Vol. 7


"oh, baby, take a look around
i'm the only one that hasn't walked out"

- - -

Wir begaben uns zu viert in das Wohnzimmer, setzten uns auf das graue, bequeme Ecksofa und redeten über Alles mögliche; ihre Universität, Professoren, lustige Erinnerungen, wie sie sich jeweils kennenlernten, sowie mein und Summer's Abenteuer. Es war überraschenderweise angenehm mit ihnen Zeit zu verbringen. Die Freundschaft zwischen den Dreien war bewundernswert, sie waren ein echtes Team. Doch es wurde ziemlich spät, also gingen Ezra und Anthony bereits zum Schlafen in ihr Zimmer, natürlich nicht ohne sich vorher von mir zu verabschieden.
Somit waren Summer und ich alleine.

"Normalerweise lüge ich Ezra nicht an, es ist fast unmöglich.", sprach sie kleinlaut. Ich wusste sofort, worauf sie hinaus wollte.

"Du hast nicht gelogen, Summer.", meine Hand fand ihre Schulter, "Bloß eine Kleinigkeit von der kompletten Wahrheit ausgelassen."

Sie schnaubte, schüttelte dabei den Kopf: "Eine Pistole ist keine Kleinigkeit, Hunter."

Ich entfernte meine Hand, um mir mit dieser, durch die Haare zu fahren. Schuldgefühle zerrten an mir. Ich hätte sie niemals anspechen sollen.

"Du wirst mir nicht deine ganze Geschichte erzählen, oder?", fragte Summer dann, "Auch wenn wir uns wahrscheinlich nie wieder sehen werden?"

Ein Seufzten entfloh mir. Ich brauchte dringend eine Zigarette, sonst würde ich anfangen zu heulen.

"Es tut mir Leid.", entgegnete ich aufrichtig und wie erwartet, brannten schon Tränen in meinen Augen

"Lüg mich an."

Daraufhin starrte ich die Blauhaarige verwirrt an: "Wie bitte?"

Sie wand nun entschlossen, ihren ganzen Körper zu mir: "Erzähl mir eine große Lüge über deine Zukunft. Eine, an die ich denken kann, wenn ich mich Mal frage, was du wohl so treibst."

"Wirklich?", Summer nickte, also fuhr ich fort, "Eine falsche Zukunft erfinden? Das müsste machbar sein."

Das Mädchen kicherte: "Jup, tu mir den Gefallen und schieß los."

"Ich fahre zum nähsten Flughafen und nehme 'nen Flug bis an's andere Ende der Welt. Dort ziehe ich in die Hauptstadt, wo immer Etwas los ist, eine Großstadt die niemals schläft.", erzählte ich verträumt, wenn das echte Leben bloß so einfach wäre, "Ich werde alleine, in einer kleinen Wohnung leben, ganz nah an einer Kunsthalle, denn ich bin tagsüber strebender Künstler."

"Und was bist du bitteschön, während der Nacht?", wollte sie amüsiert wissen.

"Superheld natürlich!", antwortete ich mit einem schiefen Grinsen, "Oder halt Barkeeper, ich denke das würde viel mehr Geld einbringen."

"Klingt echt wunderbar.", sagte Summer dann und knibbelte am roten Nagellack auf ihren Fingernägeln.

"Was wird deine Zukunft sein?", erfragte ich, "Du kannst mich auch ruhig anlügen."

"Ich mag dich nicht anlügen und habe keine Ahnung, wie meine Zukunft aussehen wird.", war ihre Antwort.

"Das ist vollkommen okay, Summer."

Ein betretenes Schweigen breitete sich zwischen uns aus.
Um genau dieses zu brechen, stand meine Wenigkeit auf und meinte: "Ich sollte mich auf den Weg machen."

Sie tat es mir gleich: "Willst du deine Klamotten wieder haben?"

"Uhm, nein, behalt sie einfach.", entschied ich und krempelte meine eigenen Ärmel hoch, "Stehen dir sowieso besser als mir."

Bevor ich noch so einen lächerlichen Kommentar abliefern konnte, legte Summer ihren Kopf, mit der Stirn vorraus, auf meine Schulter.

"Danke, Hunter, für das Abenteuer.", murmelte das Mädchen so leise, dass ich die paar Worte fast nicht verstand. Fast.

"Hey, Nichts zu danken.", fürsorglich legte ich meine Hand auf ihren Rücken, sie zitterte, "Darf ich dich umarmen?"

Summer antwortete mit einem Nicken, woraufhin ich sie in meine Arme nahm. Wie auf Kommando, schmiegte sie sich an mich und fing an zu schluchzen.

"Calm down, you're gonna be okay. You're gonna be good, iyi olacaksın.", flüsterte ich, während mein Herz kurz davor war, sich vor lauter Empathie, selbst zu erstechen.
Nachdem ihr Atmen sich allerdings wieder beruhigt hatte, entfernte sie sich ein wenig von mir, sodass unsere Lippen sich beinahe berührten. Beinahe. Von dieser Nähe aus, konnte ich die Muttermale auf ihrem Gesicht, besser erkennen. Besonders den auf ihrer Nase; meinen Favoriten.
Mein Herz vergass die Idee vom Erstechen und baute stattdessen eine ganze Guillotine auf.

"Summer", ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, um den Abstand zwischen uns zu vergrößern, "was ist los?"

"Nichts.", nuschelte sie und näherte sich wieder.

Daraufhin platzierte ich stur, einen meiner Daumen auf ihre Lippen: "Was hast du vor?"

Sie seufzte durch ihre Nase: "Wonach sieht's aus?"

"Dass du gerade versuchst, mich mit körperlicher Intimität, zum bleiben zu überzeugen.", analysierte ich die Situation für sie.

"Wäre das etwa so schlimm?"

"Es ist keine gute Idee.", ermahnte ich, "Du solltest schlafen."

Doch mir wurde klar, dass sie meine Aussage nicht ernst nahm, als ich spürte, wie ihre Hände unter meinen Pullover glitten und meine warme Haut mit ihren kalten Fingern berührten.
Mein Herz legte sich genau in diesem Moment, unter die Guillotine, bereit dafür, sich in zwei zu teilen.

"Du bist mir wichtig geworden, Hunter und da wir uns eh nie wieder sehen-", Summer verstummte, als ich meinen Daumen an ihren Mundwinkel führte. Ihre Lippen waren so weich.
Ich presste meine eigenen Lippen fest auf ihre Stirn, behielt sie dort für eine Sekunde und hielt dann meine Stirn gegen ihre.

"Du bist wunderschön, unglaublich liebevoll und stark, aber du trägst zur Zeit eine menge Last auf deinen Schulten.", sagte ich, legte meine Hände dabei demonstrativ auf ihre Schultern, "Da ist kein Platz mehr für mich, Summer."

"Was wäre, wenn ich Platz für dich machen würde?", erwiderte sie unsicher.

"Sowas dauert sehr lange, mi alma.", ich separierte uns Beide von einander, betrachtete ihr Gesicht.
Stille Tränen rollten ihre Wangen hinunter und die Guillotine in meinem Inneren fiel.

"Bitte-", mein Versuch sie mit Worten zu trösten wurde vernichtet, indem Summer mich plötzlich küsste.
Die zwei Hälfen meines Herzens, liefen auf Anhieb in meinem Brustkorb Amok.

Sie war dreist, ungeduldig, fordernd, nahezu flehend. Ich küsste zurück, ruhiger, beherrschter. Wir spielten miteinader, es war regelrecht ein Spiel. Mir war heiß, ich wollte Luft holen aber zur gleichen Zeit nie wieder aufhören. Dann schmeckte ich Tränen. Waren es ihre oder meine?
Vorsichtig umfasste ich ihre wandernden Hände, welche mich an einer unaussprechlichen Stelle anfassen wollten, und entfernte mich genug von ihr, um zu atmen. Würden wir uns an einem anderen Ort befinden, zu einer anderen Zeit, hätte ich rein gar Nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Doch sie weinte und ich weinte inzwischen auch, denn das Leben war ein unfaires, unschlagbares Glücksspiel und wir Beide besaßen mehrere Pechsträhnen.
Solch einen Kuss hatte ich noch nie zuvor erlebt, er war überwältigend gewesen.

"Ich will bloß nicht, dass du gehst.", sagte Summer erschöpft, setzte sich auf das Sofa, "Wie soll ich all diese Dinge bewältigen? Die Trennung ist alles andere als einfach. Ich muss aus der Wohnung, die ich mir mit ihm geteilt hatte, ziehen und dazu kommt auch noch das Studium selbst."

Ich lies mich neben ihr nieder und versichterte: "Du hast die Unterstützung von Ezra und Anthony. Du bist nicht alleine, Summer."

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter: "Ich weis, ich weis."

"Leg dich schlafen.", schlug ich vor, "wenn du wieder aufwachst, nach einem ordentlichen Frühstück, wird die Welt viel besser aussehen."

"Bleibst du, bitte?", fragte sie betrübt.

"Ich bleibe, bis du abgesichert bist.", wiederholte meine Wenigkeit ihre eigene Aussage. Es schien sie nicht besonders zu beruhigen.

Wir begaben uns danach in das Gästezimmer oder besser ausgedrückt, das kleine aber feine Büro mit ausziehbarem Schlafsofa, welches bereits ausgezogen und bezogen wurde. Ezra hatte sich offensichtlich, schon bevor wir ankamen, darum gekümmert.

Ich griff nach der Decke: "Komm, lass mich dich zu decken!"

Summer schnaubte, doch legte sich nichtsdestotrotz hin, also deckte ich sie zu. Die letzte Person, für die ich so etwas tat, war Vanja.

"Sobald ich meine Augen schließe, verschwindest du, nicht wahr?", sprach das Mädchen niedergeschlagen.

"Natürlich nicht.", log ich und setzte mich an ihre Seite.

Zögernd schloss sie ihre Augen. Ich fing an eines meiner Lieblingslieder zu summen, blieb dort noch so lange sitzen, bis Summer schließlich einschlief und küsste ein weiteres Mal ihre Stirn.
Ich erhob mich vorsichtig vom Bett, ohne sie zu wecken und suchte auf dem Schreibtisch nach einem Stift und einem Blatt Papier. Was ich fand, war ein Notizbuch, sowie ein Kugelschreiber. Langsam riss ich eine leere Seite aus dem Notizbuch, um Punkte in der Aufstellung von den Muttermalen auf ihrem Gesicht, darauf abzubilden und diese dann, wie eine Sternenkonstellation, miteinander zu verbinden. Auf die Rückseite der Zeichnung schrieb ich:

"You keep my soul and I keep yours,
for you in silence.
- your soulmate, H. A. D."

Anschließend verlies ich den Raum und unmittelbar danach, die Wohnnung.

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