelte Bande Gesetzloser war, die uns beinahe erledigt hat. Mein Rücken schmerzt immer noch bei dem Gedanken an die Flammen der Explosion.
„Babydoll und Sugarcube", sagt Siren leise, doch der Blick ihrer Mutter bringt sie sofort wieder zum Verstummen.
„Wir kämpfen hier einen Krieg, ist Ihnen das überhaupt bewusst? Ich habe auch ohne diesen ... diesen Kindergarten schon genug zu tun. Das Sunhunter Department weigert sich nachhaltig, irgendeine Form der Verantwortung zu übernehmen, weil Symphony nur zufällig auf dem Schiff war."
Ich lächle unverbindlich in ihre Richtung. Sie weiß genauso gut wie ich, dass van Haven irgendetwas auf dem Kreuzer wollte, nur fehlen ihr im Gegensatz zu mir die Details. Neben lebensmüden Aktionen, Autoritätsbeleidigung und durch massive Wände Brechen, zählt Geheimhaltung zu den größten Stärken der CCI.
„Noch nie hat ein Rekrutenkreuzer so viel Ärger gemacht", Bull's Eye hebt ein Tablet vom Tisch, setzt ihre Lesebrille auf und scrollt mit spitzen Fingern eine lange Liste hinunter, „Ich habe hier alle Meldungen, die in den vergangenen Wochen in der Zentrale eingegangen sind. Vandalismus, Sachbeschädigung, gebrochene Nasen, Befehlsmissachtung, Diebstahl, ein AI Absturz, das aufspielen mehrerer unauthorisierter künstlicher Intelligenzen auf die UniJet Flotte und auf den Kreuzer selbst, eine schwangere Rekrutin, die aus irgendeinem Grund zur Sunhunter Korrespondentin befördert wurde ... und ein versuchtes Entern des Kreuzers durch Weltraumpiraten. Sieht das in Ihren Augen nach einem geregelten Ablauf aus?"
Wir schweigen.
„Ich habe gefragt, ob das nach einem geregelten Ablauf einer Standardmission aussieht?", fragt der Brigardier General noch einmal heftiger.
„Nein, Ma'am", antwortet Siren fest.
„Verdammt richtig", sie setzt die Brille wieder ab, „Sie werden mir in allen Einzelheiten Rede und Antwort stehen. Sie alle. Ich habe für morgen eine Anhörung ansetzen lassen. Glauben Sie ja nicht, dass Sie damit davonkommen, solange ich hier noch das Kommando führe."
Wir nicken folgsam, weil alles andere uns wahrscheinlich den Kopf kosten, oder zumindest einen gezielten Hieb mit dem berüchtigten Gehstock einbringen würde.
Jemand räuspert sich. Bull's Eye sieht auf, mit einem so tödlichen Blick, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn das Wasserglas vor ihr auf dem Tisch zersprungen wäre, und fragt mit der Stimme des Teufels selbst: „Bitte?"
Ich drehe mich um und muss dann zu Boden starren, um nicht etwas Unangebrachtes zu tun. Das wird jetzt lustig. Die großen Kinder kommen, um zu spielen.
„Henriette, entschuldige die Störung."
Eine Welle aus Panik schwappt durch den Raum. Siren ist wie festgefroren, den Blick auf ihre Mutter fixiert. Es ist allgemein bekannt, dass diese den letzten Mann, der sie beim Vornamen genannt hat, durch ein Fenster im zweiten Stock geworfen hat.
Ava und ich sind die Einzigen, die tiefenentspannt bleiben, als sich General Robert van Haven aus den Schatten löst und in den Raum tritt.
Er ist groß, ungefähr zwanzig Jahre jünger als Bull's Eye, und trägt heute statt seiner Uniform ein hellblaues Hawaiishirt mit großen rot-weißen Orchideen darauf. Wenn man van Haven in Freizeitkleidung sieht, könnte man ihn für einen erfahrenen Kapitän, einen deutschen Touristen oder einen in die Jahre gekommenen Surfer halten, aber ganz sicher nicht für den Vorstand des besten Geheimdienstes diesseits der Demarkationslinie.
„Robert", grüßt der Brigardier General düster. Es knackt und der Digitalstift, den sie bis gerade in der Hand hatte, fällt in zwei Teile zerlegt auf den Tisch. Wie bereits erwähnt, ist Sirens Mutter trotz ihres Alters wirklich beängstigend.
„Bist du gekommen, um mir zu erklären, wieso einer deiner Agenten sich auf einen meiner Kreuzer geschlichen hat?"
Van Haven grüßt mich mit hoheitsvollem Winken. Ich will ebenso hoheitsvoll zurückwinken, doch Ava hält meine Hand fest.
„Nein", sagt der Sunhunter Nummer eins lakonisch, „Ich bin gekommen, um mir meinen Agenten wiederzuholen. Im Interesse der Allgemeinheit natürlich."
Bull's Eye schnaubt halbamüsiert.
„Natürlich, nehmen Sie ihn mit. Jederzeit. Sofort, wenn Sie wollen."
Ich erhebe mich.
„Das war Ironie, Sie Verrückter!"
Ich setze mich wieder.
„Ava", van Haven verschränkt die Hände hinter dem Rücken und sieht hinaus in das Weltall, vollkommen entspannt, „Sein Sie ein Goldstück und verlesen Sie bitte die neuste Schlagzeile der Core Post, wenn ich bitten darf."
Ava zieht ihr omnipräsentes Tablet mit dem Suhunter Logo darauf zu sich herüber und öffnet mit leicht verwirrtem Gesichtsausdruck die Onlineausgabe einer der renommiertesten Zeitungen des Cores.
„Friedensverhandlungen zwischen VHN und Föderation tragen Früchte", liest sie laut vor.
Bull's Eye dreht sich in ihrem Sessel zu van Haven um, sodass wir nur noch den strengen grauen Knoten auf ihrem Kopf sehen, aus dem zwei lange hölzerne Haarnadeln ragen. Der Raum bricht in Getuschel aus.
„Friedensverhandlungen?", fragt die Generalin neben mir, „Es hat Freidensverhandlungen gegeben?"
Ich nicke. Ava starrt einfach weiter geradeaus, hat aber die Stirn gerunzelt. Bull's Eye's Assistenten sind anscheinend ebenso ratlos wie wir. Nur mein Chef und Sirens Mutter scheinen Bescheid zu wissen, was ihrem Gesichtsausdruck nach auch so bleiben sollte. Doch jetzt wissen nicht nur alle im Raum, sondern jeder Bürger und jede Bürgerin der Föderation, dass die politische Elite des Cores in irgendwelchen Hinterzimmern mit ihren Erzfeinden verhandelt hat. Ich fühle mich, als würde ich dem Showdown eines Films beiwohnen, dessen Handlung ich größtenteils verschlafen habe. Es muss eine Menge passiert sein, seit ich das letzte Mal hier war. Nicht einmal ich kann mir einbilden, dass all das hier auf mich zurückzuführen ist.
„Ups", macht van Haven, „War das ein Geheimnis?"
Ich sehe schon vor mir, wie Bull's Eye sich auf ihn stürzt, ihm ein blaues Auge schlägt und ihm die Hörner ihres Metallstiers an die Brust setzt. Doch man verbringt keine siebzig Jahre im Föderationsmilitär, ohne Disziplin und Selbstbeherrschung in Vollendung zu erlernen.
„Nimm deinen Sunhunter und hau' ab, Robert, bevor ich mich vergesse", knurrt der Brigardier General, während ihre DataWatch und ihr Tablet wild zu piepen und zu blinken beginnen, als die ersten Presseanfragen hereintrudeln.
„Mit Vergnügen", grinst der Mann im Hawaii Hemd.
Van Haven winkt mir und ich erhebe mich. Ava nimmt Aktentasche und Tablet vom Tisch und folgt mir mit klappernden Absätzen zur Tür. Ich werfe Siren einen Luftkuss zu, die immer noch zutiefst geschockt auf ihrem Platz sitzt und beobachtet, wie immer mehr Nachrichten an die Administration eintrudeln. Van Haven hat eine Bombe hochgehen lassen, die alle Verantwortlichen aus ihren bequemen Büros hinaus in den größten Shitstorm des Jahrhunderts stößt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
„Ähm", mache ich, sobald die protzige Doppeltür hinter uns ins Schloss gefallen ist und wir den langen Glasgang hinunter gehen, „Hallo Boss. Danke für die Rettung."
„Bedanken Sie sich nicht zu früh", sagt er, plötzlich vollkommen ernst, „Sie werden sich noch wünschen, der Brigardier General hätte sie suspendieren lassen."
„Ist das ein Versprechen?"
„Eine Warnung. Watch, bitte."
Ich halte ihm meinen Arm hin und der General überträgt irgendeine Datei auf meine glänzende, nagelneue DataWatch.
„Melden Sie sich an der Aurora Borealis. Firenze und Zerberus erwarten sie dort in einer Stunde."
Misstrauen regt sich in mir. Gleich zwei weitere Sunhunter? Das ist hochungewöhnlich. Normalerweise werden wir alleine auf Mission geschickt. Ich sehe wohl etwas überrumpelt aus, denn van Haven lacht mich an, während er mich vor den blitzenden Kuppeln des Cores durch eine weitere Tür winkt.
„Ihr Urlaub ist vorbei, Symphony. Die Welt brennt und wer tritt das Feuer aus, wenn nicht wir?"
Er lacht noch einmal, so breit, dass ich seine Goldzähne sehen kann, und verschwindet, als hätte er mir nicht gerade eine halsbrecherische wie geheime Mission übergeben.
Ava ist die Einzige, die sich von mir verabschiedet, bevor ich mich einmal mehr in den beinahe sicheren Tod stürze. Sie steht in ihrem heute marineblauen Anzug auf dem riesigen Aurora Borealis Landeplatz zwischen den glänzenden Sunhunter Schiffen und zündet sich eine Zigarette an. Sie pustet den Rauch in Richtung Himmel und sieht mir entgegen, während ich begleitet von drei Gepäckträgern, meiner Physiotherapeutin, die mir gerade noch eine Übung für meinen BioBone Arm zeigt und van Havens Koch, der mir alles Gute wünscht und die bestellte Riesenmenge an sündhaft teurem Essen in die Hand drückt, auf sie zu komme.
„Rauchen ist wirklich schlecht für deine Gesundheit", sage ich zu ihr, während sie neben ihren teuren Pfenningabsätzen auf den Beton ascht.
Ava schnaubt durch die Nase.
„Ich sehe sie Mittwoch, wie immer."
„Falls ich dann noch lebe."
„Versteht sich."
Ich winke, während ich weiter auf das Schiff zu gehe. Es ist ein mittelgroße Fregatte, was heißt, dass wahrscheinlich mehr Personal, als nur wir drei Sunhunter, an Bord ist.
„Bye, bye."
„Green?"
„Ja?", ich drehe mich noch einmal zu ihr um, „Willst du mir noch ein Abschiedsbussi geben?"
Ava rümpft die Nase als würde allein die Vorstellung ihr Brechreiz bescheren.
„Ich habe Ihnen den Gefallen getan. Paris ist in den Core versetzt worden und darf ab nächstem Semester Artificial Intelligence Engineering studieren. Bringen Sie mich nicht dazu, das wieder rückgängig zu machen."
Ein warmes Gefühl wallt in mir auf. Ich bin zum ersten Mal jemals ernsthaft versucht, auf meine unausstehliche Koordinatorin zu zuhüpfen und mich in ihre Arme zu werfen. Clara darf studieren! Sie wird nicht auf einem Schlachtfeld landen, sondern an der Eliteuniversität des Cores, weil ich um die tausend Gefallen eingeholt habe. Zumindest das habe ich richtig gemacht.
„Danke", sage ich leise und meine Koordinatorin wischt das Wort weg, als wäre es nie da gewesen.
„Du schuldest mir was. Vergiss das nicht."
Sie sieht mir wohl an, dass die Gefahr, wirklich einen Abschiedskuss zu erhalten, gerade stark gestiegen ist, tritt ihre Zigarette gezielt mit dem Absatz aus, dreht sich um und geht ohne ein weiteres Wort in Richtung des gläsernen Aufzugs davon, um zurück in ihr schickes Büro mit den weißen Ledersesseln zu fahren. Ich drehe mich mit einem viel zu breiten Grinsen um, stelle eine meiner Taschen ab und schlage die Faust gegen die glänzende Hülle des Schiffs. Das dumpfe Geräusch hallt über den Landeplatz, während es zu nieseln beginnt. Auf meiner Watch poppt ein Fenster auf, als der Jet mit mir Kontakt aufnimmt.
„Hey, ihr Wichser, beamt mich hoch", verlange ich laut, während der Regen stärker wird.
„Wer spricht da?", fragt ein verstört klingender Kommunikant zurück.
„Wer spricht da", äffe ich ihn nach, „Wer soll es schon sein, Scotty, Pikachu natürlich. Frisch aus dem Urlaub zurück und bereit, dich unfähigen Fleischklumpen unter Strom zu setzen."
„Agent Green?", fragt eine Stimme, die ich seit der Sunhunter Akademie nicht mehr gehört habe.
„Wer sonst, Bärchen?"
Die Gangway knallt auf den Beton, ich werfe einen letzten Blick auf die schönste Stadt der Galaxie hinaus und mache mich auf den Weg in ein neues Abenteuer.
~☀️~
Ende
Von Band eins
Weiter geht es bald in Band zwei: 'Starshakers'
~☀️~
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top