bee stung heart
twenty-eight.
bee stung heart
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„WILLKOMMEN IM LAND der Loser. Wo Terror regiert und die einzige Flucht vor der Realität deine wildesten Träume sind", brummte ich und Jo verdrehte theatralisch die Augen.
Lucas zog verwirrt die Stirn in Falten und warf seiner Freundin einen flüchtigen Blick zu. „Was ist los mit dir, Finnley?", fragte er dann und setzte sich mit einem neugierigen Funkeln in den Augen neben mich auf die Bank.
„Sie hat Liebeskummer", raunte Jo ihm zu und prompt schoss ich auf meinem Platz in die Höhe.
„Ich habe keinen Liebeskummer", protestierte ich und verschränkte genervt die Arme vor der Brust.
Jo und Lucas sahen einander an und schüttelten dann unisono die Köpfe.
„Und ob du Liebeskummer hast", sagte Jo und stützte schmunzelnd das Kinn auf ihrer Hand ab. „Ich seh's dir doch an, du kannst deine Augen kaum von ihm abwenden."
Lucas klatschte triumphierend in die Hände und ich zuckte daraufhin erschrocken zusammen. „Und er hat schon den ganzen Tag ein dämliches Lächeln auf den Lippen, immer dann wenn er dich ansieht", kommentierte er und schnappte sich ein Sandwich von einem der goldenen Teller.
„Redet ihr von Kitra und George?", fragte Andrew, der just in diesem Moment neben uns auftauchte. Er schwang seine langen Beine über die Bank und hockte sich neben Jo an den Hufflepuff-Tisch.
Meine Augen weiteten sich. „Woher wisst ihr alle—" Bei Jos ungläubigen Blick verstummte ich jedoch und zog mit geröteten Wangen den Kopf ein.
„Ist ja kaum zu übersehen", sagte Lucas und verschränkte mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen die Hände im Nacken.
Gehässig sah ich ihn an.
Versöhnlich legte Jo ihre Hand auf meinen Arm. „Ich weiß, du sprichst nicht gern über deine Gefühle, aber du solltest wissen, dass wir immer für dich da sind", sagte sie dramatisch und ich verdrehte daraufhin die Augen - doppelt, als sie anschließend auch noch in Gelächter ausbrach.
„Willst du nicht noch mal mit ihm reden?", fragte Lucas dann vorsichtig. „Diese schmachtenden Blicke kann man sich ja nicht mit ansehen."
Frustriert seufzte ich auf. „Nerv' mich nicht, Lucas", brummte ich jedoch nur und Lucas zog die Augenbrauen hoch.
„Aber warum nicht?", fragte er resigniert und Jo legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter.
Es war faszinierend, dass meine Freunde offenbar viel mehr Zeit und Energie in mein Liebesleben steckten, als ich selbst. „Ich dachte, du kannst Fred und George nicht leiden", sagte ich dann und Lucas machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Das war doch nur wegen Quidditch", erwiderte er. „Eigentlich sind die beiden echt cool. Und George und du passt wirklich gut zusammen."
„Könnt ihr nicht mal damit aufhören, das ständig zu sagen?", seufzte ich und vergrub das Gesicht in den Händen. „George und ich werden niemals ein Paar werden. Nie." Meine eigenen Worte versetzten mir einen Stich im Herzen.
Aber warum eigentlich nicht?, fragte die keine närrische Stimme in meinem Kopf. Unbewusst schüttelte ich ihn.
Meine Freunde tauschten entgeisterte Blicke und Lucas hatte einen Ausdruck im Gesicht, als würde er alles in der Welt darauf setzen, meine Meinung zu ändern.
„Ich hab jetzt keine Zeit dafür", sagte ich dann und stemmte mich seufzend vom Tisch hoch. Ich fasste Andrew scharf ins Auge und zuckte mit dem Kopf. „Wir haben gleich Verwandlung, komm schon."
Dieser sah Jo und Lucas ein letztes Mal ratlos an, hob dann jedoch die Schultern und folgte mir aus der Großen Halle. Auf dem Weg trafen wir auf Mel, die sich uns gut gelaunt anschloss.
Vor der Tür zum Klassenzimmer für Verwandlung stand Draco Malfoy samt seiner Truppe gemeiner Slytherin-Kumpane und feixte gerade über etwas, das einer seiner Freunde gesagt hatte. Als er Mel entdeckte, hob er lässig die Hand. „Hey, Süße", sagte er mit scharrender Stimme und zwinkerte ihr zu. „Ich hab dich vermisst."
Mel lief bis zu den aschblonden Haarspritzen rot an. Sie warf uns einen flüchtigen Blick zu und sagte dann: „Wir haben uns erst gestern gesehen."
Draco grinste arrogant.
Ich verzog das Gesicht und tat so, als müsste ich mich übergeben.
Dracos blaue Augen schossen zu mir hinüber. „Warum gibst du dich überhaupt mit denen ab?", fragte er dann und nickte gehässig in meine Richtung.
Ich machte einen angriffslustigen Schritt auf ihn zu, doch Mel packte mich hastig am Arm und zog mich zurück.
Dann richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und straffte die Schultern. „Das sind meine Freunde, von denen du da sprichst, Malfoy", sagte sie scharf und Dracos Augen weiteten sich kaum merklich.
Dann fletschte er die Zähne und ein höhnisches Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. „Ich sagte dir doch", drohte er und ballte unbewusst die Hände zu Fäusten, „wenn du mit Abschaum rumhängst, wirst du irgendwann selbst dreckig."
Mel schnappte nach Luft. „Und wenn du noch einmal schlecht über sie redest, dann hex' ich dir 'nen Fluch auf, dass dir Hören und Sehen vergeht", sagte sie und wirbelte ihren Zauberstab zwischen den Fingern umher. „Du solltest mich nicht herausfordern, ich bin zwei Jahre älter als du, und glaub mir, es wird Spaß machen, dich leiden zu sehen." Sie klimperte mit den Wimpern.
Dracos Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du bist 'ne verrückte Bitch, weißt du das?", fragte er und zu meiner großen Überraschung verzogen sich Mels Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
„Ja", sagte sie gelassen, „und das sollte dir Angst machen."
Draco starrte sie ungläubig an.
„Und jetzt verzieh' dich", hisste sie und der blonde Slytherin wich ungemein verängstigt vor ihr zurück.
Er warf seinen Freunden einen flüchtigen Blick zu und zuckte dann murmelnd mit dem Kopf: „Wir hauen ab." Er sah Mel ein letztes Mal feindselig an, bevor er sich schließlich abwandte und am Ende des Korridors verschwand.
Mit offenen Mündern starrten wir ihnen nach. Dann wandten wir uns Mel zu.
„Das war—", hauchte ich und Andrew nickte zustimmend.
„—der Wahnsinn", schloss er und blinzelte mehrmals, als befände er sich in einem äußerst surrealen Traum.
Mel grinste nervös. „Er hat nie besonders gut über euch geredet", sagte sie dann leise und schaffte es dabei nicht einmal, uns in in die Augen zu sehen. „Aber das war mir immer egal, weil ich nur an mich selbst gedacht habe. Ich weiß, dass das falsch war, aber ich hatte das Gefühl, mir selbst etwas beweisen zu müssen. Dass ich so sein kann, wie meine Eltern es von mir verlangen."
Ich neigte nachdenklich den Kopf zur Seite und Andrew legte Mel tröstend die Hand auf den Arm. „Ist schon okay", sagte er. „Du hast es letztendlich verstanden, oder?"
Mel zuckte mit den Schultern. Ein schwaches Lächeln umspielte dabei ihre Lippen.
Ich grinste. „Ein bisschen spät zwar, aber—au!" Gespielt verärgert sah ich Andrew an, als er mir einen Stoß versetzte.
Mel lachte leise.
„Oh, sieh nur, Georgie, deine süße kleine Freundin lächelt und es liegt zur Abwechslung mal nicht an dir", säuselte Fred, der gerade hinter uns im Korridor aufgetaucht war.
Ihm dicht auf den Fersen folgte sein Zwilling.
Ich warf einen Blick über die Schulter und verdrehte die Augen.
Ein schwaches Grinsen umspielte Georges Lippen, während er mich schweigend beobachtete, und automatisch beschleunigte sich mein Herzschlag.
Hastig wandte ich mich wieder ab. „Ach, halt doch einfach den Mund, Fred", brummte ich nur und der hochgewachsene Rotschopf brach im Gelächter aus.
„Da hab ich wohl einen Nerv getroffen, was?", fragte er und stieß seinem Bruder schelmisch in die Seite.
„Schnauze, man", murmelte George ihm mit geröteten Wangen zu und verschränkte peinlich berührt die Hände unter den Achseln.
Fred grinste jedoch genauso breit wie eh und je. Summend tänzelte er vor uns auf und ab. Erst als Professor McGonagall im Korridor erschien, verstummte er und folgte mir und meinen Freunden über die Schwelle in den bislang noch leeren Klassenraum. Seinen wissenden Blick konnte ich dir ganze Zeit in meinem Rücken brennen spüren.
Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich von Andrew und Mel und machte mich auf den Weg in die Bibliothek ein Stockwerk tiefer.
Auf halber Strecke holte George Weasley mich ein. Keuchend kam er neben mir zum Stehen. „Oi, Finnley, warte mal kurz", sagte er und stützte atemlos die Hände auf die Knie.
Verwundert sah ich ihn an. „Weasley, was gibt's?", fragte ich so neutral wie möglich und umklammerte die Riemen meines Rucksacks noch ein wenig fester.
„Wir müssen reden", sagte er und fuhr sich flüchtig durch die scharlachroten Haare.
Ungläubig zog ich die Augenbrauen hoch. „Ich nehme an, du bist nur hier, um mich zu nerven", erwiderte ich und verschränkte schlicht die Arme vor der Brust. „Du bist langweilig und so was von durchschaubar."
George grinste breit. „Würde ich einen Moment der großen Kitra-Finnley-Show verpassen wollen?", fragte er und seine braunen Augen funkelten angriffslustig.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch prompt fiel er mir ins Wort.
„Ich weiß, du hast gesagt, dass du 'ne Pause brauchst", sagte er hastig. „Und das versteh ich auch. Ich meine..." Er betrachtete mich mit einem unschuldigen Lächeln auf den Lippen, „jemand, der so laut schnarcht, wie du, braucht auch ab und zu mal 'ne Pause."
Empört schnaubend verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Ich schnarche überhaupt nicht!", rief ich patzig, doch er lachte bloß leise.
„Und ob", erwiderte er. „Ich hab's doch mit eigenen Ohren gehört, als du bei uns geschlafen hast."
Mein Mund klappte auf, doch bevor ich etwas sagen konnte, hatte er mich auch schon am Handgelenk gepackt und kurzerhand durch einen Wandteppich gezogen.
Atemlos stolperte ich ihm nach und riss mich von ihm los, sobald ich in dem lichtdurchfluteten steinernen Gang wieder zu mir gekommen war. Wütend blinzelte ich ihn an. „Was zum Teufel soll das?"
George zwinkerte frech. „Ich hab doch gesagt, dass wir reden müssen", sagte er und mein Mund wurde plötzlich ganz trocken.
Ich wandte mich von ihm ab und machte einige große Schritte in den Korridor hinein. „Ich wüsste nicht, was wir zu bereden hätten", sagte ich und konnte zufrieden hören, wie George frustriert aufseufzte.
Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, stand er plötzlich direkt vor mir.
Der Ausdruck, mit dem er mich ansah, war schalkhaft, aber dennoch ernst genug, dass mein Herz augenblicklich schneller anfing zu schlagen. Er machte einen weiteren Schritt auf mich zu und automatisch wich ich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die kalte Wand hinter mir stieß. Beiläufig hob er den Arm und platzierte seine Hand neben meinem Kopf.
Meine Knie fühlten sich an, als würden sie jeden Moment unter mir nachgeben.
„Du weißt, dass ich nur einen Witz gemacht habe, oder?", fragte er dann mit rauer Stimme. Seine Augen wanderten über mein Gesicht und er lächelte gerade genug, dass zwei süße kleine Grübchen in seinen Wangen auftauchten.
Ich nickte und hoffte, dass er sich verdammt nochmal von mir zurückzog, weil ich kurz davor stand, einem Asthmaanfall zu bekommen, und ich hatte nicht mal Asthma.
„Gut", sagte er und beugte sich noch weiter nach vorn. „Weil du nicht schnarchst. Tatsächlich bist du sogar ziemlich süß, wenn du schläfst." Er knickte seinen Ellbogen ein und war mir plötzlich noch viel näher als zuvor. Sein heißer Atem streifte meinen Hals und scharf holte ich Luft.
Dann schubste ich ihn von mir weg und funkelte ihn wütend an. „Was zum Teufel soll das?", rief ich und George schmunzelte belustigt.
„Du magst mich", verkündete er und kreuzte arrogant die Arme vor der Brust.
Frustriert, weil ich wusste, dass er Recht hatte, ballte ich die Hände zu Fäusten.
„Du willst du mich."
Ich verdrehte die Augen. „'nen Scheiß will ich", widersprach ich und fühlte mich auf einmal aggressiv.
Ungläubig zog George die Augenbrauen hoch. „Wenn du meinst", sagte er und die Gleichgültigkeit in seiner Stimme versetzte mir einen Stich im Herzen. Er wollte sich schon von mir abwenden, besann sich dann aber offenbar eines besseren und drehte sich wieder zu mir um. „Weißt du, ich hab wirklich gehofft, dass du dir früher oder später eingestehst, was du für mich empfindest. Ich wollte dich nicht bedrängen, okay? Ich wollte dir so viel Zeit geben, wie du brauchst. Aber ich hab echt keine Nerven mehr, dir noch länger hinterher zu rennen—"
„Dann lass es", unterbrach ich ihn und resigniert presste er die Lippen aufeinander.
„Wenn es das ist, was du willst."
Unverwandt starrte ich ihn an.
„Aber wenigstens werd' ich nicht allein sein und allen anderen die Schuld für meine Probleme geben", sagte er. „Und weißt du was? Ich möchte wetten, wenn irgendein perfekter Kerl hier auftauchen würde, weil er dir die ganze Welt zu Füßen legen möchte, würdest du trotzdem noch nein sagen...weil du Angst hast auf diesen Zug zu steigen."
„Ach, fahr doch zur Hölle!", hisste ich und George stieß daraufhin ein spöttisches Schnauben aus.
„Und dich hier ganz alleine lassen?", erwiderte er mit gebleckten Zähnen. „Keine Chance."
Ich verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust.
Er sah mich ein letztes Mal eindringlich an und ich hatte das Gefühl, als könnte bis in meine Seele hinein schauen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und wollte gerade den Korridor verlassen, doch—
„Warte!"
Abrupt blieb er stehen. Wie in Zeitlupe drehte er sich wieder zu mir um. Er betrachtete mich mit einem erwartungsvollen Blick.
„Geh nicht", murmelte ich und seine braunen Augen weiteten sich kaum merklich.
„Warum?", hauchte er und seine kratzige Stimme jagte einen Schauer meinen Rücken hinunter.
„Ich—" Ich stockte und versuchte meine Gedanken zu sortieren.
George starrte mich einen kurzen Augenblick lang fassungslos an, dann schüttelte er mit einem falschen Lächeln auf den Lippen den Kopf. „Du kannst es noch nicht mal sagen", stellte er fest. „Warum wunderte mich das überhaupt?"
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. „Nein, ich—", begann ich hastig, doch prompt fiel er mir ins Wort.
„Du hast mir klar gemacht, dass du mich hasst. Immer wieder. Du konntest es mich einfach nicht vergessen lassen, oder?", erinnerte er mich und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein weißes Hemd spannte sich an seinen muskulösen Armen.
„Aber das war doch nur, weil—" Hilflos hob ich die Schultern. „Wenn ich es nicht getan hätte—" Ich atmete tief durch. „Wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich dir vermutlich gesagt, dass ich gerade dabei bin, mich in dich zu verlieben. Und ich glaube, keiner von uns beiden hätte mit dieser Wahrheit umgehen können."
Er erstarrte auf der Schwelle. „Du—" Er unterbrach sich selbst und fuhr sich offenbar völlig überfordert mit der ganzen Situation durch die roten Haare, die sich ohnehin schon als einziges großes Durcheinander auf seinem Kopf türmten. „Ist das dein Ernst?"
Verzweifelt sah ich ihn an. „Ich wollte doch nicht, dass so etwas passiert!"
„Du bist echt so scheiße egoistisch, Finnley, weißt du das eigentlich?", rief er. „Ich habe dir so oft gesagt, was ich für dich fühle, und du hast nichts besseres zu tun, als mich immer wieder abzuweisen, obwohl du ganz genau dasselbe empfindest? Warum konntest du nicht einfach zugeben, dass es so ist?"
„Weil ich das alles so überhaupt nicht wollte!", erwiderte ich.
„Und was genau erwartest du jetzt von mir zu hören?", fragte George. „Dass wir zu weit gegangen sind? Dass wir zu viel zugelassen haben? Denn dann kannst du nur für dich selbst sprechen."
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch in einem letzten verzweifelten Versuch machte er einen großen Schritt auf mich zu, umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und presste seine Lippen auf meine.
Der erste Kuss war grob und fordernd und vollgepackt mit angestauten Gefühlen und einem Verlangen, das ich noch nie zuvor verspürt hatte. An diesem Kuss war rein gar nichts Sanftes. Ich spürte die kalten Steine der Wan in meinem Rücken, während er mich rücksichtslos dagegen drückte.
Jeder Gedanke in meinem Kopf explodierte in einem einzigen, gleißend pochenden Weiß und mein Herz flatterte wie wild in meiner Brust.
Als wir uns wieder voneinander lösten, waren wir beide außer Atem.
Mit geweiteten Augen starrte ich zu ihm empor. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm eine zu scheuern. Doch dann tat ich etwas, mit dem wohl keiner von uns beiden gerechnet hatte.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, packte ihn am Kragen seines weißen Hemdes und verband unsere Münder erneut miteinander.
Der zweite Kuss war weniger rau, doch genauso verzweifelt wie der erste.
Das dunkle Verlangen in meinem Inneren steigerte sich zunehmend, doch dann meldete sich eine kleine närrische Stimme in meinem Kopf zu Wort und jegliche Zweifel, die sich wenige Sekunden zuvor erst verflüchtigt hatten, tauchten prompt wieder auf. Ich versuchte ihn von mir zu stoßen.
„Nein", keuchte er jedoch und brachte meine Lippen wieder zurück zu seinen.
Ich schob meine Hände unter seine Jacke, um ihn näher an mich zu drücken. Das leise Stöhnen, das aus seiner Kehle schlüpfte, war wie ein kleines, flehendes Geräusch, das jeden Zentimeter meiner Haut in Brand steckte.
Ich bekam eine Gänsehaut.
Er packte mich im Nacken und küsste mich härter. Da war nichts mehr zwischen uns, nichts zwischen unsere Lippen, nicht einmal Luft.
Dann hörte er so plötzlich auf, dass mir ein enttäuschter Laut entfuhr.
„Bist du sicher, dass das okay für dich ist?", flüsterte er ganz nah an meinem Mund.
Ich schob meine letzten Bedenken beiseite und nickte hastig, schlang meine Arme noch fester um seinen Hals und murmelte mit heiserer Stimme: „Ich will dich. Nur dich. Ohne Kompromisse." Ich schluckte schwer und hob die Lider. „Brich mein Herz oder lass mich deins brechen."
Er leckte sich über die Lippen und küsste mich erneut. „Du kannst mich jetzt nicht mehr von dir wegstoßen", hauchte er dann und sah mich beinahe verzweifelt an. „Ich weiß nämlich nicht, wie lange ich es noch aushalte, mich von dir fernzuhalten."
Ich fuhr mit den Fingerspitzen seine Konturen nach, seine scharfen Kieferknochen, die Adern an seinem Hals, rann meine Hände durch seine feuerroten Haare. Zufrieden stellte ich fest, dass meine Berührungen einen Schauer über seinen Rücken jagten. „Ich bin dein", wisperte ich und sein Adamsapfel hüpfte aufgeregt auf und ab. „Hundertmal wieder, bin ich dein."
Er starrte mich an und seine Augen weiteten sich, als ich mich auf die Zehenspitzen stellte und sein Gesicht wieder zu mir herunter zog.
„'n Abend."
Wir schreckten auseinander.
Freds selbstgefälliges Grinsen erstreckte sich von einem Ohr zum anderen und er schien äußerst zufrieden mit sich und der Welt. Den Wandteppich hatte er rücksichtslos zur Seite gewischt.
Angelina stand neben ihm auf der Schwelle. Gut gelaunt sah sie uns an.
„Wir haben uns schon gefragt, wo ihr abgeblieben seid", kommentierte Fred und lehnte sich mit lässig vor der Brust verschränkten Armen gegen den steinernen Rahmen.
„Wir wollten euch nicht stören—", sagte Angelina, doch Fred fiel ihr kopfschüttelnd ins Wort.
„Natürlich wollten wir das", sagte er entrüstet und stieß seiner Freundin mit dem Ellenbogen in die Seite. Dann wandte er sich wieder George und mir zu und zwinkerte: „Freut mich, dass ihr es endlich hingekriegt habt."
Meine Wangen färbten sich prompt scharlachrot. „Kann euch doch egal sein", murmelte ich und Fred zog spöttisch die Augenbrauen hoch.
„Ist es aber nich", erwiderte er und ein keckes kleines Schmunzeln saß in seinem Mundwinkel. „Dir ist anscheinend nicht bewusst, wie lange wir schon auf diesen Augenblick warten. Außerdem haben Angie und ich schon seit Anfang des Schuljahres 'ne Wette laufen, was euch zwei betrifft", teilte Fred uns vielsagend mit.
„Wer den ersten Schritt macht und so weiter", sagte Angelina und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
George und ich tauschten Blicke.
„Ich hab deine Selbstbeherrschung unterschätzt, Alter", sagte Fred und schlug seinem Bruder mit dem Handrücken gegen die Brust. „Ich hab auf dich gesetzt."
„Vielen Dank auch", murmelte George und kratzte sich mit hochroten Wangen am Hinterkopf. „Aber an meiner Selbstbeherrschung hat's nicht gelegen. Wenn's nach mir gegangen wäre, hättest du die Wette längst gewonnen." Er zuckte locker mit den Schultern, bevor er seinen Blick auf mich richtete und mit Nachdruck sagte: „Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Finnley sich einfach nicht von mir küssen lassen wollte."
Ich legte den Kopf schief und lächelte ihn falsch an. „Ja, dann frag dich mal, wieso", ärgerte ich ihn, doch dem Ausdruck in seinem Gesicht nach zu schließen, erkannte er, dass meine Worte nicht ernst gemeint waren.
Das Lächeln auf seinen Lippen war ein glückliches und der Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch stob auseinander und hinterließ ein Kribbeln auf meiner Haut.
Angelina machte einen Schritt nach vorn, griff nach meinem Arm und zog mich mit sich. „Du musst mir alles darüber erzählen", sagte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht und hakte sich bei mir unter. „Hey, stimmt es eigentlich, dass der erstgeborene Zwilling immer der dominantere von beiden ist?"
Überrascht blinzelte ich sie an. „Würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, George war auch ziemlich...bestimmend gerade." Ich warf ihm einen letzten, belustigten Blick über die Schulter hinweg zu, doch er zuckte nur grinsend mit den Achseln und seine Augen leuchteten dabei.
Und während ich mich windete und versuchte, Angelinas unerbittlichen Fingern zu entkommen, kam ich zu mehreren Schlussfolgerungen.
Erstens, das war gerade der beste Kuss meines Lebens gewesen.
Zweitens, ich wollte nicht, dass diese Sache zwischen George und mir jemals endete.
Und drittens, ich war gerade dabei, mich Hals über Kopf in ihn zu verlieben. Und das machte mir eine Heidenangst. Nicht, weil die Liebe ein im wesentlichen beängstigender Aspekt des Lebens war, sondern weil ich wusste, dass er mich brechen konnte, wenn er es wollte. Er konnte mich zerreißen, in eine Millionen kleine Stücke, als wäre ich nichts weiter als Glas. Und das schlimmste daran war, dass ich ihn lassen würde.
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author's note.
Na? Was hab ich euch gesagt? War das gerade eine verdammt tolle Kussszene oder etwa nicht? Ich liebe dieses Kapitel mit JEDER FASER MEINES KÖRPERS und ich hoffe, ihr auch. ❤️❤️
Es ist wirklich mit Abstand mein absolutes Lieblingskapitel, ABSOLUT. Ich könnte gerade nicht glücklicher darüber sein, dass die beiden es endlich geschafft haben.
Wie, glaubt ihr, geht es jetzt weiter?
Das obige Lied ist übrigens, wie ich mir Kitras und Georges Beziehung von Zeit zu Zeit vorstelle.
Alles alles Liebe und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren! Es macht so Spaß, eure Gedanken dazu zu lesen!
Liebe geht raus, xoxo Alina ❤️
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