Vol. 2
"does it ever get lonely?"
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Ich parkte das Auto vor dem passenden Wohnkomplex und wand mich zu Summer. Inzwischen hörte es auf zu schneien, die ganze Welt war mit weißem, schimmernden Schnee bedeckt.
Ohne den laufenden Motor, war es unglaublich still im Wagen.
"Somit ist unser Abenteuer wohl vorbei, huh?", fragte Summer dann, den Blick entfernte sie während dessen nicht von der Windschutzscheibe.
Ich räusperte mich: "Sehr traurig, dass du das hier ein Abenteuer nennst."
"Aua, Hunter!", lachte sie empört auf und sah mich endlich an, "Ich steige an normalen Tagen halt nicht in Autos von Fremden!"
"Ich hoffe doch wohl, du bereust dein erstes Mal nicht.", erwiderte ich mit schiefem Lächeln.
Summer lächelte zurück: "Fährst du oft fremde Leute durch die Gegend?"
"Nur an Weihnachten.", konterte ich und ein Zwinkern konnte ich mir dabei, beim besten Willen nicht verkneifen.
Die Blauhaarige schnaubte, knibbelte dann wortlos an ihrem roten Nagellack herum.
"Summer?", nun legte ich meine Hand auf ihre, sie war überraschenderweise warm, "Willst du Ezra anrufen, damit er bescheid weis, dass du da bist? Oder wird es eine Überraschung?"
Sie seufzte: "Und was machst du, nachdem ich weg bin?"
Ich entfernte meine Hand von ihrer, um diese dann auf ihre Schulter zu legen, was erfolgreich dazu führte, dass ihr Blick wieder auf mich gerichtet war: "Mach dir keinen Kopf, um mich. Mir geht's gut."
"Wie wär's, wenn du", Summer deutete mit einem Finger auf das Gebäude draußen, "mit mir zu Ezra gehst? Da kannst du auf dem Sofa ausschlafen, ordentlich duschen und Etwas mit mir essen, bevor es weiter für dich geht."
"Danke für das Angebot, aber ich lehne ab.", mit schwerem Herzen entfernte ich meine Hand.
"Wieso?", fragte sie sofort, verschränkte dabei ihre Arme, "Du hast Etwas gutes für mich getan, jetzt möchte ich Etwas gutes für dich tun!"
"So funktioniert das nicht, Summer."
"Oh, bullshit! Hast du es etwa so eilig, mich los zu werden?", zischte sie aufgebracht.
"Komm schon, das hat doch damit Nichts zu tun!", es reichte mir, ich wurde lauter, "Ich kann nicht einfach so in dein Leben einmaschieren, okay? Ich geb' zu, ich hätte nicht erwartet, dass wir zwei uns so gut verstehen, aber du hast ein Leben, in dem ich nicht dazu gehöre, welches ich überhaupt nicht kenne!"
Sie biss sich auf die Unterlippe und drehte ihren Kopf weg von mir, doch erst nachdem die erste Träne ihre Wange runter rollte.
Ich fischte meine Wasserflasche heraus und hielt ihr diese hin, mit sanfter Stimme sprach ich: "Hey, seh mich an, bitte."
"Fick dich, Hunter.", murmelte sie und wischte sich mit den großen Ärmeln ihres Hoodies, das Gesicht ab.
Vorsichtig legte ich die Flasche Wasser auf ihren Schoss und entschuldigte mich: "Es tut mir Leid, wenn ich Etwas gesagt habe, was dir weh getan hat oder so. Das ist überhaupt nicht meine Absicht."
"Das weis ich.", entgegnete Summer mit einem Zittern in der Stimmlage, "Du hast Recht, mit Allem, und genau das ist komplett Scheiße."
"Die Wahrheit?", wollte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen wissen.
Sie nickte, fügte dann auch noch hinzu: "Außerdem hast du fast geschrien, du Idiot. Sobald jemand laut mit mir umgeht, fange ich an zu flennen, keine Ahnung wieso."
"Das ist verständlich.", versicherte ich und sah aus dem Fenster. Es fing ein weiteres Mal an zu schneien.
Ich wollte garnicht erst wissen, wie das Arschloch mit ihr umgegangen war und das auch noch wochenlang.
"Es ist nur so, dass ich nicht zurück zu meinem Leben will.", erklärte Summer, während sie die Wasserflasche in ihre Hände nahm und öffnete, "Mit dir hier zu sein fühlt sich an, wie eine ganz andere Welt."
Was ich dazu sagen sollte, war mir unklar. Also sagte ich Nichts, starrte sie einfach an.
Nach einem Schluck Wasser, lächelte das Mädchen, jedoch kein fröhliches Lächeln, eher ein trauriges: "Und denkst du wirklich, dass mir der Koffer auf dem Rücksitzt, nicht aufgefallen ist?"
Worte waren mir endgültig entflohen, dafür bildete sich ein Kloß in meinem Hals.
"Wohin willst du, Hunter?", erfragte sie, ihre braunen Augen spiegelten Sorge wider, "Oder hast du kein Ziel? Wohnst du in deinem Auto? Was zum Teufel ist deine Geschichte?"
Ich kramte die Zigarettenschachtel heraus, schob mir einen Nikotinstab zwischen die Lippen und zündete diesen gekonnt an. Jetzt wusste ich, was ich sagen wollte.
"Willst du mitkommen?", brachte ich hervor, mit Zigarette im Mund und fuhr gleichzeitig das Fenster ganz herunter. Es war kalt, doch ich brauchte dringend die Luft.
"Mit dir mitkommen?", Summer schien überrascht, zu guter Recht.
Ich nickte und aschte aus dem offenen Fenster heraus, dabei landeten einige, winzige Schneeflocken auf meinem Handrücken.
Sie hielt die Wasserflasche vor ihre Nase und beobachtete diese neugierig: "Darf ich fragen wohin?"
"Ich dachte, das hier sei ein Abenteuer.", meinte ich spielerisch, nahm danach einen tiefen Zug.
"Na gut.", sie stellte die Flasche auf das schwarze Armaturenbrett, "Solange du mich nicht umbringst."
Lachend blies ich den Rauch aus meiner Nase und musterte nun ebenfalls die Wasserflasche: "Ich bringe es nichtmal über's Herz, einer Fliege weh zu tun, Summer."
"Dafür hast du ja jetzt mich.", Summer schenkte mir ein Lächeln, kein trauriges, sondern ein ehrliches.
Ich schmunzelte: "Oh, was wäre ich bloß ohne dich!"
"Wahrscheinlich Fliegenfutter.", antwortete meine Begleitung kichernd.
Gerade als ich fragen wollte, was zur Hölle Fliegen denn aßen, stellte sie eine ganz andere Frage: "Ist die Flasche deiner Meinung nach, wohl halb voll oder halb leer?"
Ein weiteres Mal fokussierte ich mich auf die Wasserflasche.
"Beides.", ich rauchte den Rest der Zigarette und warf den Stümmel dann aus dem Fenster, "Und das heißt, ich sollte uns bald eine Neue besorgen."
"Die Flasche ist voll, fünfzig Prozent Wasser und fünfzig Prozent Luft.", sie ergriff die Flasche und schüttelte.
"Aber was, wenn es gar kein Wasser ist?", erwiderte ich, fuhr dabei das Fenster hoch.
"Das ist ganz egal, siehts du?", Summer hielt die Flasche hoch, sodass ich genau sehen konnte, wie ihr Finger demonstrierte, "Diese Flüssigkeit ist, was wir bereits haben und der Teil mit der Luft ist, was wir mit Flüssigkeit füllen müssen."
Ich entnahm ihr die Wasserflasche, verstaute diese zurück an ihren Platz und lies den Motor anspringen: "Oder, wie schon erwähnt, ich kaufe einfach eine neue Flasche voller Flüssigkeit!"
"Okay, okay, auf zum Abenteuer!", kündigte die Blauhaarige an und wie auf Kommando fuhr ich los.
Für eine Weile würde ich mit ihr, der Realität entfliehen. Wir Beide hatten es nötig. Ich wusste auch schon den perfekten Ort dafür.
"Kannst du mir einen Gefallen tun?", kam es aus meinem Mund.
"Kommt ganz drauf an, was für ein Gefallen es ist.", entgegnete Summer skeptisch.
"Ruf Ezra an und sag ihm, dass es dir gut geht."
Sie kaute für einen Moment auf ihrer Unterlippe herum, ging dann entschlossen auf meine Aussage ein: "Unter einer Bedingung."
"Die wäre?", ich löste meine rechte Hand vom Lenkrad und krazte mit ihr meinen Nacken.
"Du tust das Gleiche. Benachrichtige Jemanden, dass du noch lebst.", mit den Worten zauberte sie ihr kaputtes Smartphone hervor, "Deal?"
Das war machbar. Ich seufzte tief: "Deal."
In wenigen Sekunden hatte Summer ihr Smartphone entsperrt und rief ihren besten Freund an, welcher beim zweiten Piepen auch schon abhob.
Ich konzentrierte mich auf die Straße, da der Schnee stärker geworden war und versuchte zur gleichen Zeit, mit einem Ohr, bei dem Gespräch zu zuhören.
"Ich weis, man, es tut mir Leid.", sprach Summer aufrichtig in's Telefon, "Aber mir geht's gut, ich bin nicht alleine- Mit? Einem Freund, Hunter- Nein, den kennst du nicht, noch nicht. Aber ich verspreche dir, ich bin in Sicherheit und sobald ich bereit bin, komme ich zu euch und erzähle dir Alles."
Was Ezra sagte, konnte ich nicht verstehen, doch Summer's Antwort reichte aus: "Das Arschloch hat rein gar Nichts mehr zu sagen, es ist endgültig aus und vorbei mit ihm."
Nervös kaute ich auf meinem rechten Daumennagel herum. Der Schee wurde immer dichter.
"Ich hab dich auch lieb, leg dich schlafen und grüße Oscar und Anthony von mir- Natürlich, nenne ich Oscar zu erst! Katzen gehen immer vor, mir egal wie lange Anthony und du schon zusammen seid.", sie redete noch ein wenig mit Ezra, wünschte ihm danach eine gute Nacht und legte schließlich auf.
"Gespräche um halb fünf Uhr morgens sind wunderbar, nicht wahr?", meinte Summer, während sie ihre Fingernägel auf den zerbrochenen Bildschirm ihres Smartphones hämmerte.
"Das kann ich schlecht beurteilen", sagte ich, holte ungeschickt mein eigenes Handy aus der Hosentasche und hielt es ihr hin, "Der Schnee ist wieder viel zu stark geworden, ich diktiere dir einfach was du eintippen sollst und wir schicken eine SMS."
"Okay, wenn du nicht mehr weiter fahren kannst, halte ruhig an.", schlug meine Beifahrerin vor und entnahm mir das Smartphone, "Was ist dein Entsperrcode?"
"Ich halte lieber ausschau nach der nächsten Raststätte.", nach diesen Worten, umfasste ich das Lenkrad wieder mit beiden Händen, "0607 ist der Code."
"Lass mich raten, es ist ein Geburtsdatum?", lächelnd gab sie die Zahlen ein.
Das brachte auch mich zum Lächeln: "Jup, der von meiner Nichte."
"Für wen soll ich eine Nachricht schrieben?", fragte sie dann.
Ich atmete tief durch, bevor ich antwortete: "Scarlett. Sie müsste Scar eingespeichert sein mit einem Fuchs-Emoji. Das sind ihre Lieblingstiere."
Nach einwenig scrollen, hatte sie den Kontankt gefunden und tippte drauf.
"Sie ist hübsch und hat ein Baby und einen Schäferhund!", hauchte Summer begeistert, nachdem sie auf Scarlett's Profilbild tippte, dann ging sie zurück zum Chat, "Oh, sie hat dich heute Nacht schon Mal angeschrieben, 'Ist alles okay bei dir? Bitte, ruf mich an.'"
"Schreibe ihr, dass sie sich um mich keine Sorgen machen soll, dass ich nicht bei Papa bin und", ich kniff meine Augen zusammen, um ein Schild besser zu erkennen, welches die Richtung eines Motels angab, "werde kommen, wenn ich bereit bin."
Daraufhin breitete sich eine Stille zwischen uns aus.
Als ich schließlich in die Einfahrt des Motels fuhr und davor parkte, unterbrach Summer das Schweigen: "Scarlett ist deine Schwester, oder?"
"Richtig.", ich hielt meine Hand auf und sie gab mir mein Smartphone zurück, "Scar ist eine alleinerziehende Mutter. Das Baby auf dem Profilbild ist meine Nichte, Vanja. Und die reizende Hündin heißt Zelda."
Die Blauhaarige sah sich das Motel an, während sie murmelte: "Wo ist der Vater?"
"Entzugsklinik.", antwortete ich und sie fragte nicht weiter nach.
Mit Hilfe meines Smartphones, sah ich mir dann die Lage des Wetters an und fluchte daraufhin leise.
"Ist der Schnee sehr schlimm?", wollte Summer wissen.
Ich nickte: "Und es wird höchstwahrscheinlich nur noch schlimmer."
"Denkst du, wir sollten uns ein Zimmer mieten und darauf warten, dass es besser wird?", schlug sie vor, "Zu teuer wird es bestimmt nicht, wenn wir unser Geld zusammen legen und im Wagen wird es wahrscheinlich viel zu kalt werden."
"Außerdem haben sie Duschen.", ein tiefes seufzten meiner Seits, "Mein armes Auto wird zu frieren."
Summer klopfte mir mitfühlend auf die Schulter: "Sobald das Wetter sich wieder beruhigt, kümmern wir uns darum."
Ich musterte das Mädchen, wodurch mir Etwas einfiel: "Wir sollten lieber nicht mit blutigen Gesichtern da antreten, sonst werden wir noch wegen irgendwas verdächtigt."
"Bonnie und Clyde der neuen Generation, huh?", grinste sie und wollte das Handschufach öffnen, "Hast du denn Taschentücher hier?"
Hastig griff ich ihren Arm, bevor sie dies tun konnte: "Nicht da drin, uhm, in meinem Koffer müssten welche sein."
Ihr Blick durchbohrte mich buchstäblich als sie beobachtete, wie ich mich nach hinten, zu der Rückbank beugte, um den Reißverschluss des Koffers zu öffnen. Mein Puls raste.
"Gefunden!", kündigte ich an und kramte neben der Packung Taschentücher, auch einen sauberen, grauen Pullover für mich heraus.
Nachdem ich den Koffer wieder schloß, setzte ich mich richtig hin und gab Summer die Taschentücher: "Brauchst du das Wasser, um die einwenig nass zu machen?"
"Wozu hat man Sabber, Hunter?", schnaubte sie, rollte dabei sogar ihre Augen.
Dann zog sie ein Tuch aus der Packung, feuchtete dieses mit ihrer Zuge an und wischte sich, so gut wie möglich, das Blut aus dem Gesicht.
Während dessen, zog ich mir die Lederjacke aus und den Pullover über das blutverschmierte Shirt, dabei erinnerte ich Summer daran, ihre Knie nicht zu vergessen.
"Okay, ich bekomme langsam das Gefühl, du hast sowas schon mindestens einmal durchgezogen.", entgegnete sie und wischte sich sorgfältig die Knie ab.
Ich zog die Lederjacke über den Pullover an und schnappte mir meine Schachtel Zigaretten, während ich die Worte 'Bloß an Weihnachten.' nuschelte.
"Komm, lass mich dir helfen.", Summer's Hand fasste mein Kinn, um meinen Kopf in ihre Richtung zu drehen.
Vorsichtig wischte sie mir das Blut von der Nase, noch bevor ich etwas sagen konnte.
Dann protestierte ich sanft: "Ich kann das auch selbst machen, Summer!"
"Hätte ich es nicht erwähnt, hättes du nichtmal gewusst, dass du geblutet hast!", konterte sie mit strengem Unterton, doch plötzlich hielt sie inne und ihre Augen musterten verwundert die linke Seite meiner Stirn.
Ob ich in dem Moment bewusst oder unbewusst die Luft anhielt, war mir unklar.
Summer zauberte ein neues Taschentuch hervor und fragte: "Wusstest du, dass du eine verdammte Platzwunde an der Stirn hast, junger Mann? Wegen deinen Haaren ist es mir vorher, gar nicht aufgefallen."
Ich atmete langsam aus und sprach genauso langsam: "Um ehrlich zu sein, dachte ich, es sei einfach eine Beule oder so."
Sie seufzte und wischte an der linken Seite meines Gesichts herum: "Es hat geblutet, zum Glück nicht all zu viel. Vielleicht muss es genäht werden, Hunter, wir sollten den Notarzt rufen."
"Nein, die haben bei diesem Wetter sicher viel Wichtigeres zu tun.", meinte ich kleinlaut.
Summer hielt mit einer Hand meine Haare zurück und tupfte mit der anderen Hand die Wunde ab, woraufhin ich scharf Luft einzog. Der Schmerz war intensiver als zuvor.
"Ich denke das reicht.", beschloss das Mädchen und lehnte sich wieder zurück, "Was zur Hölle ist mit dir passiert, Hunter?"
Ich umfasste die Zigarettenschachtel fester: "Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass es kompliziert ist?"
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