Kapitel 4

Tief atmete ich ein und wieder aus. Dann öffnete ich die Tür und trat in das Zuhause von Kim ein.

Ich versuchte mich ungestört in mein Zimmer zu schleichen, doch bei einem vollgedeckten Tisch an dem die Ganze Familie saß, kam ich wohl nicht vorbei.

»Hi Samantha! Da bist du ja! Wir dachten schon du findest nicht zurück.« kam es von Kim.

»Doch doch. Hat nur etwas länger gedauert.«

»Ich hab schon nach dir gesucht.« erklärte mir Rosie.

»Alles gut, danke.«

»Komm setz dich. Es gibt Mac&Cheese.«

Still nahm ich an dem Sessel neben Rosie Platz und stellte meinen Rucksack neben mir auf den Boden. Langsam hatte ich echt Hunger, auch wenn ich nur ungern mit dieser Familie am Tisch saß.

Der erste Bissen ließ mein Herz dahinschmelzen und ich vergaß für eine Millisekunde, wo ich mich gerade befand. Natürlich ließ ich es mir nicht anmerken.

Still lauschte ich den Gesprächen, die am Tisch zu Gange waren.

»Und Samantha, wie war dein erster Schultag?« fragte mich Kim.

»Ja, ganz okay.«

»Hast du schon ein paar Freunde gefunden?«

»Nein. Ich brauche keine neuen Freunde.«

»Man kann nie genug Freunde haben.«

Ich zuckte mit den Schultern, denn es war mir egal. Ich hatte Clara und sie reichte mir als beste Freundin.

Kimberly begann dann bei ihren beiden Kinder nachzufragen. Ich konzentrierte mich wieder auf mein Essen. Als ich mit dem Teller fertig war stand ich auf und gab der Runde kurz Bescheid: »Ich werde jetzt in mein Zimmer gehen. Danke für das Abendessen.«

»Gerne. Hat es dir geschmeckt?« fragte Kim nach.

Ich nickte und streifte mir meinen Rucksack auf eine Schulter.

»Gute Nacht.« wünschte ich allen und ging dann nach oben in mein Zimmer. Wenigstens ein Weg den ich mir gemerkt hatte.

Im Zimmer angekommen ließ ich zuerst meinen Rucksack neben dem Schreibtisch auf den Boden sinken. Dann holte ich mir frische Klamotten und hüpfte unter die Dusche, nachdem ich mich abgeschminkt hatte.

Schließlich stand ich meinem Spiegelbild wieder gegenüber. Ich riss mich ein letztes Mal für heute zusammen und machte mich bettfertig.

Schnaufend legte ich mich ins Bett. Am meisten wünschte ich mir eine erholsame Nacht. Einmal richtig durchschlafen. Doch wie immer war dass zu viel verlangt.

Mehrere Male schreckte ich hoch und saß schweißgebadet da. Die Erlebnisse heute hatten diese Albträume nochmal verstärkt.

Als es schließlich fünf Uhr morgens war, gab ich auf und schleppte mich ins Bad. Nach einer Dusche, einer Brise Hautpflege und ganz viel Make up konnte man nicht mehr erahnen, das meine Nacht alles andere als gemütlich war. Meine Haare bekamen auch noch den nötigen Feinschliff. Nun musste ich mich entscheiden, was ich heute anziehen wollte. Meine Wahl traf auf einen karierten Minirock und auf einen weißen Pulli. Dazu trug ich eine hautfarbene Feinstrumpfhose und schwarze Pumps mit einem zarten Riemchen.

Ich kontrollierte mein Aussehen nochmal im Spiegel und streifte mir dann meinen Rucksack auf eine Schulter.

Ich richtete mich auf und setzte, wie immer meinen arrogantesten Blick auf, den ich besaß. Dann stöckelte ich nach unten. Die "perfekte" Familie saß am Esstisch und frühstückte.

Als Rosie mich erblickte, schob sie sofort den Sessel neben sich ein Stück heraus und informierte mich: »Guten Morgen! Setz dich. Es gibt Pancakes!«

Still platzierte ich mich neben Rosie und nahm mir einen Teller. Darauf gab ich mir zwei kleine Pancakes mit ein wenig Sirup und Himbeeren.

»Wie hast du geschlafen?« fragte mich Kim.

»Gut.« antwortete ich knapp.

»Freut mich. Hast du eigentlich ein Lieblingsessen?«

»Nein.«

»Wie, du hast kein Lieblingsessen? Nichts was du abgöttisch liebst?« erkundigte sich Rosie entsetzt.

»Nein.« gab ich ihr trocken als Antwort.

»Gibt es dann etwas was du überhaupt nicht ausstehen kannst?«

Kurz überlegte ich, während ich mir die Gabel in den Mund steckte. Diese Pancakes waren einfach nur fantastisch. Ich ließ mir mein wohliges Gefühl dennoch nicht anmerken.

»Fisch mag ich nicht so gern.« erzählte ich Kim.

»Gut zu wissen.«

»Mom, wir müssen los.« kam es vom achtjährigen Luke.

»Dann hol schon mal deine Brotdose aus der Küche.« beauftragte sie ihren Sohn mit einem Lächeln. Dieser stand sofort auf und machte sich auf den Weg in die Küche.

»Wir müssen dann auch langsam los.« informierte Rosie uns.

Ich nickte, nahm noch den letzten Bissen und schulterte meinen Rucksack.

Nun ging es los. Der zweite Schultag. Während wir nebeneinander herliefen fragte mich Rosie sachte: »Warum bist du aus der Schule geflogen?«

»Geht dich nichts an.« antwortete ich ihr mit einem schnippischen Unterton.

Sie entschuldigte sich bei mir und wir gingen stumm weiter.

Als wir in den Hof einbogen wünschte mir Rosie einen schönen Schultag und dann hüpfte sie auch schon zu ihren Freunden.

Ich strecke meinen Rücken durch, fuhr mir noch mal durch die Haare, die ich heute offen und in leichten Wellen trug und klapperte auf meinen Lieblingspumps in die Klasse.

Niemand saß darin aber es lagen schon viele Rucksäcke herum.

Ich wählte denselben Platz wie gestern und bereitete mich auf den Unterricht vor. Währenddessen checkte ich meine Nachrichten.

Clara hatte mir 5 mal geschrieben.

Clara: Samantha, was ist los?

Clara: Ist alles in Ordnung bei dir?

Clara: Dieses Gerücht ist nicht wahr, oder?

Clara: Ruf mich an! Dann können wir in Ruhe darüber sprechen.

Clara: Oder willst du lieber persönlich reden? Soll ich vorbeikommen?

Natürlich wollte ich nicht das Clara sich Sorgen machte weshalb ich ihr sofort zurückschrieb.

Ich: Ich rufe dich später an. Versprochen.

Soph hatte mir ebenfalls geschrieben.

Tante Sophie: Hallo meine Kleine, wie geht's dir? Gefällt es dir bei Kim? Wie ist die Schule? Hast du schon Freunde gefunden? Vielleicht bist du jetzt nicht mehr sauer auf mich. Du weißt es war nur zu deinem Besten. Es würde mich freuen wenn du dich meldest.
Liebe Grüße Soph

Darauf schrieb ich lieber nichts zurück. Das würde nur Streit bedeuten und dafür hatte ich derzeit keine Energie.

Die Schulglocke bimmelte und langsam füllte sich die Klasse. Die Stunde begann. Wieder wurde ich von allen Seiten angestarrt aber das machte mir nichts aus. Wie gesagt, ich liebte es, da ich wusste dass jeder gerne so aussehen würde wie ich.

Der Tag war beinahe rum als ich von der Direktorin aufgerufen wurde. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich warf mir meine Haare nach hinten und stöckelte mit meinen Absätzen zur Direktorin.

Bevor ich die Tür öffnete klopfte ich an und trat dann ein.

»Oh, Samantha Wilson. Ich hatte nicht gedacht schon so früh Probleme mit Ihnen zu haben.« maßregelte sie mich mit einem strengen Blick.

»Wie bitte?«

»Gestern haben Sie einfach so die Schule verlassen.«

»Entschuldigen Sie vielmals. Es gab einen Notfall.«

»Einen Notfall?«

»Ja, eine Freundin von mir hat dringend Unterlagen benötigt, die ich aus Versehen mitgenommen hatte.«

»Und das ist keine Ausrede?«

»Sehe ich aus als wäre ich eine Lügnerin?«

»Nein. Gehen Sie zurück in Ihre Klasse aber so etwas wird nie wieder vorkommen. Verstanden?«

»Natürlich.«

Ich verließ wieder das Büro und kehrte in die Klasse zurück. Wieder erntete ich Blicke, nur diesmal waren sie verachtend mit einer winzigen Spur Neugier. Leicht verunsicherten sie mich dadurch aber ich konnte mich schnell wieder fassen.

Endlich war auch die letzte Stunde vorbei. Schnell packte ich meine Sachen in den Rucksack und warf ihn auf meine Schultern. Mit meinem überheblichsten Gesichtsausdruck verließ ich die Klasse. Die Gänge waren voll mit ländlichen Menschen. Genauso war es auch im Hof.

Während ich Richtung Wald ging wählte ich die Nummer von Clara.

»Samantha! Ich bin so froh von dir zu hören. Ist alles in Ordnung?«

»Hi, Clara. Ja es ist alles okay.«

»Scheint aber nicht so. Du warst gestern plötzlich wie weggetreten. Hat es was mit Liam zu tun?«

»Clara, das kann ich dir nicht am Telefon sagen.«

»Hat er dir was angetan?«

»Clara, bitte. Lass es gut sein.«

»Oh, Gott. Was hat er getan?«

»Clara...«

Unser beiden Stimmen wurden lauter und kräftiger.

»Nein, Samantha. Ich will das jetzt wissen!«

»Lass es einfach! Ich kann und will nicht darüber reden.«

»Er zieht deinen Ruf durch den Schmutz!«

»Ist mir egal.«

»Seit wann ist dir das denn bitte egal?«

»Seit ich hier in der Pampa stecke mit all diesen verrückten Menschen, die ein perfektes Leben führen und sich nicht Sorgen darüber machen wie sie gerade aussehen oder auf andere wirken!« Meine Stimme war laut und kräftig doch bei den nächsten Sätzen brach sie und hörte sich nur jämmerlich an. »Alle hier sind glücklich! Nur ich kann es nicht sein weil Liam alles kaputt gemacht hat! Ich kann einfach nicht mehr, okay! Bitte lass es einfach gut sein!«

Dann war es still. Ich stand mitten im Wald und schrie vor wenigen Sekunden noch ins Handy. Der ganze Frust und die Anspannung ließ von mir ab. Ich wollte nicht weinen oder schwach wirken, auch wenn ich wusste das Clara es verstehen würde. Doch jetzt im Moment war mir alles egal. Ich konnte nicht mehr stark sein. Langsam flossen Tränen über meine Wangen und ich hörte wie Clara durchs Telefon sagte: »Samantha, ich...es tut mir leid. Ich wollte doch nur...Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Nein.«

»Melde dich bitte wenn du etwas brauchst.«

»Mach ich. Versprochen.«

»Ich will nicht das unsere Freundschaft endet.«

»Ich auch nicht.«

»Bitte...pass auf dich auf.«

Ich nickte obwohl ich wusste das sie es nicht sehen konnte. Der Schmerz, den ich bis jetzt immer in meinem Herzen gespürt hatte, breitete sich schleichend in meinem ganzen Körper aus. Dann legte ich auf und sank auf die Knie. Auch wenn sich alles in mir sträubte und ich nicht diesen dreckigen Erdboden berühren wollte. Ich konnte nicht anders.

Die Welt verschwamm und allmählich wich jegliche Kontrolle aus meinem Körper. Ich stützte mich mit den Händen ab doch rutschte weg, da die Kraft nicht mehr vorhanden war. Schließlich wurde alles schwarz.

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