9. Leichte Genetik
Trete demütig vor deinen Schuldner
Müde sah sie hinaus aufs Meer. Die Sonne ging auf und tauchte alles in ihr orangfarbenes Licht. Der sanfte Wellengang schaukelte sie auf ihrem Platz am Bug der Yacht hin und her. Sie trug ein übergroßes, schwarzes Shirt, dass Bartosz zusammen mit einigen anderen Sachen für sie besorgt hatte. Ihre Augen waren auf halbmast und alle paar Sekunden fielen sie zu, doch richtig schlafen war schwer.
Nachdem die Krämpfe nachgelassen hatten und ihr Körper sich erholt hatte, waren die Albträume gekommen. William in furchtbaren Schmerzen, schreiend und zitternd. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, hörte sie seine Rufe. Ob seine Qualen ihrer Einbildung entsprangen oder die bittere Realität offenbarten war unmöglich festzustellen.
Ava wusste nur, dass sie nicht schlafen konnte. Lustlos schob sie sich eine Weintraube in den Mund und beobachtete den erwachenden Hafen. "Du bist früh wach.", ihr Vater trat leise zu ihr.
Momentan tat er alles in ihrer Gegenwart leise und vorsichtig, als wäre sie aus Porzellan oder ein Tier, das man auf keinen Fall erschrecken durfte. Vielleicht ahnte er was sie durchgemacht hatte. Ava versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken.
"Ich konnte nicht schlafen." "Das kannst du momentan öfter nicht. Willst du mir erzählen was los ist?" Nein, das wollte sie nicht. Ihre Albträume würden ihm nichts bedeuten. "Du weißt, dass es dir besser gehen wird, wenn du darüber redest.", er setzte sich neben sie und lächelte verhalten. Ava seufzte und gab nach.
"Immer...immer, wenn ich die Augen zu mache, sehe ich William. Ich höre ihn schreien. Es wirkt als hätte er starke Schmerzen und ich kann nichts tun, um ihm zu helfen. Ich kann nicht..."
"Es ist nur ein Traum, Schatz, ich bin sicher William geht es gut." "Woher willst du das Wissen?", störrisch sah sie ihn an, "vielleicht kann ich ihn mit meiner Gabe erreichen."
"Wir sind noch weit weg und du weißt nicht mal genau, wo er ist. Isabella wird ihr neues Versuchskaninchen nicht so einfach sterben lassen." Also sollte sie sich darauf verlassen, dass Isabella Nakamura aka IZANAGA ein wertvolles Studienobjekt vor unnötigen Schmerzen bewahren würde? Ava schnaubte.
"Ich kann es nicht ertragen. Ob real oder nicht. Ich kann seine Schreie nicht hören." "Wie sehen deine mentalen Mauern aus? Georgie hatte immer Schwierigkeiten damit, aber Milo war gut darin." Ihre mentalen Mauern waren wohl kaum das Problem.
"Meinem Verstand geht es gut." "Naja du hast in letzter Zeit viel Traumatisches erlebt. Vielleicht brauchst du einfach Zeit, um dich zu erholen. Ich bin froh, dass wir doch noch ein bisschen länger in Stockholm geblieben sind. Du musst dir deine nächsten Schritte gut überlegen."
Er meinte ihre Weiterreise nach Bittraslutet, ein unumstößlicher Teil ihrer Zukunft, in den Augen ihres Vater jedoch verhandelbar. Für ihn war ihr verbleib in Schwedens Hauptstadt ein Beweis ihrer Zweifel. Beinahe hätte sie darüber gelacht. Zweifel gab es nicht, würde es nie geben.
"Wir sollten bald weiter.", sagte sie, statt auf seine Bemerkung einzugehen. "Wohin willst du?" "Du weißt wohin." Matthias schluckte hart und nickte langsam. "Du hast es dir also nicht noch einmal überlegt?" "Was gibt es da zu überlegen?"
"Na zum einen siehst du furchtbar aus. Wie viele Nächte hast du jetzt schon nichts geschlafen und davor hattest du diese Lebensmittelvergiftung. Du wirkst nicht gerade stark genug, um es mit Isabella aufzunehmen."
In ihrer derzeitigen Verfassung hätte sie ihm fast recht gegeben, aber das änderte nichts an ihren Zielen. Bis sie in Bittraslutet waren, würde es ihr besser gehen. "William ist in Bittraslutet.", meinte sie als würden diese vier Worte ihre gesamte Sturheit erklären. Warum verstand Matthias es einfach nicht? Ihr Vater knirschte mit den Zähnen und strich enttäuscht über das Deck ihrer geborgten Yacht.
"Ich weiß. Ich weiß, warum wir fahren, und ich verstehe es...irgendwie, aber...Bartosz ist ein echt cooler Typ, mit ihm hätten wir viel Spaß. Wir könnten mit der Yacht über die Welt segeln und einfach...leben."
"Ohne William wäre es nichts wert, außerdem basiert eure Beziehung auf Manipulation, Vater. Nichts davon ist real." Vehement schüttelte er den Kopf. "Du irrst dich. Ich weiß, dass wir echte Freundschaft geschlossen haben. Es ist alles viel mehr als deine Manipulation. Bartosz und ich...wir sind wie Brüder."
Ava verdrehte leicht die Augen. Eine Beziehung, die auf Lügen fußte. Bartosz wäre nicht glücklich, wenn er wüsste, was in Wahrheit um ihn herum passierte. Matthias jedoch schien zu verbohrt, um sich diesen Umstand eingestehen zu wollen.
"Er verdient seine Freiheit. Wir haben ihm genug Geld und Lebenszeit gestohlen. Ganz zu schweigen von den Problemen, die wir auf unserer Reise verursacht haben. Du willst ihm doch nicht wehtun?"
Ihre Stimme war sanft, sie wusste, was Matthias an Bartosz band. Zwanzig Jahre Gefangenschaft und die damit verbundene Isolation. "Ich hatte seit zwanzig Jahren keinen Freund mehr. Allein in diesem verdammten Labor...Isabella hat am Anfang noch Assistenten zugelassen, aber jeder einzelne von ihnen war ein Spion und dumm wie Brot. Und nach einer Weile hat sie es aufgegeben und mich einfach alleine gelassen. Ich war immer allein. Du kannst dir die Einsamkeit nicht vorstellen. Niemand zum Reden, zum Berühren, niemand mit dem man lachen kann."
Der Horror in seinem Gesicht war überwältigend. Isolation war eine mächtige Waffe. Richtig angewandt konnte sie verheerenden Schaden in der Psyche eines Menschen anrichten. Ava kannte ihre kalten Finger nur zu gut. "Wir stehen beide auf diese Sendungen und italienische Küche. Ich hab schon lange nicht mehr so viel gelacht. Er ist ein echter Komiker."
"Es tut mir leid um deinen Freund. Aber da ist nichts zu machen. Wir müssen weiter. Bittraslutet wartet." Matthias war still und sah hinaus aufs Meer. Traurigkeit spiegelte sich im salzigen Wasser.
"Der Tod wartet dort zusammen mit Isabella und einer Armee." Und wenn es so wäre, würde sie auch diese nicht davon abhalten William zu retten. "Wir gehen. Noch heute. Sobald Bartosz wach ist verabschieden wir uns."
In stillem Protest stand Matthias auf und verließ sie. Ava sah ihm bekümmert nach. Keinesfalls wollte sie seine Gefühle verletzten, sie wollte auch nicht, dass er litt. Sie wollte einfach nur William und eine feste Umarmung.
Erschöpft legte sie den Kopf an die kalte Reling und schloss für einen Moment die Augen. Williams Schreie waren leiser geworden, nur noch ein beständiges Gemurmel in ihrem Kopf. Endlich konnte sie sich entspannen. Erleichtert sackte sie zusammen und gönnte sich ein paar lautlose Tränen. Alles, so sagte sie sich, alles würde besser werden sobald William wieder bei ihr war.
"Ich bin so weit.", erschrocken hob sie den Blick und bemerkte ihren Vater hinter sich stehen und mit grimmiger Miene warten. In seinen Händen hielt er zwei Reisetaschen. Seine eigene und ihre. Beide waren von nennenswerten Marken und hatten Bartosz sicher viel Geld gekostet. Zusammen mit dem weißen Poloshirt und der geraden Jeans wirkte Matthias sehr reich und sah Bartosz auf unheimlich Weise ähnlich. Ava stand auf und trat zu ihm.
"Wir können noch warten, bis Bartosz wach wird. Dann kannst du dich ordentlich verabschieden." "Wozu? Er ist nicht mein Freund, das hast du klar gemacht. Wieso hier Zeit verschwenden, wenn du so dringend weitermusst." Sein patziger Ton rieb unangenehm über angespannte Nerven und säuerlich griff sie sich ihre Reisetasche.
"Nur fürs Protokoll. Ich finde, dass eine sehr dumme Idee." "Verstanden.", entgegnete sie trostlos und ging von Bord. In der stillen Morgendämmerung hörte sie nur einige erwachende Möwen und das leise Plätschern der ruhigen See. Ein kühler Wind wehte ihre kurzen Haare in alle Richtungen. Matthias folgte ihr den Steg entlang, vorbei an zahlreichen beeindruckenden Yachten und einem verschlafenen Hafenmeister.
"Woran wird Bartosz sich erinnern?" Ihr Vater sah bekümmert zurück zu ihrer Yacht. Seufzend gestand sie die Wahrheit, obwohl eine Lüge zweifellos gnädiger gewesen wäre. "An alles. Er wird sich nur wundern, warum er all das für völlig fremde getan hat."
"Fremde?", hörte sie ihn murmeln und verschloss ihr Herz. Sie musste sich konzentrieren. Stockholm erwachte langsam aus seinem erholsamen Schlaf und das erste Café versorgte sie mit einem einfachen Frühstück. Mit vollem Magen fiel es Ava noch schwieriger wach zu bleiben, doch entschlossen trank sie ihren Kaffee und ging weiter.
"Wohin jetzt?" "Wir brauchen ein Auto." Auf einem ihrer Trips durch die Stadt war ihr eine Autovermietung ins Auge gesprungen. Nun musste sie sie nur noch einmal finden. Schweigend trottete ihr Vater hinter ihr her, offenbar hatte er keine Lust mehr hilfreich zu sein. So ergab es sich, dass er einfach in sie hineinlief als sie vor dem Gebäude der Autovermietung stehen blieb.
"Hey...warum bleiben wir stehen?" "Wir sind da." Er besah sich die Firma und seufzte theatralisch. "Na super." Ava ignorierte ihn, sie war mächtig stolz darauf den Weg zurück gefunden zu haben. Mit ein wenig Telepathie und der festen Überzeugung, dass die Firma weder eine Adresse noch einen Ausweiß brauchte, überreichte sie ihr Monopoly-geld dem Besitzer und griff sich die Schlüssel.
Vor dem Auto hielt Matthias ihr seine Hand fordernd entgegen. "Was?" "Lass mich fahren. Du kannst ja nicht mal mehr gerade gehen, so müde bist du. Ich hab gut geschlafen. Also ist es sicherer, wenn ich fahre." "Aber..-" "Außerdem kenne ich den Weg. Du nicht." Gegen dieses Argument konnte sie nicht ankommen. Kaum saßen sie im Wagen, fuhr er los. "In welche Richtung fahren wir?"
"Norden. Bittraslutet liegt nördlich von Stockholm." Sie warf ihm einen zweifelnden Seitenblick zu. "Bist du sicher?" "Ich war schon mehrmals dort. Keine Sorge ich kann dich zu deinem Schicksal bringen." In dieser Hinsicht musste sie ihm vertrauen.
"Wieso warst du dort?" "Isabella hat das beste Equipment in ihrer Einrichtung in Bittraslutet. Nur dort kann man gewisse Prozesse in Gang setzen und so ungern ich ihr geholfen habe, war mir über die Jahre doch langweilig genug, um einige Experimente zu starten."
"Irgendwas mit Erfolg." "Kleinigkeiten.", antwortete er ominös und hielt den Blick auf die Straße gerichtet. Da war mehr. Schon wieder verbarg er sein Wissen hinter einer Wand des Schweigens. Wäre sie nicht todmüde gewesen...vielleicht hätte sie dann die Kraft aufgebracht nachzubohren.
"Du solltest dich entspannen. Wir werden erst in etwa drei Stunden ankommen." Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen die Fensterscheibe. Nur kurz ausruhen...nur ganz kurz. Die Straße sauste an ihrem Fenster vorbei und die Sonne machte ihren Weg über den Horizont. Irgendwann schlief sie ein und wurde erst wach als der Wagen stoppte.
Desorientiert suchte sie nach Matthias. Sie standen an einer Tankstelle. Sie war klein und unscheinbar. Zwei Gebäude am Rand einer Grünfläche. Menschen standen am Klo an, tranken Kaffee oder rauchten. Matthias beäugte die Zapfsäule misstrauisch. Ava sah auf die Uhr und spürte ihren Magen knurren. Es war Mittagszeit.
Verschlafen öffnete sie ihre Tür und hinaus. Die frische Luft entlockte ihr ein Gähnen und verspannt dehnte sie ihre Muskeln. So angenehm das Schläfchen auch war, in einem Autositz schlafen hinterließ immer ordentliche Verspannungen.
"Guten Morgen, Schlafmütze. Du warst ja wie tot." Ava trat zu ihrem Vater und lächelte leicht. "Jetzt gehts mir auf jeden Fall besser." "Freut mich. Übrigens hast du eine Ahnung welche Art von Treibstoff da reingehört?"
"Ne, keinen blassen Schimmer. Nimm einfach irgendeinen. So weit ist es doch nicht mehr, oder?" Unzufrieden kratzte er sich am Kinn. "Es wäre unklug den falschen Benzin zu nehmen. Was ist, wenn wir schnell wegmüssen und uns das Auto abstirbt." Damit hatte er gar nicht so unrecht. Wenn sie William erst mal gerettet hatten, mussten sie auch irgendwie wieder verschwinden.
"Richtig. Das hab ich nicht bedacht." Matthias Augen verengten sich. "Aber du hast an einen Fluchtplan gedacht, oder? Und du weißt, wie du William da rausholen willst?" "Also...ich.."
"Ava, du hast einen Plan, richtig? Du hast dir doch schon was überlegt. Du kannst nicht einfach nach Bittraslutet und mit William wegfahren. Isabella wird tausend verschiedene Protokolle haben, um genau das zu verhindern."
Sie sah unsicher zur Seite. Sie hatte keinen Plan, keine Idee, keinen Einfall. Sie war keine Planerin wie William. In den meisten Situationen war sie eine schnelle Denkerin und das hatte immer gereicht. Matthias Fragen machten sie nervös.
"Was wirst du tun, wenn wir da sind?" "Da...werde ich mir dann was einfallen lassen." "Du wirst..?Was?" Schockiert lehnte er sich ans Auto und stützte den Kopf in die Hände. Ava wackelte von einem Fuß auf den anderen.
"Vater, bitte. Ich weiß was ich tue. Vertrau mir, ich hab Milo auch aus dem Gefängnis befreit und hatte zehn Minuten vorher keine Ahnung wie ich das machen sollte."
"Das ist was vollkommen anderes!", schrie er sie an. Wütend blitzten seine Augen und offenbarten den menschengemachten Wahnsinn in seinem Inneren, "Isabella weiß von deinen Gaben, sie weiß, dass du kommst!" "Sie hat keine Ahnung wie mächtig ich wirklich bin." Ihr Vater blickte stöhnend zum Himmel.
"Sie weiß sehr genau was auf sie zukommt. Seit zwei Jahrzehnten studiert sie das Serum und seine Wirkung. Selbst wenn sie keine genaue Idee von deinen speziellen Kräften hat, kann sie sich darauf vorbereiten. Sie kann deine Schritte vorhersehen."
Scheiß drauf!, wollte sie ihm entgegen schreien, doch verkniff sich die bissige Erwiderung. Sie würde sie wie ein Kind wirken lassen. Alles was Matthias sagte, ergab Sinn und doch würde es keinen Unterschied machen.
"Ich schaff das. Du wirst schon sehen. Ich geh da rein und manipuliere sie so wie wir sie brauchen." Stille. Richtig unangenehme Stille. "Du hast mir nicht zugehört. Die ganze Zeit über habe ich dir gesagt, worauf du aufpassen musst, was dich erwartet. Ich kann nicht...", er wandte ihr den Rücken zu.
Das Schweigen zog sich in die Länge, was sollte sie auch sagen. Wie sollte sie ihn überzeugen, wenn sie selbst Zweifel hatte. Wie in Zeitlupe ging Matthias zum Kofferraum und holte sein Gepäck heraus. Unheimlich sanft legte er es auf den Boden und schloss den Kofferraum wieder. Die Welt stand still.
"Was tust du da?", hauchte sie perplex und starrte auf die Antwort zu ihren Füßen. Er würde sie verlassen. Er würde gehen, sich selbst retten und sie zurücklassen. Den Blick gesenkt hob er seine Reisetasche hoch.
"Ich hab alles versucht, Ava, wirklich alles. Aber du willst nicht vernünftig sein." "Und was soll das heißen?" Wie hatte sie so dumm sein können ihm zu vertrauen? Er war niemand, niemand für sie. "Ich kann da nicht mitmachen. Ich kann es einfach nicht. Zwanzig Jahre habe ich in ihrem Gefängnis gesessen. Ich kann das nicht noch einmal. Du hast keine Ahnung was für Qualen sie dir beibringen kann."
"Dieselben Qualen, die William gerade durchmacht." "Und das tut mir leid, ehrlich, aber er ist nicht mein Sohn. Er ist noch nicht mal mit mir verwandt. Du bist mein Tochter, dich wollte ich retten. Aber ihn...ich kann nicht für ihn sterben und ich kann nicht dabei zusehen, wie du es tust."
Ihr stockte der Atem und für einen Moment verfluchte sie ihr Herz, ihre Gefühle, diese bescheuerte Sehnsucht nach einem Vater. Archer kam ihr in den Sinn, hätte sie niemals einfach im Regen stehen lassen. Selbst in den Unmöglichsten Situationen war er bei ihr geblieben.
Bitter sah sie ihren Vater, dessen blaue Augen ihren so ähnlich waren, ein letztes Mal an. "So einfach also, kannst du mich verlassen." "Nichts daran ist einfach für mich. Aber ich sehe keinen anderen Weg." Um sie zu zwingen nicht nach Bittraslutet zu gehen. Er zwang sie zwischen William und ihn zu wählen, sich zu entscheiden.
Ava öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Trauer flutete durch ihren Körper, verdrängte Müdigkeit und hinterließ nichts als Ödland. "Da vorne ist die Abbiegung nach Bittraslutet. Isabella kontrolliert jeden Aspekt dieses Ortes. Nichts geschieht ohne ihre Einwilligung. Sobald du ihren Ort betrittst, bist du verloren."
Matthias nahm ihr Gesicht in seine Hände. Sie zitterten. "Bitte komm mit mir. Lass mich dich retten." Und zu gerne wäre sie das Kind gewesen, dass sich von ihrem starken, mutigen Vater retten ließe, aber Ava war erwachsen. Andere hatten sie erzogen, andere hatten sie hart gemacht.
Und William hatte sie befreit. Er hatte sie mit Liebe überschüttet und wunden geheilt. Wenn sie ihn verriet, würde sie sich selbst zerstören. Unendlich sanft entzog sie sich seiner Berührung und trat einen Schritt zurück.
"Geh Matthias. Rette dich. Zwanzig Jahre hast du es ohne Familie ausgehalten, da wirst du es auch bis an dein Lebensende schaffen." Der alte Mann vor ihr zerbrach in tausend Stücke. Die weißen Haare schienen weißer, die Falten tiefer. Von seiner kindlichen Spontanität, Freude und Lebenslust war nichts mehr übrig.
"Aber...ich bin immer noch dein Vater. Ich liebe dich und wir..." "Sind Fremde. In allen Belangen war Ichabod Archer mein Vater und damit ist mein Vater vor fast drei Jahren gestorben."
"Ichabod...", Der Mann, den sie früher ihren Vater genannt hatte, vergoss lautlos tränen, "Es tut mir leid. Ich wünschte, wir könnten die Zeit zurückdrehen und von vorne anfangen. Du, ich und Georgie. Einfach...in Frieden leben."
"Ich will davon nichts mehr hören. Es ist nicht Isabella, die uns heute hier trennt. Du hast diese Entscheidung getroffen. Du allein. Und damit ist es entschieden. Verschwinde.", sie drehte sich auf dem Absatz um und stieg ins Auto. Natürlich verstand sie es. Genetik verband sie. Nichts sonst. Und dieses Band war leicht durchtrennt.
Im Rückspiegel verfolgte sie seinen Abgang und tat alles, um ihre dumme Hoffnung und die Tränen zu unterdrücken. Er wandte sich nicht um, er überlegte es sich nicht anderes. Da war kein Zögern in seinem Schritt. Still verschwand er aus ihrem Blickfeld und brach damit ein Stück aus ihrem Herzen. Schluchzend hielt sie sich die imaginäre Wunde an ihrer Brust.
Sie hätte ihm niemals vertrauen dürfen. Ein Zittern lief durch ihren Körper und das Auto wackelte, die Tankstelle wackelte. Es war Zeit zu gehen. Heftig atmend schloss sie die Augen und verbannte jeglichen Gedanken an ihren Vater. Sperrte die Gefühle aus und setzte die kalte Maske ihrer Jugend auf. Sie saß etwas schief, aber es würde reichen, um die Kontrolle zu bewahren.
Die Tankanzeige war beinahe voll, dieser Stopp nur ein weiterer Versuch sie von ihren Plänen abzuhalten. Nutzlos, eine fruchtlose Aktion, die ihr ein ums andere Mal bewies, dass Matthias sie nie verstanden hatte, es nicht einmal versucht hatte.
Mit verbissener Miene startete sie den Motor und fuhr los. Die Straßenschilder wiesen sie zielsicher nach Bittraslutet und diesmal würde sie nichts aufhalten. Alles was gesagt werden musste, war gesagt worden. "Ich komme, William. Halte nur noch ein bisschen durch. Ich bin fast da." Damit trat sie aufs Gas.
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