5. Eine verlorene Hoffnung

Wohlwollend schaffen wir Harmonie- Wohlwollend schaffen wir ein Paradies

Es dauerte gefühlt ewig den Weg zur Hafenstadt Sopot zu finden. Matthias Sprachkenntnisse waren bei der Suche durchaus hilfreich, aber Ava vermutete, dass er sich extra Zeit ließ. Weder sein Gesichtsausdruck noch seine Stimme wirkten freundlich, wenn er Passanten nach dem Weg fragte. Dementsprechend waren die Antworten meist knapp und vage.

Die Sonne war längst untergegangen, als sie endlich die Küste und das Meer erreicht hatten. Ein Gefühl von Freiheit überkam sie als sie das glitzernde Nass ruhig daliegen sah. Das Meer war immer ein Ruhepol für sie gewesen.

Bei ihren Ausflügen nach Amsterdam und dem dazugehörigen Strandbesuch hatte William sie jedes Mal fortzehren müssen. Nichts war magischer, außer vielleicht ein guter Kuchenteig. Matthias parkte den Wagen in der überschaubaren Innenstadt und sah sie herausfordernd an.

"Und jetzt?" "Jetzt besorg ich uns eine Überfahrt nach Stockholm." "Um diese Zeit?", zweifelnd hob er die Augenbrauen. Ava sparte sich einen genervten Kommentar und stieg aus. Ihr Bein war ohne Verband viel beweglicher und obwohl ihre ersten Schritte langsam und schmerzhaft waren, wurde es besser.

Matthias folgte ihr wie ein widerwilliger Bodyguard mit verschränkten Armen und säuerlicher Miene. Ihn ignorierend besah sie sich die Umgebung. Sopot war eine malerische, kleine Touristenstadt, die als Bonus sozusagen, die Ostsee bieten konnte. Um diese späte Stunde waren jedoch die kleinen Geschäfte geschlossen.

Einzig in den Restaurants brannte Licht und Geräusche wanderten zu ihnen. Hungrig roch sie die warmen Speisen. Natürlich hatte Matthias nicht für ein Mittagessen angehalten. Die Snacks aus diversen Tankstellen hatten reichen müssen. Nun allerdings konnte sie ein ärgerliches Magenknurren nicht unterdrücken.

"Wir könnten was essen gehen?", schlug ihr Vater mit ebenso sehnsüchtigem Blick vor. Auf keinem Fall würde Ava jetzt nachgeben. Nach dem miesen Tag zwischen ihnen kam es ihr wie Rache vor als sie kopfschüttelnd antwortete.

"Nein. Wir brauchen eine Fähre oder sowas. Dort gibt es sicher auch essen." "Ich glaube echt nicht, dass zu dieser Zeit was fährt." Damit konnte er recht haben. Der Hafen war dunkel, Passagierschiffe schienen entweder bereits abgelegt oder zugesperrt worden zu sein. Neben den Touristenfähren und Booten für Touren ankerten auch einige großzügige Segelschiffe und Yachten in dem kleinen Hafen.

Zielstrebig humpelte sie zu den privaten Schiffen. Die recht kriminelle Idee, die ihr vorschwebte, würde William keineswegs gefallen, aber ihr bereitete sie fast Freude. Sie hatte schon immer mal auf einer Yacht relaxen wollen. Ein etwas kleineres Model, schnittig und absolut makellos rein schien wie eine verlockende Sirene nach ihr zu rufen. Mit großen Augen berührte sie die kalte Außenwand. Sie wollte mit genau diesem Schiff nach Stockholm!

"Was hast du vor?", zischte ihr Vater hinter ihr und sah sich verstohlen um, "die gehört jemanden." "Ich weiß." Ava kletterte über die Absperrung und suchte nach einer Möglichkeit an Bord. "Wir klauen dieses Schiff."

"Das ist Schwachsinn. Ich habe keine Ahnung wie man so was fährt und du genauso wenig. Außerdem haben wir keinen Schlüssel für das Ding." "Ist mir egal. Das kriegen wir schon raus. Wie schwer kann es schon sein.", winkte sie seine Einwände leichthin ab. In ihren Augen war es eine super Idee. "Ava, dass ist dumm. Wir werden uns noch umbringen und dann nützen wir William gar nichts."

"Und was schlägst du stattdessen vor?" Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn herausfordernd an. Sie hatte es sich versprochen, kein nachgeben, kein zurückweichen. Matthias gab sich unbeeindruckt von ihrer miesen Laune.

"Wir warten hier und nehmen die erste Fähre nach Stockholm." "Das dauert zu lange. Wir verlieren zu viel Zeit." "Hey!", schrie plötzlich ein Mann hinter ihnen und startete mit hochrotem Kopf einen wütenden, polnischen Monolog.

Mit seinem weißen Poloshirt und den enganliegenden Jeans erinnerte sie der Mann an Geld, höchstwahrscheinlich geerbt. Seiner Körpersprache nach war das wohl sein Boot, dass Ava um jeden Preis stehlen wollte. Unsicher beugte sie sich zu Matthias und zog die Augenbrauen hoch.

"Schätze mal er ist nicht so happy, dass wir sein Eigentum klauen wollen." "DU willst sein Eigentum klauen. Und ja. Er will die Polizei rufen." "Petze." Über seinen kleinen Verrat enttäuscht spitze Ava die Lippen und trat schließlich lächelnd zu dem Fremden. Wäre doch gelacht, wenn sich diese Situation nicht ausnutzen ließe.

Ohne große Schwierigkeiten drang sie in seinen Kopf ein und flüsterte ihm neue Tatsachen ins Ohr. Sie waren Freunde...alte Freunde, deshalb gab es auch überhaupt keinen Grund die Polizei zu involvieren. Ganz im Gegenteil. Bartosz, ihr neuer bester Freund besaß eine freigiebige Hilfsbereitschaft.

"Sag ihm, dass wir nach Stockholm müssen.", bat sie ihren Vater, ohne den Blickkontakt zu Bartosz abzubrechen. Matthias räusperte sich und übersetzte. Bartosz grinste von einem Ohr zum anderen und machte eine einladende Geste auf seine schnittige Yacht.

"Das ist nicht dein Ernst.", brummte Matthias und ein siegreiches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie flog beinahe an Deck. "Los! Ich wollte schon immer mal auf einer Yacht sein." 

"Ich halte das für keine gute Idee." "Du hältst diese ganze Reise für eine schlechte Idee. Komm schon. Sag mir jetzt nicht, dass dich die Yacht nicht neugierig macht." Er verzog widerwillig das Gesicht und Ava musste lachen. Ihr Vater war eindeutig neugierig, aber er war auch genauso stur wie sie.

"Ich trau ihm nicht. Was ist, wenn du schläfst und die Manipulation nachlässt?" "Ich hab ihn ja nicht in dem Sinn manipuliert. Ich habe nur ein paar Erinnerungen in seinem Kopf verändert. Er hält uns für Freunde. Außerdem ist er nicht sehr helle...und leicht angetrunken."

Mit diesen geflüsterten Worten verschwand sie um eine Ecke und zwang so Matthias ihr zu folgen. "Was hast du gesagt?" "Was meinst du?" "Da...da gerade eben. Er ist nicht sehr helle und..."

"Und ein sehr guter Fahrer. Es wird schon gut gehen." Verständnislos schüttelte Matthias den Kopf und gab sich geschlagen. "Du lässt dich ja sowieso nicht davon abbringen."

"Richtig.", triumphierend kletterte sie unter Deck. Bartosz Yacht war zwar klein, aber luxuriös in den kleinsten Details. Teures Leder und exquisites Holz schmückten den Innenraum der Kajüte. Gold blitzte und Silber schien. "Wow.", ihr blieb der Mund offenstehen. Matthias machte neben ihr denselben Gesichtsausdruck.

"Verdammt. Und das gehört alles ihm?" "Manche Leute haben Geld...ich meine so richtig Geld." Bartosz redete wie ein Wasserfall, ihm schien das nach alter Kohle stinkende Gold gar nicht mehr aufzufallen. "Was redet er da?" Matthias blinzelte heftig und begann sich auf Bartosz Worte zu konzentrieren.

"Er redet von irgendwelchen Pferderennen und Aktien. Und...heilige Scheiße, ist der betrunken?!" "Nur ein bisschen.", erwiderte sie kleinlaut und strich über die Arbeitsplatte der kleinen Kochinsel. War das Marmor?

"Ein bisschen? Sieh dir seine Wangen an. Knallrot und er schwitzt total." Glühend rot, um genau zu sein. Bartosz bärtige Wangen glühten, aber sein Blick war klar und selbstsicher. Stolz öffnete er den vollgefüllten Kühlschrank, danach zeigte er ihr ein großes Bett und ein Badezimmer. Offensichtlich sollte sie sich wie zuhause fühlen.

Matthias freudlose Übersetzung sagte nichts Gegenteiliges. Nach der kleinen Tour setzte Bartosz sich hinters Steuer und begann sein Boot auszuparken. Trotz des kleinen Schwipses schien er keine Probleme beim Lenken zu haben. Die Yacht trieb ruhig und schnell über die leichten Wellen.

Ava entspannte sich. Eine unruhige Stimme in ihrem Kopf (die sich verdächtig nach William angehört hatte) war mit sorgenvollen Szenarien kaum zu überhören gewesen.

"Sieht so aus, als würden wir nach Stockholm fahren. Bartosz meinte es würde die ganze Nacht und den halben Vormittag dauern.", Matthias setzte sich geknickt an den Esstisch und starrte einem Häufchen Elend gleich auf seine Hände. Mitfühlend öffnete sie das Kühlfach und holte eine Packung Eiscreme heraus. Mit zwei Löffeln in der Hand nahm sie neben ihm Platz.

"Kopf hoch. Wir sind auf einer sauteuren Yacht und dürfen uns die Bäuche mit Gourmetessen vollstopfen. Ich weiß, dass es nicht das ist, was du jetzt gerne tun würdest, aber ich bin trotzdem sehr froh, dass du an meiner Seite bist, .... Papa." Ein winziges Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.

Ava schluckte. Das Wort war ihr nicht leichtgefallen, aber er war hier. Er hatte sein Wort gehalten. Somit hatte er es sich verdient, wie Familie behandelt zu werden. "Ich wünschte die Dinge wären so einfach." "Sind sie doch!"

"Du vergisst, dass ich genau weiß, was uns in Bittraslutet erwartet. Du unterschätzt Isabella." Kälte kroch in ihr Gesicht, ihre Mimik und strahlte durch ihre Augen. "Vielleicht unterschätzt du aber auch mich. Ich bin nicht hilflos. Ich habe Macht und ich weiß sie zu nutzen. Du hast keine Ahnung was ich alles kann und bereits getan habe."

Sie hatte für ihre Freiheit gekämpft, hatte sogar Milo besiegt. Diesen Triumpf ließ sie nicht einfach nehmen. Isabella würde schon sehen, wie weit sie bereit war zu gehen, um William zu retten. Matthias runzelte die Stirn. "Ich weiß fast nichts über deine Vergangenheit."

"Geht mir genauso." Immer noch sah sie Geheimnisse in seinem Blick. Die kleinen Häppchen, die er ihr bereitwillig gab, verbargen dunklere Teile seines Lebens. "Kannst du...", begann Matthias und rutschte unruhig auf seinem Hintern herum, "kannst du mir von deiner Kindheit erzählen? Deinem Leben? Ich will es verstehen. Ich will dich verstehen."

Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe und lehnte sich zurück. Er wollte sie verstehen? Eine logische Frage für ihren Vater. Natürlich würde er mehr über sie erfahren wollen, anders als ganz Europa hatte er in seinem Gefängnis sicher kein Internet gehabt, um all die Interviews und Bilder der Medienwelt zu sehen. Aber....damit würde sie ihn ein weiteres Stückchen an sich heranlassen.

Mit jedem weiteren Schritt in ihrer Beziehung war er in der Lage ihr furchtbare Schmerzen zuzufügen. William hatte Jahre gebraucht, um ihr volles Vertrauen zu gewinnen. Nur weil es einen biologischen Faktor zwischen Matthias und ihr gab, wollte sie nicht voreilig werden. Matthias bemerkte das Zögern in ihrer Körpersprach.

"Du musst mir nichts erzählen, dass du lieber für dich behalten würdest. Ich höre dir zu, egal was du sagen möchtest." "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.", meinte sie ehrlich. Was würde ihren Vater interessieren? Welche Fakten über sich konnte sie preisgeben oder anders wollte sie preisgeben.

Mit seinen großen erwartungsvollen Augen bereitete er ihr unbewusst Druck. Seufzend sagte sie das erste, das ihr durch den Kopf ging. "Als ich klein war, hab ich mich oft angemalt. Meine Geburtsmale haben mir das Gefühl gegeben bereits bemalt zu sein, also hab ich einfach weitergemacht. Meine Betreuer fanden das nicht so toll.", ihr Lächeln verrutschte, als sie an die Standpauken dachte, "als sie mich das dritte Mal erwischt hatten, haben sie mir die Stifte weggenommen. Danach war ich vorsichtiger. Hab mich nur angemalt, wenn ich es schnell abwaschen konnte."

"Hatten sie keine Nachsicht? Du warst doch ein Kind." Schnaubend verschränkte sie die Arme. "Nachsicht. Nein, sowas kannten sie nicht. Auch nicht bei meinen Schulnoten."

Sie war eine langsame Lernerin gewesen, langsamer als es sich manche ihre Privatlehrer gewünscht hätten. "Was war dein Lieblingsfach in der Schule?", fragte Matthias erfreut darüber, eine so simple Frage stellen zu können. "Technisch gesehen, habe ich nie eine Schule besucht. Ich hatte Privatunterricht."

"Warum? Das muss doch sehr viel gekostet haben." Unverständlich schüttelte er den Kopf. Die Regierung hatte in diesem Punkt niemals Abstriche gemacht und das Geld aus den Medienverkäufen reichte locker aus, um ihr jeden Unterricht zu finanzieren.

"Das war kein Problem. Ich hab ja auch viel Geld eingespielt." "Wie meinst du das?" "Meine Bilder, die Interviews, die Texte über Georgette und mich. Der ganze Merche. Von dem Geld habe ich nie was gesehen. Die Regierung hatte einen großen gewinn mit mir." Matthias Wangen wurden rot. Beinahe so rot wie die von Bartosz keine zehn Minuten davor. "Sie haben dich verkauft?"

"Wenn du es so sehen willst. Allerdings würden da sicher einige Menschen gegenargumentieren. Ich hatte immer das Gefühl benutzt zu werden und weniger verkauft. Die Menschen waren neugierig auf mich und die Regierung hat das ausgenutzt. Im Nachhinein und mit einigem Geld aus eben diesen Medienverkäufen auf dem eigenen Konto ist das alles kaum mehr als ärgerlich."

Sie hatte sich mit diesem Teil ihrer Vergangenheit längst abgefunden, es gab wesentlich wichtigere Probleme, die ihre gesamte Wut in Anspruch nahmen. Matthias schäumte jedoch regelrecht vor Zorn und das erste Mal seit sie ihn kannte, sah sie einen Funken des berechtigten Wahnsinns in seinen Augen glitzern.

Dieser Mann hatte jahrelanges Trauma hinter sich und wie Georgette war dabei ein Teil von ihm kaputt gegangen. Ohne Zeit um zu heilen, würde daraus sicherlich eine eiternde Wunde im Verstand ihres Vaters werden.

"Diese Bastarde! Du warst ein Kind, hilflos und unschuldig! Wie konnten sie dir sowas antun? Sie hätten dich beschützen müssen. Wenn ich diese miesen Drecksäcke erwische.", sein Geschrei ließ Bartosz aufhorchen. Schnell lächelte sie ihrem Kapitän zu und legte eine Hand auf Matthias Schulter.

"Beruhig dich. Du machst unseren Fahrer nervös, außerdem hat Milo dir diese Aufgabe längst abgenommen. Schon vergessen?" Erkenntnis flammte in seiner Mimik auf. "Stimmt, ja, Milo hat dich und Georgie gerächt." "Und mich befreit. Ich schätze ohne ihn wäre ich irgendwann explodiert." Matthias lächelte traurig.

"Milo und ich waren uns nie nahe. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass er mich gemocht hat, aber er hat gesehen, dass Georgie mich liebte und hat Abstand genommen. Er hätte alles für sie getan und für dich. Ich hatte immer die Idee, dass wir mit genügend Zeit eine Familie geworden wären. Eine glückliche Familie. Georgie und ich, Milo und du und vielleicht sogar Ichabod als euer ruhiger Onkel."

Matthias lächelte verträumt, doch in seinen Augen glitzerten Tränen. Es war eine schöne Fantasie, eine verlorene Hoffnung, "Ichabod... Wieso hat er nichts unternommen, um dir zu helfen?" Archers liebevolles Lächeln blitze in ihrem Kopf auf. Sie vermisste ihn.

"Er hat sein Möglichstes getan, aber gegen direkte Befehle konnte er sich nicht wehren. Und wäre er zu freundlich mit mir umgesprungen, hätten sie ihn vielleicht ersetzt. Sei ihm nicht böse, bitte, er hat wirklich alles versucht." Er hatte ihr Liebe und Geborgenheit geschenkt, als sie völlig allein auf der Welt gewesen war. Ohne Archer wäre sie wohlmöglich wirklich verrückt geworden.

Matthias stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen. "Ich kann das alles nicht verstehen. Isabella hat mir versprochen, dass dir nichts geschieht. Ich war doch in diesem Keller, damit du in Frieden leben konntest."

"Aber das habe ich doch. Ich habe gelebt, zwar in einem Käfig, aber mehr hat dir weder Isabella noch mir die Regierung versprochen. Sei perfekt, dann darfst du leben. Das war mein Motto. Erst als William an meinem zwanzigsten Geburtstag aufgetaucht ist, hat sich das geändert. Er hat mich aus dem Käfig befreit. Er und Milo. Auf ihre Art und Weise haben sie beide versucht mir zu helfen. Genauso wie Ichabod."

"Und es hat funktioniert.", hauchte ihr Vater bekümmert, "aber um welchen Preis." Ava biss die Zähne zusammen, sie kannte den Preis sehr viel besser als Matthias. Milos Verlust ebenso wie Archers hatten tiefe Löcher in ihr Herz gerissen und jeden Tag dachte sie daran was sie verloren hatte. "Zumindest war er für dich da. Ichabod meine ich. Zumindest hat er sich um dich gekümmert."

"Ich glaube sogar, dass er William mit Absicht in mein Leben gebracht hat. Er wusste genau, dass ich einsam war und hat wohl Kuppler spielen wollen." Ihr Vater lachte leise und wischte sich die Tränen von den Wangen. Auch er schien den Verlust seines Bruders zu spüren. "Das kann ich mir gut vorstellen, er war so ein Typ Mensch. Und ich bin sicher, dass er dich geliebt hat."

"Genau wie William, der jetzt in einer Zelle verrottet, weil er mich liebt. Manchmal habe ich das Gefühl, alle die mir nahekommen, sterben. Als würde ein verdammter Fluch auf mir lasten." Matthias riss sie unerwartet in seine Arme. Seine warmen Hände strichen beruhigen über ihren Kopf.

"Nein, sag das nicht. Niemals. Das ist Blödsinn. Mit dir hat das nichts zu tun. Es gibt einfach zu viele böse Menschen da draußen, aber du nicht. Du bist meine Tochter, mein Engel." Ava konnte seine Liebe in jeder Berührung wahrnehmen. Vorsichtig legte sie den Kopf an seine Brust und horchte auf das beständige Schlagen seines Herzens.

Für ihren Vater mochte die Sache eindeutig sein, doch ihre Ängste wurzelten tief und mit dem nagenden Gefühl William im Stich zu lassen, wurden sie nur schlimmer. Hastig presste sie ihre Furcht in den Hintergrund, verdrängte die Angst und nahm Abstand. Mit einem zittrigen Einatmen fiel ihr Blick auf die langsam schmelzende Eiscreme.

"Ich könnte jetzt echt was süßes vertragen.", lachte sie und nahm sich einen großen Löffel des köstlich, höchstwahrscheinlich sehr teuren Eises. Eine Handlung, die sie sofort bereute, als ihr Gehirn einfror. Matthias lachte über ihren verkniffenen Gesichtsausdruck.

"Hirnfrost?" Nickend wischte sie sich die leisen Tränen von den Wangen. "Und wie, aber zumindest ist die Eiscreme gut." Matthias nahm ebenfalls einen Löffel und stöhnte genüsslich. "Das muss sie auch sein. Hast du das Preisschild gesehen?" Hatte sie nicht und es interessierte sie auch nicht. Erfreut ließ sie jeden Löffel der köstlichen Süßspeise in ihrem Mund zergehen.

"Erzähle mir mehr. Was hast du am liebsten in deiner Freizeit getan?", bat Matthias sanft. Ohne Zögern beantwortete sie Frage. "Ich backe gerne. Bin sogar richtig gut darin."

"Wirklich?" Sein überraschter Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen. "Ja, wieso findest du das so überraschend?" Ihr Vater zog die Augenbrauen hoch. "Georgie wusste nicht mal wie ein Herd aussieht und ganz ehrlich, ich bin auch eher der instantnudeln-Typ. Wie hast du dir denn dieses Hobby ausgesucht?"

"Ein Hobby ist es nicht mehr. Ich arbeite seit einiger Zeit in einer Konditorei und verkaufe dort meine Kreationen. Aber angefangen hat es mir einer meiner Betreuerinnen, Sylvia." Matthias beugte sich interessiert vor. "Wow! Also jetzt hast du mich neugierig gemacht. Ich muss auf jeden Fall etwas von dir probieren."

Lächelnd beschrieb sie ihm ihre Lieblingstorte und merkte sofort, dass ihr Vater eine Naschkatze war. Ihm lief der Speichel förmlich aus dem Mund. "Hobbies waren schwierig. Ich durfte nicht allzu viel Kontakt zu anderen haben und meine Wohnkosten durften auch einen bestimmten Rahmen nicht überschreiten, aber Backen war etwas das die Regierung zugelassen hat. Die Betreuer freuten sich immer über den Kuchen und die Psychiater waren der Meinung es sei eine sinnvolle Art meinen Mitmenschen Freude zu machen. Also hab ich gebacken. So oft es ging. Hat mich glücklich gemacht...mir geholfen, wenn der Druck zu groß war."

Matthias hörte ihr zu, stellte Fragen und beantwortete ihre. Ihr Streit war wie weggeblasen und zurück blieb die Vater-Tochter-Beziehung, die sie sich beide wohl wünschten. Als es spät wurde, gingen sie zu Bett.

Bartosz gigantisches Doppelbett bot genügend Platz, obwohl das im Grunde egal war. Ava verbrachte einige Stunden der Nacht am Klo und übergab sich. Schweißgebadet gestand sie sich ein, dass ihr das Meer nicht guttat.

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