Vol. 4


"hiding under goose down
for your nightmare to begin"

- - -

Inzwischen war es zehn Uhr am morgen. Ich saß schon seid einigen Stunden auf dem Sessel und zeichnete eine Sirene, die einen antiken Krug in den Händen hielt und gerade so sehr neigte, dass Wasser heraus floß.

Summer schlief noch immer tief und fest, doch das würde sich in kurzer Zeit ändern, denn ein Smartphone fing an zu klingeln.
Hastig legte ich den Zeichenblock und Stift bei Seite, um stattdessen das laut ertönende Handy in die Hand zu nehmen. Es war Summer's.

"Summer, bist du wach?", fragte ich und ging auf sie zu.

"Nein.", brummte das Mädchen als Antwort.

"Hey, Sarkasmus ist mein Ding und ich habe dir nicht die Erlaubnis gegeben, es zu benutzen!", schmunzelte ich amüsiert und hockte mich vor ihrem Gesicht hin, "Du wirst angerufen."

"Von wem?", wollte sie wissen, dabei öffneten sich langsam ihre Augen.

"Unbekannt."

Daraufhin entnahm sie mir das Smartphone und ging ohne Weiteres ran. Die Stimme am anderen Ende war männlich, klang außderdem alles andere als freundlich.

"Ich habe deine scheiß Nummer aus guten Gründen blockiert!", entgegnete Summer aufgebracht und setzte sich sofort auf, "Was zum Teufel willst du von mir?"

Reflexartig fing ich an, an meinem Daumennagel zu knabbern, während ich besorgt zuhörte.

"Reden? Es gibt Nichts zu reden! Ich schulde dir überhaupt Nichts mehr, verstanden?!", rief Summer voller Wut, "Ich hatte so große Angst vor dir, du hast vollkommen deinen Verstand verloren!"

Der Anrufer wollte sich erklären, doch sie unterbrach ihn mit zittrigem Unterton: "Du hast mich vor all unseren Freunden blamiert und als wir endlich alleine waren, hast du mich geschlagen, weil ich reden wollte. Du hast mich geschlagen, weil ich weg von dir wollte. Du hast mich geschlagen, weil ich meine Beine nicht für dich öffnen wollte und jetzt erwartest du, dass ich dir zuhöre?!"

In Sekundenschnelle umfasste meine Hand, ihre Schulter.

Sie atmete tief ein und aus, warf mir einen dankenden Blick zu, bevor sie fortfuhr: "Ich bin, wie eine Gefangene aus dem Fenster geklettert, ohne Schuhe, ohne Tasche, weil ich so eine enorme Angst vor dir hatte und ich will dich nie wieder sehen. Du hast müffelnde Scheiße gebaut, bereue es."

Dann legte sie auf.

Ich setzte mich zu ihr auf's Bett, hinter ihr um genau zu sein. Beide meiner Hände befanden sich nun auf ihren Schultern.
Sie schluchzte, erst zaghaft, dann immer lauter und anhaltender, so sehr es ihre Lunge erlaubte.

"Summer, bitte, atmen nicht vergessen.", murmelte ich.

"Scheiße, Scheiße, Scheiße!", rief sie anstatt zu atmen.

Fürsorglich fuhr ich eine Hand durch ihre blauen Haare: "Bitte, Summer, schau mich an."

"Fick dich!", zischte sie, winkelte die Beine an und presste ihre Stirn auf die Knie, "Du hast keine Ahnung."

Ich seufzte, danach platzierte ich meine eigene Stirn vorsichtig zwischen ihren Schulterblättern und nuschelte: "Mehr als du denkst."

Wir hielten die Position für eine Weile ein. Ich versuchte nicht ihr Zittern zu stoppen oder die Tränen, sie sollte Alles raus lassen und nie wieder in sich tragen.

"Stimmt, ich kenne dich ja überhaupt nicht.", schnaubte Summer dann und wand ihren Kopf in meine Richtung, "Trozdem fühlt es sich so an, als würden wir uns seid 'ner Ewigkeit kennen, Hunter."

Ich erhob ebenfalls meinen Schädel, sodass nur wenige Zentimeter uns trennten.

"Ich wünschte, wir hätten uns früher kennen gelernt.", entgegnete ich mit schiefem Lächeln, ignorierte dabei das Brennen in meinen Augen, "Hätte dich wirklich gebrauchen können."

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und lachte auf: "Glaubst du an Sowas, wie Seelenverwandtschaft?"

"Glaubst du wir sind Seelenverwandte?", konterte ich, lehnte dabei meine Wange gegen ihre Haare.

Summer entfernte sich vor mir, musterte mein Gesicht für einen Moment und hauchte: "Ich weis es nicht."

Gerade als ich darauf eingehen wollte, stand sie auf: "Aber ich brauche dringend Etwas zu trinken."

"Du meinst doch wohl Wasser oder?", scherzte ich und tat es ihr gleich. Die Intimität verflog genau so schnell, wie sie ankam.

"Verstehe, was auch immer du verstehen willst, mein Lieber.", erwiderte Summer, "Am Check-In gab es 'nen Automaten, richtig?"

"Jup, soll ich mitkommen?", fragte ich und öffnete den Koffer.

"Komm schon, ich bin ein großes Mädchen! Ich schaffe das alleine.", meinte sie selbstbewusst, band sich dabei ihre Haare in einen Zopf.

"Na gut.", sprach ich gleichgültig, nahm Geld aus einem Briefumschlag heraus und hielt es ihr hin, "Hier."

"Danke.", unsicher steckte Summer das Geld in die Tasche der Jogginghose, "Will ich wissen, woher du den Briefumschlag hast?"

Ich erzwang mir ein Grinsen und zwinkerte wortlos.

Draufhin rollte das Mädchen ihre Augen, schüttelte gleichzeitig den Kopf und ging zur Tür: "Bin gleich wieder da."

Sobald die Tür sich schloß, griff ich nach meinem eigenen Smartphone, welches zuvor, unschuldig auf der Kommode lag. Scarlett hatte mir vor Stunden geantwortet, ich solle auf mich aufpassen und dass ihre Tür immer offen stehen würden.

Ich informierte mich nach der Wetterlage, was mich aufstöhnen lies. Gereizt legte ich mein Handy zurück auf die Kommode, um das Fenster zu öffnen. Die Kälte platzte sofort in das Zimmer. Ich griff nach einer Zigarette, sowie dem Feuerzeug und rauchte diese aus dem Fenster heraus. Draußen war Alles weiß und mit Schnee bedeckt.

Nach einigen stillen Minuten, hörte ich, wie Summer wieder den Raum betrat. Dann stellte sie sich zu mir und beugte sich ebenfalls aus dem Fenster: "Was ist los?"

"Wir sind zugeschneit.", ich riss mich zusammen nicht meinen Nagel zu kauen, krazte stattdessen mein Kinn, "Die Straßen sind regelrecht eine Schlittschuhbahn."

"Ach, dann machen wir es uns halt gemütlich hier, bis es besser wird.", kündigte Summer an und entfernte sich vom Fenster, "Außerdem habe ich uns Eistee besorgt!"

Sie setzte sich im Schneidersitz auf das Bett, zwei kleine Flaschen Pfirsicheistee in den Händen. Lächelnd setzte ich mich gegenüber von ihr.
Wie sich sich in diesem Moment verhielt, war so ein starker Kontrast zu ihrem Zustand nach dem Telefonat und mir war unklar, ob ich ehrleichtert oder lieber besorgt sein sollte.

"Ist es sehr schlimm, dass wir nicht weiter fahren können?", fragte sie kleinlaut, hielt mir dabei eine der Flaschen hin.

"Nein.", antwortete ich und erwiderte die Flasche, "Mein Plan verschiebt sich eben. Was ist mit dir?"

Sie öffnete gekonnt die Flasche: "Ezra wird Gedult lernen müssen, also ich persönlich habe Nichts zu verlieren."

Summer führte daraufhin die Flasche an ihren Mund, doch ich stoppte sie.

"Willst du darüber reden? Der Anruf?", schlug ich vor.

Sie zuckte mit den Schultern: "Er kam angekrochen, ich habe ihm verbal in's Gesicht gespuckt. Simpel. Falls du Details willst, musst du mir 'nen Whiskey herzaubern, Houdini, ich habe von dir gelernt, nicht über mich Selbst zu reden."

"Ich hasse dich.", kam es grummelnd von mir, zugleich öffnete ich meinen eigenen Eistee.

Summer nahm einen großzügigen Schluck: "Du liebst mich."

Ich fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht und verbesserte sie: "Ich lerne es, dich lieb zu haben. Langsam aber sicher."

"Und irgendwann, wirst du verrückt nach mir sein.", grinsend trank sie noch mehr.

"Uff, da wäre ich mir nicht so sicher, wenn ich du wäre.", meinte ich und legte den Kopf schief.

"So war es wenigstens bei meinem Ex.", Summer hämmerte rythmisch ihre, immernoch roten, Nägel gegen das Plastik der Flasche.

"Wurde er verrückt nach dir?", erfragte ich mit beherrschter Stimme, bevor ich schließlich auch Etwas trank.

"Aber wie.", nickte sie und nahm einen Schluck bevor sie weiter erzählte, "Es fing unschuldig an, doch ehe man sich versah wurde es immer und immer schlimmer.", sie lachte humorlos auf, "Als ich Andere fragte, was sie denn von seinem Verhalten dachten, meinten sie ich sollte mich doch glücklich schätzen. Das wichtigste sei, dass er loyal blieb."

"Schwachsinn.", sagte ich sofort und war innerlich dankbar dafür, dass Summer doch noch über sich Selbst redete.

"Ezra war der Einzige, der strikt der Meinung war, ich sollte eine Trennung in Erwägung ziehen.", sie seufzte tief, "Sobald ich Sowas jedoch ansprach, wich das Arschloch dem Thema aus oder wurde total bedrohlich und dann fand auch schon die Weihnachtsfeier statt, wo der Kragen endgültig platzte."

"Ich bin sehr stolz auf dich, Summer.", meinte meine Wenigkeit und drehte den Deckel der Flasche wieder zu.

Sie tat es mir mit der Flasche gleich und lächelte sanft: "Es ist eigentlich keine große Sache. Ich habe die Welt nicht verändert, bin ihn anscheinend immernoch nicht los und habe blutige Knie davon getragen."

"Sag sowas nicht!", entgegnete ich empört, meine Hand umfasste daraufhin ihre Schulter, "Du hast vielleicht nicht die Welt im großen und ganzen verändert, aber seine und deine eigene dafür gewaltig!", das Mädchen wich meinem Blick aus, also tippte ich drei Mal mit meinem Finger ihre Wange an, "Du wirst ihn los, glaub mir. Ezra wird dir dabei helfen, du bist nicht alleine und deine blutigen Knie? Die sind bloß Beweise dafür, wie mutig du bist."

Ihre Augenlider fielen zu, sie nahm tief Luft ein und aus bevor sie fragte: "Willst du mich zum Weinen bringen?"

"Nein", schmunzelte ich, kniff kurz ihre Wange, damit sie die Augen wieder öffnete und fuhr danach fort, "ich will dir nur klar machen, was für eine Inspiration du eigentlich bist."

Auf einmal umarmte Summer mich. Ihre Arme um meinen Oberkörper, ihr Kopf auf meiner Schulter und all das so plötzlich, dass ich für einen Moment lang, regungslos da saß.

"Halt deinen Mund, Hunter.", sprach sie dann genervt.

Wie durch Magie, wusste ich schlagartig was zu tun war und schlang meine eigenen Arme, um ihren Nacken. Natürlich nicht ohne ihr dabei ein Lachen zu schenken.

Sie summte: "Wenn du mir mehr von dir erzählen würdest, könnte ich dir auch bessere Komplimente geben."

"Das ist nicht nötig.", mumelte ich und drückte sie fester.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top