trick or treat yo'self
seven.
trick or treat yo'self
31. Oktober 1994
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„ARGH, FUCK!"
George zog sich lachend die Maske vom Gesicht.
„Was zum Teufel sollte das?", rief ich und griff mir erschrocken ans Herz.
„Es ist Halloween!", schrie er aufgeregt und ich zuckte erneut zusammen. Seine roten Haare waren ein einziges großes Durcheinander.
„Ja, und?", erwiderte ich fassungslos. „Das ist noch lange kein Grund, hinter irgendwelchen düsteren Ecken zu hocken und Leute zu erschrecken!"
„Es macht aber Spaß", sagte er und ich verdrehte die Augen.
„Halloween ist scheiße", schnappte ich. „Also lass' mich damit bloß in Ruhe."
Seine Augen weiteten sich ungläubig. „Was? Jeder liebt Halloween."
„Ich nicht", widersprach ich ihm.
Langsam ließ er die Hand, in der er nach wie vor die gruselige Maske hielt, sinken. Er wirkte ehrlich erschüttert. „Aber warum nicht?"
„Halloween ist nichts weiter als ein altmodischer bürgerlicher Feiertag des Kapitalismus", erwiderte ich. „In England verschwenden lokale Gemeinden jedes Jahr Millionen an Pfund für bescheuerte Dekoartikel und Kostüme."
George verdrehte die Augen. „Weißt du, wie man Leute nennt, die Halloween nicht mögen?", fragte er. „Langweilig, man nennt sie langweilig."
Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Immerhin bin ich geistig nicht immer noch auf dem Stand eines Zwölfjährigen", entgegnete ich spitz.
Vor Belustigung schnaubend verschränkte George die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Warum bist du nur immer so gemein?", fragte er verschmitzt und fuhr sich durch die roten Haare. „Ich bin viel reifer und schlauer, als du denkst."
Ich musterte ihn und zog ungläubig die Augenbrauen hoch. „Du hast deinen Pullover falsch rum an", teilte ich ihm trocken mit und prompt blickte er an sich herunter.
Seine Wangen färbten sich hauchzart rosa, doch er versuchte es mit seinem üblichen schelmischen Grinsen zu überspielen. „Toll, dass dir das aufgefallen ist. Aber wenn du mich oben ohne sehen willst, brauchst du es einfach nur zu sagen." Er zwinkerte mir zu und ich schnitt daraufhin eine Grimasse.
„Wer will das schon?", fragte ich und das Grinsen in seinem Gesicht wurde noch eine Spur breiter.
„Süß, wie verzweifelt du versuchst es zu leugnen, aber ich weiß ganz genau, dass du insgeheim auf mich stehst."
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn gehässig an. „Witzig, ich dachte, es wäre genau anders herum."
George verdrehte die Augen und sagte dann: „Bild' dir bloß nicht all zu viel darauf ein, Finnley."
„Werd' ich nicht, keine Sorge", erwiderte ich spöttisch, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon.
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„Was ist passiert?", fragte Jo und lachte, als ich mich vor Wut schnaubend an den Tisch der Hufflepuffs fallen ließ.
Die Große Halle war anlässlich Halloweens festlich geschmückt worden. Hunderte und aber hunderte von Kerzen tauchten sie in ein angenehmes dämmriges Licht. Eine Wolke echter Fledermäuse flatterte über die verzauberte Decke.
Ich schüttelte den Kopf und biss die Zähne aufeinander. „George Weasley ist passiert", knurrte ich und Jos Gelächter wurde noch lauter.
„Was hat er jetzt schon wieder gemacht?", fragte sie und schob sich einen vollen Löffel Kürbispudding in den Mund.
Ich antwortete ihr nicht, sondern verdrehte nur die Augen und stahl ihre Puddingschüssel. „Er ist am Leben, ist das nicht genug?", fragte ich dann schulterzuckend und grinste, als Jo mich gespielt böse ansah.
„Schmeckt's?", fragte sie und ich nickte ihr mit vollem Mund zu. Sie schnitt eine Grimasse und sagte gehässig: „Ich hoffe, du erstickst daran."
Daraufhin streckte ich nur die Zunge raus.
„Habt ihr es schon gehört?", fragte dann plötzlich eine aufgeregte Stimme und Cynthia stolperte durch die Bankreihen auf uns zu.
Jo und ich tauschten verwirrte Blicke.
„Warrington soll ganz früh aufgestanden sein und seinen Namen in den Kelch geworfen haben", sagte Cynthia. „Dieser riesige Kerl aus Slytherin, ihr wisst schon."
Jo verzog das Gesicht. „Oh nein, ich hoffe, es wird niemand aus Slytherin", sagte sie und ich pflichtete ihr bei.
„Hat Cedric seinen Zettel schon reingeworfen?", fragte ich dann neugierig und Cynthia grinste breit.
„Klar, was denkst du denn?", erwiderte sie und setzte sich zu uns.
„Es wäre wirklich toll, wenn er der Hogwarts-Champion werden würde", sagte ich und stützte mich mit dem Kinn verträumt auf meinen Händen ab.
„Ja", sinnierte Jo. „Und wenn der Champion dann auch noch aus Hufflepuff kommt, wäre das eine noch größere Ehre."
Cynthia und ich nickten.
Plötzlich ertönten aus der Eingangshalle laute Schreie und Gelächter. Unisono drehten wir uns um.
„Was, meint ihr, ist da draußen los?", fragte ich und runzelte die Stirn. Ich glaubte, die Stimmen der Weasley-Zwillinge hören zu können.
„Wahrscheinlich nur wieder irgendwelche Schwachköpfe, die ihre Namen einwerfen, obwohl sie sowieso noch nicht siebzehn sind", vermutete Cynthia und grinste gut gelaunt. „Sabrina und Kenneth haben es heute morgen auch schon versucht. Sie sind jetzt im Krankenflügel, weil ihnen Bärte gewachsen sind."
Jo schnaubte belustigt. „Vollidioten", murmelte sie kopfschüttelnd und biss sich das Lachen von den Lippen.
Fünf Minuten später betrat Mel in Begleitung von Andrew die Große Halle.
„Angelina hat gerade ihren Namen eingeworfen", rief die Blondine von Weitem. Ihre Wangen glühten vor Aufregung.
Andrew nickte zustimmend. „Fred und George haben es auch versucht—", fuhr er fort.
„Und sind kläglich gescheitert", beendete Mel seinen Satz und ich grinste schadenfroh.
„Wohl verdient", murmelte ich und meine Freunde tauschten amüsierte Blicke.
„War ja klar, dass du so denkst", sagte Andrew und rollte mit den Augen. Er setzte sich neben mich und schnappte die Puddingschüssel aus meinen Händen.
Ich streckte ihm die Zunge raus. „Hast du etwa geglaubt, es wäre anders?", erwiderte ich belustigt.
Er schien einen kurzen Moment darüber nachzudenken, doch schüttelte dann den Kopf. „Wenn du mich so fragst, nein."
„Dann wird es dich sicher freuen, dass Professor McGonagall den beiden für morgen auch Nachsitzen aufgebrummt hat", sagte Mel. „Sie meinen, dafür war es die ganze Aktion allemal wert."
Während Jo belustigt los prustete, riss ich die Augen auf. „Was?", rief ich entgeistert und Mel nickte.
„Tut mir ja echt leid, aber sieh's doch mal so, es wird immerhin nicht langweilig", sagte sie und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
Ich verdrehte die Augen und grummelte etwas vor mich hin, von dem ich selbst nicht genau verstand, was es war.
Meine Freunde lachten jedoch nur.
Den Rest des Tages verbrachten wir im Gemeinschaftsraum und draußen auf den Ländereien. Das Wetter war gut genug, um eine Runde um den Schwarzen See zu spazieren. Jo versuchte mich ins Wasser zu stoßen und Mel lachte nur darüber, rutschte dabei aber selbst am sandigen Ufer aus und landete im Gras. Es wurde bereits dunkel, als wir uns zurück ins Schloss aufmachten.
Auf halbem Weg trennte sich Mel von uns, weil sie angeblich noch ein Buch aus der Bibliothek holen wollte, und so stapften Jo und ich gemeinsam weiter.
In einem düsteren Gang wurde dann plötzlich ein bunter Wandteppich zur Seite gerissen und Lucas sprang aus dem dahinter liegenden Geheimgang hervor.
Ich stieß einen erschrockenen Aufschrei aus und Jo verpasste ihm reflexartig einen Kinnhaken.
„Verdammt, was sollte das?", rief er mit erstaunlich hoher Stimme und rieb sich den Kiefer.
„Das könnte ich dich genauso gut fragen!", keifte Jo zurück und griff sich ans Herz. „Du hast uns zu Tode erschreckt."
Lucas fuhr sich durch die dunklen Haare und grinste verschmitzt. „Tut mit leid", sagte er zerknirscht. „Ich wollte nur—"
„Was?", unterbrach Jo ihn gereizt und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich hab dich gesucht", antwortete Lucas und rieb sich nervös den Nacken.
Der harte Ausdruck in Jos Augen verschwand augenblicklich und sie lächelte süß.
„Hast du was dagegen, wenn ich sie kurz entführe?", fragte Lucas dann an mich gewandt und sofort hob ich die Hände.
„Tu dir keinen Zwang an", erwiderte ich und grinste breit, als er meine Freundin kurzerhand am Arm packte und sie mit sich zog.
Jo schaffte gerade noch so, mir einen letzten vorfreudigen Blick zuzuwerfen, dann waren die beiden auch schon verschwunden.
Ich seufzte leise und schüttelte lächelnd den Kopf, ehe ich meinen Weg in den Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs fortsetzte.
Gerade als ich um die nächste Ecke biegen wollte, hörte ich Stimmen.
„Sie ist es", sagte die tiefere, knurrendere der beiden. Sie gehörte Mad-Eye Moody. „Ich bin mir sicher, dass sie es ist."
„Sie hat keine Tochter. Wenn es so wäre, dann wüssten wir davon", sagte ein zweiter Mann, den ich nicht kannte. Er hatte einen stark ausgeprägten Akzent.
„Sie hatte ein Baby, das kurz nach der Geburt gestorben ist", erwiderte Professor Moody. Schweigen trat ein, dann fuhr er fort: „Was ist, wenn sie das nur vorgetäuscht hat? Was ist, wenn das Kind überlebt hat?"
„Sie ist verschwunden. Seit Jahren hat sie niemand mehr gesehen."
Ich hielt den Atem an.
„Sie ist eine Verräterin und sie hat verdient, was sie bekommen hat", ergriff der mir fremde Mann erneut das Wort.
Eine Gänsehaut kroch meine Arme hinauf und meine Zehenspitzen waren eiskalt.
Dann ertönte plötzlich ein lauter Knall in der Ferne, der einer Explosion gleich kam und mich zusammenfahren ließ.
Die beiden Männer verstummten augenblicklich.
Eine eisige Kälte kroch durch den Korridor und meine Kehle schien wie zugeschnürt.
Auf dem Absatz wirbelte ich herum und floh in die Dunkelheit hinein.
Schritte halten an den Wänden hinter mir wider.
Von Weitem entdeckte ich eine Tür und sprintete darauf zu.
Keuchend stieß ich sie auf und hechtete über die Schwelle. Ich sah mich in dem leeren Klassenzimmer um und entdeckte einen großen Schrank auf der gegenüberliegenden Seite der Tür. Hastig stürzte ich auf ihn zu, öffnete ihn und zwängte mich zwischen ein paar muffig riechende abgewetzte Umhänge. Ich hielt den Atem an und schloss die Augen.
Ein paar Minuten vergingen. Dann hörte ich plötzlich Schritte.
Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, es könnte jeden Moment aus meiner Brust entfliehen.
Ich ließ meine Augen durch die Dunkelheit gleiten und umklammerte mit schwitzigen Händen meinen Zauberstab noch ein wenig fester.
Die Schritte schienen immer näher zu kommen. Dann wurde die Schranktür aufgerissen und die Umrisse zweier großer Gestalten waren in der Düsternis zu sehen.
Ich schrie erschrocken auf und wollte mich gerade auf sie stürzen, als ich erkannte, dass es sich um Fred und George Weasley handelte.
Auch sie zuckten zusammen und richteten ihre Zauberstäbe auf mich.
„OH MEIN GOTT!", fluchte ich und die Zwillinge machten einen Satz zurück. Sie starrten mich überrascht an.
„Finnley", keuchte Fred und stützte dann erleichtert die Hände in die Hüften.
„Was bei Merlin's linkem Hänge machst du hier?", fragte George, der kreidebleich im Gesicht war.
Wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Ich hab mich im Schrank versteckt und war kurz vorm Durchdrehen — dank euch zwei Genies", zischte ich und steckte meinen Zauberstab wieder in die hinterer Tasche meiner Jeans. „Was geht hier vor sich?", fragte ich dann. Fröstelnd zog ich die Ärmel meines Pullovers noch ein Stückchen weiter nach unten.
Fred und George tauschten Blicke und zuckten dann gleichzeitig mit den Schultern.
„Keine Ahnung", murmelte Fred und ließ seinen Blick wachsam durch die Dunkelheit schweifen.
„Und ich dachte schon, ihr seid dafür verantwortlich", erwiderte ich verschmitzt und die Zwillinge rollten mit den Augen.
„Die drehen gerade alle total durch wegen des Turniers", sagte George.
Ich dachte an die Unterhaltung zwischen Moody und dem fremden Mann zurück, die ich unfreiwillig mitbekommen hatte, verdrängte den Gedanken aber recht schnell wieder und zog stattdessen die Augenbrauen hoch. Ich stieß ein spöttisches Schnauben aus. „Ach, und ihr natürlich nicht", erwiderte ich ungläubig. „Oder stimmt es etwa nicht, dass ihr im Krankenflügel gelandet seid, weil euer Plan mit dem Alterungstrank schief gelaufen ist?"
George schnitt eine Grimasse, während Fred nur die Augen verdrehte.
„Sind euch wirklich Bärte gewachsen?", fragte ich und konnte mein Lachen nicht mehr unterdrücken.
„Du musst auch echt alles ins Lächerliche ziehen, oder?", fragte George genervt.
Teils fassungslos, teils belustigt holte ich Luft und kreuzte die Arme vor der Brust. „Erwartest du etwa, dass ich Mitleid mit euch habe? Ihr seid selbst Schuld, dass so etwas passiert ist."
„Danke für deine Anteilnahme, Finnley", sagte Fred mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen und klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
„Genau, danke für gar nichts", grummelte George und wandte sich ab.
Hinter seinem Rücken äffte ich ihn lautlos nach, dann sagte ich verärgert: „Was ist eigentlich dein Problem, Weasley? Ich hab euch nicht gesagt, dass ihr den Trank nehmen sollt."
George drehte sich auf dem Absatz wieder zu mir um. „Willst du wirklich wissen, was mein Problem ist?", fragte er und herausfordernd reckte ich das Kinn in die Höhe. „Du!", rief er und deutete mit dem Finger auf mich. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass das unhöflich war, aber ich ließ es bleiben. „Du bist das verdammte Problem. Mit deinen altklugen Sprüchen und diesen bescheuerten blauen Augen und der Arroganz zu glauben, du wärst viel besser als alle anderen—"
„Okay", unterbrach ich ihn jedoch und hob den Finger, „zunächst einmal halte ich mich nicht für besser als alle anderen und wenn ich was sage, ist das meistens auch die Wahrheit. Und zweitens, ja, meine Augen sind wirklich schön und blau und wenn du mal ehrlich zu dir selbst wärst, würdest du zugeben, dass du das genauso siehst und dass du mich eigentlich ganz gut leiden kannst, wenn dein Ego mal nicht größer ist als der Mond. Aber bei deinem ach so tollen und obercoolen Selbst, das du immer raushängen lässt, würde dir das sowieso nicht in den Sinn kommen, nicht wahr?" Ich atmete schwer und meine Wangen waren gerötet. Ich wusste nicht, woher diese Worte auf einmal kamen, und es war mir peinlich, als ich im nächsten Moment realisierte, dass ich sie wirklich laut ausgesprochen hatte.
George klappte sprachlos der Mund auf.
Fred zog überrascht die Augenbrauen hoch und machte ein Gesicht, als wollte er überall lieber sein, nur nicht hier.
Mit klopfendem Herzen und am liebsten im Erdboden versinken wollend, verschränkte ich die Arme vor der Brust und reckte den Kopf. „Tu nicht so überrascht", fuhr ich gelassen fort. „Wir wissen doch beide, dass du heimlich in mich verknallt bist."
Bei meinen Worten entspannte sich Georges Miene wieder und er schüttelte grinsend den Kopf. „Red' dir das ruhig weiter ein", sagte er verschmitzt und ich verdrehte die Augen.
Meine Wangen waren nach wie vor warm und rot und ich wollte mich am liebsten auf der Stelle in Luft auflösen. Ich pustete mir genervt eine lange braune Haarsträhne aus dem Gesicht und drängte mich wortlos zwischen den Zwillingen hindurch.
Die beiden lachten nur und folgten mir dann aus dem Klassenzimmer hinaus.
Die Kälte war verschwunden und ich fragte mich, ob ich sie mir vielleicht nur eingebildet hatte. Unbewusst hielt ich nach Professor Moody Ausschau.
„Ich hoffe echt, dass Angelina der Hogwarts-Champion wird", sagte Fred gerade lautstark, während ich ihnen voran durch den Korridor stapfte.
„Ja, bloß nicht Diggory", stimmte George zu und ich hatte das Gefühl, dass er das nur sagte, weil oder gerade damit ich es hörte.
Abrupt drehte ich mich um und schoss ihm böse Blicke zu, doch er feixte nur.
Als wir die Große Halle schließlich betraten, gab es schon fast keine freien Plätze mehr. Der Feuerkelch hatte einen anderen Platz bekommen, er stand nun vor Dumbledores leerem Stuhl.
Ich trennte mich von Fred und George und lief hinüber zum Hufflepuff-Tisch.
„Da bist du ja endlich!", rief Jo und zog mich neben sich.
„Wo warst du?", fragte Mel, doch ich antwortete nicht.
Stattdessen warf ich den Zwillingen über die Schulter hinweg einen Blick zu. Fred redete unablässig auf Angelina ein, während George auf seinem Teller herumstocherte und dann plötzlich den Kopf hob. Seine braunen Augen trafen die meinen und hastig wandte ich mich wieder ab.
Das Halloween-Festessen schien viel länger zu dauern als üblich. Angesichts der ungeduldigen Mienen, des allgemeinen Gezappels, der sich ständig reckenden Hälse und neugierigen Blicke, wollte jeder in der Halle nur, dass sich die Teller leerten und endlich verkündet wurde, wer Champion geworden war.
Der Lärm schwoll rasch an und erstarb dann wieder, kaum dass Dumbledore aufgestanden war. Die beiden Professoren der ausländischen Schulen wirkten nicht weniger gespannt und erwartungsvoll. Ludo Bagman strahlte und zwinkerte dieser und jener Schülerin zu. Mr Crouch jedoch schien recht wenig interessiert, fast gelangweilt.
„Der Kelch ist bereit, seine Entscheidung zu fällen", sagte Dumbledore. „Wenn die Namen der Champions ausgerufen werden, bitte ich sie, hier aufs Podium zu kommen und am Lehrertisch vorbei in diese Kammer dort zu gehen, wo sie dann die ersten Anweisungen erhalten."
Er zückte seinen Zauberstab und schwang ihn ausladend durch die Luft. Sofort erloschen alle Kerzen, sodass nun alles im Halbdunkeln lag. Der Feuerkelch leuchtete jetzt heller als alles andere in der Halle.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Die Flammen des Kelches färbten sich plötzlich rot. Funken sprühten aus der Glut. Im nächste Moment schoss ein verkohltes Stück Pergament in die Luft und flatterte gen Boden. Dumbledore fing es auf und rief: „Der Champion für Durmstrang ist — Viktor Krum."
„War ja klar", murmelte Jo, während Beifall aufbrandete.
Ich sah, wie Viktor Krum vom Tisch der Slytherins aufstand und zu Dumbledore hinüber schlurfte. Er wandte sich nach rechts, ging am Lehrertisch vorbei und verschwand durch die Tür in der Kammer dahinter.
Die Flammen im Kelch färbten sich erneut scharlachrot. Ein zweites Blatt Pergament wurde von der Hitze hochgeschleudert und flog aus der Glut.
„Der Champion für Beauxbatons", sagte Dumbledore, „ist Fleur Delacour!"
Ein Mädchen, das unwahrscheinliche Ähnlichkeit mit einer Veela hatte, erhob sich anmutig und warf seine silbrig blonden Haare zurück. Sie glitt zwischen den Tischen der Ravenclaws und Hufflepuffs hindurch und verschwand ebenfalls in der Kammer.
Wieder legte sich Stille über die Halle. Jeder Anwesende schien den Atem anzuhalten.
Dumbledore zog das dritte Stück Pergament aus den tänzelnden roten Flammen.
„Der Hogwarts-Champion ist", rief er. „Cedric Diggory!"
Der Tumult an unserem Tisch war gewaltig.
Wir alle waren aufgesprungen, schrien und stampften mit den Füßen, während Cedric mit einem breiten Grinsen auf die Kammer hinter dem Lehrertisch zulief. Im Vorbeigehen gab er mir ein High-Five.
Jo, Mel und ich tauschten hellauf begeisterte Blicke, Lucas grölte vor Freude und Andrew klatschte laut Beifall.
Der Applaus für Cedric hielt so lang an, dass Dumbledore ein paar Minuten brauchte, um sich wieder Gehör zu verschaffen. „Bestens!", rief er glücklich, als sich die Aufruhr endlich wieder gelegt hatte. „Ich bin sicher, dass ich mich darauf verlassen kann, dass ihr alle, auch die nicht ausgewählten Schüler aus Beauxbatons und Durmstrang, euren Champion mit äußerster Kraft unterstützt. Indem ihr euren Champion anfeuert, könnt ihr durchaus dazu beitragen—"
Doch plötzlich verstummte er.
Das Feuer des Kelches hatte sich abermals tiefrot gefärbt. Eine lange Flamme schoss in die Höhe und mit sich trug sie ein weiteres Blatt Pergament. Dumbledore streckte seinen langen Arm aus und griff danach. Er hielt es von sich und las stumm den Namen, der darauf geschrieben stand. Eine lange Pause trat ein, dann sagte er laut: „Harry Potter."
Wie in Zeitlupe drehte ich mich auf meinem Platz zu Harry um. Und ich war nicht die einzige.
Jedes Augenpaar in der Großen Halle war auf ihn gerichtet. Er war geschockt, schien wie gelähmt.
Niemand klatschte. Einige standen auf, um Harry besser sehen zu können.
„Harry Potter!", rief Dumbledore erneut. „Harry, nach oben, wenn ich bitten darf!"
Das Mädchen mit den buschigen Haaren flüsterte Harry etwas zu und versetzte ihm einen kleinen Stoß.
Harry stand auf, verhedderte sich im Saum seines Umhangs und geriet kurz ins Stolpern. Dann ging er am Lehrertisch entlang und verschwand durch die Tür.
Ein wütendes Summen schwoll in der ganzen Halle an.
Entsetzt drehte ich mich zu meinen Freunden um. „Was zum—?", murmelte ich, mir fehlten die Worte.
„Wie hat er das gemacht?", fragte Jo nicht minder fassungslos. „Er ist doch noch nicht mal siebzehn."
Ich zuckte mit den Schultern.
„Der hat geschummelt!", rief jemand vom Tisch der Ravenclaws.
Ein zustimmendes Raunen ging durch die Menge.
„Es gibt auch wirklich kein Schuljahr, in dem er sich nicht in den Mittelpunkt drängt, oder?", fragte Lucas mürrisch und schnitt eine Grimasse.
„Wir wissen doch noch gar nicht, was genau passiert ist", warf Mel ein, die besorgt die Stirn in Falten gezogen hatte. „Ich bin mir sicher, dass das alles nur ein riesengroßes Missverständnis ist."
Jo grummelte irgendwas vor sich hin und schoss böse Blicke wie Pfeile in Dumbledores Richtung.
Als wir schließlich unter Protest aus der Großen Halle gescheucht wurden, traf ich in der Eingangshalle auf Fred und George.
Sofort ging ich auf die beiden zu. „Habt ihr was damit zu tun?", fuhr ich sie an.
Empört rissen sie die Augen auf.
„Du traust uns auch echt alles zu, oder?", erwiderte Fred gespielt beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Du bist doch nur sauer, weil Diggory jetzt ernsthafte Konkurrenz bekommen hat", sagte George und ungläubig sah ich ihn an.
„Natürlich bin ich sauer, aber nicht deswegen", widersprach ich. „Harry ist gerade mal vierzehn und es wäre absolut nicht fair, wenn er wirklich im Turnier antreten dürfte."
George stöhnte entnervt auf. „Egal, wie Harry es geschafft hat, seinen Namen in den Kelch zu werfen, er hat es genauso verdient teilzunehmen, wie jeder andere auch."
„Nein, hat er nicht und das weißt du auch", sagte ich kopfschüttelnd. „Nur einmal ging es um jemanden von uns, jemanden aus Hufflepuff. Nur einmal hat sich nicht alles nur um Harry Potter gedreht. Aber er hat es mal wieder kaputt gemacht. Nicht einmal das konnte er uns lassen."
George zog mitleidig die Stirn in Falten, öffnete sprachlos den Mund.
Ich schnaubte verächtlich. „Ich hab doch gesagt, dass Halloween scheiße ist", murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Daraufhin verdrehte er nur die Augen.
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author's note.
Hallo, ihr Lieben! Ich hoffe, es geht euch gut und ihr hattet eine entspannte Woche!
Wie fandet ihr das Kapitel?
Ich sitze gerade im Zug auf dem Weg nach Hamburg und hoffe, dass ich irgendwann genug Netz habe, um das hier zu posten. #fingerscrossed
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