Kapitel 7

Der Tag verlief schleppend umso größer war meine Freude darüber, dass ich heute früher Schluss hatte. Kurz nach eins war ich wieder Zuhause und saß auf dem Boden, angelehnt an mein Bett. Ich überlegte was ich heute tun sollte. Schließlich beschloss ich das Dorf etwas auszukundschaften. Kurzerhand sprang ich auf, nahm meine kleine weiße Handtasche mit den goldenen Metallhenkeln und spazierte los.

Ich schlenderte den Weg entlang. Die Sonne schien heute besonders schön und kitzelte sanft meine Nasenspitze. Tief atmete ich die Frühlingsluft ein und wieder aus. Zum ersten Mal seit langem spürte ich wieder so etwas wie Frieden. Schließlich kam ich beim Backsteinhaus von dem Unbekannten vorbei. Kopfschüttelnd ging ich weiter doch ich konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Er war eingebildet und unlustig aber dennoch irgendwie süß. Nein, ich werde nicht zulassen, das sich dieser Typ in meine Gedanken eindringt. Das wäre reine Verschwendung!

So schlenderte ich weiter und beobachtete die verschiedenen Häuser. Es gab einige kleine Hütten, ein paar Backsteinhäuser aber die meisten waren einfache, schlichte Holzhäuser. Ein besonderes Ambiente schenkten die kleine Vorgärten, die das jeweilige Gebäude schmückten.

Wie aus dem nichts überkam mich ein Niesanfall. Nachdem ich mich schließlich beruhigt hatte, spazierte ich weiter Richtung Zentrum. Wenn man das kleine Eck überhaupt Zentrum nennen konnte.

Die ersten Gässchen begannen und schon bald war ich mittendrin. Der Hauptplatz, der gleichzeitig auch der Marktplatz war, hatte in der Mitte einen großen Springbrunnen aus dem typischen grauen Stein. Das Wasser plätscherte und es zauberte sich ein Lächeln in mein Gesicht.

Im Moment war es mir egal ob ich Arrogant wirkte oder nicht, denn nur für diesen kurzen Augenblick wollte ich einfach nur genießen und an nichts denken. So nahm ich am Rande des Brunnens Platz und ließ mich sonnen. Ich schloss sogar kurz meine Augen, jedoch öffnete ich sie wieder als ich kleine Kinder spielen hörte.

Nach einer kleinen Weile stand ich auf und blickte mich ein wenig genauer um. Viele kleine Blumenkästen zierten diesen Ort und dann vernahm ich einen ganz besonderen Duft, der in mir Kindheitserinnerungen weckte. Es roch nach dem typischen Kaffeegeruch von meinem Dad und meiner Mom.

Die beiden liebten Kaffee. Als ich acht war habe ich einmal die Tasse verwechselt und trank Kaffee anstelle meines süßen Kakaos. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und raubte meinen Eltern jeglichen Funken Verstand. Dennoch waren sie immer liebevoll gewesen. Sie waren ein Traum, der jedoch wenige Jahre darauf zu Ende ging. So wie es mit jedem Traum geschah.

Bis heute konnte ich Kaffee nicht leiden aber der Geruch erinnerte mich immer an meine Eltern. Eine Blase der Trauer schwebte über mir und wartete nur auf den richtigen Moment um zu platzen.

Doch heute war es nicht soweit. Ich schob alles was mit meiner Familie zu tun hatte beiseite und ging in eine der Gassen.

Nach kurzer Zeit hatte sich meine Laune wieder gebessert, denn die Sonne schien immer heller zu strahlen.

Es gab viele verschiedene Läden, die jedoch deutlich kleiner waren als die in der Stadt. Einer zog mich aber irgendwie magisch an. Es war ein kleiner niedlicher Blumenladen.

Ich fand die Natur schon immer zauberhaft und besonders die vielen verschiedenen Arten von Blumen faszinierten mich. Möglicherweise sollte ich Botanik studieren. Innerlich lachte ich auf über diesen dummen Gedanken.

Als ich durch die Tür trat, die bereits offenstand, knallte ich mit jemanden zusammen. Zufällig war dieser jemand der "Ach ich bin so lustig Nachbar".

»Oh, Sie sind es. Bitte nach Ihnen, Mylady.« sagte er sogleich.

»Wie freundlich von Ihnen, Mr. Witzbold.«

Er grinste mich an und machte eine Handbewegung nach innen.

Ich überdrehte meine Augen und trat in das Geschäft ein. Ein lieblicher Duft von zarten Rosen kam mir entgegen. Wieder spürte ich diesen Frieden in mir.

Gemächlich schlenderte ich durch den Laden. Er war sehr hell und es gab unzählig verschiedene Blumenarten.

»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?« fragte mich eine Frau im mittleren Alter.

»Nein, danke.« antwortete ich ihr mit einem Lächeln.

Während ich alle Blumen durch schnupperte, verging die Zeit, wie im Flug. Ich war eine ganze Stunde dort. Schließlich kaufte ich eine Sonnenblume, denn das waren meine Lieblingsblumen. Sie strahlten Perfektion und dennoch Freude aus.

Bevor ich wieder nach Hause spazierte, holte ich mir an der Ecke von der Gasse einen heißen Toast und genoß diesen am Rand vom Springbrunnen.

Dieses Dorf hatte echt etwas Schönes an sich. Es war hier doch besser als ich erwartet hatte und irgendwie war dieser Ort entzückend.

Gedankenlos machte ich mich auf den Rückweg und beobachtete den Sonnenuntergang. Ich hatte ihn in meiner Stadt fast nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht war das ein weiterer Grund warum dieses Städtchen so hinreißend war.

Ohne es zu bemerken ließ ich zu das sich dieses Stückchen Erde langsam in mein Herz schlich und es sich dort ein wenig gemütlich machte mit einem kleinen Hoffnungsvollen Schimmer auf Heilung.

Innerlich war ich ruhig und in meinem ganzen Leben war ich noch nie so...glücklich gewesen wie in diesem kleinen Moment. Ein paar Sekunden genoss ich noch die Dämmerung bis ich schließlich durch die Tür trat. Eigentlich wollte ich gleich in mein Zimmer hoch aber ich konnte Kim in einen der Zimmer hören an denen ich vorbeigekommen war. Neugierig blieb ich stehen. Sie redete mit jemanden am Telefon.

»Jeremy, ich weiß es ist schwer aber deine Eltern hätten gewollt, das du weiterlebst. Du bist 19 Jahre alt. Dein Leben ist noch vor dir!«

Was dieser Jeremy am anderen Ende der Leitung sagte, konnte ich nicht hören. Ich schüttelte meinen Kopf. Man durfte nicht lauschen. So hüpfte ich also die Treppe nach oben. Dann hörte ich ein kleines Winseln oder eher ein Schluchzen. Was war heute nur los?

Ich klopfte behutsam an die Tür von der ich besagte Laute hörte.

»Wer ist da?« hörte ich die Stimme von Rosie.

»Samantha.«

»Komm rein.«

Vorsichtig öffnete ich die Tür und sah wie Rosie zusammengekauert im Bett lag.

»Hey, alles in Ordnung?« erkundigte ich mich sanft.

Es war äußerst komisch wie ich mich verhielt. So benahm ich mich eigentlich nur gegenüber Clara und Julie.

»Nein.« schluchzte sie und fing an zu weinen.

»Was ist denn los?«

Ich setzte mich zu ihr ins Bett.

»Er liebt mich nicht.« bekam sie gerade noch so heraus bevor sie wieder anfing vor sich hin zu wimmern.

»Wer?«

»Rick aus der Nebenklasse. Heute wäre unser erster Jahrestag gewesen.« jammerte sie.

»Was ist passiert?«

»Ich hab ihn und meine beste Freundin Cindy erwischt, wie sie knutschend am Sportplatz saßen.«

»Er hat was?«

Sie nickte nur und ohne darüber nachzudenken nahm ich sie in den Arm und hoffte das es ihr gut tun würde. Mein Ich sträubte sich aber ich wollte ihr beistehen, denn sie tat mir so leid.

»Du hast ein gutes Herz.« flüsterte sie sanft in den Raum.

Ein kleines Lächeln spielte sich auf meine Lippen. Sie meinte es ernst. Wer weiß, vielleicht war es doch nicht so schlecht ein wenig nahbar zu sein.

»Weißt du was hilft?« fragte ich sie und lockerte die Umarmung.

»Nein.«

»Schokoladeneis!«

Sie grinste mich müde und traurig an und sogleich stand ich auf um die Eistruhe zu suchen.

Kim stand in der Küche vor dem Fenster und blickte in die Ferne.

»Darf ich stören?« flüsterte ich.

Sie drehte sich um und lächelte mich an. Man sah ihr an das sie etwas vermisste. Ob es die gute alte Zeit war in der so vieles einfacher war?

»Klar! Was brauchst du?«

»Hättet ihr vielleicht Schokoladeneis zuhause?«

»Immer!«

Sie ging zum Kühlschrank in dem sich ein Gefrierfach befand und holte lächelnd eine Packung heraus und reichte sie mir.

»Danke. Wo finde ich denn die Löffel?«

»Hier.«

Kim schob die Lade unter dem Spülbecken heraus und gab mir einen Löffel.

»Könnte ich auch einen zweiten haben?«

»Sicher doch.«

Sie hielt mir einen weiteren Löffel hin.

»Danke.« sagte ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und drehte mich um. Jedoch ging ich nicht los denn Kim kam mir sehr bedrückt vor. Deshalb drehte ich mich wieder zu ihr und fragte sie: »Alles okay?«

»Ja.« antworte sie.

»Sicher?«

»Ja, Samantha.«

»Du siehst nur nicht so glücklich aus wie du es sonst immer tust.«

»Liebes, man kann nicht immer glücklich sein. In diesem Leben geht das nicht aber man kann immer das Beste aus der Situation machen.«

»Da hast du wohl recht.«

»Ganz sicher habe ich das.«

Nun lief ich aber die Treppe hoch und setzte mich zu Rosie. Während sie ihren Löffel mit ein wenig Schokoladeneis darauf in den Mund steckte kullerten ihr die Tränen über die Wangen. Sie tat mir so leid. Wer auch immer dieser Rick war, er war definitiv ein richtig dummer Idiot.

Den restlichen Abend verbrachte ich damit mit Rosie Eis zu essen und sie zu trösten. Schließlich schlief sie ein und ich brachte die Löffel und die leere Verpackung in die Küche.

Im ganzen Haus war es bereits dunkel. Leise schlich ich mich wieder nach oben. Schnell hüpfte ich unter die Dusche und durchlief meine Abendroutine.

Kurz vor halb zwölf lag ich endlich im Bett und schrieb Clara noch eine Nachricht.

Ich: Hey Clara, wie geht's dir? Was gibt's Neues bei dir? Also ich war heute ein wenig das Dorf erkunden und es ist hier eigentlich total schön. Es ist gar nicht so schlimm hier. Naja...Gute Nacht! Schlaf gut.

Dann legte ich mein Handy weg und versuchte einzuschlafen. Dieser Tag war der schönste seit langem. Friedlich und mit einem zarten Lächeln schlief ich ein. Mein letzter Gedanke bevor ich in das Land der Träume eintauchte war: Hier könnte ich vielleicht doch glücklich sein - für ein ganzes Leben.

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