Vol. 5

"i gave you something
you could never give back,
don't you mind?"

- - -

Wir entfernten gerade mit unseren Händen, den Schnee von meinem Wagen. Den Koffer hatte ich zuvor auf die Rückbank gelegt.
Es war inzwischen dunkel draußen, doch laut Wettervorhersage würde es für die nächsten paar Tage nicht mehr schneien und die Straßen seien wieder sicher.

"Ich spüre meine Hände nicht mehr!", jammerte Summer laut.

Ich lachte, wobei meine eigenen Hände ebenfalls protestierten: "Setzen wir uns rein, ich denke das reicht."

Nachdem wir endlich angeschnallt im Auto waren, lies ich den Motor und die Klimaanlage laufen.

Summer seufzte erleichtert, während sie sich aufwärmte: "So, führen wir jetzt unser Abenteuer fort oder hast du andere Pläne?"

Ich kaute an meinem Daumennagel herum und starrte stumpf aus der Windschutzscheibe. Ihr wird mein Plan nicht gefallen.

"Wie wär's, wenn ich dich zu Ezra fahre und das Abenteuer endet?", fragte ich vorsichtig, "Verstehe mich bitte nicht falsch, Summer, ich hatte eine echt coole Zeit mit dir. Sowas macht schließlich nicht Jeder mit einer fremden Person mit. Aber ich denke wirklich, es wäre besser für dich, wenn du Alles zu Hause, so schnell wie möglich regelst."

Schweigend lehnte Summer sich gegen das Fenster, ohne mich dabei anzuschauen.

"Ein Umzug ist nicht leicht, eine Trennung ist nicht leicht, besonders nicht mit einem verrücken Ex und ich verstehe es, wenn du weiter vor diesen Dingen weglaufen willst, doch du wirst sie niemals abschütteln können.", meine Augen beobachteten ihre Reaktion. Zugegebenermaßen erwartete ich, dass sie bei diesem Thema wütend wird, wie zuvor auch. Dies Mal war es aber nicht der Fall.

"Du hast Recht.", murmelte das Mädchen stattdessen, "Ich glaube das Telefonat war nur der Anfang, sobald ich zurück bin wird die Hölle los sein."

"Ich bin dankbar", fürsorglich fand meine Hand ihren Oberschenkel, "dafür, dass ich dich da rausholen konnte, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit."

"Danke, Hunter. Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast.", sie platzierte ihre immernoch kalte Hand auf meine.

Langsam entfernte ich diese dann, umfasste das Lenkrad und erzwang mir selbst ein schiefes Lächeln: "It was my pleasure, as well as an adventure."

"Okay, okay, du bilinguales Wunderkind, drück auf die Tube bevor ich noch sentimentaler werde und anfange zu flennen.", schnaubte Summer und wischte sich diskret, bereits vorhandene Tränen aus den Augen.

Schmunzelnd fuhr ich los, in die passende Richtung: "Hab dich auch lieb."

"Hey, ich dachte du hasst mich!", entgegnete sie spielerisch.

"Kann ich dich nicht gelegentlich hassen und situationsbedingt lieb-"

Sie lies mich die Aussage natürlich nicht beenden, wurde dagegen lauter: "Nein, so läuft das nicht! Entweder du hasst mich oder liebst mich, basta!"

"Komm schon, das ist unfair!", erwiderte ich und verkniff mir dabei das Lachen, "Außerdem kann ich kein Italienisch!"

"Du bist eine schreckliche Person, Hunter Alper- warte, wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?", wollte Summer wissen, die Ausernandersetzung plötzlich vergessen.

"Ich sehe nicht, wie das gerade in irgendeiner Weise relevant ist.", kam es meiner Seits.

Sie rollte die Augen, verschränkte ihre Arme und zischte: "Arschgeige."

"Wie bitte?", platzte es aus mir heraus, "Wer zum Teufel benutzt heutzutage noch diese Beleidigung?"

"Hast du Etwas besseres auf Lager?", konterte sie.

"Seni özleyeceğim.", sprach ich ehrlich, woraufhin die Blauhaarige stöhnte.

"Ich verstehe dich nicht", schmollte sie danach, "auf so vielen Ebenen."

Ich legte meinen Kopf schief: "Und ist genau das nicht die größte Beleidigung, die es gibt?"

Für eine Weile schwieg Summer. Alles was zu hören war, war das sanfte Brummen meines Wagens.

An einer roten Ampel, brach sie dann die Stille: "Aber ist es nicht anstrengend für dich, nicht verstanden zu werden?"

"Manchmal.", antwortete ich und sah meiner Beifahrerin dabei in die Augen, "Manchmal ist es aber auch das einzige Schild, was ich habe."

Sie lies wortlos ihren Blick zurück zum Fenster wandern. Die Ampel wurde grün, ich fuhr wieder los.

"Hey, ist das nicht die Tankstelle, bei der wir uns kennengelernt haben?", fragte Summer, gleichzeitig deutete sie mit einem ihrer Zeigefinger nach vorne.

"Oh, wow, das ist sie wirklich.", bestätigte ich und wackelte dann mit den Augenbrauen, "Lust auf 'ne Flasche Wasser?"

"Total.", entgegnete sie ironisch, schlug mir dabei amüsiert gegen meine Schulter.

Ich bog ein, sodass wir genau dort parken konnten, wo unser Abenteuer began.

"Genau hier war ich so lebensmüde und bin mit einem Fremden in ein, ebenfalls fremdes, Fahrzeug eingestiegen.", erzählte Summer als sei es schon vor Jahren passiert, während ich mich abschnallte, um an meinen Koffer zu gelangen.

Meine Wenigekeit holte gerade genug Geld aus dem Briefumschlag heraus, während Summer nachfragte: "Hast du vielleicht Kaugummis hier? Wenn nicht, können wir welche kaufen? Mein Mund riecht wahrscheinlich nach totem Tier."

"Erstens: Ew.", gab ich wieder und steckte den Briefumschlag zurück, "Zweitens: Ich hatte Mal 'ne Packung rumliegen aber bezweifle, dass die noch lebt."

"Ich schaue Mal nach.", kündigte sie an.

Gerade als mich erneut, normal auf den Sitz setzte, sah ich, wie Summer das Handschuhfach öffnete.

Sofort fing ich an zu sagen: "Da sind die bestimmt nicht-"

"Hunter?"

Zu spät. Ich war zu spät.

"Was zur Hölle- Wozu hast du- Warum!?", vor lauter Entsetzung brachte Summer keine vollständige Frage hervor, bloß ein einziges Wort, immer und immer wieder; warum.

Ein Atmen.
Aus Atmen.
Ein Atmen.
Mein Puls raste, meine Gedanken führten einen Krieg zwischen der Wahrheit und einer Lüge. Was war der sicherste Ausweg?
Aus Atmen.

"Oh mein- Hast du mir deswegen etwa Nichts von dir selbst erzählt?!", schrie sie und hielt dabei den Gegenstand in die Luft, "Hast du Jemanden umgebracht?!"

"Bitte, beruhige dich!", hastig griff ich nach ihrem Arm, "Senke deine Hand, Summer."

"Ich soll mich beruhigen?", rief das Mädchen aufgebracht, tat jedoch ohne zu Zögern was ich verlangte, "Du hast eine scheiß Waffe in deinem Auto! Wie willst du mir das erklären, huh?!"

Langsam umfasste ich die Pistole, wir Beide hielten sie nun fest: "Ich erzähle dir Alles, wenn du die Waffe loslässt."

Sofort entzog Summer mir die Pistole und entgegnete unruhig: "Hast du sie noch alle?! Ich lasse dieses Ding erst dann los, wenn ich davon überzeugt bin, dass du mich nicht damit erschießen wirst!"

"Ich habe Niemanden umgebracht, Summer!", erklärte ich panisch.

"Es klebt Blut dran, Hunter, es klebt verdammt nochmal Blut dran!"

Passierte dies wirklich?
Ein Atmen.
Aus Atmen.
Meine Augenlider fielen zu, ich nuschelte: "Und jetzt auch deine Fingerabdrücke."

"Ist das wirklich deine größte Sorge!?", fragte sie wütend.

"Es sollte deine sein!", meinte ich besorgt, lehnte mich danach mit der Stirn gegen das Lenkrad und versuchte das Zittern in meinen Schultern zu kontrollieren, bevor es meinen Beinen Gesellschaft leisten würde.

"Mein Sorge ist es, ob ich gerade mit einem Kriminellen rede oder nicht!", jedes ihrer Worte wurde lauter.

"Ich habe ihn mit dem Teil geschlagen.", gab ich zu und richtete mich vorsichtig wieder auf, wobei mir unglaublich schlecht wurde, "Deswegen klebt Blut dran. Ich habe Niemanden damit ermordet, Summer, und ich werde dich ganz sicher nicht anschießen."

"Wieso?", flüsterte sie.

Innerlich fiel mir ein Stein vom Herzen, denn es war kein 'warum' und sie hörte mir zu, sie gab mir eine Chance.

"Selbstverteidigung.", erklärte ich sofort, wand meinen Kopf dabei in ihre Richtung.

"Weil du Angst hast?", fragte Summer und schien nahezu verwirrt.

Ein Atmen.
Aus Atmen.
Antworten.

"Ich war mir so sicher, dass er mich umlegen wird."

Sie musterte unsicher mein Gesicht: "Wie bist du ihn los geworden?"

"Genau sowie du das Arschloch los wurdest.", meine Stimme zitterte mehr als ich erhofft hatte, "Ich bin abgehauen."

"Du hast einen Koffer und einen Briefumschlag voller Geld mit dir, Hunter.", hebte die Blauhaarige beherrscht hervor, "Seid wann hast du's schon vorgehabt?"

Mit meinen Händen wischte ich mir über's Gesicht: "Einer Weile."

"Was ist mit deiner Schwester?", sprach sie ohne Weiteres an.

"Ich wollte Scarlett auf dem Weg besuchen und ihr Alles erklären aber definitiv nicht bleiben. Sie hat bereits genug um die Ohren."

"Wohin?", wollte Summer dann wissen und ich konnte bloß meine Schultern zucken.

Sie hämmerte ihre Nägel gegen das Metal der Pistole: "Wann hattest du vor, die Waffe zu entsorgen?"

Ein Seufzten enfloh mir: "Gar nicht?"

"Falsche Antwort.", entgegnete sie monoton, "Du wirst jetzt sofort zum nächsten See fahren und dieses Teil da rein werfen."

"Summer, das ist keine gute Idee-"

"Wenn du nicht willst, dass ich dir in den Schwanz schieße, fährst du gefälligst los!", befahl sie streng.

"Und wo ist der nächste See?!", wollte ich wissen, unterdrückte dabei den Drang, stattdessen eine Zigarette raus zu holen.

"Das fragst du mich? Frag Siri.", schnaubte das Mädchen abfällig.

Somit nutzte ich die Suchmaschine auf meinem Smartphone, um den Standort des nächsten Sees ausfindig zu machen, welcher gar nicht so weit entfernt war, und fuhr dort hin. Ich fand sogar heraus, dass es nicht lang genug, kalt genug war, um den See einzufrieren.

"Kannst du mich Huckepack oder so tragen?", bat sie mich, sobald wir anhielten.

Perplex kniff ich meine Augen zusammen: "Was?"

"Ich habe keine Schuhe an und deswegen keine Lust durch den Schnee zu gehen.", erwiderte Summer und deutete mit ihrem Kinn nach draußen.

Da wir anscheinend die Ersten waren, die den See nach dem Schneefall besuchten, war das ganze Umfeld weiß und unberührt.

Ich lachte humorlos auf: "Tough luck, sweetheart."

Daraufhin stieg ich aus dem Wagen. Sie tat es mir gleich, jedoch etwas ungeschickter und wir gingen zusammen auf den hölzernen Steg zu, um uns dort hinzustellen.

"Warum willst du dich nicht von der Waffe trennen?", fragte meine Begleitung, hielt mir davor aber die Pistole hin.

Ich nahm sie wortlos entgegen. So viele verschiedene Gedanken rannten in dem Moment durch meinen Schädel.

Summer stellte eine weitere Frage: "Hast du wirklich so große Angst?"

"Mehr als das.", beichtete ich und blickte auf die Oberfläche des Wassers, welche das Mondlicht widerspiegelte.

"Was bedeutet sie dir?"

Anstatt dazu Etwas zu sagen, warf ich die Waffe, so weit wie möglich, in den See.
Das Geräuscht hallte für einen Moment in meinen Ohren, bevor ich antwortete: "Gar nichts."

Ihre Hand fand meine Schulter und sie drückte zu. Daraufhin drehte ich meinen Rücken zu ihr, streckte dabei meine Arme nach hintern aus. Summer verstand und sprang erfolgreich auf meinen Rücken. Sie bedankte sich, während ich ihre Beine fest hielt und mich auf den Weg zum Auto machte.
Zum Glück, hatte sie die anderen Dinge im Handschuhfach nicht wahrgenommen.

"Hast du mir die ganze Wahrheit erzählt, Hunter?", hauchte Summer, als könnte sie meine Gedanken lesen. Seelenverwandtschaft, anders konnte ich es mir nicht erklären.

Zögerlich schüttelte ich den Kopf: "Nein."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top